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Eric

Song: Elliot's Song - Dominic Fike & Zendaya

Am Donnerstag höre ich Bens vertraute Stimme nicht. Ich habe bestimmt fünfmal versucht, ihn zu erreichen, bis ich mich am Riemen gerissen und mich daran erinnert habe, dass ich ihn in Frieden lassen wollte.
Inzwischen muss er meine verpassten Anrufe gesehen haben, wenn er nicht doch neben dem Telefon gelegen hat, als ich anrief. Und er ruft nicht zurück.

Es wurmt mich. Noch mehr aber wurmt mich, dass ich an einem Traumstrand unter Palmen sitze und an nichts anderes, als uns und unsere Vergangenheit denken kann.
Das hier ist gut, der Abstand, die Trennung von Meilen, einem halben Ozean und moralischen Werten zwischen uns.

Ich schiebe meine Füße vor, lasse eine Schneise aus Sand entstehen, die meine Füße in angenehmer Kühle verschluckt.
Ich blicke zum Horizont. Irgendwo da hinten, für kein menschliches Auge sichtbar, ist Fitchburg. Und in Fitchburg gibt es eine ruhige Straße im äußeren westlichen Stadtteil und dort steht ein Haus, in dessen erster Etage hinter der ersten Tür rechts ein junger Mann auf seinem Bett liegt und Löcher in die Luft starrt.

Früher hat er oft genauso dort gelegen, als ich mich unbemerkt ins Haus geschlichen habe. Ab einem gewissen Zeitpunkt wusste niemand mehr, dass ich unter dem Dach der Rosthorns war und niemand durfte es erfahren.
Immer, wenn ich die Zimmertür leise hinter mir geschlossen hatte, sprang Ben vom Bett und fiel mir um den Hals.

Ich glaube, das war nicht gut. Dieses ganze Versteckspiel hat ihm nicht gutgetan, die Liebe hinter geschlossenen Türen. Ich fand es irgendwie aufregend und romantisch, auch wenn ich diesen Begriff nur rückblickend verwenden kann. Mit achtzehn hätte ich dieses Wort niemals in den Mund genommen.
Ben hatte schon immer gewisse Schwierigkeiten mit seiner Identität und wenn ich es nicht besser wüsste; mit seinem körperlichen Empfinden.

Das leise Herumschleichen und heimliche Flüstern in der Dämmerung werden nicht gerade dazu beigetragen haben, dass er sich besser, sicherer fühlt, mit sich ins Reine kommt.
Vielleicht war er auch einfach zu jung und hat gelernt, sich zu verstecken - denn nichts anderes wird er jetzt gerade tun, während er auf seinem Bett liegt.

Ich hebe mein Handy an, das neben mir auf meinem Handtuch liegt und schiele auf die Uhrzeit. Er wird nicht schlafen. Noch ist es Nachmittag in Wisconsin.
Ich streiche etwas Sand von einer unteren Ecke des Handtuchs, das ich eigentlich gar nicht mit an den Strand nehmen durfte, gestern habe ich schon Schelte von einer Putzfrau bekommen.

Wenn Ben jetzt hier wäre, könnten wir gemeinsam darüber lachen. Aber er ist es nicht.
Tyler - mit dem ich hierher gesegelt bin -, hat andere Dinge im Kopf, als sich an den Strand zu setzten und auf das fast stille Meer zu blicken, aber das ist mir auch ganz recht so. Gerade würde ich hier niemanden neben mir tolerieren, bis auf diese eine kleine Ausnahme.

Wann auch immer ich die Augen auf einen unbestimmten Punkt am Horizont richte, sehe ich Ben vor mir, ich kann gar nichts dagegen tun, ich muss an ihn denken.
Aus einem unerklärlichen Grund bringen mich meine Gedanken immer wieder zurück zu einem verregneten Novembertag.

