16. Dezember

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Kälte streifte mein Gesicht und hinterließ ein unangenehmes Gefühl auf meiner Haut. Meine Finger waren gleichermaßen eingefroren, sodass ich mir ernsthaft Sorgen darüber machte, ob sie je wieder funktionstüchtig sein würden.
Dazu kam der schwere Koffer in meiner linken Hand, der es mir nicht gerade leichter machte.

So stand ich also eingehüllt in einen blauen Mantel am Bahnhof und wartete auf meinen Zug. Statt dem Zug kamen jedoch nur massenhaft Menschen, die vom Dezemberstress aufgescheucht hin und her liefen und keine Rücksicht auf ihre Mitmenschen nahmen. Es war ein Chaos, dem ich zu gerne aus dem Weg gegangen wäre.

Doch der Anruf meiner Mutter hatte meine Weihnachtsplanungen augenblicklich zerstört. Ich hätte liebendgerne den Tag in dem Studentenwohnheim verbracht, hätte Filme geschaut oder wäre schlafen gegangen, um die vielen blinkenden Lichter von draußen auszublenden.

Jetzt stand ich eingeschneit hier am Gleis und wusste, dass das mit der Ruhe nichts werden würde. Ich war die Sorte von Mensch, die sich als Einzelgänger beschreiben würde und Jemand, der die Schönheit eines kitschigen Weihnachtbaumes nicht erkennen konnte.
Doch war das nicht der einzige Punkt, der mich von meiner Heimat fernhielt. Vielmehr ging es mir um sie. Ich hatte sie lange Zeit nicht mehr gesehen, geschweige denn etwas von ihr gehört.

Durch unsere damalige Nachbarschaft hatten wir eine Freundschaft aufgebaut, die nicht nur sie und mich betraf, sondern auch unsere Eltern und Geschwister einschloss. Und durch unsere Jugend hatte sich unser Verhältnis so drastisch verändert, dass ich Hals über Kopf umgezogen war und mein Studium genau im richtigen Moment begonnen hatte.

Seither hatten wir uns nicht mehr gesehen, seither hatten wir nicht mehr gesprochen. Ich verfluchte den Anruf meiner Mutter und meine Zusage immer mehr. Wie konnte ich mich nur auf ein Weihnachtsfest mit meiner und ihrer Familie eingelassen haben? Nach all dem, was sie getan hatte...

Ich hatte mir zwar immer wieder klar gemacht, was eine Zusage bedeuten würde, doch suchte mich trotzdem Angst auf, als ich zwei Stunden später vor meinem Familienhaus stand.
Der verschneite Hof mit dem Schneemann und den vielen Fußstapfen, wirkte so lebhaft, als würde hier nichts fehlen, so als würde ich nicht fehlen. Und doch schien sich alles verändert zu haben.
Der Baum, auf dem wir immer zusammen gesessen und geredet hatten. Der Gartenzaun, über welchen ich immer zu ihr herüber geklettert war. Meine gesamte Kindheit lag vor mir und doch schienen die Erinnerungen unter dem Schnee versteckt worden zu sein.

„Sam!", hörte ich auf einmal eine laute Stimme. Ich sah ruckartig auf und bemerkte, dass die Haustür aufgerissen worden war und drei kleine Gestalten auf mich zu rannten. Lily, Ole und Maxim hatten ein solches Tempo drauf, dass ich Angst hatte, umgeworfen zu werden. Automatisch schlich sich ein leichtes Grinsen über meine Lippen. Ich konnte nicht leugnen, dass ich meine jüngeren Geschwister vermisst hatte.

Während die Zwillinge mich an sich drückten, zerrte Lily an meinem Handgelenk. „Du musst unbedingt die Plätzchen probieren, die wir gebacken haben... Wir durften gestern extra lange auf bleiben und der Weihnachtbaum erst, der ist so schön!"
Lily hatte schon immer die Angewohnheit gehabt ohne Punkt und Komma drauf los zureden. Das Grinsen wollte meine Lippen einfach nicht mehr verlassen. Auch nicht, als ich den Dreien zu der vertrauten Haustür folgte.

Im Haus roch es nach Orangen, nach Tannenzweigen und Gebäck. Einen Moment schien ich den Stress der letzten Wochen tatsächlich zu vergessen. Doch war ich nicht naiv genug, um zu glauben, dass meine Befürchtungen umsonst gewesen waren.

Gerade als ich ins Wohnzimmer trat und mich nach meiner Mutter umsah, blieb mein Blick an Eva hängen. Sie saß in einer weißen Bluse und einer Jeans auf unserem Sofa und sah gedankenverloren geradeaus.
Sofort viel mir auf, dass sie ihre Haare abgeschnitten hatte. Sie reichten ihr jetzt gerade einmal bis zur Schulter. Es stand ihr, auch wenn ich ihre langen braunen Haare immer sehr gemocht hatte.

Ich war nicht fähig etwas zu sagen, wodurch ich mit den Händen in den Manteltaschen vergraben einfach im Türrahmen stehen blieb und mein Blick nicht von ihr nehmen konnte. Die Zeit war schon eine mächtige Sache.
Als sie mich schließlich auch entdeckt hatte, wich ich ihren Augen aus und sah mich in dem Zimmer flüchtig um. Weihnachten spiegelte sich in allen Ecken wider und das Aroma war so intensiv, dass einen ganz schummrig wurde.

Der Adventskranz war auf dem Tisch angezündet und der Weihnachtsbaum stand prachtvoll neben dem Sofa und funkelte vor sich hin. Wir waren nie eine der Familien gewesen, die einen einfarbigen und perfekten Schmuck besaß. So hingen sowohl ein paar alte Kugeln an den Zweigen, als auch Engel und Weihnachtsmänner, die einer von uns Kindern im Kindergarten gebastelt haben musste.

„Da bist du ja!", hörte ich auf einmal die vertraute Stimme meiner Mutter hinter mir. Ich drehte mich um und wurde sogleich fest in die Arme genommen. „Ist das schön euch alle hier zu haben!"
Sie sah von mir zu Eva und wieder zurück. Das Schlimmste an der ganzen Geschichte war, dass niemand (außer wir zwei) von unserer gemeinsamen Vergangenheit wusste. Diese Tatsache machte alles nur noch komplizierter. Dabei hatte ich eigentlich geglaubt, dass es mit der Zeit leichter werden würde.

Kurz darauf rissen mich Lily und Mia, die kleine Schwester von Eva, aus den Gedanken. Sie fuchtelten mit einer Keksdose vor meiner Nase herum und sahen mich erwartungsvoll an. Es hätte mich auch gewundert, wenn man die Wuselzwerge so schnell losgeworden wäre. „Die sind echt super lecker!"

Eigentlich war mir mein Appetit vergangen, seit ich in den Raum getreten und meiner verdrängten Jugend in die Augen gesehen hatte, doch konnte ich die leuchtende Vorfreude meiner Schwester nicht einfach ignorieren. So nahm ich das sternförmige Gebäck entgegen und biss hinein.
„Köstlich", versicherte ich kauend und fuhr mir unsicher über den Mund, als ich Evas Augen auf mir spüren konnte.

Eine Begrüßung fehlte noch, die von Evas Eltern. Sie hatten scheinbar bis eben meiner Mutter in der Küche ausgeholfen. Nun jedoch traten sie ebenfalls ins überfüllte Wohnzimmer, um mich zu begrüßen und zu mustern. Das Mustern schien ihnen allerdings wichtiger zu sein.
„Du bist so groß geworden! Ich weiß noch, als du mit Eva im Garten fangen gespielt hast", drang es gedämpft zu mir herüber. Ich spürte wie sich mein Magen noch mehr verkrampfte und schluckte den restlichen Keks schnell herunter. Mehr als ein halbherziges Lächeln brachte ich nicht zu Stande.

Ich versuchte bemüht Eva aus dem Weg zu gehen und ein Gespräch zu vermeiden. Nachdem ich meinen Koffer nach oben gebracht und die Geschenke herausgeholt hatte, hatte ich dabei geholfen den Tisch zu decken und einen Salat zu machen. Als auch das erledigt war, sah ich mich gezwungen ins Wohnzimmer zurückzukehren.

Ich setzte mich in den Sessel und starrte ins Leere, während die anderen begannen Weihnachtslieder zu singen. Lily nahm seit etlichen Jahren Klavierunterricht und saß gleich darauf in ihrem schicken Kleid und ihren Flechtezöpfen vor dem Instrument und spielte.
Es klang nicht perfekt, doch da man spürte, wie sehr sie die Musik fühlte, hörte es sich doch vollkommen an.

Ein wenig seltsam war es schon, dass die Freude der Kinder auf einen abfärbte oder (in meinem Fall) zumindest einen streifte. Meine starke Abneigung hob sich zumindest zum Teil auf.
Nichtsdestotrotz fühlte ich mich noch immer unwohl, vor allem, als beim Essen alte Geschichten auftischt wurden. Eva schien es ähnlich zu gehen. Sie sagte kein Wort dazu, sondern nickte nur jedes Mal, wenn es nötig war.

Zwischen dem Essen und der Bescherung nutzte ich die Gelegenheit, um frische Luft zu schnappen. Ich musste raus. Nur kurz alleine sein. Meine Gedanken hörten nicht auf sich zu drehen, hörten nicht auf die Vergangenheit abzuspielen.
Ich wollte es mir nicht eingestehen, doch versetzte mir ihr Anblick auch nach dieser ganzen Zeit noch immer einen Stich. Da zu sitzen und den anderen vorzuspielen, dass wir nur zwei alte beste Freunde waren, die einander aus den Augen verloren hatten, war mir auf den ersten Blick ein Leichtes.

Doch war da noch immer die schmerzhafte Erinnerung, die sich wie ein Schatten über die Weihnachtstimmung legte und von der niemand etwas ahnen konnte.
Meine Familie wiederzusehen war ein unerwartetes Geschenk gewesen, vielleicht sogar besser, als ein Netflixabend, aber warum musste die Familie von neben an bei uns Platz nehmen?

Mit einer Tasse Glühwein in den Händen stand ich vor der Haustür in der Kälte und starrte auf den matschigen Schnee. Von drinnen hörte ich Weihnachtslieder und Gelächter.
Ich blendete es bemüht aus und sah einzig und allein dem Neuschnee zu, der auf die Erde herab rieselte. Er verbarg allmählich die Anzahl der Gäste, welche eine Spur bis zur Haustür hinterlassen hatten. Jeder außer mir hätte diese Bedingungen als perfekt abgestempelt. Musik, Schnee, Lichterketten und Festtagsessen.

Nur war ich eben nicht wie die anderen. „Die Magie" von der alle sprachen, hatte ich noch nie gespürt. Manchmal da glaubte ich sie in den funkelnden Augen meiner Geschwister gesehen zu haben, wenn diese in der Weihnachtszeit sangen oder dem Krippenspiel in der Kirche zu sahen.
Doch letztendlich war Weihnachten ein Tag wie jeder andere, wenn nicht sogar noch schlimmer. Auch das Fest der Liebe konnte vergangende Dinge nicht ungeschehen machen. Ich fragte mich wie sie sich fühlte. Ob sie es bereute oder ob sie all dies schon vergessen hatte.

Gerade als ich auf den Gedanken kam, dass sie sogar einen neuen Freund an ihrer Seite stehen hatte, ging auf einmal die Haustür auf. Für einen kurzen Moment wurde die Musik lauter, ehe sie wieder von dem Haus eingesperrt wurde.
Ich vermutete, dass es meine Mutter war, die sich nach mir erkundigen wollte. Doch als ich mich umdrehte, um eine Rechtfertigung auf die Beine zu stellen, geriet ich ins Stocken. Es war nicht Mum. Es war Eva.

Sie hatte sich eine Jacke übergeworfen und hielt ebenfalls einen Punsch in ihren Händen. Da ich ihr nicht in die Augen sehen konnte, senkte ich meinen Blick. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Verdammt, hörte das denn niemals auf!
„Sam", ihre Stimme durchdrang die abendliche Stille und hinterließ eine Gänsehaut auf meinen Armen.
„Ich... ich weiß nicht, was ich sagen soll"

Nichts wäre mir gerade am liebsten gewesen. Meine Finger schlangen sich noch fester um die heiße Tasse. Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie mich ansprach. Doch jetzt wo genau das passiert war, wurde mir erst die richtige Bedeutung dieser Hoffnung bewusst.
„Ich weiß nicht, warum unsere Eltern auf die tolle Idee gekommen sind, die alten Zeiten wieder aufleben zu lassen. Und wenn ich ehrlich bin, dachte ich nicht, dass du kommst" Eva kam neben mir zum Stehen und folgte meinem Blick auf den dunklen Hof, der nur von ein paar Lichterketten erhellt wurde.

