39 - Spiegelbild

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Frohe Weihnachten 🤗💜 Wie versprochen, kommt heute ein neues Kapitel, eins, das ihr sicher schon ewig erwartet. Es ist übrigens auch länger, über 2000 Wörter dieses Mal. Ich hoffe, es gefällt euch und freue mich natürlich über Anregungen und Kommentare.

Viel Spaß beim Lesen und habt noch ein frohes Fest :)


Häuser und andere Autos zogen an ihnen vorbei. Die Straße war uneben und Alea wurde in ihrem Sitz hin und hergeschaukelt. Das stetige Rütteln bekam sie mittlerweile gar nicht mehr mit. Schon seit einer Stunde fuhren sie mit dem Bus in Richtung Barcelona, die Crucis mussten sie schon ein paar Meilen von der Stadt entfernt zurücklassen. Die Touristen in Spanien waren verrückt. Auch noch Anfang September waren alle Strände in einem riesigen Umkreis um die Millionenstadt restlos überfüllt, was es schwierig machte, ein Segelboot zu verstecken.

Im Bus war es, trotz der Redseligkeit der Spanier und Katalonier, sehr still, was das Sprechen unangenehm machte. Tess hörte Musik auf ihrem MP3-Player, Lennox schaute genau wie Alea aus dem Fenster, kontrollierte aber hin und wieder die anderen Fahrgäste nach verdächtigem Verhalten. Eines war klar: Dieser Oblivion war immer auf der Hut.

Ben studierte währenddessen ganz versunken einen Reiseführer und die darin enthaltene Stadtkarte. Anscheinend war er schon länger nicht hier gewesen und kannte sich daher nicht mehr ganz so gut aus.
Wie schön das wohl sein muss, unbeschwert übers Meer zu segeln. Alea seufzte. So ohne Orion, das Jugendamt oder andere Pflichten. Zwar waren sie immer knapp bei Kasse, doch so viel brauchte man gar nicht. Man hatte nur Ziele, die zufällig mit einem Dartpfeil ausgewählt werden. Und dass, obwohl der Weg das Ziel war. Wo die Brüder wohl schon überall gewesen waren? In diesen vier Jahren mussten sie weit herumgekommen sein, wenn Ben stets sagte, dass sie schon überall gewesen sind. Trotzdem meinte Sammy immer, dass sie noch nie Peru besucht haben.
Welche Städte mussten die beiden schon gesehen haben? Sicher waren sie bereits in New York, Los Angeles, Rio de Janeiro oder auch Kopenhagen. Aber sind sie schon weit in den Osten gesegelt? Bis nach Singapur, Tokio, Shanghai oder sogar Sydney? Alea musste zugeben, dass sie nie so wirklich nachgefragt hatte. Immer war nur die Rede von Europa gewesen. Weiter hatte auch sie nie gedacht. Könnten sie vor Orion vielleicht fliehen, indem sie sich nach Amerika absetzten? Wahrscheinlich nicht, denn der fiese Doktor hatte seine Augen und Ohren überall. Er war der Jäger, sie die Gejagten. Sie konnten nur hoffen, dass sich die Mythologie erfüllte und der Skorpion es war, der sich ihm widersetzte und besiegte. Auch wenn Alea eine Heidenangst um Lennox hatte. Mit Orion war nicht zu spaßen!

Sie war es leid, immer so negativ zu denken. Ist es nicht doch realistisch?, fragte eine leise Stimme in ihrem Kopf. Genervt schob Alea den Gedanken weg. Ihre Gedanken schweiften stattdessen weiter ab, diesmal zu der Landschaft. Wie schön es doch wäre, nur als Tourist herzukommen. Wie ein Kind, dass schon immer mal von einer Achterbahn geträumt hat und nun endlich fahren konnte, da es alt genug war. Einfach nur neugierig auf die Erfahrungen, die Leute und die Orte, zu denen diese ganzen Straßen führten.
In einer dieser Straßen wohnte Tiara. Für Alea war es immer noch eigenartig, dass sie wirklich auf dem Weg zu einem Meerkind waren. Wie die Flaschenpost zu ihr gelangt war und ihr Anruf den Schutz des Skorpionfisches durchbrechen konnte, war für sie alle immer noch ein Rätsel.

