𝐈𝐈

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Frustriert durchschritt ich eilig die, akkurat polierte, Glastür des riesigen Kreditinstituts, welches sich grau und unbarmherzig, dicht gedrängt zwischen den umliegenden Hochhäusern und Wolkenkratzern der Metropole, erhob und einen langen, verzerrten Schatten auf den gepflasterten Platz, den ich nach Verlassen des Gebäudes betrat, warf.

Sofort schluckte mich die uniforme Masse und ich huschte unbemerkt, meinen Mundschutz tief ins Gesicht gezogen, an den drängenden Leibern vorbei, ehe ich schließlich meine, vom plötzlichen Platzregen, der heute morgen über unser Land eingefallen war, noch völlig durchnässte, aufgeweichte Schachtel Zigaretten aus meiner klammen Anzuginnentasche zog.

Ungeduldig zerrte ich an der feuchten Pappe, entnahm einen der billigen Glimmstängel und versuchte hastig mit meinem abgegriffenen Feuerzeug, welches ich vor einiger Zeit als Werbegeschenk hatte mitgehen lassen, den nassen Tabak zu entzünden.

Nach multiplen, erfolglosen Versuchen stieß ich jedoch einen frustrierten Seufzer aus und donnerte die Packung samt Inhalt in einen nahegelegenen Mülleimer, weshalb sich bereits einige Köpfe verwundert zu mir umdrehten.

Doch das scherte mich nicht.

Von Kindesbeinen an war ich nie ein besonderer Menschenfreund gewesen, schon immer schienen meine Mitmenschen nicht mehr als Verachtung für mich zu hegen.

Während die anderen Schüler damals draußen Fangen oder Fußball spielten, hockte ich alleine im Haus und spielte Klavier.

Auch in der Mittel- und Oberschule war ich immer allein.

Sonderling, hatten sie mich genannt. Der Opa im Kinderkörper. Der, der nie lacht.

Was sie jedoch nicht wussten; ich hatte auch nie viel Grund zu lachen gehabt.

Mein Vater verstarb kurz nach meinem 7. Geburtstag und ließ meine Mutter, meine Geschwister und mich allein. Obwohl er einen hohen Posten in einer angesehenen Firma bekleidet hatte, fiel die Witwenrente mehr als spärlich aus.

Nach und nach musste meine Mutter alles verkaufen, mit zehn Jahren zogen wir von unserem großen Anwesen in eine kleine Einzimmerwohnung am Stadtrand, meine Mutter teilte ein Schlafzimmer mit mir und meinen Brüdern.

Das einzige, was sie damals von unserem ehemaligen Hab und Gut nicht übers Herz gebracht hatte zu verkaufen, war der alte Flügel meines Vaters. Obwohl es ihr nach dem Tode dieses sichtlich schwerfiel, seine Tasten zu betätigen, gab sie sich während unserer Kindheit alle Mühe, uns das Spielen zu lehren.

Während meine Brüder sich nie wirklich für das Instrument hatten begeistern können, übte ich fleißig, Tag für Tag, oftmals bis spät in die Nacht; nicht selten kam es vor, dass meine Mutter mich schlafend auf dem schwarzen, kleinen Lackhocker vorfand, und dann behutsam in mein Bett hatte tragen müssen.

Die Musik half mir, den Tod meines Vaters zu verarbeiten. Zwar schloss es das Loch, welches mir sein Ableben mitten ins Herz gerissen hatte und mir sämtliche Freude zu rauben schien, nicht, jedoch fühlte es sich zumindest grob abgedichtet an, wenn ich die Melodien, die mich meine frühen Kindertage begleitet hatten, spielen und mich der Realität für einen kurzen Moment entziehen konnte.

Ein Schatten huschte über mein Gesicht und verdüsterte meine Miene nun endgültig, als ich an diese Phase meines Lebens zurückdenken musste.

Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort, das abgenutzte Feuerzeug wieder in meinem Anzug verstauend, hielt ich in der anderen Hand das kleine Mobiltelefon umklammert, doch ich konnte mich nicht dazu durchringen, endlich die Nummer zu wählen, um meiner Mutter die schlechten Nachrichten zu überbringen.

