12 - Awake

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Teil 2 zu "I need u" :D
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Er war diesem Jungen einst schon mal begegnet, als er sich in den gleichaussehenden, weißen Wäldern verlaufen hatte und schon damals hatte ihn das klägliche Weinen angelockt und zu diesem Haus geführt...

Sein junges Herz pochte so stark in seinem zitternden Leib, dass es ihn bereits schmerzte, genau wie seine Lungen, die versucht hatten während seines Laufs möglichst viel, aber zumindest ausreichend, Sauerstoff aus der eisigen Luft zu filtrieren, als er endlich das langersehnte Holzhaus erblickt hatte, in dem seine heile, fürsorgliche Familie auf ihn wartete.

Nicht mehr lange hatte er es in dem kalten Schnee sitzend ausgehalten, als diese - Erscheinung trifft es wohl am ehesten - vor seinen Augen aufgetaucht war und ihn schmerzlich daran erinnerten, dass es alles kein Traum gewesen war, was er als Kleinkind erlebt hatte.

Die Erinnerungen daran prasselten auf ihn herab wie ein, alles mit sich reißender Tsunami, der mit seiner erhabenden Gewalt jeden noch so kleinen, rationalen Gedanken, jedes beschwichtigende Wort seiner Eltern, jedes Gefühl von Sicherheit mit sich nahm und nichts, als Verwüstung hinterließ.

Er hatte es sich nicht eingebildet, dem wimmernden Geräusch gefolgt zu sein, immer tiefer in den verschneiten Wald laufend, um es schließlich in Gestalt eines gleichaltrigen Jungen am Rande des Hauses ausfindig zu machen. Er schien überrumpelt von der plötzlichen Erscheinung des Sechsjährigen, da seine verweinten Augen ihn einige Herzschläge lang starr anblickten. Unfähig war er gewesen, sich zu rühren und sich dem überwältigtem Blick des verweinten Jungen zu entziehen, da hörte er aus der Ferne ein unheilverkündendes Grollen.
Inmitten des aufgewühlten Schnees, der tosend um ihre zierlichen Körper fegte und die Sicht zu einer Art weißen Nebel verschwimmen ließ, verschwand der Junge, dessen Blick noch immer auf ihm zu haften schien und rissen den jungen Taehyung in eine traumlose Tiefe.

Zehn Jahre war es her.

Zehn Jahre hatte er diese Begegnung für ein Hirgespinst seiner kindlichen  Phantasie gehalten, eine verzweifelte Konstruktion seiner Gedanken, die ihm in seiner Angst in Form eines kleinen Kindes Beistand leisten sollte. Doch jetzt, wo er erneut einen flüchtigen Blick erhaschen konnte, sah er die verzweifelten und nach Hilfe schreienden Augen jenes Jungen schärfer, als jemals zuvor.

Langsam, um seinem Kreislauf zumindest eine winzig, kleine Möglichkeit der Erholung zu gewähren, und seine Gedanken wenigstens kurzzeitig von dem Unbekannten zu lösen, schritt er nahezu andächtig die letzten Meter zu seinem Ziel voran.
Wie sollte er es ihnen beichten, dass er sich über jahrelangen, einprägenden Warnungen hinweggesetzt hatte und das Haus aufgesucht hatte, das verborgen hinter der weißen, malerischen Landschaft lag und dessen Dasein sicherlich kein Positives war.

"Taehyung! Oh Gott! Du lebst noch!", kam es freudig, wenn auch überrascht von seinem Freund, der vor geraumer Zeit von der schrecklich beängstigenden Szene davon gelaufen war und ihn allein zurück gelassen hatte.
Er stand zusammen mit Taehyungs Familie, das heißt mit seinen Eltern und dem älteren Bruder Seokjin, im Eingang der Holzhütte, da sie sich gerade auf den Weg machen wollten, den verschollenen Taehyung aus dem weißen Grauen zu zu befreien.

Er war noch nicht ganz bei seinen Liebsten angekommen, da zogen sie ihn in eine feste, liebevolle Umarmung, dessen Wärme ihn wie auf sanften Wiegen trugen und seine erschöpften Glieder, nun da er in Sicherheit war, das erste Mal seit Stunden entspannen konnte. Kraftlos schloss er seine Augen, zog die vertrauten Gerüche, die von den Köpern um ihn herum ausingen, genießerisch ein, doch sobald er dies tat, erschien vor seinem inneren Auge erneut die Gestalt, die ihn jetzt, da er sie erneut erblickt hatte, nie mehr los lassen würde.

