09 - Anpanman

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Intro: kurz vorweg, dieses Kapitel möchte ich einigen, besonderen Menschen widmen, die mich jeden Tag aufs neue inspirieren und motivieren :D
xxFlasher2Nightxx
Yoonmin_Minsung
Leni127
Tigi-since-19

Danke euch und vielen dank natürlich auch an alle anderen lieben Leser ♡
*sentimental ist*
Viel Spaß:D

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Stal·king  /ˈstɔːkɪŋ/
Das beabsichtigte und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, so dass dessen Sicherheit bedroht und er in seiner Lebensgestaltung schwerwiegend beeinträchtigt wird.

Ob es schon an Stalking grenzte, dass er jeden Tag auf Neue zu diesem Ort kam und den jungen Mann beobachtete? Nein, immerhin hatte er ihn definitiv nicht in seiner Sicherheit bedroht. Er kam nur her und sah ihn sich verwundert an, wie er jeden Tag aufs neue den armen Menschen in Lumpen gehüllt etwas Nahrung vorbeibrachte und sich dabei fragte, wo er es hernahm, da er nicht weniger ärmlich angezogen war.

Ob es nun nur Tarnung war, um den anderen nicht das Gefühl zu vermitteln, minderwertig zu sein, oder ob er tatsächlich keine andere Kleidung besaß, wusste er nicht. So oder so bewunderte er ihn dafür, so aufopferungsvoll und hilfsbereit seinen Mitmenschen gegenüber zu treten.

Vielleicht lag es daran, dass es auf Weihnachten zuging, doch sein Herz wurde dabei so sehr erwärmt, wie es keiner warmer Tee zur Winterzeit jemals vermocht hätte.

Er ging die, ehemals mit Schnee bedeckte, Straße entlang, die durch den Schmutz der Stadt vieles ihrer Schönheit einbußen musste, als er vor dem schäbigen, alten und heruntergekommenen Gebäude zum stehen kam.

Taehyung lauschte den armen Männern, die weitaus älter waren, als der Junge und hörte ihren Worten gebannt zu. 

"Da! Der Anpanman ist wieder da!"

Verwundert blickte er zu dem jungen Mann rüber, der mit zwei vollbeladenen Einkaufstaschen auf sie zukam. Er kannte Anpanman. Zu bekannt war die kleine Figur, deren Körper aus Brot geformt war und den hungernden Menschen etwas von seinem Leib schenkte, um ihr Überleben zu sichern. Jetzt, wo er darüber nachdachte, wies dieser junge wirklich Ähnlichkeit zu der fiktiven Gestalt in seinem Verhalten auf.

Es war nicht weniger eindrucksvoll, wenn er das wenige Essen den anderen schenkte, obwohl er so schmächtig aussah, dass er es selbst hätte gebrauchen können, auch wenn er sich dafür gewiss keine Körperteile abtrennen musste.

Vorsichtig ging er zu einem der älteren Männer herüber, der gerade etwas Obst und Nüsse erhalten hatte und sprach ihn zögerlich an. Es war ihm unangenehm in seiner Markenkleidung vor ihn zu stehen, zu wohlhabend, um das Leid der Armen nachvollziehen zu können. Ein unangenehmes, schweres Gefühl, das man wohl am ehesten als Schuldgefühl bezeichnen konnte, breitete sich in seinem Inneren aus, als er realisierte, wie egoistisch und blind er doch war, nichts von seinem Wohlstand an die Menschen abzugeben, die es wesentlich dringender gebraucht hätten als er.

Es war nicht gerecht verteilt und er wusste, das es purer Zufall war, dass er in eine Familie rein geboren war, die genug Geld vorweisen konnte, problemlos über die Runden zu kommen und verschwenderisch das Geld in unnötigen Luxus zu stecken.
Dieser Junge, er schätze ihn etwas jünger ein, als sich selbst, bewies, dass es nicht am Alter lag, sich um das Wohlergehen anderer zu sorgen.

