49 - Der Ausreißplan...

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Damit war es nun endgültig beschlossen: Tiara und Elena würden auf die Crucis ziehen! Sammy war darüber besonders begeistert, denn nun würde auch Elena einen Bandennamen erhalten! Alea wurde allerdings sofort nervös, als sie daran dachte, dass sie bald für mehrere Wochen mit ihrer Schwester auf engem Raum zusammenleben würde. Auch dass es nun noch mehr Menschen auf diesen recht kleinen Schiff sein würden (vor allem, falls Nelani und Keblarr dazukommen würden), ließ die alte Alea in ihr nicht kalt. Es kam eine turbulente Zeit auf sie zu, da war sie sich sicher. Langsam wurde der Platz auf ihrem Schiff knapp.

Da die beiden Mädchen einstimmig beschlossen hatten, ihren Eltern nichts von ihrem kleinen „Umzug" zu erzählen, mussten sie jetzt planen, bevor Haeun und Hyungwon von der Arbeit zurückkamen. Ben und Tess halfen den beiden, eine Liste an Dingen aufzuschreiben, die sie für ihre Zeit auf der Crucis brauchen würden. Lennox, Alea und Sammy stellten derweil ihre Einkaufsliste zusammen, die sie nun erweitern mussten. Zum Glück hatten sie nun noch finanzielle Unterstützung von Tiara, die ihnen breitwillig ihr nicht allzu geringes Taschengeld zur Verfügung gestellt hatte. Da die beiden bei Auftritten wohl nicht allzu hilfreich sein würden, war das ihr Beitrag zur Cru.

Als sie fertig waren, verabschiedete sich die Alpha Cru von den beiden Mädchen, um in der Stadt einzukaufen. Alea war ganz abwesend, während sie im Bus saß, durch die heißen und überfüllten Straßen ging und im Supermarkt die Lebensmittel in den Einkaufskorb legte. In ihrem Kopf fuhren die Gedanken wieder einmal im Kreis. Horrorszenarien von Orion mischten sich zwischen imaginäre Unterhaltungen mit ihrer Schwester, Grübeleien und Sorgen. Lennox bemerkte ihren abwesenden Blick, als er gerade etwas Salat und eine große Tomate in den Einkaufskorb legte.

„Was ist denn los, Alea?", fragte er und blickte besorgt mit seinen azurblauen Augen in ihre. Allein das löste sie schon von ihren Gedanken. „Du grübelst mal wieder, habe ich Recht?" Er rieb ihr mit einer Hand über den Rücken, um sie wieder zu sich zurückzuholen.

„Bist du wieder im Worst-Case-Szenario-Land, Schneewittchen?", wollte nun auch Sammy wissen, der mit einer ungeheuren Menge an Schokolade aus der Süßwarenabteilung geschlendert kam. Ertappt nickte Alea.

„Ich kann meine Gedanken einfach nicht abstellen", musste sie zugeben. „Sie fahren immer und immer wieder Achterbahn und ich kann es nicht abstellen..." Frustriert warf sie den Kohlrabi in das Einkaufsnetz und dann in den Einkaufswagen.

„Hast du es mal mit Meditation versucht?", fragte Tess, die ihr Gespräch mit angehört hatte und sich jetzt auch zu ihnen gesellte.

„Klar, du hast es mir ja beigebracht, aber..." Alea seufzte. „Irgendwie bringt das nur kurzzeitig etwas. Die Gedanken kommen dann später wieder hoch."

„Dann solltest du Tagebuch schreiben", schlug Tess stattdessen vor und zuckte mit den Schultern. „Das hat mir früher immer geholfen, bis ich mit Meditation angefangen habe. Bei dir funktioniert es dann bestimmt auch andersherum."

„Und dann schreibst du es am besten auf Hajara, damit ich es nicht lesen kann", trug Sammy seinen Teil zu ihrem kleinen Plan bei. Er schenkte Alea ein schiefes Zahnlückenlächeln. „Du weißt doch, ich wäre sonst vieeel zu neugierig dafür." Er machte eine ausladende Armbewegung, um seine Worte zu unterstützen und Alea musste lachen. Entschlossen nickte sie und verkündete: „Jawohl, dann hole ich mir jetzt am besten gleich ein Notizbuch und einen neuen Stift." Das mit dem Stift wäre vielleicht nicht nötig gewesen, trotzdem dachte sie sich in Sammy-Manier, dass ein besonderes Heft auch einen besonderen Stift bedurfte.
Sie reichte den anderen drei den Einkaufskorb und machte sich auf zur Kasse, in deren Nähe sie beim Reingehen die Schreibwaren gesehen hatte. Zu ihrem Glück gab es sogar ein Heft aus recyceltem Papier und mit einem blauen Cover aus recyceltem PET, also Plastikflaschen, das in ihrem Budget lag. Von Vorfreude gepackt nahm sie sich das Heftchen aus dem Regal; auf einmal waren ihre Sorgen wie weggeblasen, da sie wusste, dass sie am Abend alles aufschreiben konnte. Diese Gewissheit verlangsamte auf magische Weise ihren Gedankenkreisel. Gleich unter dem Regal mit dem Heft fand sie einen umweltfreundlichen Bleistift, an dessen Ende sich eine Kapsel mit Pflanzensamen befand. So konnte man nach dem Schreiben ein paar Blumen und Sträucher pflanzen, also gleich noch mehr für die Umwelt tun! Durch dieses Konzept war Alea noch einmal extra beflügelt und freute sich noch mehr auf das Schreiben. Mit einem Strahlen im Gesicht kehrte sie zu den anderen zurück und präsentierte ihre Beute. Auch Ben unterstützte ihr neues Projekt vollkommen und fand es sofort gut, dass sie – wenn sie schon Papier und Stift statt einem Computer verwenden wollte – etwas Umweltfreundliches gewählt hatte.

Am Abend auf der Crucis verbrachten sie ihre Zeit mit Gesellschafts- und Kartenspielen, bis sie sich schließlich kurz vor Mitternacht in ihre Kajüten zurückzogen. Tess hatte die erste Wache, weswegen Alea ganz ungestört ihr neues blaues Heft sowie den Bleistift hervorholen konnte und sich damit in ihre Koje legte. Anfangs fiel es ihr schwer, etwas aufs Papier zu bringen. Irgendwie hatte sie keine Ahnung, wie sie beginnen sollte. Etwa mit... „Hallo"? Schließlich fasste sie ihren Mut zusammen und schrieb auf Hajara ein klassisches „Liebes Tagebuch..." auf die erste Seite, was sich erst ein wenig ungewohnt anfühlte. Normalerweise schrieb sie nicht auf Hajara, daher fühlte es sich eigenartig an, wie die verschlungenen Zeichen einfach aus ihr herausflossen und sich auf dem Papier verteilten. Da schüttelte sie den Kopf und strich den ersten Satz wieder durch. Sie hatte eine bessere Idee.
Ein tiefer Atemzug, dann schloss sie die Augen. Stellte sich vor, wie sie in ihrer alten Wohnung, ihrem alten Zuhause auf dem Sofa saß, Marianne neben sich. Sie stellte sich vor, wie sie Marianne von ihren Sorgen und Gedanken erzählte, so als würde sie von einem harten Schultag erzählen. Und auf einmal flossen die Worte nur so aus ihr heraus. Zwar war der Umschwung von Deutsch auf Hajara anfangs ein wenig umständlich, aber es stellte sich schnell heraus, dass es einfacher war, in ihrer eigentlichen Muttersprache zu schreiben, da diese einfach da war und sie sich keine Gedanken um die Worte machen musste.
Es nahm kein Ende. Alea hatte sich selten so erleichtert, so befreit von ihren eigenen Gedanken gefühlt. Seite um Seite, Sorge um Sorge. Von Orion über Cassaras, Keblarr, Nelani und Anthea. Wochen und Ereignisse, von denen sie nicht einmal mehr wusste, dass sie sie mit sich schleppte, kamen zu Papier und legten sich dort zu Ruhe.
An diesem Abend konnte Alea endlich wieder gut schlafen. Ihr Handgelenk schmerzte ein wenig, doch diesen Schmerz vergaß sie während der Meditation, die sie ebenfalls so sehr gebraucht hatte.

Der nächste Morgen brach früh heran. Erholt und erfrischt bedankte Alea sich beim Frühstück immer und immer wieder für Tess' Rat mit dem Tagebuch. Diese wurde ganz verlegen und verpasste Sammy eine Kopfnuss nach der anderen, da er sie damit aufziehen wollte.

„Heute müssen wir zügig los", erinnerte Ben die Cru. „Tiara und Elena reißen heute zur Schulzeit aus, nachdem ihre Eltern zur Arbeit gefahren sind. Vor neun Uhr, also wenn die Schule beginnt, fragt die beiden keiner, wohin sie mit dem Bus fahren, also müssen sie bis neun Uhr an einem Strand in unserer Nähe sein. Danach müssen wir schnell verschwinden, denn spätestens heute Abend ruft die Schule wegen der Abwesenheit an und es fällt auf, dass die beiden fehlen."

„Un' woschin fawen wir?", fragte Sammy, den Löffel Müsli noch im Mund.

„Ich würde sagen, dass wir erst einmal wieder Spanien aus dem Mittelmeer heraus in Richtung Nordeuropa segeln und uns dann irgendwo in Skandinavien oder Notfalls auch in England mit Nelani treffen."

Dass Tess in den nächsten zwei Tagen zu ihren Eltern zurückmusste, sprach keiner von ihnen an, obwohl die Frage wie ein rosaroter Elefant im Raum stand. Wahrscheinlich würde es nur ein Thema werden, wenn ihre Eltern das nächste Mal anriefen. Alea fürchtete sich ein wenig vor diesem Tag. Die Alpha Cru ohne Tess... Das war wie Lennox ohne Gitarre oder Sammy ohne seinen unvergleichlichen Humor – einfach nicht vollständig. Doch das Frühstück zog sich dahin, ohne dass jemand etwas erwähnte. Die Cru setzte die Segel, erledigte ihre Aufgaben und sie sprachen bis dahin nicht mehr viel.

„Wann genau wollten die beiden kommen?", fragte Alea ungeduldig. Am liebsten würde sie aufstehen und durch den Sand gehen, doch dann wäre sie nicht mehr getarnt. Lennox hatte die Hercules mit zwei Skorpionfischen ausgestattet, sodass sie unsichtbar für alle Passanten waren.

„Sie sollten eigentlich schon längst da sein", meinte Ben mit einem besorgten Blick auf seine Armbanduhr. Es war neun Uhr zwanzig, um neun Uhr hatten sie sich verabredet. In genau dieser Bucht, genau diese Koordinaten. Eigentlich sollten die beiden Mädchen problemlos zu ihnen finden. Eigentlich. Doch nun fehlten sie.

„Vielleicht haben sie ihren Bus verpasst", überlegte Lennox schulterzuckend. Er war das einzige weitere Crew-Mitglied, das noch mitgekommen war, um Tiara und Elena abzuholen. Tess und Sammy verweilten auf der Crucis, die ein Stückchen weiter draußen auf dem offenen Meer schwamm.
Mit jeder Minute wurde Alea nervöser. Was, wenn tatsächlich etwas schiefgelaufen war? Etwa ein Elternteil krank war und nicht zur Arbeit ging? Aber hätten sie sie nicht verständigt, wenn etwas passiert sein sollte? Alea wusste es nicht, und es machte sie verrückt.

Minute um Minute verstrich, Möwen und eine Handvoll Touristen kamen vorbei, sie blieben leise, um nicht entdeckt zu werden.
Schließlich wollte Lennox umkehren, bevor sie doch noch jemand anderes fand. Wie immer fand er es riskant, zu lange an einem ungeschützten Ort zu bleiben.
Plötzlich raschelte es im Gestrüpp und Tiara kämpfte sich heraus. Sie trug praktische, unauffällige Kleidung und hatte einen großen Rucksack auf dem Rücken. In ihrer rechten Hand hielt sie ihr Handy, während sie mit ihrer linken verzweifelt versuchte, ihre langen schwarzen Haare von einem Ast zu befreien. Nachdem sie sich freigekämpft hatte, schaute sie auf das Handy und blickte sich suchend um. Ihr Blick wirkte panisch.
Sofort sprang Alea von der Hercules und gab sich damit zu erkennen. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Bauch breit. Irgendetwas stimmte nicht.

Tiara zuckte nur kurz, als Alea vor ihr aus dem Nichts auftauchte, dann lief sie zu ihrer Schwester. Dabei musste sie sich auf ihren Knien abstützen, denn sie keuchte als wäre sie gerade gesprintet.

„Was ist passiert?", fragte Alea alarmiert.

„Elena... sie", keuchte Tiara, musste aber erst zu Atem kommen. „Etwas ist schiefgelaufen, man hat sie erwischt."

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