"Ich glaubs nicht...", murmelte Taehyung leise vor sich her, der sich derweil mit den Anderen wieder ins Haus geschleppt hatte, auf der großen Couch inmitten des Wohnzimmers platz genommen hatte und nun mit geschlossenen Augen versuchte, das Geschehene irgendwie zu verarbeiten.
"Was..? Das du das überlebt hast?", lachte Hoseok spöttisch, ehe er seinem jüngeren Freund die Tasse mit wärmenden Kakao überreichte, den seine Mutter, teils aus Führsorge, teils aus dem kläglichen Versuch ihre Gefühle zu kompensieren, zubereitet hatte.

Er hielt den wärmenden Kakao, der den Raum mit einem herrlichen Duft von Sorglosigkeit erfüllte, fest in seinen eiskalten Händen, während er versuchte ihn durch monotones Pusten schneller auf Trinktemperatur abzukühlen. Gespannt sah er dem Schauspiel zu, wie sich die helleren mit den dunkleren Schlieren als kleine Wirbel aneinander vorbei schlängelten, ehe sie sich erneut zu der selben, homogenen, braune Masse verbanden. Sein Blick lag so fest darauf, als habe er nie etwas beruhigenderes empfunden als zu jenem Moment, in dem ihm klar wurde, dass auch bei seinem Kakao durch einem Windstoß alles durcheinander gebracht wurde.

Sein ebenfalls leicht unterkühlter Magen, immerhin war er einige Stunde in der Eisenskälte umher gelaufen, und selbst wenn sein Körper seine inneren Organe zum Schutz am längsten warm hielt, erfreute dieser sich der warmen Flüssigkeit, als er den ersten Schluck des warmen Gebräus zu sich nahm. Als wäre dies auch eine Wiederbelebung seiner kognitiven Fähigkeiten, schaffte er es schließlich auf die Frage seines besten Freundes zu antworten: "Nein! Dass du ernsthaft einfach abgehauen bist!"

Trotz dem Ernst der Lage, denn Taehyung war sich durchaus bewusst, dass es nicht unbedingt sein bester Einfall gewesen war, den verbotenen Ort seiner Kindheitserinnerungen erneut aufzusuchen, begann er zeitgleich mit Hoseok zu lachen. Auch die Tatsache, dass er ihn allein zurück gelassen hatte, konnte er seinem besten Freund, jetzt wo er wieder in den geborgenen vier Wänden der Holzhütte war, nicht verübeln. Immerhin wusste er, dass er von geringerer Neugierde ausgestattet war als er selbst. 

Das erleichterte Lachen der Freunde erfüllte nur kurzzeitig den Raum, denn als Taehyungs Mutter zu den beiden zurück kehrte, begann eine nicht enden wollende Diskussion, in der beide Seiten verbissen versuchten, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen.

"Aber du hättest ihn hören sollen! Es war das selbe weinen, dass ich schon damals gehört habe! Ich hab mir das damals nicht eingebildet!", pochte Taehyung weiterhin auf sein Recht, während er, erbost über Engstirnigkeit seiner Mutter, aufgesprungen war und seine Faust donnernd auf den Tisch geschlagen hatte. 
"Kim Taehyung! Es reicht jetzt!", erklang die, sonst so liebevoll Stimme seiner Mutter in einem ebenso starken Ton. Selten, wenn überhaupt, hatte man sie in dieser Art und Weise mit ihrem Sohn reden gehört. "Du wirst nicht einen Fuß mehr in dieses verfluchte Haus setzen! Haben wir uns verstanden!?"

"Aber ich muss diesem Jungen helfen! Versteh das doch!"

"Dieser Junge, wie du ihn nennst, ist ein Monster! Er hat mit gerade mal vier Jahren seine Eltern kaltblütig ermordet! Mit vier! Weißt du wozu er dann jetzt in der Lage ist!?"

Der Schock traf die anwesenden Jungs so tief, dass in dem Raum nicht mal mehr ihr leises Atmen zu hören war.
Wie viele Jahre hatte sich die Mutter gesträubt, die Wahrheit dieses Ortes Preis zu geben, doch jetzt waren sie an dem Punkt angelangt, an dem sie ihrem sensiblen, gutherzigen Sohn die Wahrheit nicht länger hatte vorenthalten können, wenn sie ihn  nicht verlieren wollte.

