Anfang oder vielleicht doch das Ende?

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!Warnung: Gewalt, Trauma, Blut, Mobbing und Ausgrenzung!

Diagnostiziert wurde Diabetes kurz nach meinem 6. Geburtstag, gerade hatte ich mich von einer schweren Infektionen erholt und ich muss sagen, damals sah ich schon besorgniserregend aus. Vollkommen abgemagert und mit erstaunlich weiß-goldenen Haaren und naja, mit meiner üblichen englischen Bräune.
Kein Wunder also, dass sich niemand im Kindergarten um mich geschert hat, wahrscheinlich war ich einfach durchsichtig für sie.
Hätte meine Oma mich nicht zum Arzt gebracht, wäre ich wohl tot, doch eine Nahtoderfahrung habe ich trotzdem und das mit gerade einmal sechs Jahren.
Natürlich habe ich den kleinen Jungen, der zum Sterben neben mir im Zimmer lag, vorher bereits ins Herz geschlossen.
Merkt man, für wie kritisch die Ärzte meinen Zustand hielten?
Ja, mein Zustand war sehr kritisch, auch wenn andauernd behauptet wurde, dass dies "ein reiner Routinefall ist".
Aber einen Routinefall packt man nicht direkt auf die Intensivstation ins bestüberwachte Zimmer zu einem Sterbenden oder?

Das ganze habe ich übrigens durch meine -größtenteils Stressbedingte- Ketoazidose bereits zwei mal mit durch.
Doch diese Nahtoterfahrungen waren nicht wirklich das traumatische, sondern mehr der Umstand, dass ich die ersten vier Wochen nicht einmal wusste unter welcher Krankheit ich leide.
Ich wurde von vier Schwestern in einem dunklen Nebenraum mit Verhörleuchte festgehalten und auf eine weiße Liege gedrückt, damit man mir eine -zugegebenermaßen lebensnotwendige- Nadel in meinen Bauch rammen konnte. Wohlbemerkt nachdem ich all mein Vertrauen in das Personal der Klinik verloren hatte, da der Arzt es geschafft hat meine Kanülen jeweils drei mal die an der Hand und vier mal die in der Ellenbeuge so zu setzen, dass sie gleich wieder herausgerissen sind. Die Schweinerei kann man sich vorstellen oder? Naja, vielleicht sollte man das auch besser nicht tun.
Ich war und bin noch immer zutiefst traumatisiert davon. So sehr, dass ich besagten Raum nicht mehr betreten kann, ohne Panikattacken zu bekommen, zu Hyperventilieren und unkontrolliert zu zucken und zu zittern, gegen die Ohnmacht kämpfe ich jedes Mal aufs Neue erfolgreich an.
Warum jedes Mal aufs Neue?
Weil ich ungefähr alle zwei Jahre eine sogenannte Diabetesschulung über mich ergehen lassen muss.
(Eigentlich öffter, aber ich drücke mich fast jedes Mal erfolgreich.)
Das bedeutet, ich werde wieder mit meinen Traumata konfrontiert und wie es mit meiner dadurch panischen Angst vor aller Art weißer Liegen ist, muss ich wohl nicht ausführen. Doch auch sie begegen mir überall, im Urlaub, am Strand, im Park, beim Schulsanitäter und natürlich beim Arzt. Gar nicht so einfach, da die Panikattacken im Griff zu behalten.
Einige nette Anekdoten zum Thema Diabetesschulung habe ich auch noch.
Aber die kommen später noch.

Nach dieser ziemlich unübersichtlichen Einführung kommen wir nun zu meiner ersten negativen oder diskriminierend Situation zum Thema Diabetes.
Diskriminierung und teilweise auch durchaus Lebens bedrohliche Erlebnisse (wenn man es denn so nennen mag) hatte ich davor schon, aber das Verhalten war neu.
Meine Eltern baten die Lehrerin, nennen wir sie einfach mal Frau Moor-Schwalbe, sich etwas um mich zu kümmern.
Das sollte doch jeder von der Lehrerin seiner Tochter erwarten können.
Aber die meinen wohl nicht.
Frau Moor-Schwalbe weigerte sich konsequent mir zu helfen.
Vielleicht sollte ich das Wort helfen hier diffinieren: Helfen bedeutet in diesem Fall einfach nach zu fragen, ob ich denn bereits meinen Blutzucker kontrolliert und wenn ich esse, nachzufragen ob ich bereits mein Insulin gespritzt habe.
Das war alles.
Nicht mehr und nicht weniger.
Aber nein, sie wollte mit "einem behinderten Kind" nichts zu tun haben.
Komisch, mein späterer Mobber mit Lernschwäche war ihr äußerst sympathisch und geholfen hat sie ihm weitaus mehr als allen anderen.
Die zweite Begegnung geschah mit eben diesem Jungen, nennen wir ihn Marvin.
Am Anfang hab ich ihn zwar nicht direkt sympathisch gefunden, aber behandelt wie jeden anderen: Ich habe ihm immer zugelächelt, mich bedankt, verabschiedet und ihn begrüßt.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich trotz seiner Abweisung, seiner abwertenden und durchaus verletzenden Art mir gegenüber (physisch wie psychisch) ungewöhnlich freundlich war.
Der erste wirkliche Mobbingmoment war wohl im zweiten Monat im ersten Halbjahr.
Er verlor seine Flasche während eines Sitzkreises und sie rollte davon, wie selbstverständlich stand ich als einzige auf, holte sie und gab sie ihm zurück.
Plötzlich schrie er laut auf: »Ihhh, Diabetikerin! Jetzt bin ich auch infiziert! Und wie das stinkt, pfuiii!«, danach sah er grinsend in die Runde und fügte noch naserümpfend hinzu, »Genauso widerlich wie du, man sollte sie gleich in den Müll werfen. Dich auch, bist doch eh kaputt.«
Ich konnte nichts sagen, nicht weil ich es nicht vestanden hätte, sondern weil ich nie gemobbt habe. Weil ich selbst bei Gewalttaten mir gegenüber immer freundlich und respektvoll bin. Warum auch nicht?
Doch der Rest hat auch nichts gesagt.
Nicht eines der Kinder, die haben bloß gelacht und gefeixt.
Nicht die Betreuung eines anderen Klassenkammeradens, ich bezweifle, dass sie überhaupt etwas mitbekommen hat.
Und nicht meine ehemalige Lehrerin, die hat mich einfach nur triumphierend angegrinst.
So ging es weiter.
Einige Kinder mobbten mit, eigentlich alle lachten, Marvin war der schlimmste, die Betreuung ignorierte mich und alles was geschah und die Lehrerin schützte alle Mobber, besonders aber Marvin so gut sie nur konnte. Sie versuchte sogar mit allen ihr rechtmäßig und auch unrechtmäßig zustehenden Mitteln, alle gegen mich auf zu hetzen.
Das behinderte Kind, dass ihren perfekten Alltag störte.
Frag sich nur wie, denn ich habe sie nie um Hilfe gebeten. Nicht in dem Ausmaß wie Kinder es normalerweise tun würden und auch tun sollten. Nicht mehr als drei mal in vier Jahren und das hatte nichts mit meiner Beeinträchtigungen zu tun.
Doch das schlimmste ist, dass ich trotzdem noch daran geglaubt habe das sie mich mögen werden, wenn ich nur gut genug bin.
Traurig oder?
Aber hey, ich war sechs!
Damals hatte ich noch Hoffnung in die Welt.

Damit sind dann auch die ersten Jahre meines Diabetiker-Lebens ganz gut zusammen gefasst.
Genauer bin ich auf vieles nicht eingegangen und ich bin mir auch sicher, dass das Mobbing nicht auf meiner Diabetes basiert war oder ist.
Es liegt an mir, meiner Art und meinem Aussehen.
Es war nur ein vorgeschobener Grund, aber trotzdem tat es weh.
Dies ist meine Geschichte, das bedeutet also auch nicht, dass es jedem Menschen mit Diabetes so ergeht. Bei weitem nicht!
Aber es ist wohl einer der Wege, wie es am schnellsten schief gehen kann.
Wie es ein Leben ziemlich ruiniert, zumindest für einige Jahre.

Ich weiß nicht ob ihr je Mobbing in diesem Ausmaß bemerkt oder miterlebt habt, doch es kann durchaus sein.
Schließlich wird jeder sechste heute in den Schulen gemobbt.
Jeder zweite bis dritte nimmt sich deswegen das Leben. Oder versucht es zumindest.
Hardcore Mobbing ist noch etwas anderes, aber schon "Durchschnittsmobbing" kann Leben enden.
Darum bitte ich jeden: Ihr müsst nicht gegen die Mobber kämpfen, euch nicht gegen sie auflehnen.
Ich hätte und habe mich mehr denn je gefreut als nach beinahe vier Jahren endlich jemand mit mir sprach, ohne Hohn und Spott, ohne Aggression oder Wut und ohne mich damit zu verletzen.
Schaut nicht weg.
Und auch wenn ihr genug in eurem eigenen Leben zu tun habt:
Ein Lächeln tut nicht weh.
Ein freundliches Hallo hat noch niemanden umgebracht.
Und Fragen "Bist du okay?" oder "Wie geht es dir?" sind absolut kostenlos!
Im Gegenteil:
Meist bekommt man sogar noch ein Lächeln zurück.

Ich möchte damit nicht übertreiben.
Ich möchte damit keinen an den Pranger stellen und auch nicht sagen, dass jemand ein schlechter Mensch ist.
Ich möchte damit aufmerksam machen und Ideen geben, wie man die Welt zu einem besseren Ort macht.
Stück für Stück.
Und Lächeln für Lächeln.
Freundlichkeit für Freundlichkeit.

Vielen Dank an jeden, der das alles hier gelesen hat! 💚

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