Ohnehin war es ihr in den letzten Wochen immer schlechter gegangen, nach dem Auszug meines jüngsten und somit letzten Bruders von Zuhause verließ sie kaum noch das Bett.
Ich wollte sie nicht zusätzlich noch mit meinen Problemen belasten.

Dann müsste ich mir eben einen weiteren Nebenjob suchen, um mein Musikstudium weiterhin finanzieren zu können; ich brachte es nicht übers Herz, meine eigene Mutter, die ihr Leben lang bereits für mich Opfer hatte bringen müssen, um noch ein Weiteres zu bitten.

Mit einer kraftlosen Handbewegung lockerte ich die abgetragene Krawatte um meinen Hals, die ich heute früh extra für das bevorstehende Kreditgespräch angelegt hatte, ehe ich das elektronische Gerät in meiner Hand schließlich mit einem Seufzen zurück in die schmale Tasche meiner Anzughose gleiten ließ.

Wer würde mir auch schon einen Kredit gewähren? Warum hatte ich überhaupt die Hoffnung gehegt, dass es funktionieren würde?

Mein Leben war bisher eine einzige, wahllose Aneinanderreihung von Rückschlägen und Enttäuschungen gewesen und mittlerweile bezweifelte ich, dass sich dies eines Tages ändern würde.

Warum tue ich mir das eigentlich noch an?, war die Frage, die mich des Nachts nicht schlafen ließ und eines jeden Morgens als Erstes in meinen Gedanken herumgeisterte.

Die Antwort, wann immer mich diese Frage heimsuchte, war jedoch stets dieselbe; Meine Mutter.

Allein für sie musste ich weitermachen; der Verlust eines Kindes war etwas, was man niemandem zuzumuten vermochte.

Und so machte ich weiter.
Arbeitete härter.
Kämpfte mehr.

Doch die Frage blieb.

Abrupt blieb ich am Straßenrand stehen, als die Ampel über unseren Köpfen mit einem leisen Klicken auf Rot sprang.

Genervt richtete ich mein Augenmerk auf das hupende Chaos vor mir, da drang, trotz des üblichen Lärms der Metropole, zur Abwechslung überraschend ein ganz anderes Geräusch an meine Ohren, welches mich dazu brachte, ruckartig meinen Kopf in Richtung der Quelle zu drehen, aus der das sanfte Lachen zu kommen schien: einige Meter entfernt, gedrängt zwischen tristen, alltäglich aussehenden Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern, die gelangweilt auf ihre Smartphones starrten, stand der schönste Mensch, der mir jemals in meinen beinahe zweiundzwanzig Jahren Lebenszeit begegnet war:

Als Erstes fiel mein Blick auf seine vollen, geschwungenen Lippen. Beinahe vollkommen symmetrisch umrahmten sie seine weißen, perfekten Zahnreihen, die er entblößte, als sich seine Mundwinkel zu einem warmen Lächeln verzogen, welches gleichzeitig auch seine wunderschönen, braunen Augen sich zu schmalen, sichelförmigen Schlitzen formen ließ.

Seine Haut schien makellos und im hellen Sonnenschein beinahe schimmernd, ebenso wie sein hellblondes Haar, welches in leichten Wellen seine markante Kieferpartie umspielte.

Obwohl seine Lippen meine Aufmerksamkeit zuerst auf sich gezogen hatten, waren es seine Augen, die meinen Blick fesselten.

Trotz der Meter, die uns voneinander trennten, schien ich durch den strahlenden Sonnenschein jede noch so kleine Erhebung seiner Iris, jede noch so winzige abweichende Farbnuance seiner Regenbogenhaut erkennen zu können, als würde man einen Bernstein unmittelbar gegen die Sonne halten, und ihre wärmenden Strahlen jede in das Baumharz eingedrungene Luftblase und jedes bemitleidenswerte Insekt offenlegen lassen, die vor langer Zeit in dem fossilem Harz inkludiert worden waren; So schimmernd und lichtdurchflutet wirkte sein Stroma, gleich flüssigem Honig strahlten sie mir entgegen und schienen mich, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, jedes Unrecht und jedes Übel auf dieser Welt vergessen zu lassen.

Mit offenem Mund musste ich dagestanden und diese Krone der Schöpfung betrachtet haben, wie er sich lässig durch die glänzenden Haare fuhr, mit der anderen Hand dabei ein Telefon ans Ohr haltend, während er mit glockenklarer, weicher Stimme leise in den Hörer zu sprechen schien.

Automatisch begann mein Herz schneller zu schlagen, ich spürte wie meine Hände schwitzig wurden und mir das Blut ins Gesicht schoss, alleine bei dem Gedanken, ihm näher zu kommen.

Eine derartige Reaktion hatte bisher noch niemand bei mir auslösen können.

Völlig geistesabwesend konnte ich nicht anders, als lediglich dort zu stehen und ihn zu betrachten. Offenbar war ich so in Gedanken versunken, dass mich weder das durchgängige Piepen der Ampel, die just wieder auf Grün umschaltete, noch die sich in Bewegung setzenden Menschenmassen, die mich umgaben, aus meiner Trance zu wecken vermochten.

Erst als ich sah, wie der wunderschöne Mann, den ich so unverwandt weiterhin anstarrte, lachend seine, im Sonnenschein glänzende, Lederjacke glattstrich und sich daraufhin in Bewegung setzte, bemerkte ich die Anwesenheit der restlichen Menschen, die ich bis dahin komplett aus meinen Gedanken verbannt hatte.

Tonlos murmelte ich einige entschuldigende Formeln in meinen Mundschutz den Leuten entgegen, die aufgrund meiner Unachtsamkeit unsanft gegen mich gestoßen waren, ehe ich mich selbst zum Gehen wandte, den Blick unmittelbar auf den blonden Gott einige Meter vor mir gerichtet.

Schnellen Schrittes bahnte ich mir einen Weg durch die Massen, in keinem Fall wollte ich ihn aus den Augen verlieren.

Darüber hinaus waren die Grünphasen der Ampeln an solchen Verkehrsknotenpunkten wie diesem immer besonders kurz; bei der Eile, mit der sich der Durchschnittskoreaner jedoch zeitlebens durch die Straßen der Hauptstadt bewegte, waren diese engmaschig getakteten Ampelphasen doch eher ein geringes Problem.

Mit funkelnden Augen hatte ich meinen Blick nun auf den Rücken des Mannes geheftet, der, im Gegensatz zu den Menschen, die uns umzingelten, hingegen überhaupt keine Eile haben zu schien.

Fröhlich setzte er einen Fuß vor den anderen, seine gesamte Ausstrahlung berührte etwas tief in meinem Inneren, automatisch beruhigte sich mein pochendes Herz; je näher ich ihm kam, desto mehr schien die Aura aus Gelassenheit und Freude, die jede Faser seines Körpers ausstrahlte und ihn gleich einer wabernden Wolke umgab, auch mich zu umgeben und Ruhe meinen Körper durchströmen zu lassen.

Abermals beschleunigte ich meinen Schritt, nur noch ein bisschen, dann wäre ich bei ihm.

Vollkommen desillusioniert folgte ich dem Blonden, ich dachte nicht darüber nach, was ich zu ihm sagen oder was ich tun würde, mein ganzes Denken war mittlerweile eingenommen von dieser unvergleichlichen Ausstrahlung; es gab nichts, wonach ich mich in diesem Moment mehr sehnte, als noch einmal in dieses makellose Gesicht blicken und dieses Lächeln sehen zu können.

Indes waren wir bereits auf der anderen Straßenseite angelangt, nur noch einige Meter, trennten uns voneinander. Erneut ertönte das leise Klacken, was das Ende der Ampelphase einläutete.

Ohne darüber nachzudenken, streckte ich bereits eine Hand nach ihm aus, da drehte sich der Mann wie aus dem Nichts um und schien mich unverwandt anzusehen.