Mit keinen Worten war es zu beschreiben, wie heftig sich Taehyungs Gedanken überschlugen und wie er sich gerade fühlte.
Er konnte nicht glauben, dass dieses verzweifelte Weinen von dem selben Jungen kam, der angeblich seine Eltern umgebracht hatte.

Nein, es passte nicht zusammen!

"Das...das war bestimmt ein... ein Unfall!", stammelte Taehyung, dessen Worte längst nicht so sicher aus seinem Mund kamen, wie er es beabsichtigt hatte, doch der Schock ihrer Behauptung hatte sich auch auf seiner Stimme nieder gelassen.
"Taehyung ich werde darüber nicht mehr mit dir diskutieren! Ich habe keine Lust meinen Sohn mit gerade mal Sechzehn Jahren zu verlieren!"
"Aber Mama..."
"Nein! Das ist mein letztes Wort!"

Die bedrückte Stimmung hielt auch noch Tage, nach seinem Ausflug an, selbst vor ihrem alljährlichen, heiligen Weihnachtsabend machte sie keinen Halt. Sein einziger Lichtblick, denn seine Gedanken an diese Gestalt hatte er noch immer nicht verdrängen können, bildete sein bester Freund Hoseok.
Er kam nun täglich zu Taehyung, statt sich mit ihm an der alten Eiche zu treffen, und entpuppte sich als einziger, rettender Anker inmitten des stürmischen Meeres seiner Gefühle, in dem er drohte zu ertrinken.

Seine Mutter hatte keine Vorsichtsmaßnahme außer acht gelassen, als sie ihm Hausarrest für den gesamten, verbliebenden Aufenhalt erteilte, sodass die sonst so idyllische Holzhütte ihn vielmehr an einen Hochsicherheitstrakt erinnerte.
Nur eines hatte sie ihm nicht verwehren können: den gedankenverlorenen Blick aus dem beschlagenen Fenster, der sein trüb gewordenes Herz, mit jeder Schneeflocke, die es erblickte, mit neuer Sehnsucht erfüllte.

"Sag mal, Hobi. Findest du es nicht auch seltsam, dass es hier immer schneit zu Weihnachten?", fragte er leise an seinen besten Freund gewandt, der einfach nur machtlos dabei zusehen konnte, wie Taehyung von Tag zu Tag immer trauriger wirkte.
"Das ist nicht ungewöhnlich.", warf er in den Raum, stellte sich neben Taehyung, um seinen Blick ebenfalls über die weiße Landschaft schweifen zu lassen.
"Naja, aber ich meine, wir sind nicht so weit weg von Seoul, aber da schneit es fast nie. Hier ist es dagegen immer weiß.", argumentierte er, nachdem seine Gedanken die Frage wieder und wieder aufgeworfen hatten.
"Stimmt. Jetzt wo du's sagst."
"Was meinst du, woran das liegt?"
"Sicherlich irgendein Wetterphänomen, weil wir hier am Arsch der Welt sind."
"Glaubst du wirklich?"
"Naja, was soll es sonst sein?"

Taehyungs sehnsüchtiger Blick galt weiterhin dem fallenden Schnee, dessen magische Anziehungskraft er sich einfach nicht entsagen konnte. Hoseoks Argument schien das einzig logische, und doch stimmte ihn diese Begründung nicht zufrieden.

Sie waren auch die nächsten Tage bis Silvester dort geblieben, als sie ihre Sachen packten, um in den großstädischen Trubel zurück zu kehren und der malerischen Winterlandschaft für ein knappes Jahr den Rücken zu zu kehren.
Es war seine letzte Chance, den Ort ein noch einmal aufzusuchen, bevor ein weiteres Jahr vergehen würde.

Nach langem bitten und betteln, hatten er es mit Hoseoks Unterstützung geschafft, seine Mutter davon zu überzeugen, dass sie ein letztes Mal die alte Eiche besuchen durften. Und sicherlich hätte sie dem nicht zugestimmt, wenn sie nicht der traurige Blick ihres Jungen so sehr erweicht hätte. Natürlich hatte seine Mutter dennoch darauf bestanden, dass Hoseok und Taehyung bei ihrem Leben schworen, dass es wirklich nur die Eiche war, zu der sie gehen wollten.

"Wieso tue ich das eigentlich? Deine Mutter reißt mir sowas von den Kopf ab.", schnaufte Hoseok gereizt, nachdem sie die alte Eiche längst hinter sich gelassen hatten. Doch seine Antwort erhielt er, als er in die Augen seines Freundes sah, auf denen sich seit Tagen erstmals wieder ein leuchtender Glanz, statt Trübsinnigkeit gelegt hatte.

Zu Hoseoks Verwunderung konnte er nichts weiter ausmachen, als ein heruntergekommenes, verlassenes Haus, dessen Besitzer diese Welt lange verlassen hatten. Kein Schneesturm, keine lautes Knacken runter fallender Äste, keinen weinenden Jungen.
Nichts, außer der ohrenbetäubenden Stille des Winters.

"Lass uns gehen, Taehyung. Deine Mutter fragt sich sicher, wo wir bleiben."
"Geh schon mal vor. Ich komme sofort nach.", wies er seinen Freund an. Er wollte noch nicht gehen, nicht ohne endlich einen genauen Blick auf den Jungen werfen zu können, bevor er diesen Ort wieder verlassen musste.

Hoseok war bereits viele Minuten verschwunden, als er, vor der Veranda im Schnee sitzend, noch immer das Haus anstarrte.

Und endlich!

Da war es wieder. Der wimmernde Hilferuf der Stimme. Taehyung war so schnell aus seiner sitzenden Position aufgesprungen, kaum dass er den ersten Laut vernommen hatte, dass er beinahe über seine Füße stolperte und zu Boden fiel. Er verdankte es einzig und allein dem Adrenalin in seinem Körper, dessen Konzentration mit einem Male rasiermesserscharf war, dass er es schaffte der Stimme unbeschadet zu folgen.

Der Schatten bewegte sich schnell, fast unmenschlich schnell, und versuchte sich in die weißen Wälder nahe des verlassenen Anwesens zu flüchten, als Taehyung es endlich zu packen kriegte und es, durch die Wucht ihres Aufpralls, mit zu Boden riss.

Ihr Blick dauerte, wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen nur wenige Herzschläge, doch es war ausreichend, um in Taehyung alles gefrieren zu lassen. Regunglos verlor er sich in dem Anblick dieser dunklen Augen, von denen er kurzzeitig glaubte, sie könnten bis auf seine Seele blicken, bis sie sich erneut mit Tränen füllten.
Wieder ertönte das unheilbringende Grollen in der Ferne, als sich der Junge aus Taehyungs Griff befreite und ihn vor sich in den Schnee schubste.

"Ich bringe unheil über dich. Verschwinde, bevor es zu spät ist!"

Taehyung wollte gerade ansetzten zu antworten, da sah er etwas, von dem er selbst nicht glauben würde, es wirklich gesehen zu haben, wenn es nicht gerade tatsächlich vor seinen Augen passiert wäre.
Eiskristalle bildeten sich in den blassen Händen des Jungen, ehe sie sich immer mehr ausweiteten und sich wie ein schützendes Schild aus aufgewirbelten Schneewehen vor dem schmächtigen Körper des Jungen aufbauten.
Der Schnee reflektierte die wenigen Sonnenstrahlen, die auf sie herab fielen und blendeten den ungebetenen Gast so stark, dass er seinen Kopf schützend hinter seinen Armen verstecken musste.

"Verstehst du es jetzt!? Verschwinde endlich!", zischte die bedrohliche Stimme, die ihm schon bei seinem letzten Besuch gedroht hatte, ehe er unter Schneemassen begraben wurde und sich ein weiteres Mal in der traumlosen Tiefe verlor.
.
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1 Jahr später
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"Tae, du bist irgendwie nicht mehr derselbe. Denkst du etwa immer noch daran?"
Die weihnachtlichen Vorbereitungen waren mal wieder im vollem Gange. Taehyungs Mutter hatte, nach dem Reinfall letztes Jahr zu Heiligabend, alle dazu verdonnert, beim Schmücken zu helfen, um dem Zauber der Weihnacht die Chance zu geben, in ihrem Haus Einhalt zu gebieten.
Er war gerade dabei mit seinem Bruder Seokjin die glitzernden Glaskugeln an den Zweigen der Tanne zu befestigen, als sein Bruder ihn ansprach. Seufzend ließ er seinen Kopf hängen und starrte auf die filigran aufgemalte Winterlandschaft der Christbaumkugel.