„Das dachte ich auch nicht", sagte ich ehrlich. Es klang kälter, als ich es vorgehabt hatte.
„Es ist keine Entschuldigung für all das, aber ich will dir nur sagen, dass... dass es mir leid tut. Es ist ewig her und ich war dumm und jung und..." Sie brach ab. Wenn man sich so lange kannte, merkte man, wenn der andere den Tränen nahe war. Das hier war einer dieser Momente.

„Vielleicht ist Weihnachten ja der richtige Augenblick, um dir das zu sagen. Ich meine, ich hatte ja keine Gelegenheit mehr, nachdem du... du mit bekommen hast, dass ich und Fynn..." Abermals brach sie ab.
Im Haus ertönte Hallelujah und wehte leise zu uns herüber. Etwas in mir entwickelte Mitleid. All die Jahre musste sie diese Last mit sich herum getragen haben, die Last des schlechten Gewissens.
Doch letztendlich war es ihre Schuld gewesen. Allein ihre.

„Meine Großmutter hat mal gesagt, dass Weihnachten voller Wunder steckt. Das an dem heiligen Abend die Erde still steht und voller Zuversicht und Liebe leuchtet. Ich habe sie als Kind nur belächelt. Eine alte Frau, die gerne Geschichten erzählt. Eine Frau, die viel Fantasie hat. Aber weißt du, Sam. Ich wundere mich wirklich, dass du nicht abgesagt hast und dass ich dir das überhaupt alles erzählen kann, ohne dass du wie früher abhaust"

„Ich habe dich vermisst", die Worte hatten so schnell meine Lippen verlassen, dass ich sie nicht zurückhalten konnte.
„Glaubst du, dass du mir verzeihen kannst?"
Darauf folgte ein Schweigen. Ich wollte nein sagen, ich wollte wütend sein. Ich wollte ihr verdammt noch mal klar machen, dass ihre Großmutter mich mit ihrem Weihnachtsgelaber mal gern haben konnte.

„Eva", meine Stimme klang rau. „Du hast mir damals sehr wehgetan. Ich weiß nicht..." Ich schluckte. „Ob ich einfach so tun kann, als wäre das alles nicht passiert... Nicht so wie da drin"
Ich nickte leicht in Richtung Haustür und starrte auf den dampfenden Punsch, dessen Aroma in meine Nase stieg. Dutzende Gedanken drehten sich in meinem Kopf. Es war zu viel, eindeutig.

Im Augenwinkel sah ich, wie Eva gen Himmel blickte. Langsam folgte ich ihrem Blick. Ich wusste, wie sehr sie die Sterne liebte. Vermutlich wusste sie auch noch, dass ich es wusste.
„Ich weiß nicht, wie ich das je wieder gut machen soll", murmelte sie auf einmal und sah mir zum ersten Mal direkt in die Augen.
Ich erwiderte diesen vertrauten und doch fremd gewordenen Blick und antwortete nach einer Weile: „Ich auch nicht"

Wieder verfielen wir in ein Schweigen. Einzig und allein die leise Stimme von Leonard Cohen drang zu uns herüber. I've told the truth. I didn't come to fool you. And even though it all went wrong. I'II stand before the Lord of song. With nothing on my tongue but Hallelujah.

„Frohe Weihnachten, Eva", hauchte ich irgendwann in unsere Stille hinein und beugte mich ein Stück weit zu ihr herunter. Meine Lippen streiften ihre kalte Wange. Sie zuckte zurück, doch konnte ich ein leichtes Lächeln auf ihren Lippen ausmachen.

Ich wusste nicht, ob es je wieder so werden konnte wie früher. Ich wusste nicht, ob ich ihr verzeihen konnte. Doch was in diesem Moment realisierte, war, dass heute Nacht noch jemand geboren war: Hoffnung. Hoffnung, dass Eva sich tatsächlich verändert hatte, dass sie wirklich Reue zeigte. Und in diesem Moment schien die Erde still zu stehen und voller Zuversicht und Liebe zu leuchten.

~ -Niall_James_Horan-

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro