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Auch wenn ich ihn hasste, hypnotisierte mich seine Gestalt. Er spielte eine Oscar- reife Darstellung. „066 hat es dieses Jahr geschafft, über tausend Jugendliche in Europa von den Verlockungen der Straße zu lösen und ihnen stattdessen Arbeitsstellen schmackhaft zu machen." Seine Schritte glitten dabei elfenhaft über den Boden, während seine Arme jedem Wort Ausdruck verliehen. Ich kaufte ihm jede Aussage ab, auch wenn ich ab und zu den Faden verlor.

„Nicht zum Ausdruck gebrachte Gefühle werden niemals sterben. Sie werden lebendig begraben und kommen später auf hässlichere Weise hervor", zitierte er Sigmund Freud und nahm vermutlich Bezug auf die vielen Kinder, die wie beispielsweise mein Bruder ohne Sinn herum irrten. Er sprach gezielt in die Menge. Das graue Augenpaar fixierte jedermann, ohne auch nur einen persönlich zu berühren.

Nicht zum Ausdruck gebrachte Gefühle werden niemals sterben. Sie werden lebendig begraben und kommen später auf hässlichere Weise hervor.

Ich tauchte in den Regen ein, gab mich seinem Schmerz hin. Regenbogenhaut klang falsch bei der reinen Dunkelheit. Zum ersten Mal gab ich mich der Vision ohne Angst hin. Die Stimme von Leontes verstummte, genauso wie das Getuschel im Saal. Ich hörte den Regen plätschern, den Wind durch die Bäume pfeifen. Meine Hand streckte sich nach dem Mann aus, der mich zum bluten brachte, innerlich und äußerlich.
Nach drei Jahren, wollte ich es endlich begreifen, meine eigene Angst ergründen. Die Wunde, die er mir zugefügt hatte, tat ihm mehr weh als mir und nun trug ich den doppelten Schmerz in mir, seinen und meinen.

Meine Hand verkrampfte vor seinem Gesicht, doch ich konnte nicht erwachen. So ertrank ich im Regen, der so eine Gewalt annahm, dass meine Sicht im Nebel verschwamm. Mir wurde kalt, eiskalt.

Sie klatschten plötzlich, nur ich nicht. Ich öffnete die Augen und starrte direkt auf mein eben noch leeres Blatt. Die Bleistiftmiene lag gebrochen über der Blume. Ich hatte Dornen durch die dünnen Fasern des Papiers geritzt. Solch eine Pflanze hatte ich noch nie zuvor gesehen. Ihr Stängel samt den eckigen Blättern wuchsen gerade in die Höhe. Sie trug ein Kleid aus dichten Stacheln und erweckte dabei den Eindruck nicht gepflückt werden zu wollen. Bei den zarten Blüten, die sich untypisch nach außen wölbten eine schwierige Aufgabe. Vielleicht wollte sie auch aus ihrem gefährlichen Gewand fliehen und uns was zeigen. Ich streichelte über ihre Form, mittlerweile am zweifeln, ob ich sie wirklich gezeichnet hatte. Immerhin besaß ich kein künstlerisches Talent.

Mir fiel Fiamma aus den Augenwinkeln auf. Ruckartig wandte ich meinen Kopf in ihre Richtung.
Sie schämte sich nicht dafür, mich beobachtet zu haben und mindestens genauso verzaubert wie ich, bewunderte sie diese Pflanze, die meine Fantasie säte. Ich packte das Bild sofort in meine Tasche, als sei es etwas Wertvolles. „Du hast Talent", kommentierte sie unbeeindruckt mein Verhalten.

Nun bekam ich auch mit, wie die meisten Personen an mir vorbei zogen, um ihren Urlaub weiter ungestört genießen zu können. Nur Herrn Ogliastra erkannte ich zwischen den sich bewegenden Körpern. Er kümmerte sich seelenruhig, um das Abschalten der Technik. Ich drängelte mich zwischen die Masse, als ich auf mein Ziel zuging. Die Leinwand leuchtete noch, als ich den Weg nach vorne suchte. Das Logo der 066 leuchtete mir in rot-verschnörkelten Zahlen entgegen.
Leontes bemerkte mich in seinem Handeln nicht gleich.

„Wozu die Gebärdensprache, wenn Sie ein Mikrofon benutzen können?" Ich war stolz auf mich, nicht wieder einzuknicken. Er erhob sich von den Lautsprechern, die er gerade noch aus dem Netz nahm. Das Gewittergrau prüfte mich erneut auf Leib und Seele, doch diesmal mehr wie ein Geheimnis. Die Abscheu mir gegenüber war für kurze Zeit verschwunden, doch ereilte ihn wieder, als feuerrotes Haar sich in meine Sicht schob.

„Darf ich vorstellen, Fiamma vom SEK. Kannst du es glauben, Leontes?" Sie warf ihre Haare zurück, wie Anto es manchmal tat. Meine Freundin kaschierte damit jedoch ihre Unsicherheit, Fiamma untermalte ihre Selbstverherrlichung. Ihr verächtliches Lachen, verpasste mir einen Seitenhieb. Sie hatte mich belogen, obwohl wir uns kaum kannten. Nicht nur das, sie wollte mich wie eine Narrin dastehen lassen.

Ihr Ellenbogen lehnte entspannt an seiner Schulter, doch er verzog keine Miene.

„Was ist die Vereinigung 066?"
Ich ignorierte Fiamma und nickte Richtung Leinwand. Als wüsste Herr Ogliastra nicht, was ich meinte, warf er selbst einen Blick darauf.
Die Frau an seiner Seite kicherte noch mehr.

Sie trat an mich heran und glitt mit ihren dürren Fingern durch eine meiner gelösten Haarsträhnen. „Welche Unmenschen haben dich so unwissentlich auf ein Selbstmordkommando geschickt, Kleines?"
Es war Yvette gewesen und ich vertraute ihr. Ich schlug Fiammas Hand aus meinen Haaren und ließ den Zeigefinger mahnend ausgestreckt. „Keine Ahnung, was ihr beiden für ein Problem habt, aber da wo ich herkomme und dort, wo ich ausgebildet wurde, steht Respekt an erster Stelle."
Überrascht über die Schärfe in der meine Tonart durch die Atmosphäre schnitt, wich ich ein Stück zurück.

Fiamma atmete schneller. Ihre kleine spitze Nase legte sich vor Wut in Falten. So schön sie aussah, wenn sie ihre Überlegenheit demonstrieren konnte, so hässlich wurde sie, wenn ihr jemand zu nahe trat und dabei kratzte ich nur an ihrer Oberfläche. Ich kannte die Frau nicht, keine Ahnung, wie man sie verletzte, aber es reichten wohl schon Kleinigkeiten, um sie aus der Haut fahren zu lassen.

„Fiamma, wir gehen", verlangte der Mann, der ihr beruhigend seine Hand auf die Schulter legte.
Mir glänzten mehrere silberne Ringe entgegen. Einer von ihnen nahm fast das gesamte untere Fingerglied an. Das Siegel der Unendlichkeit war hinein graviert worden. Meine Augen wanderten den langen Arm hinauf. Von den kleinen Creolen in seinem Ohr hingen Kreuze. Ein weiteres paar schlichter Creolen hing dahinter.

Er verzauberte auch sie. Ihre Haltung entspannte sich unter seinem Griff. „Natürlich Leontes. Das ist nur Zeitverschwendung. Sie scheint ihren eigenen Leuten ja nichts zu bedeuten."
Ich erwischte mich dabei, wie ich eifersüchtig wurde, weil sie ihn beim Vornamen nennen durfte. Sie dachte, sie könnte mir einen Stich versetzen, doch ihre spitze Zunge prallte an mir ab. Meinen Leuten in Cesena bedeutete ich alles, manchen sogar mehr, als mir lieb war.

Die beiden spazierten einfach an mir vorbei. „Sie verlieren gleich ihren rechten Ohrring, Herr Ogliastra", rief ich ihm hinterher, ohne mich dabei nach ihm umzudrehen.
Egal, wie sehr er versuchte perfekt zu sein, er würde es nie werden.

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