"Wie könnte ich es vergessen? Wie könnte ich ihn vergessen?", stellte er die Gegenfrage an seinen älteren Bruder gewandt, ohne einmal aufzusehen.
"So oft wie du von ihm sprichst, könnte man fast meinen, du wärst in dieses Monster verknallt!", witzelte Seokjin, der mit der Aussage ursprünglich beabsichtigte, die drückende Atmosphäre etwas auf zu lockern.

Doch Taehyung fand es alles andere als lustig, wie Seokjin über den Jungen sprach. "Er ist kein Monster!", stieß er erbost hervor und warf die Glaskugel, die er zuvor verträumt angesehen und in den Händen gehalten hatte, gegen die nächstbeste Wand, ehe der Karton, in dem die anderen Kugeln feinsäuberlich aneinander gereiht waren, ebenfalls laut scheppernd zu Boden gingen.

"Ihr könnt mich alle Mal!", schnaufte das jüngste Mitglied der Familie, ehe es sich ruhesuchend in seinem Zimmer einsperrte. Das gesamte letzte Jahr hatte er darüber nachgedacht, wieso dieser Junge ihn so sehr faszinierte, wie er einen solch immensen Teil seiner Gedanken- und Gefühlswelt einnehmen konnte, obwohl ihre Begegnungen sich auf wenige Sekunden beschränkten.
Also hatte er das letzte Jahr das getan, was er immer tat, wenn ihn etwas zu sehr beschäftigte: er recherchierte und stellte die unterschiedlichsten Theorien auf.

"Er ist kein Monster...", purzelten die leisen Worte aus seinem Mund, während er, wie auch schon das Jahr zuvor, an dem Fenster seines Zimmers saß und seinen Blick gen Winterlandschaft richtete.

Seine Mutter hatte Recht, als sie behauptete, dass die Besitzer des verlassenen Hauses gestorben waren. Während seiner Internetrecherche stieß er auf die wildesten Theorien, denn es warf nicht nur in ihm die Frage auf, wie ein gerade mal Vierjähriger dazu in der Lage gewesen sein sollte, seine Eltern zu töten. Zumal es für Gewöhnlich nicht in dem Ermessen solch junger Kinder lag, seine Eltern umzubringen.

Nach langem Überlegungen, in denen er immer und immer wieder die Geschehnisse Revue passieren ließ, war er sich sicher, dass dieser Junge und die bedrohliche, skurril verzerrte Stimme, die ihm immer wieder sagte, er solle verschwinden, eins waren. Und dass er irgendwie den Schnee dazu bringen konnte, dass er ihm ergeben gehorchte. Zwar war er sich noch immer unsicher, wie es ihm gelang, vor allem, da er lange aus dem Alter raus war, dass er an Magie glaubte, doch es war die einzige logische Schlussfolgerung, zu der er gekommen war. Und während er sich mit dieser Theorie immer mehr anfreundete, kam er zu dem Schluss, dass er genauso dafür verantwortlich war, dass in jedem Jahr an diesem Ort Schnee lag, egal wie das Wetter in den anliegenden Gebieten war.

Und dennoch glaubte er nicht daran, dass dieses weinende Wesen, welcher Herkunft er auch immer sein mochte, seine Eltern absichtlich getötet hatte.

Erfroren.
Sie waren schlichtweg erfroren.

Was an sich nicht besonders ungewöhnlich gewesen wäre, wären sie gerade in der Eiseskälte draußen gewesen. Doch, wie die Polizei der Presse mitgeteilt hatte, lagen sie, als würden sie gerade friedlich schlafen, vor dem brennenden Kamin des Hauses und waren beide zu Eis erstarrt.

Der kleine Junge hatte weinend daneben gelegen, hieß es.
Danach hatte ihn niemand mehr gesehen.

Die wildesten Theorien über das Ableben der Besitzer und dessen verschwundenen Sohn verbreitete sich binnen kürzester Zeit, sodass die Medien, und nebenbei bemerkt auch die Anwohner der Stadt, fest in dem Glauben lebten, dass der Kleine, dessen Namen er endlich in Erfahrung bringen konnte, ebenfalls erfroren sei.

Doch sie wussten nicht, was er wusste.
Er hatte ihn gesehen!
Vielleicht hätte er auch daran geglaubt, dass er nur den spukenden Geist der Familie gesehen hätte, wenn er bei seiner letzten Begegnung mit ihm nicht am eigenen Leibe gespürt hätte, dass er genauso aus Fleisch und Blut bestand und es echte Tränen waren, die er dort vergossen hatte.