Schockiert riss ich die Augen auf und wurde postwendend puterrot.

Der Blick des Blonden lag währenddessen jedoch unvermittelt weiter auf mir, bevor sich sein Mund auch schon zu einem herzlichen Lächeln verzog, seine Augen gänzlich verschwanden und er in meine Richtung lief.

Unmittelbar fing mein Herz wie wild an zu pochen, gleich einem winzigen Vogel, der aufgeregt in meiner Brust von Innen gegen meinen Rippenkäfig zu flattern begann, sobald ich sein Lächeln erneut erblicken durfte; als wäre ich von sämtlichen Lebensgeistern verlassen worden, ließ ich kraftlos meinen Arm sinken und betrachtete wie hypnotisiert die feinen Grübchen, die sich auf seinen geröteten Wangen gebildet hatten.

Höchstens einen Meter war der Blonde noch von mir entfernt und mein Gehirn schien indes gänzlich seinen Dienst quittiert zu haben.

Ohne mich zu fragen, wie er mich überhaupt entdeckt haben könnte, schritt ich weiter freudig auf ihn zu.

Noch höchstens drei Schritte, zwei, eins- Unmittelbar vor ihm blieb ich stehen und sah ihn mit großen Augen an. Aus der Nähe betrachtet war er tatsächlich noch schöner.

Überfordert war ich im Begriff, den Mund zu öffnen, um etwas zu sagen, da hob der Blonde überraschend einen Arm und fing wie wild an zu winken, ehe er auch schon schnurstracks an mir vorbei zurück auf die Straße marschierte und zu lachen begann, während er mit erhobener Stimme scheinbar jemandem auf der anderen Seite etwas zurief.

Vollkommen perplex blieb ich wie angewurzelt stehen und wandte mich fassungslos um.

Jedoch blieb mir nichtmal der Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu verarbeiten, was soeben geschehen war, denn multiples, panisches Hupen erfüllte die Straßen, gefolgt von einem ohrenbetäubend lautem Quietschen, welches die dumpfe Stille, die sich in meiner Verwirrung um mich gelegt hatte, zerriss.

Ohne zu realisieren, was gerade geschehen war, fiel mein Blick auf den Blondhaarigen, seine Augen weit aufgerissen, seine Miene angsterfüllt, ein zu stark beschleunigtes Auto keine fünf Meter entfernt von ihm, dessen Fahrer scheinbar scharf das Bremspedal herunterdrückte, während der Mann noch immer mitten auf dem geteerten Asphalt stand, ein Aufprall schien zu diesem Zeitpunkt unvermeidlich.

Pfeilschnell spannten sich meine Muskeln an, ehe ich auch schon einen riesigen Satz nach vorn tat, mein Gehirn war wie leergefegt, mechanisch führte mein, mit Adrenalin überschwemmter, Körper wie ferngesteuert die folgenden Handlungen aus.

Alles, was daraufhin folgte, nahm ich lediglich in einzelnen, beinahe zerstückelten Sequenzen war, als hätte jemand alle zehn Sekunden ein Foto geschossen und würde es jetzt mithilfe eines alten Diaprojektors quälend langsam an die Innenwände meiner Schädeldecke projizieren:

Gleißendes Licht.
Der rotschimmernde Lack eines sich unweigerlich nähernden PKWs.
Die geschockten Gesichter einiger Passanten am Straßenrand.
Dreckiger, asphaltierter Boden.
Das Gesicht des Mannes, welches immer noch von einer solchen Angst erfüllt war, dass es mir das Herz zerriss.
Und danach: Nichts.

Mit aller Kraft sprang ich ab und versuchte, meinen Körper beinahe wie einen Mantel aus Schaumstoff um den Fremden zu legen, um den Aufprall auf den harten Boden, den ich einkalkuliert hatte, zu dämpfen, doch die konzentrierte Kraft traf uns aus einer anderen Richtung.