Ben und ich sind an diesem Abend Bier für eine College Party kaufen gefahren. Es war der Tag, an dem ich zum ersten Mal bemerkt habe, dass etwas nicht stimmt, wirklich nicht stimmt.
Ben und ich waren die einzigen Kunden im Laden und draußen wehte im Gegenlicht der eisige Regen gegen die Fensterscheiben. Hinter der Kasse saß ein alter Mann. Schon von Weitem konnte man sehen, dass ihm ein paar Zähne fehlten.

Ben und ich sind schnurstracks auf die Regale mit dem Alkohol zugesteuert. Es war Samstagabend und man konnte deutlich sehen, dass wir nicht die einzigen waren, die diese Idee hatten. Aber es gab noch einige Sixpacks und ich zog zwei Schnapsflaschen aus dem Regal, während Ben sich auf den Boden knien musste.

Ich ließ meine Finger durch seine Haare fahren. Damals hat er sie sich noch färben lassen, professionell. Seine Strähnen waren weich und geschmeidig, fühlten sich wie hundert gehauchte Küsse an. Er lehnte sich gegen meine Berührung, lächelte zu mir auf, bis die kleine Glocke über der Tür klingelte und er aufschreckte, sein Gesicht wegdrehte.

Ich spüre die tiefen Falten der Verwunderung noch heute auf meiner Stirn. Normalerweise waren unsere Berührungen - und wenn sie noch so klein und unschuldig waren - kein Problem, wenn wir uns hinter seiner Zimmertür oder außerhalb der Stadt befanden oder in abgelegenen Außenbezirken, wo uns niemand kannte, wo niemand unsere Nachnamen kannte.
Die Reaktion, die er mir an diesem späten Abend darbot, war mir neu.

"Alles okay?", hatte ich gefragt und mich zum Ausgang gedreht, zur Kasse und dort sah die kleine Gruppe Jugendlicher, die den Laden betreten hatte.
Ben räusperte sich nur, rollte die Schultern und schob sich mit einem 'Ja' an mir vorbei.
Ich hatte eine Schnapsflasche unter meinen rechten Arm geklemmt, die andere hielt ich in der rechten Hand.

Ich hielt ihn mit der freien Hand zurück, fragte, was plötzlich los sei.
Er hat mir seinen Arm entrissen. Dieses Bild taucht immer wieder vor meinen Augen auf, da wo eigentlich der strahlende Horizont, wo Wasser und Luft sich küssen, sein sollte. Stattdessen ist da meine Hand, die sich an Bens Zurückweisung verbrennt.

"Lass mich!", fauchte er.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir einen schönen Abend.
Ich folgte ihm, ohne ein weiteres Wort in den Mund zu nehmen, an die Kasse. Diese merkwürdigen Ausbrüche, wie ich sie gerne nannte, war ich zu diesem Zeitpunkt schon gewöhnt. Doch bis dahin hatte er sich mehr weggeduckt, ist mir ausgewichen, wenn ich wissen wollte, wie es ihm ging, warum er so ein Gesicht machte oder wo das Loch in der Wand herkam. Er hat mich angeschrien, von sich gestoßen.

Aber er war allerdings noch nie so ... ausgerastet, jedenfalls nicht außerhalb seines Zimmers.
An der Kasse fragte ich erneut, was los sei, ob wir lieber umdrehen sollten und ich ihn besser nach Hause bringen sollte.
"Jetzt geh mir nicht auf den Sack! Was ist dein scheiß Problem?"

Nach diesen Worten hatte er mich geschubst. Nicht sonderlich doll, aber doch mit genug Schwung und Wut hinter seiner Bewegung, dass mir die eine Flasche unter dem Arm herausrutschte und auf den gelblich-weißen Fliesen zerbarst.
Der durchsichtige Alkohol spritzte auf meine Hose, durchweichte meine Schuhe.

Mein Gesichtsausdruck muss erbärmlich gewesen sein. Hinter uns tuschelte die kleine Gruppe aus Jungen und Mädchen über uns.
Zu meiner Überraschung war Ben überhaupt nicht schockiert über das, was er getan hat. Er lachte. Er lachte dieses hässlich Lachen, das ich in Zukunft öfter hören sollte.

In diesem kleinen Laden jagte es mir eine Gänsehaut über den Rücken. Mit der rechten Hand umklammerte ich immer noch die zweite Flasche.
"Ich habe es so satt, dass du mich immer bequatschen willst. Was ist das eigentlich für ein Komplex?"
Und mit angehaltenem Atme hauchte er mir noch zu: "Und lass die Finger von mir."

Heute hätte ich mich wahrscheinlich - hoffentlich - anders verhalten, auch wenn ich damals wie heute nicht gut mit persönlichen Angriffen gegen mein Ego umgehen kann.
Ich kann also nur hoffen, dass ich heute verständlicher reagiert hätte, dass ich erkannt hätte, dass ernsthafte psychische Probleme hinter Bens Verhalten, der Veränderung seiner Persönlichkeit steckten, dass ich ihm als Freund helfen musste.

Doch damals, unter dem grellen Licht und dem Flüstern, das sich mit der polternden Stimme des Ladenbesitzers mischte, habe ich anders reagiert.
Ich habe Ben angeschrien. Was ich gesagt habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass es hässlich war, dass ich ihn und seine Launen kritisiert habe, dass ich das Wort 'genervt' mehrmals ausgesprochen habe.

Aber ich weiß noch genau, wie Ben auf mich zukam, mir ins Gesicht grinste, ohne dass die vorgetäuschte Freude seine Augen erreichte. Und dann tauchte da dieser Mann auf, der irgendwas von Geld und Sauerei redete und den Ben zurückschubste. Er beleidigte ihn zuerst und dann fiel das Wort 'Schwuchtel' und Bens Faust folgt durch die Luft, traf auf die linke Gesichtshälfte des älteren Mannes, dessen Kopf zur Seite schnellte.

Und dann sah ich nur noch Bens Rücken, seine Schultern, die in einer dieser dick gefütterten Jacken steckten, die ein halbes Vermögen kosteten, und wie er aus dem Laden stürmte.
Ich hatte zwei Sekunden, um zu überlegen. Die drei Sixpacks, mit denen er abgehauen war, hatte wir noch nicht bezahlt.

Der Mann vor mir sah ziemlich angepisst aus und ich bemerke, wie eines der Mädchen ihr Handy hervorzog.
Ich hatte keine Zeit mein Portmonee aus der Hosentasche zu ziehen, ich rannte Ben hinterher - das Erste von vielen Malen.

Ich fand ihn auf dem Bürgersteig neben meinem geparkten Auto. Der Regen prasselte auf seine schwarze Kapuze, als er den Kopf hob und mich mit den gleichen, weichen Augen anblickte, wie zuvor im Gang mit dem Alkohol.
"Wir müssen von hier verschwinden", rief ich über den Wind und so fuhren wir mit unserer Beute davon.

So flüchteten wir das erste Mal gemeinsam vor dem Gesetz. Das Erste von vielen Malen.
Diese kalten Bilder passen nicht zu meiner Umgebung. Und dennoch breitet sich eine Gänsehaut auf meinen Unterarmen aus.
Ich schließe die Augen und versuche an etwas anderes zu denken, aber ich weiß nicht an was.

Also packe ich mein Handtuch und verschwinde.

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Das ist Kilian.

Jedenfalls habe ich ihn jetzt so genannt.

Er saß am Mittwoch plötzlich auf der Wiese hinter unserem Grundstück, mitten in der Sonne. Erst dachten wir, da lässt es sich eine Katze einfach gut gehen. Als ich dann am Nachmittag in einer kleinen Lernpause rausgegangen bin und er immer noch dalag, holte ich meinen Fotoapparat und machte ein paar Bilder von ihm. Einfach, weil es ein schönes Motiv war.