Doch so sehr er auch darüber nachdachte, er konnte sich in seinen Vermutungen niemals wirklich sicher sein, wenn er den Jungen nicht endlich fand und ihn darauf ansprach. Es blieb ihm also nur noch eines zu tun. Und diesmal würde kein Schneesturm der Welt ihn davon abhalten, mit diesem Jungen zu reden!

"Hallo? Ich heiße Taehyung.", ertönte die kräftige Stimme des mittlerweile Siebzehnjährigen, als er an jenem Ort ankam, von dem er sein ganzes Leben gehört bekommen hatte, dass er ihn unter keinen Umständen aufsuchen durfte.
"Ich bin hier, um mit dir zu reden!"

Taehyung beobachtete, wie sich die ersten Schneekristalle zu seinen Füßen langsam von den anderen erhoben und sich anmutig in die Lüfte gleiten ließen.
So rau sich seine Kehle auch anfühlte, diesmal würde er nicht kneifen, das hatte er sich und seinem sechsjährigen Ich versprochen.

"Verschwinde endlich!"
Wie von Geisterhand gesteuert wirbelte der Schnee plötzlich auf, um sich mit voller Wucht auf den ungebetenen Gast zu stürzen. Und wieder blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Hände schützend vor das Gesicht zu halten. Doch diesmal wich er nicht zurück, immerhin hatte er nicht vor, sich ein weiteres Mal so einfach verscheuchen zu lassen.
"Nein! Ich werde nicht gehen! Ich weiß, dass du kein Monster bist! Ich weiß, dass es ein Unfall war! Jungkook."

Taehyung, der den Namen des Jungens besonders betonte, blinzelte durch die kleine Öffnung seiner Augen, die nicht mehr als ein feiner Schlitz war, nur um mit ansehen zu können, wie der Schneesturm in sich zusammenfiel, als sei jegliches Leben aus ihm entwichen.
Er wartete noch einen stillen Moment und erst, als er sich ganz sicher war, das der Sturm sich gelegt hatte, ließ er seine Arme wieder sinken und blickte in das verschreckte Gesicht von Jungkook.

Hilflos hatte er seine Augen geweitet, um den Jungen vor sich zu mustern. Die Tränen, sie sonst schmerzlich nach Hilfe riefen, liefen stumm über sein viel zu blasses Gesicht, dessen einziger Kontrast seine dunklen Augen und die schwarzen Haare waren.

"Woher weißt du, wie ich heiße?!", stieß er hervor, nachdem er sich von dem ersten Schreck erholt hatte und hektisch atmend einige Schritte zurück wich.
"Ich weiß, was alle anderen glauben. Ich weiß, was sie über dich schreiben und erzählen. Aber ich weiß auch, dass es alles anders war, richtig? Du hast deine Eltern nicht absichtlich getötet!", rechtfertige Taehyung sein Handeln, die Entschlossenheit lag in seiner Stimme und war selbst für den sozial inkompetenten Jungkook genauestens heraus zu hören.

Angst.

Das einzige, woran Jungkook in diesem Moment denken konnte, war seine schiere Angst, ausgelöst durch das furchterregende Bild seiner verstorbenen Eltern, das auch nach all den Jahren, die vergangen waren, nicht eine kleine Nuance verblasst war.
Unter keinen Umständen wollte er diesem naiven, viel zu aufdringlichen Jungen etwas antun und dennoch spürte er, wie sich in seinen Händen bereits Eis ausbreitete.
"Wieso hast du keine Angst?", fragte er zögerlich, sichtlich verwundert, dass er selbst anscheinend von größerer Angst erfüllt war, als sein Gegenüber. Dabei sollte er längst die Flucht ergriffen haben! Nicht umsonst hatte er die vielen Jahre dafür gesorgt, dass sich keine Menschenseele mehr an diesen Ort wagte.

"Weil ich nicht glaube, dass du ein böses Monster bist. Wer so bitterlich weint, kann nicht böse sein. Du hast doch selbst Angst!", trafen ihn Taehyungs ehrlichen Worte und schürte in ihm neben seiner Angst ein weiteres beklemmendes Gefühl: Wut.

Er wollte kein weiteres Menschenleben auf seinem Gewissen haben, schon gar nicht wegen der Dreistigkeit eines viel zu naiven Jugendlichen!