"Entschuldigen Sie bitte, aber wer ist dieser junge Mann?", fragte er schüchtern und erntete von dem leicht ergrauten Mann einen fragenden Blick, ehe er zu verstehen schien. " Du meinst den Jungen da? Ich kenne den nur unter seinem Spitznamen Anpanman. Ich glaube, keiner weiß, wie er wirklich heißt oder wer er ist.", erklärte er freundlich, doch der missbilligend Blick blieb dem eingeschüchterten Jungen nicht verborgen.
"Vielen Dank.", sagte er freundlich und unterstrich seine Worte mit einer höflichen Verbeugung.

Schnell machte Taehyung kehrt, jedoch nicht ohne dem gutherzige Jungen nochmal einen heimlichen Blick zu zuwerfen.

Es war bereits einige Tage vergangen, seit Taehyung das letzte Mal den Anpanman aufsuchte, um seine guten Taten zu beobachten. Er verbrachte nun fast jede freie Minute damit, zu überlegen oder mit seinen Eltern zu diskutieren, was sie tun könnten, um den armen etwas von ihrem Reichtum abzugeben. Seine Eltern hatte es erst für einen einmaligen Spontaneinfall gehalten, doch bald verstanden sie, dass es ihrem Sohn wirklich wichtig war.

Also saßen sie nach dem Abendessen mal wieder zusammen, um sich Gedanken zu machen. Seine Eltern hatten ihn den Vorschlag gemacht, etwas Geld zu spenden, was Taehyung an sich für eine gute Idee hielt, doch irgendwie reichte es ihm noch nicht. Es war einfach noch nicht das, was er wollte.

Trotzdem ging er am nächsten Tag zu der schäbigen Unterkunft, in seiner Tasche einen Scheck mit dem Geld, welches seine Eltern ohne Probleme hatten entbehren können und stand nervös vor der älteren Dame, die dies alles zu managen schien.

Die alte Dame war aus dem Staunen nicht mehr raus gekommen, als sie den Betrag gesehen hatte, der auf dem wertvollen Papier geschrieben stand.
"V-vielen Dank! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. So eine große Spende hatten wir lange nicht mehr!", stammelte sie, den Tränen nahe.
Taehyung konnte nichts weiter tun, als sie freundlich anzulächeln, da er wirklich etwas stolz darauf war und doch mache es ihn auf der anderen Seite traurig zu hören, das so wenig Menschen etwas von ihrem zu vielen Geld abgaben.

"Ich hab mich schon gefragt, wann du wieder kommst.", hörte er eine liebliche Stimme hinter sich, die trotz ihres eher femininen Klang sofort erkennen ließ, dass es sich dabei um einen Jungen hielt.
"Ä..ähm...Ich.. ", versuchte Taehyung, der sich über die plötzliche Erscheinung erschrocken hatte, sich zu rechtfertigen, als er erkannte dass es sich dabei um den Jungen handelte, den er so häufig heimlich beobachtet hatte.
"Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen!", brachte er lachend hervor und sorgte dafür, dass sich auf Taehyungs Gesicht eine verlegende Röte abzeichnete. Er war unfähig zu antworten. Was hätte er auch sagen sollen?

"Jetzt schau nicht so. Ich bin dir nicht böse, dass du mich so häufig beobachtet hast.", erklärte er, was Taehyungs Gesicht noch mehr erhitzen ließ. Er hatte ihn also die ganze Zeit über bemerkt?
"Ich...also... Es tut mir leid!", brachte er schließlich hervor, während er sich vor dem Jüngeren tief verbeugte.
"Ich bin es gewohnt. Macht dir keinen Kopf. Ich kenne das.", erklärte er seine lockere Art damit umzugehen.

"Ich wollte dich nicht so oft anstarren aber... aber ich finde es einfach so wahnsinnig toll, was du alles tust!"
"Auch das ist nichts neues für mich.", lächelte der Junge, der nur unter dem Namen Anpanman bekannt war, freundlich, ehe er seine Hand nach dem Fremden vor sich ausstreckte.
"Ich heiße übrigens Jungkook. Sei denn du möchtest mich, so wie die anderen auch, Anpanman nennen."

Taehyung starrte die ausgestreckte Hand vor sich ungläubig an, weil er einfach nicht begreifen konnte, wie er so offen und aufgeschlossen sein konnte, wo er ihn so oft heimlich beobachtet hatte. Seltsam war es schon, trotzdem konnte er nicht verbergen, wie sehr er sich darüber freute.

"Taehyung. Freut mich, dich kennen zu lernen, Jungkook.", sprach er leise und zögerlich aus. Er legte seine Hand in die des Jüngeren und dabei fiel ihm auf, wie rissig und trocken sie doch waren. Aber wen wunderte es auch, wo er doch Tag für Tag hier draußen in der Kälte hockte, um anderen zu helfen, obwohl er gar nicht die richtige Kleidung dafür besaß, geschweige denn Geld für irgendwelche Pflegeprodukte dieser Art.

Jungkook schien aufzufallen, dass sein Gegenüber seine Hände kurzzeitig verwundert anstarrte, weshalb er sie umgehend beschämt zurück zog. "Entschuldige."

Wenn Jungkook es recht betrachtete, grenzte es an ein Wunder, dass dieser gut aussehende, junge Mann überhaupt mit ihm gesprochen hatte und ihm fiel nichts besseres ein, als ihm seine, von der Arbeit schmutzigen und rissigen Hände entgegen zu strecken. Ganz plötzlich ergriff ihn die Scham über sein lumpiges Aussehen, wodurch er ein Stück zurück wich.

"Entschuldige dich doch nicht.", sagte Taehyung peinlich berührt, wohlwissend, dass Jungkook sich anscheinend für sein Aussehen schämte.

"Jungkook!", rief die alte Dame, der Taehyung zuvor den Scheck gegeben hatte, und die anscheinend alle Hände voll zu tun hatte und wirklich auf die Hilfe von Jungkook angewiesen war, in die unangenehme Situation der beiden hinein.

"Entschuldige mich, die Pflicht ruft. War schön, dich kennen zu lernen.", entwich es dem Jungen eilig. Er war bereits dabei, den Rückweg anzutreten, als Taehyung ihn zum nochmaligen Stehen überredete.
"Jungkook, warte. Kann ich... darf ich dir vielleicht irgendwie helfen?"

Es war eine komische erste Begegnung, die gezeichnet war von peinlicher Stille und dem Versuch, den anderen nicht in seiner Andersartigkeit zu verletzen.
Und doch sorgte sie dafür, dass sie sich nun regelmäßig an der schäbigen Unterkunft trafen. Taehyung hatte von Jungkook einiges gelehrt bekommen und mittlerweile war er dem Jüngeren sogar eine Hilfe.

Der Abend war angebrochen und die Dunkelheit hatte sich schon längst über die Stadt gelegt, als Jungkook sich für Taehyungs Hilfe bedankte und sich, wie jeden Abend, verabschieden wollte. Doch diesmal hinderte Taehyung ihn daran, dass ihre Wege sich schon wieder trennten.

"Ähm, magst du vielleicht nicht noch was essen gehen oder so? Ich würde mich gerne noch etwas mit dir unterhalten. Außerdem siehst du so aus, als hättest du auch länger nichts Vernünftiges mehr gegessen."
"Das ist wirklich sehr freundlich, aber ich muss die Einladung leider dankend ablehnen.", sagte er höflich. Taehyung war, als würde er noch etwas hinzufügen wollen, doch er verstummte und biss sich stattdessen auf die Unterlippe, eine Angewohnheit von ihm, wenn er nervös wurde, wie Taehyung schnell festgestellt hatte.

"Wenn es ist, weil du kein Geld hast, dann mach dir darum keine Gedanken. Ich lade dich ein.", versuchte er ihn nochmals zu überzeugen, doch wieder lehnte Jungkook ab. "Danke, aber das kann ich nicht annehmen."

Doch so schnell ließ Taehyung sich nicht abbringen, er hatte bereits einen neuen Plan. "Okay letzter Vorschlag zur Güte. Ich gehe mir etwas zu essen holen und bestelle aus versehen zu viel und dann musst du mir helfen, das auf zu essen, weil ich es sonst alles wegschmeiße."

Ein siegessicheres Grinsen machte sich auf Taehyungs Gesicht breit und ließ sogar Jungkook schmunzeln. "Ich werde dich davon nicht abbringen können, oder?"
"Nein. Nur wenn du wirklich nicht willst, weil du mich nicht ausstehen kannst und dich deswegen nicht weiter mit mir unterhalten möchtest."

Als Jungkook lächelnd seufzte, wusste Taehyung, dass er ihn bereits überredet hatte. "Möchtest du aussuchen?", hakte er nach, ohne noch irgendeinen Zuspruch von seinem Gegenüber abzuwarten.
"Nein." "Ok, dann weiß ich schon, wohin wir essen gehen.", grinste Taehyung, doch als er Jungkooks ermahnenden Blick sah, korrigierte er sich eilig: "Ich meine, wohin ich essen gehe und dir nur den Rest abgebe, der aus versehen zu viel bestellt wurde."

Jungkook konnte einfach nicht anders, als über das Verhalten des Älteren zu lachen. Er wirkte so unbeholfen, was manche Dinge anging und doch war er ein äußerst selbstbewusster junger Mann, der sich, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, von nichts abbringen ließ, den Plan in die Tat umzusetzen.

So gingen sie einige, schweigsame Minuten durch die dunklen, von Laternen schwach beleuchteten Straßen. Es war der Ältere der beiden, der die Stille zwischen ihnen nicht mehr zu ertragen schien.
"Darf ich dich etwas fragen, Jungkook?"
"Natürlich, was denn?"
"Wie kommt es, dass du das alles tust? Also ich meine... also.." Taehyung wusste nicht, wie er es formulieren sollte, ohne die Gefühle des gutherzige Jungen zu verletzen.
"Du meinst, weil ich selbst ein armer Schlucker bin...?", vervollständigte Jungkook lachend den Satz, den Taehyung nicht geschafft hatte, über seine Lippen zu bringen.

Dieser senkte seinen Blick, als er hörte, wie herablassend er über sich selbst gesprochen hatte.
"Jetzt schau nicht so. Ich weiß doch selbst, wie meine Situation ist. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum ich das mache. Ich weiß halt, was es heißt zu hungern."

Obwohl Taehyung sich Jungkooks Situation durchaus bewusst war, trafen ihn diese Worte schwerer, als er gedacht hätte. Er mochte Jungkook, diesen armen Jungen, der tagelang in der selben Kleidung rumlief, der rissige Hände hatte und dessen Figur bei einem selbst schon Hunger entstehen ließ. Er hatte noch nie einen Menschen getroffen der so selbstlos handelte und der der Gesellschaft mehr von Nutzen war, als so manche Erwachsene.

Taehyung erfuhr während des bedrückenden Gespräches, dass Jungkook eine drogenabhängige Mutter hatte, die sich vor Jahren schon ihren Körper so sehr zerstört hatte, dass Jungkook im zarten Alter von 9 Jahren zu einem Waisenkind wurde. Er hatte bis vor einem Jahr, also vor Vollendung seines Achtzehnten Lebenjahres, im Waisenhaus gelebt. Doch leider waren die Waisenhäuser selbst von solcher Armut betroffen, dass es ihnen nicht möglich war, Jungkook weiter dort wohnen zu lassen. Natürlich hatte er nicht genug Geld aufbringen können, eine Wohnung zu mieten, weswegen er manchmal einfach auf der Straße schlief und manchmal, wenn er einen guten Tag hatte, in einer kostenlosen Unterkunft für Obdachtlose nächtigen durfte. Tagsüber arbeitete er bei einem älteren Mann, der ihm immerhin etwas Geld gab für die Arbeiten auf dem Hof, doch dieses Geld nutze er, um Lebensmittel für die Anderen zu kaufen. Für sich selbst holte er nur selten etwas gescheites zu essen, sondern aß das, was am Ende des Tages übrig blieb. Wenn etwas übrig blieb.

"Wir sind da.", sprach Taehyung kleinlaut, als sie vor einem kleinen Cafe ankamen.
"Taehyung, ich möchte dich ungerne enttäuschen, aber ich befürchte das ist nur ein Cafe. Und dazu schon geschlossen."
"Das glaubst du. Komm mit!", rief er aus, ehe er Jungkook an der Hand nahm und ihn hinter sich her zog und vor dem Hintereingang stehen blieb.

Wie Jungkook feststellen musste, kannte Taehyung die Ladenbesitzer persönlich. In kürzester Zeit war der Tisch, an dem sie sich gesetzt hatten, nachdem Taehyung Jungkook vorgestellt und erklärt hatte, woher er die Besitzer kannte, reichlich mit den verschiedensten Speisen gedeckt.
Seine Augen musterten das viele Essen, ohne dass er sich traute, davon etwas zu nehmen.

"Ich sag doch, dass ich das alleine niemals aufgegessen kriege. Greif zu!", sprach er enthusiastisch, doch der Blick des Jüngeren war weniger gezeugt von Freude, als mehr von Traurigkeit.
"Jungkook, ich möchte, dass du jetzt einmal nicht an die ganzen anderen Menschen denkst, sondern einfach mal genießt. Das ist deine Belohnung dafür, dass du so oft zum Wohle Anderer verzichtest."

Taehyungs Worte brauchten einige Zeit, bis Jungkook sie akzeptieren konnte, doch dann, als er das köstliche Essen einmal gekostet hatte, konnte er gar nicht mehr aufhören.

"Nachtisch gefällig?", lachte Taehyung, der ihm einen Teller mit Schokoladencookies unter die Nase hielt. "Sind das Cookies?" "Japp." "Ich kriege eigentlich nichts mehr runter. Aber ich habe so laget keine mehr gegessen!", gestand Jungkook sich, voller Vorfreude auf den Geschmack des zartes Gebäck, ein.
"Kookie liebt Cookies.", platzte es lauthals aus Taehyung heraus, der über seinen eigenen Wortwitz so lachen musste, dass Jungkook ihn nur verwirrt ansehen konnte.
"Kookie?!" "Ja! Das ist jetzt mein neuer Spitzname für dich! Jungkook. Kook. Kookie.", erläuterte er, noch immer lachend. "Hab's verstanden.", schmollte er gespielt beleidigt, dennoch konnte auch er sich das Grinsen nicht verkneifen. So schlecht fand er den Namen Kookie gar nicht.

"Mein Bauch tut so weh!", jammerte Jungkook nach einiger Zeit lachend, als sie auch den letzten Bissen vernichtet hatten. Er war es nicht gewohnt, so viel zu essen und das rächte sich nun.
Taehyung genoss es, den Jüngeren anzusehen, während er das erste Mal wirklich aufrichtig lachte.

"Jungkook, ich will dir helfen. Bitte. Meine Familie hat mehr als genug Geld. Du könntest bei uns wohnen. Du könntest dir eine ordentliche Arbeit suchen. Du müsstest nicht länger hungern oder auf der Straße schlafen.", sagte er ernst, woraufhin Jungkooks Lachen sofort starb. Nein. Er hatte nicht das Recht dazu, dieses, wirklich verführerische, Angebot anzunehmen.

Jungkook wusste sich nicht zu helfen, noch nie hatte er ein solches Angebot bekommen, noch nie hatte er die Möglichkeit gehabt, aus seiner Situation raus zu kommen. Völlig überfordert sprang er auf, verbeugte sich mehrfach für die Einladung, ehe er fluchtartig das Cafe durch die selbe Tür verließ, durch die er rein gekommen war.

Taehyung blieb allein zurück.

Am nächsten Tag suchte er den Jüngeren auf, doch er ließ ihn, wie auch die ganzen darauf folgenden Tage, links liegen.
Es war bereits kurz vor Weihnachten genau genommen der 22. Dezember. Doch Taehyung konnte sich ohne diesen Jungen einfach nicht mehr über das, sonst so freudige Fest, freuen.

Er erinnerte sich daran, wie er ein Mal mit Jungkook darüber gesprochen hatte, was er sich zu Weihnachten wünschte. Erst sagte er, dass es nichts gäbe, was er sich wünschen würde. Doch nachdem Taehyung immer weiter nachgebohrt hatte, gab Jungkook seinen sehnlichsten Wunsch doch Preis.

Es waren Nachwirkungen seiner eigenen Kindheit gewesen, was Taehyung doch erst jetzt, da er nun wusste, dass Jungkook selbst ein Waisenkind gewesen war, auffiel.
Jetzt machte es noch viel mehr Sinn, dass Jungkook sich gewünscht hatte, an Weihnachten in die Waisenhäuser zu gehen und dort Geschenke zu verteilen.
Wahrscheinlich hatten die ärmlichen Sozialeinrichtungen nie das nötige Kleingeld gehabt, um den Kindern ihre Wünsche zu erfüllen.

Jetzt wusste er es. Das war die Lösung, nach der er die ganzen letzten Tage gesucht hatte! Mit der er sowohl Jungkook vielleicht wieder dazu brachte, mit ihm zu sprechen, als auch diese elendige Leere, die durch sein schlechtes Gewissen hervorgerufen wurde, endlich zu füllen.

Sofort sprang er aus dem Bett, in der er die letzten Tage definitiv zu viel Zeit verbracht hatte, und rannte die Treppen des großen Hauses herunter. Er verabschiedete sich nur im Vorbeirennen bei seinen Eltern, die das seltsame Verhalten ihres Sohnes in letzter Zeit nur mit einem Schulterzucken hinnahmen.

Es war Heiligabend und heute hatte Jungkook noch etwas besonderes vor.
Er hatte gerade das letzte Essen ausgeteilt, als sein Blick auf die Uhr ging.
Wenn er sich beeilte, würde er es vielleicht noch rechtzeitig in die Einrichtung schaffen, bevor alle zu Bett gehen mussten. 

Schnellen Schrittes lief er über die überfüllten Straßen, seine Lunge schmerzte bereits, da sie die Anstrengung, gepaart mit der Kälte gar nicht gut hieß. Doch das stellte er hinten an, er würde schon nicht davon sterben, wenn er einfach weiter rannte.

Kurz nach sechs Uhr kam er endlich an dem alten Schulgebäude an, dessen Renovierung schon einige Jahrzehnte her war. Auf dem Schild, dass unfachmännisch über dem Eingang des Gebäudes angebracht war, standen die Worte, die ihm das erste, aufrichtige Lächeln seit Tagen entlockte.

Tante SungJins* Waisenhaus

Er benötigte einen Moment, das Gefühl in sich zu ordnen, das sich in ihm ausbreitete, bevor er das Gebäude betrat und nach der alten Dame SungJin suchte. Sie hatte wirklich Ähnlichkeit, mit der älteren Frau, mit der er zur Zeit zusammen arbeitete, wenn er das Essen austeilte. Es war also kein Wunder gewesen, dass er sich damals direkt gut mit ihr verstanden hatte und gemeinsam mit ihr das alte Gebäude mit neuem Leben füllte, um den armen Menschen im Umkreis wenigstens etwas Nahrung und warme Getränke zu ermöglichen.

"Tante SungJin!", rief er freudig aus, als er sie endlich inmitten der Kinder erblickte. Er hatte sie damals gefragt, wieso sie sich eigentlich Tante nannte, wo sie doch eher ein Muttersatz war. Er erinnerte sich noch genau an ihre Worte: "Und genau das ist der springende Punkt, mein Junge. Ich kann niemals eure Mutter ersetzen, denn ihr alle habt eine gehabt, egal auf welchem Weg sie euch verlassen hat. Aber ich möchte dennoch eine Familie für euch sein. Die Schwester euer Mutter. Deswegen Tante."