Wie ein Blitz durchzuckte es mich, als unsere Körper durch die Luft geschleudert wurden, panisch rasten meine Gedanken, doch ich vermochte keinen klaren Gedankengang zu fassen, hilflos drückte ich den schlaffen Körper des Mannes an den meinigen, während ich reflexartig meine Hände um seinen Hinterkopf legte, und ihn so fest wie möglich an meine Brust presste.

Abermals wurde mein Körper von einer heftigen Erschütterung durchfahren, ich spürte, wie der asphaltierte Weg unseren Sturz bremste, indem sich die winzigen Schleifpartikel und Steinchen tief in die dünne Haut an meinen Unterarmen bohrten, doch ich hielt sie weiterhin eisern an Ort und Stelle, bis unsere Körper schlussendlich gänzlich zum Erliegen kamen.

Panisch riss ich meine Augen auf, doch ich konnte nichts erkennen außer unzähliger flirrender Punkte, die wild durcheinander durch mein Blickfeld tanzten, währenddessen durchfuhr mein Kopf ein stechender Schmerz gefolgt von einem pulsierenden Pochen, welches meine Arme durchzuckte.

Reflexartig rollte ich mich zur Seite und krümmte mich grotesk im Staub der geteerten Straße. Am ganzen Leibe zitternd, versuchte ich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen, doch je stärker ich dies versuchte, desto mehr schienen sie mir zu entgleiten.

Ein schrilles Piepen verstärkte die Schmerzen in meinem Schädel weiter, unbarmherzig hörte ich einige, durcheinander schreiende Stimmen, die mich schmerzhaft zurück in die Realität zerrten.

Mit bebenden Gliedern versuchte ich erneut, meine Umgebung zu mustern, unwirsch blinzelte ich einige Tränen, die sich mittlerweile in meinen Augenwinkeln gebildet hatten, zur Seite, da erblickte ich ihn: den Kopf abstrus zur Seite gedreht, lag der Blondhaarige einige wenige Meter von mir entfernt, in einer sich rasch ausbreitenden, hellrot das Sonnenlicht widerspiegelnden Blutlache, das linke Bein unnatürlich in Relation zum restlichen Körper abgewinkelt, das Gesicht von mir weggewandt.

Ohne auch nur eine weitere Sekunde verstreichen zu lassen, blendete ich meine schmerzenden Glieder so gut es eben ging, gänzlich aus und kroch quälend langsam in die Richtung, in der ich den Mann durch meinen Tränenschleier hindurch erblickt hatte.

Mit schmerzerfülltem Gesicht überbrückte ich, auf dem Oberkörper robbend, die letzten Meter, ehe ich mich schweratmend über den Blondhaarigen beugte und mein Herz sich unmittelbar in diesem Moment schmerzhaft zusammenzog.

So viel Blut.

Seine wunderschönen Augen waren weit aufgerissen, die vor nichtmal wenigen Minuten noch schneeweißen Augäpfel waren beinahe gänzlich hellrot eingefärbt; sobald mein Blick flüchtig über seinen restlichen Körper strich, blieb er unmittelbar an dem grotesk verdrehten Bein hängen und ein Schauer fuhr durch meine Glieder.

Direkt oberhalb des Kniegelenks, durchbrach ein helles, Knochensegment, Sehnen, Fleisch und Haut und ragte schief einige Zentimeter aus seiner komplett zerstörten schwarzen Jeans.

Unaufhörlich drang mehr Blut aus der offenen Wunde.

Mir wurde übel.

Panisch starrte ich auf den offenen Bruch und wusste nicht, was ich tun sollte. Immer noch drehte sich alles und selbst wenn ich im Zuge meiner Führerscheinprüfung in dem dafür absolvierten Erste-Hilfe-Kurs etwas über das Verhalten bei einem offenen Knochenbruch gelernt hätte, hatte sich dieses Wissen gerade bis aufs Weitere zur Gänze aus meinem Gedächtnis verabschiedet.

Stark zuckte ich zusammen, als ich plötzlich etwas an meiner Schulter spürte. Das Zittern, welches weiterhin meine Glieder schüttelte, verstärkte sich daraufhin nur noch weiter.