"Du solltest verschwinden. Und niemals mehr herkommen.", versuchte er so erzürnt wie nur eben möglich zu sprechen und jagte damit die letzten Zweifel in Taehyung fort, dass es sich bei der skurrilen Stimme und dem bitterlichen Wimmern um ein und die selbe Person handelte.

Doch die Tatsache, dass diese Stimme ihm einen Schauer über den Rücken jagte, hielt ihn noch lange nicht davon ab, seinen waghalsigen Plan weiter zu verfolgen. "Du hast mich doch gerufen!", konterte er mit ebenso fester Stimme, um ihm die Stirn zu bieten, ehe sie etwas sanftere Klänge annahm: "Erinnerst du dich? Vor elf Jahren? Ich bin deiner Stimme gefolgt und hab mich verlaufen. Und dann habe ich dich gesehen."

"Dann.. dann bist du dieser kleine Junge von damals?", brachte Jungkook nur zitternd hervor. Wie oft hatte er sich an dieser kurzen Begegnung festgeklammert?

"Ja, und deswegen werde ich nicht mehr gehen. Jungkook, Ich bitte dich. Ich will nur mit dir reden! Ich kann dir helfen! Du musst dich nicht mehr verstecken!", sprach Taehyung trotz aller ausgesprochenen Warnungen mit sicherer Stimme weiter.

Dieser Blick des Jungen. Diese Entschlossenheit, die sich in ihrem Glanz widerspiegelte. Sie lähmte ihn.
"Ich hab Angst, dass ich dir weh tue. Dass ich dich töte!", kam es harsch von den aufgewühlten Jungen und doch erkannte Taehyung darin sofort, dass er es ihm nur darauf ankam, ihn nicht zu verletzen. Er hatte Angst, jedoch nicht vor dem ungebetenen Besucher selbst, sondern vor seiner eigenen, vielleicht magischen, Kraft.
Doch so sehr er auch versuchte ihn erneut fort zu jagen, scheiterte er kläglich an diesem Vorhaben.

Unendliche Panik ergriff Besitz von ihm und löste damit das, dagegen eher schwach wirkende Gefühl der Angst ab, als der gutmütige, naive Junge namens Taehyung immer näher auf ihn zukam.
Er konnte es nicht länger beherrschen.

Seine magische Kraft.
Wild schlugen sie Eiskristalle seiner blassen Händen aus, ehe sie sich explosionsartig gegen den Fremden richteten. Nur im letzten Moment konnte er seine Hände unkontrolliert wegziehen, sodass die Eisblitze, die aus seinen Händen schossen, den Baum hinter Taehyung trafen und ihn sofort zu Eis gefrieren ließ.

Und Taehyung? Der hatte sich nach einen kurzen Schreck schnell wieder gefasst und sah weiter mit diesem durchdringenden Blick auf ihn.

"Das ist purer Wahnsinn!! Reine Unvernunft, entwachsen aus einer nicht zu bändigenden, naiven Neugierde. Ich werde dich töten, wenn du nicht sofort verschwindest! Wann kapierst du das endlich!?", schrie er seinen Gegenüber an. Er hatte sich wahrlich nicht mehr unter Kontrolle, nicht seine Kräfte, nicht seine Gedanken und erst recht nicht seine Gefühle.

"Ich weiß dass du mir nichts antun wirst! Genauso wie du deinen Eltern nichts antun wolltest! Ich weiß dass du einsam bist und dass du mich immer gerufen hast!", schrie nun auch Taehyung, in der Hoffnung, dass Jungkook ihn endlich nicht mehr abweisen würde. "Ich weiß jetzt endlich, dass ich diese Sehnsucht nach diesem Ort immer verspürt habe, weil du mich genauso brauchst, wie ich dich!"

"Das ist doch verrückt!", schaffte er mit letzter Kraft noch entgegen zu bringen, bevor seine Emotionen ihn endgültig überwältigten und er weinend auf dem weißen Teppich aus Schnee zusammenbrach. Wieso nur, konnte er nicht einfach gehen? Wieso wollte er dennoch nicht, dass dieser naive Junge ihn wieder hier, in seiner persönlichen weißen Hölle zurückließ?

Die Hölle, die er sich selbst geschaffen hatte.

