#04 Etwas Neues lernen [Teil 1]

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Sonntag, 15. Oktober – 15:07

Ich schaute nun schon zum dritten Mal in den Spiegel. Immer noch nicht zufrieden mit meiner Frisur fuhr ich mir mit beiden Händen durch die Haare und strich sie glatt. Das musste fürs Erste reichen, ich hatte nämlich keine Zeit mehr, mir die Haare zu waschen und neu zu stylen. Etwas nervös machte ich mich schließlich auf den Weg. Mit einem Blick auf mein Handy vergewisserte ich mich, dass ich pünktlich gestartet war. In gut zwanzig Minuten war ich mit Jay verabredet. Naja, also nicht „verabredet" – wir trafen uns lediglich auf einen Kaffee, also alles ganz harmlos, versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

Ich hatte auf seine Nachricht gestern, nachdem ich mich mit Hannah ausgiebig beraten hatte, geantwortet, dass ich mich freuen würde, ihn bei der ein oder anderen Challenge dabeizuhaben. Daraufhin hat er ein Treffen vorgeschlagen, damit wir uns die Liste noch einmal gemeinsam ansehen und eventuell einen Plan machen könnten. Da ich das Café, das er mir genannt hatte, nicht kannte, hoffte ich während des Fußmarsches, dass Google mir den richtigen Weg beschreiben würde.

Heute machte mich jedoch mehr die Tatsache nervös, dass ich mich das erste Mal alleine mit Jay traf, als dass wir uns in einem Café trafen, in dem ich noch nie war - in der Öffentlichkeit mit zahlreichen Menschen. Wie schnell das Blatt sich doch wendet. Trotzdem, zu behaupten, dass mich der Gedanke an die Menschenmasse nicht sonderlich beeindruckt, wäre gelogen.

Nach einer Viertelstunde hatte ich unseren Treffpunkt erreicht. Wie immer war ich zu früh dran, ich plante mir nämlich immer mehr Zeit ein, für den Fall, dass etwas Unvorhersehbares dazwischen kam, oder ich das Café nicht sofort fand. Überraschenderweise war auch Jay schon da und wartete vor dem Eingang. Seinen Blick in sein Smartphone vertieft, hatte er mich noch nicht gesehen, weshalb ich ihn kurz musterte. Wie bei unserer ersten Begegnung trug er auch heute wieder die senfgelbe Mütze, die ihm sehr gut stand. Lässig lehnte er an der gemauerten Außenwand des Cafés. Als er mich entdeckte, verformten sich seine Lippen sofort zu einem Lächeln und er steckte sein Handy weg.

„Hi!", begrüßte er mich. „Ich hoffe, du hast es gut gefunden?"

„Hi! Ja, Google hat mir etwas geholfen", grinste ich.

„Lass uns gleich reingehen!" Jay ging voraus und hielt mir die Tür auf. Zaghaft trat ich ein, war jedoch sofort angetan vom Inneren des kleinen Cafés. Direkt nach dem Eintreten standen wir vor einer großen Kuchenvitrine, die gefüllt mit verschiedensten Torten, Kuchen und süßen Versuchungen war. Gegenüber standen zwei kleine Tischchen, mit je zwei Stühlen. Durch die Glastür daneben konnte man eine kleine Sonnenterrasse entdecken, auf der eine Vierergruppe saß und ihre Heißgetränke genoss. Der Gang entlang der Vitrine führte in einen hinteren Raum, der ebenfalls mit noch einmal vier Tischen ausgestattet war. Die erwartete Menschenmasse blieb glücklicherweise aus.

„Hast du Lust auf was Süßes?", fragte Jay. Er hatte bemerkt, dass mein Blick an der Kuchen- und Tortenauslage hängengeblieben war. Ich nickte.

Wir bestellten uns zwei Kaffees, eine Schwarzwälder Kirschtorte für mich und für Jay eine Käsesahnetorte und setzten uns in den hinteren Raum. Wir waren die einzigen dort, weshalb es erfrischend ruhig war. Nur ganz leise hörte man Musik aus zwei kleinen Boxen, die in den Ecken positioniert waren. Auf dem hellen Holzboden waren mehrere Pflanzen platziert und an einer Wand war ein Landschaftsgemälde zu entdecken. Ein großes Fenster gab den Blick auf einen kleinen Park frei. Der Raum wirkte insgesamt sehr hell und einladend.

„Und, wie findest du es hier?", durchbrach Jay die Stille.

„Ich mag es hier. Es ist so richtig heimelig. Kommst du oft hierher?"

„Ich habe das Café vor ein paar Jahren entdeckt. Seitdem bin ich immer Mal wieder hier. Ich mag die Atmosphäre. Mir gefällt, dass es hier so ruhig ist. Man kann einfach nur sein und in Ruhe seine Gedanken sortieren."

„Ich weiß, was du meinst!", stimmte ich ihm zu.

Die Bedienung, eine Dame mittleren Alters, kam mit unseren Kaffees und den Tortenstücken und stellte sie vor uns ab. „Falls ihr was braucht, sagt ihr Bescheid, ja?" Lächelnd schaute sie uns an und Jay nickte. „Danke!"

Als sie den Raum verlassen hatte, griff ich nach meiner Gabel und schob mir genüsslich ein großes Stück meiner Torte in den Mund. Jay, der mich dabei beobachtet hatte, lachte auf.

„Entschuldigung!", nuschelte ich beschämt hinter vorgehaltener Hand.

„Wofür?", fragte Jay und tat es mir gleich. „Die Torten schmecken ja auch köstlich. Da kann man ja nicht anders, als sofort zuzuschlagen."

Ich musste mir ein Lachen unterdrücken, aus Angst, ich könnte mich verschlucken.

„Und wie findest du sie?"

„Sehr lecker!", bestätigte ich.

Nachdem wir unsere Tortenstücke fertig hatten, nahm Jay einen großen Schluck vom mittlerweile etwas abgekühlten Kaffee. „Ich habe mich übrigens sehr gefreut, dass du mir geantwortet hast."

Etwas überrascht schaute ich ihn an.

„Ich war mir am Freitag nicht sicher, ob ich dich irgendwie dazu gedrängt hatte, mir deine Liste zu zeigen. Ich bin manchmal einfach zu neugierig, aber ich wollte dich jetzt auch nicht..."

„Ach was! Ich war nur überrascht, dass du dich überhaupt dafür interessiert hast. Als ich diese Liste verfasst habe, habe ich alles aufgeschrieben, was mir so spontan eingefallen ist. Ich hatte ursprünglich nie im Sinn, diese Dinge auch tatsächlich umzusetzen, ansonsten würden einige Punkte vermutlich gar nicht draufstehen. Aber als ich erkannt habe, dass mein Leben in den letzten Monaten komplett von meiner Angst gesteuert wurde, habe ich begonnen gezielt einige Punkte davon umzusetzen, um mich selbst eben etwas herauszufordern und aus meiner Komfortzone zu holen. Dabei stellen aber auch nicht alle Dinge eine Herausforderung dar – nicht mehr. Vielmehr sind es Dinge, an die ich schon öfters gedacht habe, aber sie bislang noch nie gemacht habe. Außerdem bin ich mir auch nicht sicher, ob ich ALLES von dieser Liste umsetzen sollte."

Jay nickte. „Das solltest du ganz so handhaben, wie es für dich am besten passt." Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: "Sollen wir uns die Liste nochmal gemeinsam anschauen? Dann kannst du dir überlegen, welchen Punkt davon du als nächstes angehen möchtest?"

Nickend nahm ich meine Liste hervor, die mittlerweile einige Gebrauchsspuren vorwies, und faltete sie auseinander. Mit beiden Händen streifte ich sie glatt und legte sie zwischen Jay und mich. Jay rutschte näher an mich heran, um die Liste besser zu sehen. Dabei berührten sich unsere Schultern.

Mein Körper spannte sich leicht an. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von meinem entfernt und ich musste mich konzentrieren, meinen Blick auf der Liste zu lassen. Ich hörte seine ruhigen Atemzüge neben mir und spürte die Wärme, die von seinem Körper ausging. Mit dem Zeigefinger fuhr er über das Papier und ich folgte ihm mit meinen Augen. Ob er meine Anspannung bemerkte?

„An was hast du gedacht?" Er rutschte ein Stück von mir ab und schaute mir direkt in die Augen.

Für einen kurzen Moment verlor ich mich in dem dunklen Braun seiner Augen, ehe ich perplex antwortete: „Was meinst du?"

„Na, was möchtest du als nächstes angehen?" Er tippte auf die Liste.

„Achso, ja...", stockte ich und brauchte einen Moment mich zu sammeln. "Ich habe mir noch keine näheren Gedanken dazu gemacht. Aber je weiter vorne der Punkt steht, desto leichter ist er für mich. Je weiter hinten, umso mehr Überwindung brauche ich dafür."

„Wie wär's dann mit Punkt 4?"

Etwas Neues lernen', las ich. „Klingt gut!"

„Gibt es denn etwas, das du schon immer lernen wolltest?"

Ich überlegte, aber es fiel mir nichts Konkretes ein. „Ich interessiere mich prinzipiell für alles. Es gibt also Vieles, das ich lernen möchte..."

„Wie wär's denn dann mit Cocktails mixen?"

Mit großen Augen schaute ich Jay an. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist. Ich glaube nicht, dass ich so was kann!"

„Dann eignet sich das doch perfekt. Es geht ja darum, dass du etwas Neues lernst, richtig? Und bei Cocktails kenn ich mich aus, da kann ich dir helfen!", grinste Jay stolz.

Auch wenn ich Sorge hatte, dass ich mich ungeschickt dabei anstellen könnte, gefiel mir der Gedanke von Jay als mein Lehrer. Und noch mehr gefiel es mir, dass ich Jay dabei nah sein konnte.

"Du hast recht!", stimmte ich ihm also zu. "Wie lautet der Plan?"

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