Ruckartig hob ich den Kopf und sah eine kleine Frau vor mir knien, die abwehrend die Hände in die Höhe gehoben hatte, als wolle sie mir signalisieren, dass sie mir nichts tun wollte.

Vorsichtig öffnete ich den Mund, doch keines der von mir erhofften Worte oder gar Sätze entwich meiner Kehle.

Da vernahm ich ein kaum hörbares, gurgelndes Geräusch und wandte mich erneut um. Der Blondhaarige versuchte scheinbar auch, etwas zu sagen, als ich jedoch sah, dass er im Begriff war, an seinem geschundenen Körper herunterzusehen, unterband ich dies schnell, indem ich mich, von anhaltendem Schwindel gepeinigt, unmittelbar vor sein Gesicht kniete und seine Aufmerksamkeit somit auf mich zog.

»H-hallo«, flüsterte ich, doch meinem Mund entsprangen wahrscheinlich nicht mehr als ein paar krächzende Laute. Krampfhaft räusperte ich mich einige Male. »Hallo«, wiederholte ich daraufhin etwas klarer mit heiserer Stimme.

Vorsichtig wollte ich seinen Kopf anheben, da seine Wange weiterhin in einer Pfütze aus Blut auf dem kalten Asphalt lag, doch eine schneidende Stimme hielt mich davon ab: »Nicht«, schrie die zierliche Frau hinter mir mit einer fast piepsigen Stimme panisch, jedoch sehr bestimmt, weshalb ich meine, ebenfalls schmerzenden, Arme schlaff erneut sinken ließ. »Wir dürfen seinen Kopf nicht bewegen, um eventuelle Verletzungen an Wirbelsäule und Rückenmark nicht zu verschlimmern.«

Langsam kam sie einige Schritte auf mich zu, währenddessen beäugte ich sie weiterhin mit Argusaugen. »B-bitte hören Sie auf mich, ich bin Krankenschwester.« Sanft lächelte sie mich an, weshalb ich mich etwas entspannte. »Einen Krankenwagen habe ich bereits gerufen, bitte lassen Sie mich ihnen helfen. Es wird alles wieder gut.«

Stumm konnte ich nichts weiter tun, als die Frau ausdruckslos anzustarren, wandte mich dann jedoch wieder dem Gesicht des Blondhaarigen zu, währenddessen vernahm ich aus den Augenwinkeln lediglich, dass die Frau sein offenes Bein näher zu betrachten schien.

Der Mann am Boden stieß ein verzweifeltes Wimmern aus, er musste würgen, doch es war lediglich Blut, was seinem Mund entwich und sich mit der Lache zu Boden vermischte.

Panik flackerte in seinen Augen und ich war absolut ratlos, was ich tun konnte, um seinen Schmerz zu lindern.

»R-reden Sie mit ihm. Fragen Sie ihn, wie er heißt, halten Sie ihn bei Bewusstsein.« Die Stimme der Frau war leise, jedoch konnte ich trotzdem eine gewisse Sorge und Ernsthaftigkeit in ihr vernehmen.

Es sah bestimmt nicht gut aus.   

Ich holte einmal tief Luft und versuchte mich zusammenzureißen. »Hallo. I-ich bin Yoongi.«, stotterte ich unsicher.

Der Blondhaarige starrte mich weiterhin angsterfüllt an; ich sah, wie seine blutverkrusteten Lippen einige Worte zu formen versuchten, jedoch strömte immer neue rote Flüssigkeit aus seinem Mundwinkel, sobald er seine Lippen voneinander trennte.

»D-du brauchst nicht zu reden, hörst du?« Ich überlegte kurz, ehe ich fortsetzte. »Alles wird gut, vertrau mir.« Selten hatten sich gesprochene Worte widerlicher angefühlt, als die zuletzt Geäußerten.

Wie konnte ich sagen, dass alles wieder gut werden würde?

Ich hatte weder die Ahnung, noch sah es für mich als Laien so aus, als würde hier irgendwas irgendwann wieder gut werden.

Die Minuten, die verstrichen, wurden zu einer quälenden Ewigkeit, immer wieder versuchte der Blondhaarige, etwas zu erwidern, jedoch vergeblich.

Behutsam, als wäre er feinstes Porzellan und ich hätte Angst, ihn zu zerbrechen, streckte ich langsam meine Hand aus und fuhr ihm sanft durch sein helles Haar, welches ihm mittlerweile in klumpigen, roten Strähnen an der Stirn klebte.

Erschrocken weiteten sich zunächst seine Pupillen, ehe er sich zumindest etwas zu entspannen schien.

Unkontrolliert begannen seine Augenlider zu flackern, da packte mich die Furcht. »Hey, hey. Nicht einschlafen.« Ich lächelte ihn gequält an. »Wie wärs, wenn du mir ein bisschen zuhörst?«

Panisch überlegte ich, was ich als Nächstes erwidern sollte, da zischte der Blonde schmerzerfüllt auf und machte Anstalten, an sich herunterzusehen.

Augenblicklich lehnte ich mich etwas nach vorn, sodass ich ihm die Sicht auf sein Bein abermals versperrte und funkelte die Frau, welche sich halb über die offene Stelle gelehnt hatte, böse an.

»Ich muss das abbinden«, flüsterte sie nur abwesend, ihr Blick war glasig und huschte rastlos immer wieder über die sich weiter vergrößernde Lache aus hellrotem Blut. »Er verliert zu viel Blut«, murmelte sie weiter.

Schluckend zwang ich mich, meinen Blick erneut auf den herausragenden Knochen zu richten, den die Frau mittlerweile mit einem dünnen Seidenschal abgedeckt hatte, während diese im Begriff war, mit der anderen Hälfte des Schals das Bein oberhalb der, weiterhin Blut aus ihr strömenden, Wunde, abzuschnüren.

»Bitte reden Sie weiter mit ihm. Er steht gerade unter Schock und sollte unter keinen Umständen das hier sehen.« Sie machte eine ausholende Bewegung.

Gequält wandte ich mich wieder dem Gesicht des Blondhaarigen zu, der immer noch nervös an sich herunterzuschauen versuchte.

Abermals fuhr ich ihm behutsam mit meinen Fingern durch die verklebten Haare, ehe ich meine Finger hauchzart über seine mir zugewandte Wange gleiten ließ. Endlich richtete sich sein Blick gänzlich wieder auf mich.

»Also, wie gesagt, ich bin Yoongi«, stammelte ich schnell und wurde etwas rot für die stupide Wiederholung meines letzten Satzes.

Der Blondhaarige röchelte und öffnete erneut seine Lippen, gerade wollte ich ihn erneut unterbrechen, da flüsterte er kaum verständlich: »J-jimin.«

Ein stechender Schmerz ergriff Besitz von meinem Nacken, doch ich versuchte ihn auszublenden. »Jimin, was für ein schöner Name!«, entfuhr es mir und ich konnte ein winziges Funkeln in seinen Augen erkennen.

Ich musste das Gespräch irgendwie am Laufen halten.

»Jimin, also. Was machst du denn so, Jimin?«, fragte ich ihn gedankenlos, ehe mir in den Sinn kam, wie dumm es von mir gewesen war, ihm eine weitere Frage zu stellen, die er in seinem Zustand, kaum in der Lage zu beantworten war.

Angestrengt kniff er die Augen zusammen, bevor er seinen verkrusteten Mund erneut öffnete: »..Tänzer-«, flüsterte er leise und das Blut in meinen Adern fühlte sich unmittelbar nach dieser Äußerung an wie durch Eiswasser ersetzt.

Verzweifelt schluckte ich meine Gedanken herunter. »Tänzer? Ich liebe Tanzen. Also ich selbst habe zwar zwei linke Füße-«, verlegen begann ich zu kichern, »doch ich liebe es, Anderen beim Tanzen zuzusehen. Der Rhythmus der Musik, der durch deine Knochen fährt und es beinahe wirkt, als würde der Takt dich gänzlich leiten.«

Vorsichtig strich ich ihm mit dem Daumen beruhigend über die weiche Gesichtshaut an seiner Wange, als er abermals ein leises Stöhnen ausstieß, gefolgt von einem Ruck, der durch seinen Körper fuhr und nur mit dem Abbinden seines Beins in Verbindung stehen konnte.

Rasch versuchte ich, seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. »Ich möchte dich unbedingt mal Tanzen sehen. Versprich mir, dass ich das irgendwann mal sehen darf.« Fest schaute ich ihm in die braunen Augen und schien mich beinahe gänzlich in ihnen zu verlieren.

Jimins Blick hingegen war schmerzerfüllt und skeptisch, als wüsste er selbst, wie es gerade um ihn stand.

Tonlos rann eine vereinzelte Träne meine Wange hinab. »Jimin, du musst es mir versprechen! Irgendwann, du und ich. Du tanzt für mich.«

Verzweifelt starrte ich zu ihm herab, ich wusste doch selbst gerade nicht, was ich hier für einen Stuss von mir gab und ob ich dem Blondhaarigen mit meinem Auftreten nicht noch viel mehr Angst, als ohnehin schon, bereitete.

Als sein Blick jedoch den meinigen suchte und er mir erneut tief in die Augen schaute, sah ich wie seine Mundwinkel minimal nach oben zuckten, ehe sie ein stummes 'Ja' formten.

Ich atmete einmal tief aus, während ich kurz die Augen schloss und eine weitere Träne die erste, die auf halbem Wege an meiner Wange stecken geblieben war, ablöste, sich mit dieser verband, mit sich hinunterzog, bevor sie auch schon in das mittlerweile geronnene Blut vor mir tropfte.

Jimins Augen lächelten mich müde an, ehe seine Lider plötzlich ohne Vorwarnung zufielen und mich eine kalte Panik ergriff.

Behutsam fuhr ich weiter über seine Wange und flüsterte eindringlich seinen Namen, doch seine Augen blieben geschlossen. Seine wunderschönen Augen.

Immer unruhiger strich ich mir mit den mittlerweile blutbeschmierten Fingern mehrfach durch die zerzausten Haare, währenddessen wiederholte ich weiter den Namen des Blondhaarigen, doch es folgte keine weitere Reaktion.

Die unabänderlich näherrückenden Sirenen der Rettungswagen im Hintergrund nahm ich schon gar nicht mehr wahr, viel zu fokussiert war ich auf die geschlossenen Lider des Mannes vor mir.

»Jimin, Jimin«, hauchte ich immer wieder, weitere Tränen meine geröteten Wangen hinablaufend.

Ich spürte kalte Hände an meinem Körper, die mich sanft von dem leblosen Leib vor mir wegreißen wollten, doch ich wehrte mich aggressiv gegen jegliche Berührung; aus lauter Verzweiflung hob ich sanft seinen Kopf an, beugte mich zaghaft zu ihm hinunter und umfasste sein Gesicht behutsam mit beiden Händen, ohne ihn zu sehr zu bewegen. »Jimin«, hauchte ich erneut unmittelbar gegen seine Lippen, doch weiterhin erhielt ich kein Lebenszeichen.

Die Gesichtshälfte, die bis dahin noch auf dem Boden gelegen hatte, war dunkelrot verkrustet, an manchen Stellen sah man gelblich unregelmäßig das Fettgewebe austreten, die komplette Haut der linken Wange hatte sich abgelöst und in den schmutzigen Untergrund eingearbeitet.

Immer mehr Hände schienen mich gegen meinen Willen zu berühren, ich wollte mich wehren, doch merkte plötzlich, wie ich selbst immer schwächer wurde.

Mit letzter Kraft versuchte ich den Kopf Jimins in Position zu halten, da wurde mir diese Aufgabe auch schon bereits von einem weiteren Paar Hände in sterilen, weißen Gummihandschuhen abgenommen, ehe die wabernde Finsternis am Rande meines Blickfelds immer mächtiger wurde, bevor es dieses auch schon zur Gänze verschlang und ich das Bewusstsein verlor.

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