Dabei war es nicht beabsichtigt gewesen, da hatte Taehyung schon ganz recht. Er war noch klein und vieles um ihn herum, mache ihm Angst. An diesem Tage war er erkrankt gewesen, sein Körper hatte versucht mit dem Fieber gegen die Keime zu kämpfen, die seinen zarten Körper geschwächt hatten. Weinend war er zu seinen Eltern gelaufen, als sein Lieblingskuscheltier ohne seine Absicht einfach eingefrorenen war. Er hatte Angst vor dem, was sich gerade in seinem Körper entwickelte. Er hatte schon seit seiner Geburt diese Fähigkeit, von der niemand genau wusste, woher sie kam.

Er hatte es zunächst lustig gefunden, dass er es immer schneien lassen konnte, wenn er wollte. Er mochte den Schnee und noch lieber mit seinen Eltern darin rumzutollen. Doch sobald er Angst hatte oder krank war, geriet diese Kraft außer Kontrolle.

So sehr er auch versucht hatte sie zu beherrschen, die Angst hatte ihn überwältigt.
Er klammerte sich weinend an seinen, zu Eis erstarrten Teddy, als er einfach keine Antwort mehr von seinen Eltern erhielt. Sonst waren die liebevollen Arme seiner Mutter immer da gewesen, um ihn zu trösten, doch jetzt lag sie völlig regungslos dort und konnte ihn nicht mal mehr ansehen.

Eiskalt hatten sich ihre Körper angefühlt, als er sich zu ihnen legte und sie anflehte, wieder aufzuwachen.

Und doch blieben sie stumm. Kalt.

An diesem Tage hatte die Kälte sich nicht nur auf seinen zu schwachen Körper gelegt, sondern auch auf sein einsames Herz.
Und das war es bis heute geblieben: ein kaltes, einsames Herz, dessen Schmerz sich nur manchmal als klagende Tränen ans Tageslicht wagte.

Er hatte sich damit abgefunden, dass er auf ewig in seiner weißen Hölle gefangen war. Und dann kam er. Taehyung. Und stellte alles, wofür er die letzten Jahre gelebt hatte, auf den Kopf. Und als wäre es noch nicht schlimm genug gewesen, dass er einfach keine Angst vor ihm zeigte, setzte er noch einen oben drauf und kam zu ihm, näher und näher, bis er schließlich seine Arme um ihn legte.

"Shht~, ich bin da, dir wird nichts mehr passieren, ich habe keine Angst vor dir Jungkook."

Und das erste Mal seit Jahren konnte er wieder spüren, was es bedeutete, an einen warmen Leib gedrückt zu werden, das pulsieren eines weiteren Herzschlages zu spüren und Zuwendung zu bekommen. "Wieso? Wieso bist du so anders als die anderen, Taehyung?"

"Ich weiß nicht, vielleicht ist es uns vorbestimmt, keine Ahnung.", flüsterte Taehyung, doch nicht aus Unwohlsein oder desgleichen, sondern weil er endlich das Gefühl hatte, zu Hause zu sein. "Ich weiß nur, dass ich dich niemals los lassen werde, so lange bis ich es schaffe, dass deine Tränen verstummen. Und du dir selbst endlich verzeihen kannst."

Das erste Mal seit ihrer Begegnung weinte Jungkook, ohne dass sich der tosende Schneesturm um sie herum ausbreitete, sondern sie in ihrer tiefen Umarmung von vereinzelten, dicken Schneeflocken, die sanft durch die Luft flogen, um sich zuletzt federleicht auf ihren Körpern niederzulassen, begleitet wurden. 

Und endlich spürte Jungkook etwas, was er seit seiner frühen Kindheit nicht mehr gespürt hatte.

Wärme.

Nicht nur auf seinem Körper, sondern auch in seinem Herzen, das mit dem von Taehyung im Einklang schlug.

"Geh nicht dahin.", hatten sie gesagt, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass es wohl ihre Bestimmung war, dass sie sich endlich fanden und in den Armen hielten. Und ohne zu wissen, dass es diesen beiden jungen Seelen vorbestimmt war, Wärme an diesen sonst so kalten Ort zu bringen.

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Mein herzlichsten Dank für diese Idee geht an Elsa, vor der man, egal wo man ist, einfach keine Ruhe mehr hat xD

Seht es als selbsttherapheutische Maßnahme, dass ich diese zwei Kapitel geschrieben habe xD ♡

Btw
Es hat echt Spaß gemacht das zu schreiben, auch wenn ich irgendwie ewig gebraucht habe xD


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