Er hatte es damals nicht wirklich verstanden, immerhin war er noch sehr jung gewesen, doch mittlerweile rechnete er es der gütigen Frau hoch an.
"Mein Gott! Jungkook, du bist es wirklich!", sagte sie so voller Freude, dass sich kleine Tränen in ihren Augen ansammelten. Es war ihr damals schwer gefallen, ihn einfach gehen zu lassen, doch es gab Kinder, kleine Kinder, die ihre Hilfe mehr benötigten.
"Ich freu mich so, dass du gekommen bist! Du kommst gerade Rechtzeitig."
"Wozu rechtzeitig?"
"Zur Bescherung."
Tante SungJin schaute einen Moment in das verwirrte Gesicht ihres ehemaligen Schützlings. Er hatte noch nie erlebt, dass es in dem Waisenhaus eine Bescherung gab.

"Ich kann es selbst kaum glauben, Jungkook. Aber da kam vor zwei Tagen ein junger Mann und hat nach den Wunschzetteln der Kinder gefragt. Ich wusste erst nicht, was das sollte. Aber dann kam er heute wieder, drei riesige Taschen hatte er dabei." Die ältere Frau hielt sich vor Rührung die Stelle an oder Brust, an der ihr Herz verborgen lag.
"Tante SungJin, das ist großartig!", sagte er freudig, als er verstanden hatte, was sie erzählt hatte. "Aber was ist das für ein Mann?"

Schon immer hatte er Weihnachten gehasst. Nicht weil er selbst keine Geschenke bekam, sondern weil er jedes Jahr die leuchtenden Augen der kleineren Kinder sehen musste, die sich enttäuscht darüber, dass sie keine Geschenke bekamen, mit Tränen füllten. Wie oft hatte er die Frage gehört, was sie getan hatten, dass der Weihnachtsmann sie vergaß oder ob sie es einfach nicht verdient hatten.

Und jedes Jahr war es zu seinem Ritual geworden, weinend im Bett zu liegen und die traurigen Blicke der kleinen nicht vergessen zu können.

Die emotionale ältere Frau folgte Jungkook in den großen Saal, in dem sich die Kinder versammelt hatten.
Sogar eine richtige, echte Tanne stand dort und war geschmückt mit den schönsten Bastelarbeiten der Kinder.

"Ähm. Choi. Ist hier ein Mädchen namens Choi?", hörte er eine tiefere Stimme, die ihm aus einem unerklärlichen Grund bekannt vorkam, doch da er die halbe Stadt kannte, war es nichts außergewöhnliches. Erst dann erblickte er einen Mann, der dort im Weihnachtsmannkostüm unter dem Baum saß, Geschenke über Geschenke lagen neben ihm und jedes Einzelne war liebevoll verpackt worden. Leider war seine Sicht durch die vielen Kinder eingeschränkt, doch es reichte, um dem freudigen Anlass zu folgen.

"Ja! Hier!", rief ein aufgeregtes Mädchen, das aus einer der hinteren Reihen zu der großen Tanne eilte und mehrfach vor Aufregung in die Luft sprang. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, doch diesmal sah Jungkook das erste Mal Tränen aus Freude und nicht aus Enttäuschung.

Der Mann im Weihnachtsmannkostüm überreichte das Päckchen dem Mädchen, das er die ganze Zeit über in der Hand gehalten hatte. Jungkook konnte den Blick einfach nicht von der kleinen Choi abwenden, als sie das Papier aufriss und damit eine Puppe zum Vorschein kam.
"Es ist wirklich eine Puppe!", rief sie weinend, ehe sie dem Mann in die Arme fiel. Er erwiderte die Umarmung liebevoll, zumindest konnte Jungkook das durch die eingeschränkte Sicht vermuten, ehe er das kleine Mädchen wieder frei ließ und das nächste Päckchen in die Hand nahm.

"Jungkook. Ist hier ein Junge Namens Jungkook?", hörte er wieder die Stimme und nun, da sie seinen Namen gesagt hatte, wusste er auch endlich, zu wem die Stimme gehörte.

Tante SungJin stupste den verwirrten, aufgewühlten und hochgradig emotionalen Jungen an, wodurch er sich endlich in Bewegung setzte und nach vorne zu der großen Tanne schritt. Und tatsächlich hatte er sich nicht geirrt.

Unter dem Baum saß Taehyung mit einem breiten Grinsen im Gesicht und mit einem kleinen Päckchen in der Hand.
Jungkooks Kehle wurde augenblicklich staubtrocken und seine Beine machten die ersten Anstalten, zu versagen. Doch endlich kam er unbeschadet an dem verkleideten Weihnachtsmann an.
"Ist dein Name Jungkook?", fragte Taehyung unschuldig, als würde er nicht wissen, wer da vor ihm stand, ehe er aufstand, um mit dem Jüngeren auf Augenhöhe zu sein.

"N...Nein. Nein, mein Name ist Kookie.", brachte er stammelnd hervor und er konnte schwören, dass er noch nie in seinem Leben so dermaßen aufgeregt war. Wegen allem. Dem ersten Weihnachtsgeschenk seit seiner frühsten Kindheit, den vielen glücklichen Kindern um sich herum, wegen der riesigen Tanne, die schöner war, als alles, was er bis jetzt gesehen hatte. Und wegen Taehyung.

"Hallo Kookie.", sagte Taehyung leise, fast unsicher, als er ihm das Geschenk überreichte. "Es ist für dich. Du darfst es gerne auspacken."
"Aber... Wie hast du das alles...?", fing er an seine Frage zu formulieren, doch endete abrupt. "Ich dachte mir, dass es Zeit wird, dass dein größter Wunsch zu Weihnachten endlich in Erfüllung geht."

Völlig überwältigt von Taehyungs Idee, seinen Wunsch an Jungkooks Stelle zu erfüllen, nahm er zitternd das Paket entgegen. Er traute sich einfach nicht, es auszupacken, doch Taehyung ließ mal wieder keine Ruhe. Da war er wieder. Dieser verbissene Sturkopf, der alles daran tat, dass sein Plan aufging.

Andächtig riss er das Geschenkpapier ab und starrte in die Box, auf der, auf rotem Samt, ein kleiner silberner Schüssel lag. "Ein...Schlüssel..?" , brachte er verwirrt hervor.

"Ja, ein Schlüssel, Jungkook. Zu deinem neuen zu Hause. Bitte nimm ihn an. ", bestätigte Taehyung und jetzt endlich konnte Jungkook die Unsicherheit in dessen Augen sehen.
Ein weiteres Mal fehlten Jungkook die Worte, daher ließ er seine Tränen für sich sprechen. Und die feste, haltsuchende Umarmung, in die er den Älteren zog.

4 Jahre später

"Kookie? Kommst du?" , schallte die kräftige Stimme des Vierundzwanzigjährigen durch das Haus.
"Sofort.", kam es als Antwort von Jungkook.
"Die Kinder warten. Jetzt komm.", drängte Taehyung ein weiteres Mal. 
Kurz darauf kam Jungkook mit zwei großen, vollbeladenen Taschen die Treppen runter geeilt und stellte seine Taschen neben die von Taehyung ab. Er war in einer roten Weihnachtsmannkutte gekleidet, während Taehyung im kräftigen Grün das perfekte Gegenstück bildete und damit den kleinen Weihnachtself verkörperte. Wie jedes Jahr, seit dem Taehyung das Waisenhaus das erste Mal beschenkt hatte, gingen sie zusammen dorthin, um den Kinder den glücklichsten Tag ihres Jahres zu bereiten.

Jedes Jahr aufs Neue freute sich Jungkook in die glücklichen Augen der Kinder zu blicken, wenn sie ihr Geschenk entgegen nahmen. Und Taehyung erfreute sich jedes Jahr daran, seinem Mann, mit dem er seit mittlerweile zwei Jahren glücklich verheiratet war, so glücklich zu sehen, wie an keinem anderen Tag des Jahres.
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*soweit meine Internetrecherche Recht hat bedeutet der Name: "Vollendete Stadt"
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Wie hat's euch gefallen? 
Aus meiner ursprünglichen Idee ist ja irgendwie nichts geworden... Eigentlich sollte das ein kurzer, witziger OS werden...4249 Wörter. Emotionale Bescherung an Weihnachten... hahahaha

Nächster Versuch. XD 

Ich hoffe ihr hattet dennoch Spaß beim Lesen :D 

i purple u 

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