1- Vergangenheit

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Es war ein schöner Morgen im Spätsommer und die Crucis fuhr schnell durch die aufschäumenden Wellen, unsichtbar für all jene, die sich nicht an Bord befanden. Der Einmaster schaukelte stark bei dem hohen Seegang vor der Küste Belgiens. Gischt schäumte an dem grün gestrichenen Holz auf, an dem die Farbe schon abblätterte. Am Bug stand Alea Aquarius und starrte mit grüblerischer Miene auf das Meer, das für sie wie ein wild gewordener, wunderschöner Regenbogen aussah. Denn sie war ein Meermädchen, eine Walwanderin. Der kühle Fahrtwind zerzauste ihre langen dunklen Haare, doch es machte ihr nichts aus.
Schon seit Sonnenaufgang stand sie hier, hatte nur einen Apfel gefrühstückt, da sie viel zu aufgeregt war, um zu essen. Was am letzten Tag geschehen war, war auch einfach nur aufregend und unglaublich: Sie hatten in Brügge die verschollenen Meerkinder gefunden, gleich zehn von ihnen! Zwar hatten sie nicht lange Zeit gehabt, um sich mit ihnen zu unterhalten, aber die bloße Existenz dieses Treffens ließ Aleas Herz höherschlagen. Ihr Traum, die Meerwelt wiederaufleben zu lassen, war an diesem Tag ein Stückchen näher gerückt. Aber das war noch nicht alles: Sie hatte herausgefunden, dass die mysteriöse Walwanderin, die ihr seit Island Wanderernachrichten schickte, in Wahrheit Nelani war, Aleas todgeglaubte Mutter! Noch immer konnte Alea es kaum fassen. Ihre Mutter war gar nicht an dem Virus gestorben, der tausende Meermenschen dahingerafft hatte, sie war immun gegen ihn, genauso wie sie selbst auch. Aleas seltsame Immunität kam anscheinend doch nicht von der Tatsache, dass sie eine Elvarion war – eine geborene Anführerin – sondern von ihrer Mutter! Wie es dazu gekommen war, dass Nelani gegen den tödlichen Wasservirus gefeit war, mussten sie erst noch herausfinden. Vielleicht schon in den kommenden Tagen, wenn sie Nelani in Oye Plage treffen würden. Oye Plage – jedes Mal, wenn Alea daran dachte, bekam sie eine Gänsehaut. Ihre leibliche Mutter schien ihr so nahe, wie lange nicht. Das kleine Städtchen in Frankreich war beim aktuellen Wind nur einige Tagesreisen von Brügge entfernt.

Noch immer bewunderte Alea ihre Mutter dafür, wie sie sich Orion und ihren Männern entgegengestellt hatte, als diese versucht hatten, ihnen zur Crucis zu folgen. Zusammen mit dem Oblivionenmädchen Xalia, welches den Standort des Treffens verraten hatte, hatte der gefährliche Doktor versucht, sie in die Falle zu locken. Doktor Orion, der das Wasservirus ins Meer gesetzt hatte, der sein eigenes Volk verraten hatte, um seine illegalen Geschäfte ungestört zu erledigen, bei denen er giftige Chemieabfälle ins Meer lud. Der Doktor, der davon überzeugt war, das Meervolk vor einem Krieg mit den Landgängern bewahrt zu haben, den die Meermenschen seiner Meinung nach sicher verloren hätten. Alea hatte nicht den blassesten Schimmer, warum er an dieser dreisten Lüge festhielt, obwohl es offensichtlich war, dass er das alles nur getan hatte, um sich selbst durch seine Geschäfte reich zu machen. Mittlerweile war er ein richtiger Gangsterboss, der sein teuflisches Netzt auf der ganzen Welt gesponnen zu haben schien. Da er anfangs vorgegeben hatte, er hätte den Virus erforscht und nach einem Heilmittel gesucht, hatte Alea ihm blind vertraut, weil er mit ihrem Blut ein Heilmittel herstellen wollte. Das hatte er dann auch geschafft, allerdings hatte er Alea davon nichts gesagt. Nur durch den mutigen Kobold Murphy hatte sie es herausgefunden, nach und nach war Alea ihm auf die Schliche gekommen. Doch er hat sie und die Restlichen Mitglieder der Alpha Cru gefangen genommen, nur mit Glück konnten sie entkommen. Seitdem war Doktor Orion auf der Suche nach ihnen, bisher erfolglos, da die Crucis unter der Tarnung von Skorpionfischen unsichtbar war. Zwar hatten sie seit der Ölkatastrophe in Norwegen nicht mehr viel von ihm oder seinen Hubschraubern gehört, doch Alea war sich sicher, dass er immer noch auch der Suche war. Sie waren immerhin mit seinen dunkelsten Geheimnissen im Gepäck geflohen und solange Alea und Nelani lebten, bestand immer noch eine Chance, dass die Meerwelt wiederaufleben konnte.

Alea schluckte. Was Doktor Orion wohl mit ihr machen würde, wenn er sie erwischen konnte? Sie wollte es am Besten nie erfahren. Angestrengt starrte sie auf das Meer, damit sie sich endlich ablenkte. Die ganzen düsteren Gedanken, gemischt mit der Freude machten sie noch verrückt. Aber selbst im Meer wurde sie stetig an das Geschehene erinnert, denn ein milchig grauer Schleier, der selbst hier im Rand des Ärmelkanals versuchte, die Schönheit und die Farben des Meeres zu verbergen, zeugte noch von der Ölkatastrophe in Norwegen. Schweren Herzens wandte sich Alea vom Ozean ab und allen Farben und Formen, die ihr ihre Geschichten erzählen wollten. Sie guckte, was die anderen gerade machten. Tess Taurus ging gerade ihrer Aufgabe an Bord nach, sie hing die Wäsche von der Wäscheleine, damit sie nicht noch von Wind weggeweht wurden. Dabei summte sie wie üblich ein Lied vor sich hin. Alea lächelte, als sie es erkannte. Es war Hinterm Wasserfall, das Lied, das sie geschrieben und veröffentlicht hatten, um die verschollenen Meerkinder auf sie aufmerksam zu machen.

Gehörst du auch dazu? Komm zur Alpha Cru
Wir segeln um die Welt, von Island nach Peru...

Als Tess ihren Blick bemerkte, lächelte sie zurück. Danach kümmerte sie sich weiter um die Wäsche und legte eine Jeans von ihr zusammen. Eine Möwe flog über das Schiff, Tess schaute aber nur kurz auf. Sie hatte mal eine Heidenangst vor Möwen gehabt, weil eine ihr als Kind mal beinahe ein Auge ausgehackt hatte. Doch nachdem sie sich in Norwegen um eine mit Öl verschmierte Möwe gekümmert hatte, schien sie keine Angst mehr vor diesen Vögeln zu haben. Aleas Blick schweifte weiter zu Lennox Scorpio, der gerade mit Putzeimer um Wischmopp dabei war, die Planken zu putzen. Jeder war mal dran, auch wenn es eine extrem lästige Aufgabe war, wie Alea fand. Auch Lennox schien ihren Blick zu spüren, er schaute auf und lächelte sie auf eine Art an, bei der Alea die Knie weich wurden. Lennox und sie waren mehr als Freunde, viel mehr. Alea versuchte, das Klopfen ihres Herzens zu ignorieren.
Benjamin Libra entdeckte sie im Deckshäuschen, am Steuer. Er bestand wie fast immer darauf, nach oder während der Flucht vor Orion am Steuer zu sitzen, vielleicht, weil er der Skipper war und damit verantwortlich für die gesamte Crew. Wahrscheinlich war Ben auch noch viel besorgter um seine Mannschaft, als andere Skipper, weil er der einzige Volljährige an Bord war.
Wo war eigentlich Sammy? Samuel Draco – Sammy – war das jüngste Mitglied an Bord und außerdem Bens Bruder. Gerade eben noch hatte er seine Fusselsammlung bei der Sitzecke am Heck sortiert – Sammy hegte ein eigenartiges Interesse an Fusseln, Flusen, Flöckchen und Möppchen, die er sammelte und in einem eigenwilligen System in zweckentfremdete Marmeladengläser sortierte. Allerdings hatte er feststellen müssen, dass der Wind an Deck zu stark war und sich schließlich nach unten in den Schiffsbauch verzogen. Doch jetzt kam der neunjährige Junge durch die Tür gewuselt und flüsterte Tess etwas zu, dass diese verärgerte, denn sie gab dem Jungen eine Kopfnuss. Sammy war angeblich in alle Crewmitglieder verliebt, aber besonders bei Tess machte er sich besonders Mühe, ihr Komplimente zu machen. Denn Tess war gar nicht so mies drauf, wie sie immer tat. Im Gegenteil: Sie war immer hilfsbereit, erledigte alle ihre Aufgaben absolut gründlich und übernahm häufig auch die der anderen. Ben nannte sie sein wertvollstes Crewmitglied.
Alea schmunzelte, als Tess noch ein paar französische Flüche zum Besten gab, sich dann die Dreadlocks zu einem Zopf zusammenband, damit sie ihr nicht andauernd ins Gesicht wehten, und schimpfend mit ihrer Arbeit vorfuhr. Tess war Französin und von Zuhause weggelaufen, als sich ihre Eltern getrennt hatten. Sie hatte dann beiden Elternteilen vorgegaukelt, sie sei bei dem jeweils anderen, doch schließlich war ihr Lügengerüst zusammengebrochen, was anschließend dazu geführt hatte, dass ihre Eltern sie sofort nach Hause zurücknehmen wollten. Zum Glück konnten Ben und Sammy, die auch beide Französisch sprachen – sie noch überzeugen, Tess auf der Crucis bleiben zu lassen, zumindest für die Sommerferien, die in Frankreich erst im September endeten. Bei Alea allerdings waren sie schon seit gut zwei Wochen zu Ende, aber wegen der Bedrohung durch Orion konnte sie vorerst nicht in ihr altes Leben zurückkehren, was sie offen gestanden auch nicht wollte. Auf der Crucis war sie zu Hause, die Alpha Cru war ihre Familie und niemals würde sie es über sich bringen, sich von Lennox zu trennen! Am Liebsten würde sie für immer auf der Crucis bleiben, aber so gut wie alles sprach dagegen.

Zu Aleas Überraschen war Sammy einen Moment später nicht mehr so fröhlich wie sonst, sondern regelrecht betrübt. Sein lausbubiges Gesicht mit den wachen, braunen Augen, den Sommersprossen und der breiten Zahnlücke war traurig und ängstlich. Er setzte sich neben Alea und klammerte sich an ihr Bein. Alea wuschelte ihm durch die wilden, roten Haare, mit denen er dringend mal wieder zum Friseur müsste. „Was ist denn los, kleiner Kuschelkönig?", fragte sie seufzend, obwohl sie sich die Antwort denken konnte. Da kam sie auch schon: „Orion ist ... blöd"
Alea seufzte abermals. „Er ist echt blöd, da hast du recht. Hätte er diesen verfluchten Virus doch nie ausgesetzt."
Sammy schaute zu ihr auf. „Aber ohne Orion hätten wir uns nie kennengelernt", belehrte er sie. Alea stutzte. Aber Sammy hatte schon wieder recht. Ohne Orion wäre Alea bei ihren Eltern, Keblarr und Nelani aufgewachsen, zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Anthea, die Alea vermisste, seit sie sie kannte. Ihr gesamtes Leben wäre anders verlaufen, sie hätte weder Marianne, ihre Pflegemutter, die seit ihrem Herzinfarkt am ersten Tag der Sommerferien im Krankenhaus in Hamburg lag, noch die Alpha Cru, inklusive Lennox. Lennox war in Lübeck aufgewachsen, an der Ostsee. Alea kam, soweit sie es wusste, aus der Nordsee oder dem Ärmelkanal.
Sie überlegte, wie es wohl Lennox ohne den Virus ergangen wäre. Sein Landgängervater war Trinker und hatte ihn sein halbes Leben lang geschlagen und letztendlich vor die Tür gesetzt. Lennox war dann bis Amsterdam gewandert, wo er Alea und die Alpha Cru kennengelernt hatte. Seitdem lebte er auf dem urigen Segelschiff. Alea fiel ein, dass sich damals Ben und Sammy gestritten hatten, weil sie sich uneinig gewesen waren, wo sie essen gehen sollte. Alea hatte den Streit geschlichtet, indem sie ein nettes Restaurant vorgeschlagen hatte, das ihr wegen der Meerjungfrauenstatue davor aufgefallen war. Die Statue, vor der Lennox gesessen und auf seiner Gitarre gespielt hatte...

Alea lächelte. Ohne die Brüder hätte sie Lennox womöglich nie kennengelernt.
Wäre er dann irgendwo auf der Straße verendet? Vielleicht wäre er irgendwann überfahren worden, denn durch den Tarneffekt, den er durch seine halbe Oblivionenseite besaß, war er unsichtbar für Landgänger, wenn er sie nicht bewusst auf sich aufmerksam machte. Aber nein!, ohne den Virus wäre ja auch seine Mutter nie gegangen. Vielleicht wäre sein Vater – dessen Name Alea immer noch nicht wusste – auch nie zu einem so schlechten Menschen geworden, wenn Xenia bei ihm geblieben wäre, wenn nicht, dann hätten sich Lennox' Eltern auf kurz oder lang getrennt. Xenia und Lennox wären bestimmt in eine Wohnung nah an der Küste gezogen, wo sie zur Hälfte im Meer bei Xenias Oblivionen-Clan in der Ostsee, und zur anderen Hälfte an Land gelebt hätten, damit Lennox wegen seinen fehlenden Kiemen dort schlafen und auch zur Schule gehen konnte.

Alles wäre anders gekommen, wenn Orion nie seinen verhängnisvollen Virus erschaffen hätte. Alea fragte sich, ob dann tatsächlich der Krieg zwischen Land und Meer ausgebrochen wäre, den Orion immer vorhergesehen hatte, oder die Meermenschen und die Langgänger in Frieden beisammen gelebt hätten, wie vor hunderten von Jahren. Und ob die Ozeane wirklich sterben würden, wie Orion es in seinen Horrorzenarien der Zukunft gesehen hatte. Genau wie die Nixenkönigin Haruko, die im Gegensatz zu Orion wirklich in die Zukunft geschaut hatte, mithilfe ihres magischen Silberumhangs, den sie Alea vermacht hatte, der Elvarion der letzten Generation. Worüber wiederrum ihr Sohn, Nixenprinz Cassaras stinksauer gewesen war. Damit er Alea, die Alpha Cru, Keblarr, Aleas Vater und Ramin, dessen Freund am Leben und entkommen ließ, als sie aus Orions Villa Konungur geflohen waren, hatte Alea ihm den Umhang versprochen. Ein Pakt mit dem Teufel, wie sie es manchmal nannte, denn Cassaras war unberechenbar, obwohl er ihr schon oft das Leben gerettet hatte. Auch sein Leben wäre anders verlaufen, wenn Haruko nicht den Umhang weggegeben hätte – der seitdem verschwunden war, da Bens und Sammys Onkel Oskar Walendy ihn an einen fahrenden Händler verkauft hatte – wenn Orion nie den Virus aussetzen würde, wie sie es prophezeit hatte. Diese ganze Grübelei sprengte Alea fast den Kopf. Sie stieß sich von der Reling ab und schlug vor: „Wie wäre es, wenn wir mal wieder unsere Lach-Runde machen? Du sagst doch immer, dass wir nie länger als ganz kurz traurig sein dürfen"
Sie grinste breit. Das heiterte Sammy auch auf. „Wunderbärchen!", meinte er und gemeinsam gingen sie nun durch das Schiff und lachten in alle Ecken, um die bösen Stimmungen zu vertreiben. Auch Lennox lächelte amüsiert, als Sammy sich zu seinem Putzeimer bückte und einmal hineinlachte. Tess verdrehte die Augen, konnte sich aber ein klitzekleines Lächeln nicht verkneifen.

Als sie fertig waren, lehnten sie sich beide wieder an die Reling am Bug. Sammys Stimmung hatte sich deutlich gebessert. „Danke Schneewittchen", flötete er und da war es wieder, das breite Zahnlückenlächeln. Sammy nannte sie Schneewittchen, da sie wie die Märchenfigur blasse Haut und dunkle Haare hatte. Alea lächelte zurück. Auch ihr ging es nun viel besser, die Routine hatte sie von ihren lästigen Grübeleien über die Vergangenheit, die man sowieso nicht mehr ändern konnte, abgebracht. Diese ganzen Was-wäre-wenn Fragen waren eh unnötig, wichtig war, dass sie wegen der ganzen Aufruhr der letzten Wochen im hier und jetzt blieb. Höchstens über das, was als nächstes geschah, sollte sie nachdenken. Zum Beispiel über die Silberfadenvisionen, die sich in letzter Zeit angehäuft hatten. Von dem Silberumhang der Nixenkönigin hatte Sammy nämlich drei hervorstehende Fäden abgeschnitten, durch die er seine Faszination für Fussel entwickelt hatte. Mittlerweile waren es nur noch zwei, denn einen von ihnen hatte Alea versehentlich ins Wasser fallen lassen. Die Fäden zeigten Schnipsel aus der Zukunft, lediglich Bilder. Wenn selbst zwei Zentimeter lange Fädchen diese Macht besaßen, welche besaß dann wohl der ganze Umhang? Vor ihrem Inneren Auge ließ Alea die Bilder erscheinen: Ben und Sammy, singend in Venedig; sie selbst, wie sie mit ihrer Mutter an der Hand über einen Strand in Frankreich ging; Marianne, im Krankenhaus, angeschlossen an viele Kabel und Schnüre, wie sie ihre Hand hielt und „Dann ist ja alles gut" sagte und ... Lennox, wie er ihr verzweifelt und mit Tränen in den Augen Lebewohl sagte. Immer, wenn sie an die letzte Vision dachte, wurde Alea ganz mulmig zumute. Lennox liebte sie, er war durch seinen Oblivioneninstinkt ihr Bodyguard, niemals würde er sich von ihr verabschieden!

Da war sie wieder, die schlechten Stimmung. Angestrengt versuchte Alea, an etwas anderes zu denken. Wenigstens waren die anderen Visionen positiv, alle anderen, die sie bisher gehabt hatte waren bis auf eine alle traurig oder erschreckend gewesen. Aber die Vision mit Lennox war vielleicht die wichtigste von allen. Welche Umstände würden dazu führen, dass Lennox so etwas sagte? Ebendieser Lennox hatte bemerkt, dass sie wieder schlecht drauf war, er ließ den Putzeimer endgültig im Stich und kam zu ihnen herüber. Mit einer langsamen Geste legte er Alea den Arm um die Schulter, es schien fast so, als wollte er Sammy damit signalisieren, dass er jetzt gehen wollte. Sammy war es immer etwas unangenehm – wahrscheinlich weil er noch so klein war – wenn Alea und Lennox sich umarmten oder sich küssten.
„Ich geh dann mal Ben ablösen", verkündete er etwas schief grinsend.
„Gute Idee", meinte Lennox. „Er ist schon seit dem Morgengrauen am Steuer."
Tatsächlich war Ben fix und fertig und wirkte hundemüde, als er Sammy dankbar das Steuer übergab und unter Deck schlurfte. Er übertreibt es ein wenig mit der Sorge um uns, ging es Alea durch den Kopf. Hoffentlich stresst er sich nicht zu sehr, das hätte er gar nicht verdient. Sie warf einen kurzen Blick auf Tess. Sie war auch in Alea verliebt und es brach ihr jedes Mal das Herz, wenn sie Alea mit Lennox zusammen sah. Wegen diesem verfluchten Missverständnis damals hatte sie sich auch noch mit Lennox zerstritten, der sie seitdem behandelte, wie Luft und sich nicht groß um Tess' Gefühle kümmerte. Aber Alea wollte ihrer Freundin keinen Kummer bereiten. Zum Glück war Tess gerade mit der Wäsche fertig und ging unter Deck. Erst, als ihre Schritte verklungen waren, schmiegte sie sich an Lennox. „Was ist los?", fragte er. „Du bist so traurig in letzter Zeit. Aber freu dich doch: du siehst endlich deine Mutter wieder!"
Lennox blickte zu Alea, für eine Zeit lang sahen sie sich in die Augen. Seine Augen. Wie schöne azurblaue Augen Lennox doch hatte!
„Ja schon, aber es ist nur so ...", begann Alea vage. „Dieser ganze andere Mist... das ist ganz schön heftig" Lennox gab ihr beruhigend einen Kuss auf die Stirn, der Aleas Herz höherschlagen ließ. „Ich weiß", sagte er sanft. „Aber wir können es nun mal nicht ändern. Zumindest jetzt noch nicht"
Lennox starrte finster ins Leere. Er hatte mal gesagt, er würde eher sterben, als sich sein Leben lang von Orion und seinen Männern zu ducken. Und sein Bandenname, Scorpio, wies auch darauf hin, dass er Orion besiegen würde. Doch ob ein dreizehnjähriger Junge es schaffen würde, einen Verbrecherboss wie Orion zu stürzen, bezweifelte Alea. Lennox war zwar als Oblivion ein geborener Krieger, doch Orion kämpfte auch mit Waffen und anderen miesen Mitteln. Alea war davon überzeugt, dass sie es nur mit Hilfe der Meerkinder schaffen würden, Doktor Orion an seinen bösen Machenschaften zu hindern. Er hatte ein Gegenmittel und obwohl Alea bezweifelte, dass er es noch nicht vernichtet hatte, mussten sie es sich irgendwie beschaffen. Aber wie nur? Wie aufs Stichwort fragte Lennox: „Wann willst du eigentlich die Videokonferenz mit den Meerkindern machen?"
„Bald", gab Alea mürrisch zurück. Ihr fiel immer noch kein passender Zeitpunkt ein, wann sie die Konferenz starten wollte. Aber plötzlich hatte sie einen Geistesblitz. „Das ist es!", rief sie so plötzlich, dass Lennox zusammenzuckte. „Was ist was?", hakte er interessiert nach. Aleas Aufregung dabei schien ihn anzustecken.
„Ich weiß jetzt, wann ich die Konferenz mache! Ich mache sie einfach mit meiner Mutter zusammen, sie weiß doch hundertprozentig viel mehr über Meermenschenstämme!" Lennox nickte verblüfft. Auch ihm schien diese brillante Idee noch nicht gekommen zu sein. „Weißt du noch, das Mädchen mit der grünen Haut, Zuzana hieß sie, glaube ich oder der Junge mit der schwarzen Haut und den hellen Augen! Sie stammen von Meermenschenstämmen ab, die wir noch nicht kennen, aber meine Mutter weiß bestimmt, welchem sie angehören!" Nun nickte Lennox begeistert.
„Meine clevere Alea", sagte er leise und küsste sie. Es war ein wunderschönes Gefühl, Alea genoss es jedes Mal. „Wunderbärchen", sagte sie leise, damit Sammy sie nicht hörte und seine Strafe von mindestens sechs Keksen forderte. Aber natürlich hatte er sie trotzdem gehört.
"Das macht zehn Kekse!", rief er aus dem Deckshäuschen.
„Wieso so viele?", beschwerte sich Alea gespielt verärgert.
„Weil du versucht hast, mein Wort heimlich zu sagen!", kam es zurück. Selbst durch die häufig dreckige Scheibe des Deckshäuschens sah Alea sein breites Sammy-Lächeln. Sie grinste zurück. „Ich hatte eh vor, heute noch welche zu machen", verkündete sie lachend, drückte Lennox noch einen Kuss auf die Lippen, schenkte ihm ein liebevolles Lächeln und ging dann auch in den Schiffsbauch, um ihrer Aufgabe als Keksbäckerin nachzugehen.

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Das war das erste Kapitel. Ich hoffe, es hat euch gefallen :)
Ist auch echt lang geworden, 3200 Wörter x.x Die nächsten werden aber kürzer, damit man sie besser zwischendurch lesen kann ;) Wer Verbesserungsvorschläge hat, immer raus damit :D

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