2 - Wir müssen reden!

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⊱─ ⋯ ─⊰ TAG 1 ⊱─ ⋯ ─⊰

[Donnerstag tagsüber]
  

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Als ich am nächsten Morgen wach werde, wenn man dazu denn noch Morgen sagen kann, denn es ist bereits nach 13 Uhr, bin ich erstmal verwirrt. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich mich ins Bett gelegt habe. Ich bin zwar oft verpeilt, aber das kriege ich immer noch gut sortiert. Ich bin mir sehr sicher, dass ich noch am PC gesessen haben muss, als ich eingeschlafen bin.

Wie bin ich also ins Bett gekommen?

Seltsam. Aber das soll mir jetzt erst einmal egal sein. Ich habe noch was zu tun, und dass ich so lange geschlafen habe, wurmt mich sowieso schon. Ich flitze schnell ins Bad und dann in die Küche, finde aber bis auf meinen heißgeliebten Kaffee und ein paar traurig aussehende Möhren nichts Essbares mehr im Kühlschrank. Naja, dann muss Kaffee jetzt erst mal reichen.

Zügig setze ich mich wieder an den PC und schaue nach, wo ich gestern stehen geblieben bin. Achja, genau. Diese eine Passage, die mich immer noch stört. Ich rufe schnell die Revisionshistorie auf und sehe einige Bearbeitungen von der Nacht, beziehungsweise den frühen Morgenstunden. Hab ich echt noch so lange gemacht? Kann ich mich auch nicht mehr dran erinnern, vielleicht ist das kein gutes Zeichen und ich sollte doch zwischendurch Pausen einlegen. Aber die Abgabe ist schon morgen, und bis dahin ist noch ein langer Weg.

Schnell stelle ich die letzten Änderungen wieder her und höre jetzt nochmal im wachen Zustand an, was ich gestern fabriziert habe. Dann aber komme ich ins Stocken. Die letzte Bearbeitung ist gut. Verdammt gut. Um nicht zu sagen: Genial! Aber wieso kommt mir das so unbekannt vor?

Irgendwas stimmt doch hier nicht. Und ich bekomme gerade eine Vermutung, mit was das zusammenhängen könnte, oder besser gesagt, mit wem.

  
 
ʝιɱιɳ

So. Geschafft! Keine Ahnung, warum alle Semesterprüfungen sich immer in den letzten zwei Wochen knubbeln müssen. Das war heute jedenfalls der krönende Abschluss der schriftlichen Klausuren. Jetzt muss ich nur noch in den Hauptfächern in die praktischen Prüfungen. In Gesang muss ich einen fremden Song interpretieren und das nach dem Vorsingen auch erläutern und begründen können. Den Song wissen wir vorher nicht, wir haben nur eine Stunde Zeit, uns vorzubereiten.

Und für Tanz brauche ich noch eine eigenständig entwickelte Choreografie, die ich bis nächste Woche drauf haben muss. Wenns weiter nichts ist ... Ich schlucke das letzte Stück Banane runter und schmeiße die Schale in den Mülleimer auf dem Trainingsflur. Welchen Raum hatte ich noch für heute gebucht? Ach ja - hier.

Ich pfeffere meine Jacke und Tasche in eine Ecke des kleinen Trainingsraumes, ziehe mir was Bequemes an, mache mich warm und knalle dann Yoongis Song vom Stick auf die Lautsprecher. So laut klingt das einfach NOCH besser! Schade, dass der Song noch keine vollständigen Lyrics hat, aber jedenfalls wird nicht rein zuuuuufällig noch jemand zu genau diesem Song tanzen. Weil den nämlich noch niemand kennt.

Da ich heute keine Vorlesung mehr habe, kann ich getrost die Zeit vergessen und einfach alles andere ausblenden. Ich höre mir ungefähr hundert mal den Song und einzelne Passagen an, um ein Gefühl dafür zu bekommen, und fange irgendwann an zu tanzen. Ich liebe Tango. Die Ausdrucksmöglichkeiten sind endlos. Zum Teil habe ich sogar Ideen, wie man die Lyrics vervollständigen kann. Aber jetzt erst mal der Tanz.

Nach der kurzen Nacht bin ich dann doch irgendwann so geschlaucht, dass ich mich nach Hause trolle. Morgen ist auch noch ein Tag. Der Heimweg per Fahrrad fällt mir heute echt schwer. Erleichtert stecke ich schließlich den Wohnungsschlüssel ins Schloss und betrete unseren dunklen Flur. Geübt hänge ich meine Jacke auf und tapere blind in Richtung meines Zimmers ... Da flammt auf einmal das Flurlicht hell auf.
  