Hoffentlich nahm Tiara die Wahrheit über ihre Herkunft gut auf. Bei dem Gedanken daran, dass sie ihnen doch nicht glauben würde, breitete sich ein unangenehmes Kribbeln in Aleas Bauch aus.

Der Bus hielt an. Sie waren angekommen.

Es dauerte eine Weile, bis Ben sie zu der Adresse geführt hatte. Doch der Park, an dem sie sich verabredet hatten, war gar nicht so leer, wie Tiara es ihnen versichert hatte. Stattdessen tummelte sich eine Menge Jugendlicher auf den kleinen Platz, in dessen Nähe sie sich hatten treffen wollen. Anscheinend ging gerade die Schule wieder los und das hier war eine kleine Einweihungsfeier. Alea meinte, einige Erwachsene in formeller Kleidung vor der Menge zu sehen, sie redeten lautstark auf die Kinder ein, schienen sie zu Ruhe bringen zu wollen. Was war, wenn Tiara auch Schule hatte? Konnte sie dann nicht kommen? Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Hatte ihnen Orion etwa doch ein Falle gestellt?
Bestimmt nicht, versuchte sie ihre Befürchtung loszuwerden. Der Skorpionfisch hätte das nicht zugelassen.

Auch die anderen schienen zu überlegen, was sie nun tun sollten. Sammy zerrte und zupfte an Ben und dessen Kleidung, Lennox suchte wie immer die Leute nach einer möglichen Gefahr ab und Tess verlagerte ihr Gewicht nervös von einem Bein aufs andere. Ben stand nur still da und dachte nach.
Ein wenig hilflos dreihte sich Alea um die eigene Achse, auf der Suche nach einem Mädchen, das in ihre Vorstellungen von Tiara passen könnte.
Dabei fielen ihr zwei Jugendliche in etwa Lennox Alter ins Auge, die ungefähr zehn Meter entfernt in ihre Richtung kamen. Das Mädchen zog den Jungen am Handgelenk hinter sich her, als hätte sie es sehr eilig, irgendwohin zu kommen. Ihre Haare waren unnatürlich dunkel, wenn nicht sogar schwarz, was ein starker Kontrast zu dem strohblonden Schopf des Jungen darstellte. Er fiel ihm in ungebändigten Strähnen in die Stirn, was Alea unweigerlich an Lennox erinnerte. Im Gegensatz dazu hatte sich das Mädchen ihre Haare zu einem hohen, leicht seitlich versetzten Zopf zusammengebunden, dazu trug sie einen Pony.
Trotz dieser Unterschiede sahen sich die beiden doch sehr ähnlich, auch wenn es eigenartig klang. Wahrscheinlich lag es an der Tatsache, dass beide schwarze Kleidung und Lederjacken trugen und ihre Haut trotz der grellen spanischen Sonne sehr blass war.

Fast wie bei Meermenschen, wurde Alea schlagartig bewusst. War das Mädchen etwa Tiara? Ihre Vermutung wurde nur noch bestärkt, als sie sah, dass es dazu noch Handschuhe trug. Handschuhe mit abgeschnittenen Fingerspitzen.
Ein Kribbeln lief über ihren Körper. Nach wenigen Herzschlägen waren sie sich so nah, dass sie auch die Augenfarben erkennen konnte. Die des Jungen waren ein katzenhaftes Dunkelgrün, die des Mädchens strahlten mitternachtsblau.
Unnatürliche Farben für gewöhnliche Landgänger. Farben, die denen von Walwanderern und Oblivionen gar nicht unähnlich sahen.
Alea war sich so gut wie sicher. Gerade streckte sie die Hand aus, um Lennox anzutippen, da tat das Mädchen den Mund auf und sagte etwas. Auf Spanisch. Zu dem Jungen. Nicht zu ihr.

Ohne sie zu beachten, zogen die beiden Jugendlichen an ihnen vorbei auf die Schülermenge zu. Anscheinend waren sie zu spät gekommen.