Aber da merkte ich schon, dass er nicht gut aussah.
Ich bin so froh, dass ich diese Bilder gemacht habe und so über eine viertel Stunde da draußen gestanden habe (in ca. 20 Meter Abstand), denn irgendwann fing er an aufzustehen und die Zäune von den Grundstücken abzulaufen. (Wir bilden mit dem Nachbargrundstück eine Ecke)

Er wirkte verwirrt, jedenfalls verhielt er sich nicht, wie eine Katze, pardon Kater sich nun mal verhält. Ich sprach ihn an und als er mich sah, als ich mich über den Zaun lehnte, kam er auf mich zu. Und das... nun ist bei Katzen wirklich nicht so normal.
Als er dann vor mir stand und versuchte mich anzumaunzen, war dann alles klar. Dieses Tier hatte schon lange, lange Zeit keinen Menschen mehr gesehen.

Sein Gang ist mir schon von Weitem aufgefallen. Ich dachte, er Probleme mit einem Hinterbein. Aber als ich ihn dann aus der Nähe gesehen habe, war klar, der arme Junge ist völlig runtergemagert, schlechtes Fell, dürre Beine, dicker Bauch an der Seite.
Ich habe ihn zu unserem Tor gelockt und ihn reingelassen. Er wollte erst nicht wirklich, aber als er einmal an meiner Hand geschnüffelt hat, kam er langsam rein gewankt.

Er ist dann wirklich wie ein Hund neben mir her, ich musste die Richtung angeben.
Ich habe ihn dann auf unsere Veranda gebracht, wo die Sonne schön aufs Holz schien und als ich reingelaufen bin, um meine Mom zu holten, hat er dort wirklich gewartet.

Wir kennen zum Glück eine Frau, die sich hier in der Gegend um solche armen Geschöpfe kümmert und sie hat ihn abgeholt, ist gleich mit ihm zum Tierarzt. Und jetzt kommts: Sie hatte dort sowieso einen Termin und eigentlich wäre sie sonst erst abends erst Zuhause gewesen.

Bis sie dann kam, haben Kilian und ich auf der Veranda gesessen. Er hat die ganze Zeit geschnurrt, kraulen fand er auch ganz toll. Er war so dankbar.
Leider konnten wir ihm nur ein Wurstbrot anbieten, nicht das wahre, aber für den ersten Moment besser als nichts.
Es stellte sich leider heraus, dass die dicke Stelle am Bauch ein Tumor ist. Und jetzt kommt's. Der Arme hat keine Zähne mehr im Mund. Keinen einzigen!!!

Und seine Krallen sind auch ganz schlecht. Gebogen und krumm gewachsen. Ein Herzfehler wurde festgestellt.
Die Ohren sind voller Milben und anscheinend kann er nicht mehr richtig gucken.
Wie er überlebt hat, ist ein Wunder.
Deswegen Kilian. Weil er ein Kämpfer ist.

Wir wissen leider noch nicht, ob er es schaffen wird. Er muss auf Katzen Aids getestet werden und das haben die beim Tierarzt am Mittwoch nicht mehr gemacht, weil er völlig fertig war.
Aber selbst wenn er eingeschläfert werden muss, bin ich mega froh, dass er uns gefunden hat. Denn so konnten wir sein Leiden verkürzen und er muss nicht unter Qualen sterben, sondern nachdem er es nochmal warm, trocken und sicher hatte.

Er ist nämlich kastriert, also muss er mal Besitzer gehabt haben. Er ist auf ca. 13-14 Jahre geschätzt... Und etwas sehr Wichtiges! Er scheint keine Schmerzen zu haben (auch, wenn ich mir das nicht wirklich vorstellen kann. Aber er quält sich nicht vor Schmerzen. Und das finde ich wichtig.)

Ich weiß jetzt nicht, wenn das interessiert hat, aber ich hoffe doch einige bis alle, weil Tierwohl ist wichtig. Und ich möchte gar nicht wissen, wie viele Menschen ihn schon vor uns gesehen haben und nichts gemacht haben.

Er ist jetzt bei der Katzen-Retterin :) hat dort ein eigenes Zimmer, weil es zum Glück bei ihr gerade sehr ruhig ist. (Manchmal hat sie bis zu 25 Katzen!)
Ich hoffe, ihm geht es gut.

All my Love,
Lisa xoxo

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