 

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Es ist bereits früher Abend, als ich die Wohnungstür höre. Jimin ist zu Hause, und bevor er sich direkt wieder verkrümeln kann, werde ich ihn auf die Sache ansprechen. Er steht bereits im Flur, als ich das Licht anmache. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht schaut er mich mit großen Augen an.

"Hey, Jimin", begrüße ich ihn mit ernstem Gesichtsausdruck, "Hast du kurz Zeit?"

  
  
ʝιɱιɳ

Uuuups! Warum kuckt der denn so ernst? Und warum dieses Discofeeling? Spot on ... Der kann ja auch dramatisch. So hab ich den das ganze Semester noch nicht erlebt. Ich schaue vermutlich nicht sehr intelligent aus der Wäsche, ich fühl mich halt doch ertappt. Aber - hei! Ich hab ihm höllische Nackenschmerzen erspart!!!

Schnell mache ich ein Pokerface. Na, jetzt bin ich gespannt. Mein Dauermuffel will rEdEn ??? Gut, dass ich die Dateien gelöscht habe. Den "Diebstahl" will ich nämlich erst nach der Vorführung beichten. Aber was könnte sonst sein?
"Ähm ... wenn ich erstmal ankommen darf, dann ja."

Ich stelle meine Schuhe weg, bringe meine Tasche ins Zimmer und wende mich der Küche zu. Yoongi steht wie zur Salzsäule erstarrt die ganze Zeit in seiner Zimmertür und folgt mir mit den Augen. Gruselig. Egal. Ich will ein paar Lebensmittel in den Kühlschrank tun und öffne dafür die Tür. Verblüfft starre ich den Inhalt an.

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Ich lasse Jimin nicht einen Moment aus den Augen. Als er ein paar Lebensmittel in den Kühlschrank räumt, fällt mir auf, dass ich mal wieder nichts gegessen habe. Das passiert leider ständig, wenn ich in meine Arbeit vertieft bin, und da ich den ganzen Tag rekonstruiert habe, was genau an dem Song geändert wurde und was ich daraus machen könnte, war nicht mehr viel Zeit für andere Dinge.

Ich ignoriere das Grummeln meines Magens gekonnt, denn erstmal gibt es wichtigere Dinge. Jimin und mein Gespräch zum Beispiel. Dass Jimin jedoch plötzlich zur Salzsäule erstarrt, als er in den Kühlschrank schaut, irritiert mich. Ich gehe auf ihn zu und schaue ebenfalls rein, um zu erfahren, wieso er so verdattert schaut.

"ACH DAAA!", rufe ich erleichtert aus, als ich meine Kaffeetasse da drin stehen sehe. Ich hatte sie schon überall gesucht und mir aus Verzweiflung einfach eine neue genommen. Anscheinend hab ich sie reingestellt, als ich nach etwas Essbarem gesucht habe.

"Na, da kann ich ja lange suchen", füge ich noch hinzu, ehe ich nach der Tasse greifen will. Jimin steht immer noch davor, aber das hält mich nicht ab. Ich drücke ihn etwas zur Seite und greife über seine Schulter, um an die Tasse zu kommen. Da fällt mir auf, dass sein verwirrter Blick jetzt auf mir liegt und nicht mehr auf dem Kühlschrankinhalt. Aber auch das ignoriere ich gekonnt.

  
 
ʝιɱιɳ

Yoongi, du bist mir unheimlich. Langsam habe ich den Verdacht, ich brauche nicht nur ein neues Wohnheimzimmer sondern auch einen Arzt für dich und einen persönlichen Begleitschutz für mich.

... ratterratterratter ...
Ahhhhh! Das ist DIE Steilvorlage für einen Wink mit dem Zaunpfahl!

"Hei, ich freu mich! Du wolltest wohl gleich einkaufen gehen, damit wir was zu essen haben und du dir dann einen Eiskaffee machen kannst. Tolle Idee, ich bin nämlich ziemlich abgebrannt. Vergiss bitte meine Joghurts nicht, wenn du gleich losziehst."

Ich stelle meine paar Einkäufe auf meine Kühlschrankseite, pappe an jedes einzelne Teil einen Post It mit der Aufschrift "Meins!" und male jeweils noch einen Totenkopf dazu. Wird eh nix helfen, aber man kanns ja mal versuchen ...

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Ich schaue Jimin sehr ungläubig an. Meint der das ernst?
"Jimin, echt mal. Ich hab überhaupt keine Zeit zum Einkaufen. Außerdem warst du ja anscheinend schon."

Als ich dann aber sehe, wie er jedes einzelne Teil mit der Aufschrift "Meins" versieht, traue ich meinen Augen nicht.

"Was soll das?", gebe ich genervt von mir und habe jetzt eigentlich gar keine Lust mehr, mich mit ihm zu unterhalten. Aber was muss, das muss.
"Hör auf mit dem Blödsinn und komm endlich mit. Ich muss dir was zeigen. Dann habe ich noch zwei Fragen, und bevor du meckerst: Nein, das kann nicht warten!"

  
  
ʝιɱιɳ

Es. Reicht.

"Und ich habe nicht genug Geld, um dich auf Dauer mit durchzufüttern. Du frisst dauernd den Kühlschrank leer und gehst nie einkaufen. Ich bin nicht dein persönlicher, kostenloser Lieferservice. Und auch nicht deine Mutter, die dir offensichtlich immer alles nachgetragen hat. Und - by the way - auch nicht dein persönlicher Diener, der springen muss, weil du grade ausnahmsweise mal gesprächig bist!"

Allmählich wirds mir zu bunt. Wenn er das so braucht, dann kriegt er jetzt eben den ganzen Lattenzaun.

"Ich bin um 5 Uhr aufgewacht vor Hunger, weil du alles aufgefressen hattest. Ich bin nicht wieder eingeschlafen, weil du geruht hast, einfach in mein Zimmer zu latschen. Ich habe eingekauft, die wichtigste Klausur des Semesters überstanden und fünf Stunden getanzt, weil ich nächste Woche eine neue Choreo abliefern muss. Währenddessen hast du wahrscheinlich geschlafen. Wir können reden, wenn du in der letzten Ecke deines Kleiderschranks dein Depot an Höflichkeit geplündert hast. Aber nicht so! Klar?"

Müde, hungrig und ziemlich auf 180 drücke ich mich an ihm vorbei und verschwinde in meinem Zimmer. Der hat'se doch nicht mehr alle! Eigentlich sollte ich froh sein über seinen tollen Song. Aber die Freude und Dankbarkeit haben sich grade gründlich verabschiedet.

𝕐𝕠𝕠𝕟𝕘𝕚

Nachdem Jimin in seinem Zimmer verschwunden ist, bleibe ich noch einige Zeit wie angewurzelt in der Küche stehen und schaue ihm auch dann noch hinterher, als er längst nicht mehr zu sehen ist. Ich habe ihn selten so laut gehört. Sowieso habe ich eigentlich noch nie ein böses Wort von ihm gehört, und das irritiert mich mehr, als ich mir eingestehen will.

Mein Blick wandert wieder zum Kühlschrank und danach wieder zurück in die Richtung von Jimins Zimmer. Hat er Recht? Ich hatte nie im Sinn, ihn auszunutzen oder ihm das Gefühl zu geben, mich durchfüttern zu müssen. Ich bin nur meistens so in meine Arbeit vertieft, dass ich darüber sämtliche anderen Pflichten und Sozialkompetenzen verliere.

Und jetzt? Jetzt hat dieser verdammte kleine Dreckskerl mir so ein schlechtes Gewissen eingetrichtert, dass ich meinen Plan für den Tagesablauf umändere. Mein Blick schnellt zur Wanduhr der Küche. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es vielleicht noch rechtzeitig in den Supermarkt um die Ecke. Was für ein Tag ist heute? Ich hoffe nicht Samstag, da macht der immer früher zu. Ich vergewissere mich schnell, indem ich mein Handy zücke, und stelle fest, dass es erst Donnerstag ist. Natürlich. Wenn ich morgen abgeben muss, dann hätte ich mir das auch selbst denken können.

Um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden, schnappe ich mir mein Portemonnaie, meine Jacke und schlüpfe in die schwarzen Boots, die ich natürlich nicht zumache. Ich gebe Jimin nicht Bescheid, sondern gehe direkt los und ärgere mich auf dem Weg zum Supermarkt, dass ich mir nicht wenigstens ne Liste geschrieben habe. Aber dann improvisiere ich einfach.

Im Laden angekommen staune ich nicht schlecht. Mir wird erst jetzt bewusst, wie lange ich nicht mehr hier war. Mit anderen Worten: Jimin hat Recht. Na super.
Ich kaufe wahllos ein paar Sachen ein und komme mit zwei voll bepackten Taschen wieder nach Hause. Jimin scheint immer noch in seinem Zimmer zu sein, was mich nicht wundert, so sauer wie der war.

Schnell verstaue ich den Einkauf bis auf eine Packung Grüntee-Mochis. Ich sterbe ja für diese Dinger, aber ich weiß nicht, ob Jimin sie auch so sehr mag wie ich. Das werde ich aber hoffentlich gleich herausfinden. Und wenn nicht, versteht er vielleicht wenigstens die Message dahinter.
Mit der Packung Mochis und einem schuldbewussten Blick gehe ich zu Jimins Zimmer und klopfe an. Ich hoffe nur, dass er jetzt nicht schon schläft, denn das Gespräch muss ich unbedingt heute noch mit ihm führen.

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23.5.2021

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