Ihre Hoffnungen verpufften im Nichts. Erst hatte sie gedacht, die zwei erkannten sie bloß nicht, aber dann wurde ihr etwas klar: Diese Teenies waren nicht Tiara und ihr Freund. Die Stimme des Mädchens hatte ganz anders geklungen. Tiaras war eher dunkel und etwas rau. Anders als die des Mädchens, welches heller, klarer und lebhafter sprach. Außerdem meinte Alea, einen kleinen Akzent herausgehört zu haben. Einen, den niemand besitzen würde, der schon lange hier lebte. So jemand wie Tiara. Wäre es ein Meermädchen mit Raffnarben, würde es wohl kaum so eine Frisur tragen. Keine, die die Ohrenknubbel entblößte. Und die Handschuhe waren sicherlich nur Zufall und Teil ihres Stils. So, wie Alea es früher allen weismachen wollte.

„Ist etwas?", fragte Lennox. Sein Blick suchte umher, glitt über die Menschen hinweg, blieb nirgendwo hängen.

Wie aus der Trance gerissen, brauchte sie einen Moment, um wieder zu sich zu kommen.
„Was? Äh... nein."
Lennox tat diese Reaktion nur mit einem leicht verwirrten Gesichtsausdruck ab, dann beriet er sich kurz mit Ben über ihre aktuelle Lage.
Nach ein paar Minuten fasste er sie an der Schulter.

„Wir können nicht länger hierbleiben. Die Schüler dort drüben fangen bestimmt bald mit ihrer Versammlung an, dann werden Reden gehalten und die Aufsichtslehrer werden auf Außenstehende wie uns aufmerksam. Wir müssen woanders auf Tiara warten."

Um dieser Menschenmenge auszuweichen und möglichst nicht aufzufallen, zogen sie sich vorübergehend in eine unbelebte Gasse am Rande des Parks zurück. Von dort aus konnte man die Fläche gut beobachten, man selbst wurde aber eher übersehen.
Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch ließ sich Alea hinter einen Müllcontainer ziehen.

„Wo ist diese Tiara jetzt eigentlich?", fragte Tess, um den Gedanken laut auszusprechen, den sie alle in diesem Moment teilten. Die anderen wechselten ratlose Blicke.

„Wenn es diese Tiara überhaupt gibt", murmelte Lennox.
Alea konnte seine Zweifel gut nachvollziehen. Mit jeder Minute, die verging, wurde eine Falle wahrscheinlicher. Sollte das Ganze ein Lockmanöver von Orion sein, saßen sie nun ziemlich tief in der Klemme. Zwar waren sie alle etwas skeptisch wegen dem Skorpionfisch, jedoch hatte die Erfahrung sie Vorsicht gelehrt. Sie mussten davon ausgehen, dass der Doktor jede ihrer Schutzmaßnahmen umgehen konnte.

„Sammy, Tess und ich suchen noch etwas weiter, ihr bleibt hier", ordnete Ben mit seiner Kapitänsstimme an, ein Tonfall, der sachlich und ein wenig streng war. Wie ein Befehl.
Nach kurzem Zögern stimmte der Rest der Crew zu. Wahrscheinlich, da sie alle im Moment ziemlich planlos waren und dankbar für jeden Vorschlag.

Während die drei langsam die Gasse verließen und sich so unauffällig wie möglich die Straße hoch schlichten, drehte sich Lennox zu Alea um.

„Alles okay bei dir?", fragte er mit leichter Besorgnis. „Du warst eben so durcheinander. Hast du etwas gesehen?"

Alea schüttelte den Kopf, doch dann nickte sie. „Ich habe zwei Personen in unserem Alter gesehen, ein Mädchen und einen Jungen. Aber sie konnten unmöglich Tiara sein. Die Stimme des Mädchens war ganz anders als die von Tiara und auch äußerlich hat es nicht ganz gepasst." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, behielt die beiden aber im Hinterkopf. Wer wusste schon, ob sie nicht doch richtiglag mit ihrer ersten Vermutung?

Je mehr Minuten verstrichen, desto nervöser wurde Alea. Sie raufte sich die Haare und ging ebenso ungeduldig wie angespannt im Kreis. Lennox hielt derweil den Ausgang der Gasse, den Park und die hinter den Bäumen hervorlugende Menschenmenge im Blick. Auch er schien langsam nervös zu werden, immer wieder ballte er die Hände zu Fäusten und öffnete sie.

„Lennox?", durchbrach Alea plötzlich die Stille. Ihr Freund schaute sofort auf und seine azurblauen Augen trafen ihren Blick. „Mal ganz ehrlich: Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass das Ganze hier eine Falle ist?"

Er wandte seinen Blick ab, stemmte die Hände in die Hüften und schnaufte ratlos.

„Um ehrlich zu sein: Sehr wahrscheinlich. Diese Tiara ist jetzt schon über zwanzig Minuten zu spät und wir sind hier mitten in der Stadt so gut wie hilflos. Mittlerweile könnten uns schon duzende von Orions Männern auf der Spur sein, die gerade die Crucis durchsuchen und gleich auf dem Weg zu uns sind. Die ganze Sache ist sowieso schon merkwürdig: Dass die Flasche in so kurzer Zeit nach Spanien kommt und sie wirklich einem Meermenschen vor die Füße gespült worden ist, so wie du es vorausgesagt hast. Wir haben zu wenig Tests gemacht, ob sie wirklich keine Betrügerin ist. Worauf die Nachricht stand, zum Beispiel." Er seufzte. „Wenn dieses Mädchen nicht in zehn Minuten hier aufkreuzt, sollten wir gehen. Alles andere ist zu riskant. Sie hat deine Telefonnummer, also kann sie dich auch noch später anrufen. Dann können wir prüfen, ob sie nicht doch eine Betrügerin ist, so wie Xalia." Noch ein Seufzer. Diesmal auch von Aleas Seite. Der Gedanke an die verräterische Oblivionin, die ihr aller Leben aufs Spiel gesetzt hatte, war kein schöner. Trotzdem nickte Alea.

„Der Plan klingt gut", meinte sie. „Aber hoffen wir, dass es nicht so weit kommt."
Sie drehte sich um ihre eigene Achse. Möwen kreischten auf dem Dach, die Sonne blendete, auch wenn sie erst flach am Himmel stand. Keine Wolke war zu sehen, der Himmel erstrahlte in einem hübschen Blau. Insgeheim hatte sich Alea immer schon gewünscht, an einem so schönen Ort Urlaub zu machen. Auch, wenn sie durch ihre vermeintliche Kälteurtikaria nie hätte schwimmen können und das Geld bei ihr und Marianne nie ausreichte, um weit weg zu reisen. Seit sie auf der Crucis war, hatte sie zwar viele schöne Länder besucht, allerdings saß ihnen in letzter Zeit nur die Angst vor Orion im Nacken, wodurch man ihre Reisen wohl nicht mehr als ‚Urlaub' betiteln könnte.

Sie wäre wahrscheinlich noch mehr in Selbstmitleid verfallen, wenn da nicht plötzlich Schritte erklangen. Alea wusste nicht wieso, aber das Geräusch jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Plötzlich wusste sie genau, wer das war. Tiara. Doch als das Mädchen um die Ecke bog, kam alles ganz anders. Als sie um die Ecke bog, blieb auch das Mädchen abrupt stehen, sie war mitten in der Bewegung eingefroren, in dem Moment, in dem sie Alea erblickte. Erst langsam realisierte diese, was gerade geschah. Ihr Herz setzte einen Schlag aus.

Das Mädchen, das vor ihr stand, hatte dunkle Haare wie sie.
Seine Haut war blass wie ihre eigene und die Augen hatten dieselbe, klargrüne Farbe. Ein Zittern durchlief Alea. Sie taumelte. Lennox fing sie auf, doch auch er schien weiche Knie zu haben, er zitterte ebenso.
Alea wusste, dass sich ihr Leben nun für immer verändert hatte. Doch als sie in die Augen des Mädchens blickte, war da plötzlich ein dunkles Gefühl in ihr, welches die unbändige Freude ihres Herzens zu dämpfen versuchte. Und auf einmal wusste sie nicht mehr, ob sich ihr Leben zum Guten oder zum Schlechten verändert hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro