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Als Lichtwesen sollte es nicht überraschen, dass die Glühwürmchen ein Symbol der Erleuchtung sind. Sie sind wahrlich majestätische, unterbewertete Insekten, weil sie tagsüber gewöhnlich und einfallslos aussehen. Umso schmuckhafter und prunkvoller erleuchten sie die Dunkelheit bei Nacht, tauchen die Finsternis in ein Fünkchen ebenbildlichen Sonnenschein und nehmen Kindern die Furcht vor der bizarren Nacht. Vor den Monstern, die darin lauern könnten.

Der Junge mit den weisen Augen ist in der Grundschule schief angeblickt worden, als er auf die Frage „was ist dein Lieblingstier?" mit nur einem Wort antwortete. „Glühwürmchen". Es waren keinesfalls fliegende Würmer, die im Dunkeln leuchteten. Der Kleine hatte sich nicht viel aus dem unwissentlichen und oberflächlichen Gelächter der anderen Jungs gemacht, deren Antworten von einem prahlerischen „Bulldoge" bis hin zu „T-Rex!" gelautet hatten. Sollten sie eben diese Geschöpfe als ihr persönliches Liebchen ansehen, er verurteilte oder kritisierte sie nicht.

Leuchtkäfer. Sonnwendkäfer. Johanniswürmchen. Johanniskäfer.

Die majestätischen Kreaturen besaßen viele verschiedene Namen, die teilweise so weither geholt klangen, dass sie schon wieder als ihr eigener Superheldenname durchgehen könnten.

So in etwa ist es dem alleinerziehenden Vater eines fünfjährigen, äußerst lebhaften Sohnemanns ergangen. Der musste auch erst auf die harte Tour lernen, dass man nicht unbedingt an Magie glauben musste, um ihr zu begegnen.

Lasst mich euch in die Geschichte einführen, wie Jeon Jungkook lernte an die versteckte Magie zu glauben.

Eigentlich fing alles ganz unspektakulär an einem gewöhnlichen Mittwochmorgen an, als der Schwarzhaarige im süßen Schlummer von dem regen Füßetrappeln seiner Miniaturversion geweckt wurde. Nun, viel mehr wurde er davon wach, wie Joongo sich an der Decke hochzog und seinen Vater als Trampolin zweckentfremdete.

„Daddy! Aufstehen, heute ist Weihnachten!", rief der Kleine euphorisch, wenn er an die vielen Geschenke dachte, die er sich vom Weihnachtsmann gewünscht hatte. Seine Augen funkelten und er quengelte ungeduldig: „Daddyyyyy!"

„Mmm...bin wasch...Isja gut...", nuschelte der Schwarzhaarige verschlafen und rieb sich noch nicht auf Hochtouren über's Gesicht, blinzelte den wohltuenden Schlaf schweren Herzens aus den Augen und gähnte herzhaft. Die Sonne ließ sich pünktlich wie es sich gehörte für diesen besonderen Tag in ihrer schönsten Pracht zeigen, erweckte den gefallenen Schnee zum Glitzern und Funkeln als wären es reine Diamanten. Joongo klatschte in die Hände und hüpfte ausgelassen durch den Flur in die Küche, Jungkook folgte eher schleppend und setzte etwas Kakao für den Kleinen auf, während er sich selbst einen Tee zubereitete. Früher war er der festen Ansicht, wie jeder Erwachsene allmählich auf den Geschmack von Kaffee am Morgen zu kommen – tja, Pustekuchen. Das bittere Heißgetränk weckte definitiv keine Motivation und erst recht half es nicht dagegen, munterer zu werden. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass Jungkook schlichtweg kein Morgenmensch war. Jungkook richtete sich die zerzausten Haare notdürftig und schmierte Joongo, der genüsslich an der warmen Schokoladenmilch nuckelte und freudig grinste, sein zum Morgenritual gewordenes Butterbrot und setzte sich ebenfalls an den Küchentisch.

Das einzige Geräusch, was die angenehme Stille unterbrach, war der leise klingende Radio mit den kitschigen Weihnachtsliedern und das Ticken der Eieruhr, auf die Jungkook halbwegs schielte. Er freute sich auf seinen Toast und knabberte an seiner Unterlippe bis er fertig war, gleichzeitig tupfte er Jongoo den verschmierten Mund ab.

„Können wir einen Schneemann bauen?", fragte er und wippte mit den Füßchen, wobei er so unschuldig und begeistert aussah, dass Jungkook einfach nicht nein sagen konnte. Der lang herbeigesehnte Urlaub des Schwarzhaarigen hatte vor ein paar Tagen begonnen und er hatte sich fest vorgenommen, jede freie Minute mit seinem Schatz zu verbringen. Somit müssten seine Eltern nicht mehr täglich Babysitter spielen, sobald Jongoo vom Kindergarten heimkam. Sie machten es gerne, verwöhnten ihr Enkelkind und akzeptierten die Umstände, in denen sich die Patchwork Familie befand.

Jungkook ist vor ein paar Monaten 22 Jahre alt geworden.

Ein glücklicher Wink des Schicksals hatte seine Online Bewerbung nicht an den gewünschten Arbeitgeber Daily News geschickt, sondern stattdessen an ein Internetforum, dass sich mit verschiedensten Blockbeiträgen finanzierte. Ein komplett anderes Unternehmen und in einer sehr viel niedrigeren Gehaltsklasse, angemerkt. Jungkook's Liste an Empfehlungen oder sonstige herausragende Auszeichnungen hielt sich spärlich in Grenzen, da er noch so jung war, doch irgendwie hatte er den Job dennoch erhalten. Meistens schrieb er im Büro oder ging mit zu Shootings, da er als einziger der Angestellten eine professionelle Kamera besaß und damit auch umgehen konnte, jedoch bevorzugte er es, von Zuhause aus zu arbeiten. So konnte er zum einen seine Eltern entlasten, und zum anderen brauchte er eine gewisse Balance zwischen Arbeit und Privatleben. Immerhin ein wenig mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen, der in den ersten zwei Lebensjahren eh viel zu kurz kam was die Familienzeit anging, stand auf der Prioritätsliste ganz oben.

Jungkook räumte das Geschirr in die Spülmaschine und zog sich warm an, half seinem Ebenbild in die Winterkleidung und wickelte ihm einen dicken Schal um den Hals. Der Kleine sollte nicht frieren oder sich erkälten – wenn er litt, wirkte sich das sofort auf Jungkook und seinen väterlichen Beschützerinstinkt aus. Jongoo kicherte und weil er nicht mitbekam, wie viel Jungkook für diesen Wonnepropen aufgegeben und eingesteckt hatte, erblickte er in dem Älteren einen Vater, der für jeden Spaß zu haben war. Der ihm nicht nur eine, sondern gleich drei Gute-Nacht-Geschichten erzählte und der mit ihm lustige Spiele spielte. Eine Vaterfigur durch und durch.

Jungkook, der noch viel mehr für sein Söhnchen hergeben würde als seine Freizeit oder die Chance auf ein erfülltes Liebesleben, vollendete die Prozedur indem er die blauen Handschuhe aus der Kiste kramte und sie über die verhältnismäßig winzigen Fingerlein stülpte. Fertig. Anschließend lächelte er und gab dem hibbeligen Kleinkind einen Schmatzer auf die Backe.

„Jetzt kann's losgehen, mein Schatz"

„Ja!", triumphierte Jongoo und trippelte begeistert los, durch die offene Haustür des Mehrfamilienhauses und rein in den Schnee, er drehte sich um und sein Grinsen war so strahlend und breit, dass Jungkook verstand, warum ihn so viele Menschen auf der Straße fragten, ob sie Geschwister seien. Sie sahen sich wirklich sehr ähnlich. Wie der Vater, so der Sohn. Jongoo hatte sichtlich Spaß daran, durch die Flockenmeere zu tollen und sich auf den Boden zu werfen, seine Ärmchen und Beinchen zu strampeln und einen angedeuteten Schneeengel zu produzieren.

„Ich wette, mein Schneemann wird größer als deiner!", schmunzelte der junge Erwachsene herausfordernd und Jongoo, der seine tollen Baukünste beweisen wollte, zog eine Schmollmiene.

„Nein, meine! Daddy!"

„Na schön", grinste Jungkook und hob den Kleinen hoch, prüfte ob der Schal ausreichend war und rieb zärtlich über die vor Kälte geröteten Bäckchen. Wie viel Glück man in seinem Leben erfuhr wusste man erst zu schätzen, wenn es in der Gestalt eines eigenen Kindes in deinen Armen getragen werden konnte. Das hier, dieses Ebenbild so perfekt, das war reinstes Glück. Mehr brauchte man nicht, um im Leben Erfüllung zu verspüren.

Irgendwie passte es sehr gut, dass heute der 24. Dezember war.

„Ich hab dich lieb", küsste Jungkook sein Kind auf die Wange und verweilte kurzzeitig in dieser Haltung, mit Jongoo fest an seiner Brust und dem kribbelnden Herzen voller väterlicher Liebe. „So, so lieb hab ich dich"

Jongoo kuschelte sich an seinen Vater, grinste und trällerte immer noch viel zu euphorisch über den nächtlich gefallenen Schnee: „Ich hab dich auch lieb, Daddy. Ganz doll!"

Drei Stunden und mindestens sieben Schneemännchen später traten die zwei Dunkelhaarigen zurück in das warme Haus, seufzten auf als sie aus dem kalten Windzug kamen und Jungkool hängte beide Wintergarnituren in den Treppenabgang, der vom Ofen noch schön warm die Luft füllte. Zufrieden ging er in die Küche und setzte zwei Becher mit Milch auf, füllte Kakaopulver hinein und rief nach Jongoo, der sich im Kinderzimmer ausgelebt hatte. Den restlichen Nachmittag verbrachten die zwei unter einer kuscheligen Decke auf dem Sofa, sahen Rudolf mit der roten Nase und schlürften dazu Kakao. Wie eine Familie in den Zeitschriften.

Das erste Highlight des Tages, viel mehr des Abends, stand pünktlich auf die Minute um 18:00 Uhr vor der Wohnungstür.

„Omii! Opii!", jauchzte Jongoo und sauste so schnell an Jungkook's Füßen vorbei, dass er zweimal gucken musste, bevor er grinsend zur Seite trat und seine Eltern hereinbat. Sein Vater klopfte den Schnee von seiner Mütze und bevor er Jungkook grüßte, widmete er sich seinem lieben Enkel, der mit leuchtenden Augen auf den Arm gehoben werden wollte. Der Grovater bückte sich und erwiderte die herzliche Begrüßung, bevor er sich mit dem Rabauken in's Wohnzimmer absetzte und den herrlich geschmückten Weihnachtsbaum präsentiert bekam, der zusammen von Jungkook und Jongoo dekoriert wurde.

„Lassen wir die Männer für eine Minute unter sich", zwinkerte die schlanke Frau und betrat gefolgt von Jungkook die sauber aufgeräumte Küche, worüber sie lobend nickte. „Hübsch", tat sie ihre Meinung als professionelle Hausfrau kund und schmunzelte: „Ich wusste ja, dass du ein famoser Hausmann sein kannst...wenn du nur den richtigen Anreiz hast"

„Mooom", nörgelte Jungkook und reichte ihr einen Becher Punsch, auf den Jongoo den ganzen Nachmittag über schon so heiß gewesen war. „Ich bin 22, ich kann das mittlerweile"

„Natürlich", nickte sie und aus ihrem Gesicht wich jeglicher Scherz oder nicht ernst gemeinter Schalk. Gutherzig und absolut überzeugt legte sie ihm eine Hand auf die Schulter und zog ihn dann doch lieber in eine innige Umarmung – es war Weihnachten. Da nahm man alles ein bisschen intensiver wahr. „Du machst das super, Liebling. Dein Vater und ich sind so, so stolz, wie du das alles managen kannst", flüsterte sie und Jungkook, der aus diesen Worten ungemein viel Kraft und Rückhalt zog, erwiderte die Umarmung umso doller. „Ohne euch...wär das alles nicht möglich. Ich hab euch lieb"

„Uhhhh!", wuchsen Jongoo's Äuglein um das Doppelte und sein Gesicht zierte ein animalisch aufgeregtes Strahlen, als er den Feuerwehrtruck stolz hob und ihn sofort Jungkook präsentierte: „Daddy! Kuck mal, was der Weihnachtsmann mir gebracht hat!", jauchzte er fröhlich und klatschte in die Hände. Der Schwarzhaarige, der auf dem Sofa saß und wie seine Eltern den kleinen Wirbelwind dabei beobachteten, wie er sich von einem Geschenk zum nächsten vorarbeitete, zog ihn auf seinen Schoß und staunte im einvernehmlichen Einklang mit seinem Sohn. „Wahnsinn, ein so großes Feuerwehrauto! Da hat der liebe Weihnachtsmann aber ein ganz großes Danke verdient, hm?"

„Ja", meinte Jongoo und drückte das nagelneue Spielzeug an seine Brust: „Danke, lieber Weihnachtsmann"

Jungkook küsste ihn lobend auf den dunklen Haarschopf und seine Mutter legte ihre Hand stumm, aber voller mütterlicher Anteilnahme, auf die Hand ihres Gatten. Vor fünf Jahren, als ihr Teenagerrabauke von einer Party zur nächsten flog und sich nicht wirklich um Schule und Bildung scherte, schwante ihnen für seine Zukunft nichts glanzvolles – ein Verkäufer bei McDonalds war das Höchste, was sie dem unzuverlässigen und unhöflichen Störenfried zuschreiben konnten.

Ein Tag im Mai, an dem es nach Veilchen duftete und die Maikäfer durch die sommerliche Brise ihre Bahnen zogen, veränderte alles. Denn da klingelte es an der Haustür der Familie Jeon und statt einen weiteren genervten Nachbarn beruhigen zu müssen, wuchs ihre Gemeinschaft um das weinende Baby, dessen Identität nur durch ein kleines Briefchen erklärt wurde, welches der Schale beilag. Das Ergebnis einer einmaligen Bettgeschichte, welches die Mutter bereute und dem Baby aufgrund der negativen Erinnerungen nicht in's Gesichtchen blicken konnte. Sie sah darin ständig die Silhouette von Jungkook, von einer einmaligen Nummer. Nicht das Gesichtchen ihres Sohnes, der wie ein Stück Brot weitergereicht worden war.

„Ich dachte anfangs nicht, dass du imstande wärst, dich zu bessern", seufzte der Vater ehrlich, als er mit Jungkook in der Küche stand und ein paar Plätzchen auf einer Schale arrangierte. Der Schwarzhaarige, der die Augen schloss und sich ein Stöhnen verkniff, machte einfach weiter damit, die Knabbereien für seine Mom und Jongoo herzurichten. Wenn er sich schon die Mühe machte und zum Backbuch griff, dann sollte jeder etwas davon haben.

„Ich dachte anfangs, dass du mich auf die Straße setzen würdest...wir haben uns fürchterlich gestritten", flüsterte er nur betreten zurück und hob den Blick. Vor vier Jahren, als sie das Baby zwangsläufig zu sich nehmen mussten, hatten sie diese exakten Worte bereits schon gesprochen, sich dabei angeblickt und immer mehr in aufgestauter Rage verloren. Jungkook war streitsüchtig gewesen und wollte das weinende Häufchen Leid ebenso wenig unter seine Fittiche nehmen wie die unzuverlässige Mutter – die ihm von der Schwangerschaft ja nicht einmal erzählte. Vater mit 17? Ein absolutes No-Go für ihn.

Doch jetzt war es anders.

Vier Jahre später standen sich kein verärgerter Vater und kein rebellischer Teenager mit einer plötzlichen lebenslangen Verpflichtung am Hals gegenüber, sondern zwei Väter. Zwei Väter die ihre Kinder über die Maßen liebten, dass sie alles für sie tun würden.

„Ich war kurz davor", gestand der Älteste beschämt und senkte den Kopf. „Du hast dich nicht um deine Schule gekümmert und als dann dieses Baby vor der Tür lag, mit nichts als zwei Dokumenten und einem kurzen Brief...ich war so wütend. Nicht auf dich sondern auf deine Uneinsichtigkeit. Du hast dein Leben weggeschmissen bevor es anfing und-"

„Okay, das reicht", schnaubte Jungkook jetzt doch zutiefst gekränkt und stellte das Porzellangeschirr angesäuert auf die Anrichte, drehte sich zu seinem Vater und holte angestrengt Luft. Sein Herzschlag erhöhte sich und seine Muskeln spannten sich an, sein väterlicher Beschützerinstinkt kickte ein und weil Jungkook es nicht ausstehen konnte, diese Unterredung schon wieder zu führen, wollte er sie stoppen bevor ein Streit ausbrechen würde. Denn das würde er definitiv, wenn sein Vater nicht endlich aufhörte, darauf rumzureiten und Jongoo schlecht zu reden.

„Jongoo mag in deinen Augen die Konsequenz eines betrunkenen One Night Stands sein und mich um einen Platz an der Uni gebracht haben, schön, aber für mich..."

Jungkook's Stimme versagte und just in diesem Moment hörte er das Trippeln kleiner Füßchen näher kommen. Rasch, er musste den Schein an diesem besonderen Abend wahren, blinzelte er den Frust weg und kniete sich lächelnd auf den Boden, streckte die Arme aus und fing den Sprung seines Kleinen mühelos auf. Die zwei könnten wirklich Geschwister sein. Jungkook stand auf und reichte Jongoo endlich die lang herbeigesehnten Leckereien, der Kleine knabberte wohlig an dem Gebäck und kuschelte sich an seinen Vater. Dort, wo er sich sicher fühlte. Denn sein Daddy war immer für ihn da und dieser Liebe würde sich nichts in den Weg stellen. Nichts und niemand.

Jungkook's Vater seufzte und wollte sich abwenden von der Sinnlosigkeit, Jungkook würde es nie einsehen was er im Leben alles weggab um sich um das Baby kümmern zu können, im Gehen hörte er noch den Rest vom Satz seines Kindes, in dem so viel ehrliche Vaterliebe mitschwang, dass er seine harsche Aufdringlichkeit tatsächlich ein wenig bereute.

„...für mich ist er das Beste, was mir passieren konnte"

Jongoo schleckte sich die letzten Kekskrümel von den Lippen und griff nach einem weiteren, den er sich vor den Mund hielt und mampfend abbiss.

„Aua!", zuckte er auf einmal zusammen und ließ vor Schreck das Plätzchen fallen. Tränen sammelten sich in seinen Augen und er wimmerte. In Windeseile, viel schneller als es die wachsame Frau hätte realisieren können, war Jungkook wie der Held in glänzender silberner Rüstung zur Stelle und streichelte dem schniefenden Kindchen sanft und beruhigend durch die Haare, während er sich nach dessen Wohlbefinden erkundete. „Wo macht's Aua?", fragte er. Jongoo blinzelte mit seinen großen Kulleraugen herzzerreißend, machte die Lippen ein bisschen auf und deutete mit dem Finger darauf.

Jungkook ging ein Licht auf.

„Darf Daddy sich das Aua mal ankucken?", bat er behutsam und Jongoo nickte voller Vertrauen, sein Daddy war ein Held und schaffte alles. Also öffnete er den Mund und hielt nervös Jungkook's linke Hand, während die rechte bedächtig die Vermutung überprüfte. Jongoo wimmerte.

„Mein Schatz, ich denke, du wirst bald Besuch von der Zahnfee bekommen", schmunzelte Jungkook selbst erleichtert, dass es nur ein wackliger Zahn war der Grund zur Sorge spendete, und hob den verwirrten Sohnemann auf seinen Schoß. „Ist das die Fee, die mir zwei Dollar bringt?", fragte er leise und Jungkook nickte liebevoll, streichelte ihm durch die Haare und erfreute sich an dem zutraulichen Kuscheln, denn Jongoo liebte es, wenn man ihm durch die Haare streichelte. Es war eine Eigenschaft, die Jungkook selbst sehr gern hatte. Hätte er nur jemanden, der ihm durch die Haare streichelte...seit Jongoo in sein Leben trat war es aus mit Parties, Schule schwänzen oder bedeutungslosen Flirts. Ja, wann das letzte Date war, wusste er nicht mal mehr. Für solche Belanglosigkeiten fehlte ihm die Zeit.

Jongoo wurde zur Priorität Nummer eins und Jungkook war aus freien Stücken bereit dazu, sein Liebesleben hintenanzustellen. Jongoo brauchte ihn. Für Jungkook's Vater mag der Kleine die Spitze des damals katastrophalen Eisbergs gewesen sein, doch für Jungkook war es der Weckruf, der später nicht kommen hätte dürfen. Ohne die Verpflichtung, sich als 17-jähriger mit einem Neugeborenen durchschlagen zu müssen, hätte er vermutlich noch heute nichts als Saufen, Weiber und Sex im Hirn.

Das Kind tat ihm ausgesprochen gut.

Jungkook bekam sein Leben in den Griff und lernte Verantwortung, studierte fleißig für seine Prüfungen und war fest entschlossen dazu, dem kleinen Ding ein guter Vater zu sein.

Drei Tage später passierte es.

Jongoo aß die Erbsen und Mörchen auf seinem Teller artig, wie Jungkook es ihm vormachte und lehrte, dass man mit Essen nicht spielt, und der wacklige Zahn kullerte aus der spärlichen Verankerung.

„Daddy!", rief Jongoo aufgeregt und hielt das etwas blutige Zähnchen mit großen Augen hoch: „Daddy! Mein Zahn ist weg!"

„Rasch, leg ihn unter dein Kopfkissen", sprach der Ältere ihm Mut zu. „Heute Nacht wird sich die Zahnfee deinen Zahn holen"

„Aber das ist doch mein Zahn", schmollte der Kleine und drückte das Zähnchen fest eingebettet in seiner Faust an die Brust, seine Haltung signalisierte strikte Verwehrung des Zähnchens. „Wieso muss ich ihn hergeben?"

„Vielleicht kannst du sie das fragen", meinte er und räumte die leeren Teller in die Spüle. Jongoo, der mit der gleichen unstillbaren Neugierde beschenkt war wie Jungkook, durchdachte die Möglichkeit kurz bevor er strahlend nickte: „Ja! Die Zahnfee und ich werden aller beste Freunde!"

Der Kleine hüpfte die Treppe ins Obergeschoss hoch und trällerte dabei äußerst vergnügt eine Melodie vor sich her, die leiser wurde je weiter er sich von der Küche entfernte. Jungkook ergriff die Gelegenheit, wenn der Racker schon einmal oben war, und rief ihm nach: „Putz dir die Zähne und mach dich Bett fertig, ich erledige den Abwasch und dann lesen wir weiter wo wir gestern aufgehört haben"

„Ja Daddy!", antwortete Jongoo und freute sich auf die Gute-Nacht-Geschichte.

Jungkook blätterte eben zur nächsten Seite der Geschichte über den tapferen Ritter, der den bösen Drachen besiegen musste um die schöne Prinzessin zu retten, als ihn der wache Verstand seiner Miniaturversion nachdenklich fragte: „Daddy? Ist meine Mommy auch eine Prinzessin?"

Der Vater schluckte, bemühte sich jedoch ganz fest, sich sein Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Natürlich war ihm klar, dass die Fragen über die Mutter früher oder später auftauchen würden...er hatte nur sehr stark gehofft, dass es später sein würde. Nicht schon jetzt, wo Jongoo doch noch viel zu beschäftigt damit sein sollte, mit Kind sein.

„Daddy? Wieso besucht uns Mommy nicht? Wie sieht sie aus? Hat sie auch solche Haare wie die Prinzessin?", fragte der Kleine weiter Löcher in den Bauch des Größeren und betrachtete gedankenverloren die Bildchen des Ritters im Buch. „Musst du sie erst vor dem Drachen retten?"

„Ähm...", stammelte Jungkook zugegeben ein wenig ratlos, was er seinem Söhnchen hierauf für eine plausible Antwort geben sollte. Naja...gab es eine plausible ehrliche Antwort auf seine Existenz? Zwei betrunkene Teenager, die zu dämlich waren um an ein Gummi zu denken?

„S-sie...sie muss nicht gerettet werden", flüsterte er daher so ehrlich wie er konnte, ohne zu viel zu verraten. Ohne zu viele unterdrückte Emotionen hochkommen zu lassen, die er seit vier Jahren kontinuierlich zur Seite schob. „Sie hat geholfen, deinen Daddy zu retten"

„Vor einem Drachen?", weiteten sich Jongoo's Äuglein aufgeregt und er setzte sich gespannt auf. Jungkook schüttelte schmunzelnd den Kopf, genoss es Zeit mit dem Kleinen zu verbringen, obwohl sie nur zusammen in seinem Kinderbettchen lagen und eine Geschichte lasen. „Vor dem Allein sein"

Jongoo kräuselte seine Stirn und neigte verdutzt den Kopf. „Das verstehe ich nicht"

Der Ältere, ungemein dankbar am heiligen Abend nicht allein sein zu müssen, und diese seelige Zeit auch noch mit seinem eigenen Kindchen genießen zu dürfen, unterdrückte eine Freudenträne und umarmte den Wonnepropen nur kommentarlos, zog ihn auf sich und knuddelte ihn herzlich durch. Das helle Gelächter und Kichern säumte die Luft und lockerte die Stimmung auf, die zwei hielten sich fest und genossen die weihnachtliche Ambiente der Lichterketten. Hätten wir im Rausch nicht zusammen...dann gäbe es dich heute nicht, und das wäre ein großer Verlust für die Welt.

„Daddy?"

„Ja, Jongoo?", ermutigte der sanfte Umgangston den Kleinen dazu, auszusprechen was ihm im Kopf herumgeisterte. Er runzelte die Stirn und fragte: „Erfüllt der Weihnachtsmann alle Wünsche?"

Etwas verwirrt von dieser Frage wackelte Jungkook mit der Nase, ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen bevor er zu einer Antwort ansetzte: „Nun, ich schätze sofern der Wunsch niemandem etwas Böses tut, erfüllt er ihn. Wieso fragst du mich das? Reichen dir die neuen Spielsachen nicht?"

„Die sind super!", betonte Jongoo euphorisch und strahlte daran denkend, wie er morgen gleich mit seinem Feuerwehrauto spielen würde. „Der Weihnachtsmann hat aber einen Wunsch nicht erfüllt. War ich nicht brav genug? Kannst du ihn anrufen und erzählen, dass ich immer das Gemüse aufessen? Obwohl ich kein Gemüse essen mag? Bitte Daddy"

Bei der niedlichen Schmollmiene pochte Jungkook's Herz andächtig und er schmunzelte liebevoll: „Was hast du dir denn gewünscht?"

Jongoo schmollte und senkte den Blick, drückte sein Gesicht in Jungkook's Schulter und robbte näher. „Ich hab mir gewünscht, dass uns der Weihnachtsmann jemanden bringt, der dich lieb hat. Weil du doch immer sagst, jeder will lieb gehabt werden", nuschelte Jongoo ein wenig undeutlich, doch trotzdem so deutlich, dass Jungkook jedes Wort verstand. Und...ihm stiegen Tränen in die Augen. Sein kleiner Sohnemann, kaum im Grundschulalter, besaß bereits mehr Empathie und Sanftmütigkeit, ja sogar Einfühlungsvermögen als ein Haufen prüder Arbeitstiere in ihren schicken Büros. Jungkook blinzelte rasch die Tränchen weg, bevor sich der Kleine Sorgen machen könnte, und drückte ihn zärtlich an sich. Er hatte ihn ja so ungemein lieb, so sehr. Er dachte an seinen Vater und schien unterbewusst zu fühlen, dass trotz dessen Aufopferungen etwas fehlte.

Jemand, der Jungkook lieb hatte.

„Ich hab dich lieb, mein Schatz", bekräftigte Jungkool von Herzen gerührt und küsste ihn auf den Haarschopf, wiederholte diese Geste voller Zuneigung ein paar Mal einfach weil es so gut tat, seinen Sohn zu küssen. Er wusste sich keine Antwort auf Jongoo's Wunsch, sondern genoss schlichtweg das Gefühl der Schwerelosigkeit in seinen Gliedern. Sein Kind würde zu einem guten Menschen heranwachsen, dessen war er sich absolut sicher.

„Und jetzt ab ins Bett, es ist spät"

„Gute Nacht, Daddy", grinste Jongoo und drückte ein Küsschen auf seines Vater's Wange, kuschelte sich in sein Bettchen und rieb sich erschöpft von den Aufregungen des zelebrierten Weihnachtsfestes die Äuglein. „Ich hab dich lieb"

Jungkook deckte den Kleinen zu und stellte das Märchenbuch in's Regal, drehte das Licht ab und konnte nicht verhindern, dass er einen kleinen Moment länger als nötig im Türrahmen verweilte und das himmlische Abbild seiner Gene mit warmen Augen belächelte. Er liebte es wirklich. Egal was der Rest der Welt oder sein karrieregeiler Vater auch behauptete, egal welche Steine sich ihm durch diesen kleinen Engel in den Weg legen mögen: Jungkook liebte sein Kind. Für ihn war er kein Fehler, keine unbedachte Konsequenz eines vor Trunkenheit passierten Sex.

Das war sein Sohn.

Er würde ihn unter egal welchen Umständen lieben.

Zu diesem Zeitpunkt wusste Jungkook nicht, dass dieser vermeintlich unerfüllte Kinderwunsch sehr wohl zur Kenntnis genommen wurde. Und auch schon in eifriger Bearbeitung war.

Der Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages brach an und zusammen mit den frühen Morgenstunden erwachte das Leben im Hause Jeon. Jungkook wälzte sich verschlafen in seiner Decke und rieb sich die Augen, bevor er ausgiebig gähnte und mit einem Auge auf die Anzeige seines Weckers schielte.

07:27 Uhr.

Viel zu früh.

Aber mit einem kleinen Kind stellte selbst diese gottlose Uhrzeit noch eine eher angenehme Abwechslung dar, denn für gewöhnlich wachte Jungkook um halb 6 Uhr auf. Gern wäre er noch liegen geblieben und hätte ein wenig gedöst, doch er hörte das Trippeln von Füßchen und musste schweren Herzens auf eine Verlängerung des Nachdrückens verzichten. Er setzte sich auf und schnappte sich eine Wolljacke gegen die frische Luft außerhalb der Decke, als auch schon wie gerufen der verstrubelte Haarschopf seiner Miniaturversion ins Zimmer trippelte. Die großen Augen leuchteten und das Strahlen in dem Kindergesicht war so herzlich und so pur, dass der Ältere mit einem sehr warmen Herzflattern ebenfalls zu lächeln begann. Wortlos nahm er den Kleinen in den Arm und setzte ihn auf seinen Schoß, richtete amüsiert die kreuz und quer liegenden Strähnchen und erkundigte sich nach dem Grund, weshalb Jongoo so gut gelaunt herein marschierte.

„Hast du dein neues Spielzeug schon ausprobiert?"

Er schüttelte den Kopf und wippte unruhig auf und ab, der Enthusiasmus blieb nicht verborgen und es freute Jungkook ungemein, sein Söhnchen so gut gelaunt zu sehen. Der trällerte ausgelassen: „Daddy, der Weihnachtsmann hat dein Geschenk gebracht! Komm! Komm, Daddy!"

Lachend, und zunehmend etwas verwirrt, erhob sich der Schwarzhaarige und schlenderte gemütlich die Treppen in die Küche, wo er zuerst Kakao für Jongoo aufsetzte und ihm bedeutete, sich gerade hinzusetzen. Der Kleine schmollte prompt, wedelte jedoch im nächsten Augenblick mit der Hand in Richtung Wohnzimmer. Jungkook beschloss dem Kleinen zuliebe nachzusehen, was auch immer da auf ihn warten sollte. Hatte Jongoo ihm etwa ein Bild gemalen mit den brandneuen Zeichenstiften?

Tja, nicht ganz.

Der Anblick war tatsächlich malerisch schön und von einem Künstler nicht zu übertreffen, das konnte Jungkook nicht abstreiten...der einzige Unterschied war nur, dass es sich nicht um ein Gemälde handelte. Oder etwas Materielles im Allgemeinen. Verwirrt und den Umständen entsprechend in Alarmbereitschaft versetzt packte der pflichtbewusste junge Erwachsene die Porzellanschale auf der Anrichte, hob sie vor seine Brust und schluckte. Im Ernstfall würde er dem fremden Menschen die Schale über die Rübe ziehen und sich mit Jongoo im Badezimmer einschließen, bis die Polizei hier wäre.

Betonung auf: im Ernstfall.

„Daddy, du musst ihn aufwecken", schlich Jongoo mit seinem Becher Schokomilch in den Händen in's Wohnzimmer, stellte sich instinktiv an seines Vater's Bein und beobachtete die Gestalt, die friedlich auf ihrem Sofa gebettet dalag und sich nicht rührte. „Sonst verschläft er den ganzen Tag, dabei hat es geschneit. Kann er mit uns rausgehen und Schneemänner bauen?"

„Warte bitte in der Küche, mein Schatz", wisperte Jungkook angespannt und man merkte ihm eindeutig seine qualitativ hochwertige Erziehung an, denn der Junge nickte brav und machte kommentarlos, was sein Vater ihm auftrug. Jungkook entspannte sich sichtlich, als er sein Kind von der potentiellen Gefahrenquelle entfernt wusste, und nahm sich dann dem ungebetenen Gast an, der so dreist einfach sein Sofa als Schlafplatz zweckentfremdete. Wie kam er überhaupt in ein verschlossenes Haus?

Langsam schlich er näher, die Schale immer noch fest umklammert, und beäugte die reglose Silhouette des scheinbar Gleichaltrigen skeptisch. Natürlich, wer wäre nicht misstrauisch, wenn eine fremde Person plötzlich im eigenen Haus herumlungerte?

„W-wie kommen Sie h-hierein?", stammelte der Schwarzhaarige nervös, seine Muskeln waren angespannt für die Ernstsituation, und sein Misstrauen wuchs nur weiter, je distanzierter sich die Gestalt benahm. So, als ob sie schliefe oder mental gar nicht in diesem Körper anwesend war. Plötzlich überkam den Hausbesitzer ein ganz anderer Gedanke, wenn er sich das puppenartige Ding so begutachtete: was, wenn es nicht lebte? Schließlich erkannte er weder die Anzeichen einer funktionierenden Atmung, noch regte sich sonst etwas.

Eine Puppe, die aussah wie ein perfekter Mensch.

Silbrig glänzende Haare, die das schlummernde Gesichtchen einrahmten und die rosigen Lippen, die dem allgemeinen visuellen Auftreten alle Ehre machten. Frauen würden sich für diese Naturausstrahlung nicht zu schade sein, einen Mord zu begehen. Dazu das weiße Kleidchen, eine Tunika mit flauschigen Söckchen, nicht mehr trug das junge Ding. Jungkook biss sich unschlüssig auf die Lippe. Er spürte keine ausgehende Gefahr von diesem Etwas, jedoch war ihm allein das Dasein dieses...dieses puppenartigen Wesens nicht recht. Jongoo durfte in kein Risiko verwickelt werden, weil Jungkook unachtsam wäre. Das würde sich der Vater niemals verzeihen. Und dabei störte das Ding.

„Hörst du mich?", unternahm er einen zweiten Versuch, doch wieder erhielt er weder eine Antwort noch eine Regung. „Lebst du? Was bist du?", mutmaßte er und wusste sich nicht zu helfen. Wer war das? Warum lag er in so luftigen Kleidchen auf Jungkook's Sofa und warum, warum nur machte das Wesen nicht die Augen auf?

„Daddy?", hörte er Jongoo's Stimme hinter sich und fuhr erschrocken herum. „Ja, was zum – du solltest doch in der Küche warten!", hauchte er entgeistert doch bevor er den viel zu neugierigen Rabauken auf sein Zimmer bringen konnte, schlüpfte der unter seinen Armen hindurch und stellte sich an das Sofa, dicht an das fremdartige schlafende Etwas und bestaunte es mit großen Äuglein. Ehrfürchtig, und weil es die kindliche Neugierde eben nicht besser wusste, stellte er sich auf die Zehenspitzen und legte seine Hand auf den seidigen Stoff: „Daddy", grinste er fröhlich und überhaupt nicht verängstigt: „Daddy, der Weihnachtsmann hat dir ein Engelchen geschenkt! Kuck mal, wie schön das Engelchen ist!"

„Fass das nicht an!", hielt Jungkook die Entdeckerlust seines Kleinen bestürzt zurück und nahm die Hand weg. „Du weißt nicht, wo das herkommt!"

„Aus dem Himmel", beharrte er und verschränkte die Arme, so als könne er nicht nachvollziehen, warum sein Vater die Glaubwürdigkeit des schönen Engels mit den weichen Locken in Frage stellte. Er war doch direkt vor ihrer Nase, da auf dem Sofa lag er und wartete darauf, an der familiären Idylle teilhaben zu dürfen. „Du musst das Engelchen aufwecken, Daddy. Dann kann es mit uns frühstücken und Schneemänner bauen", strahlte der Sohnemann ausgelassen über den neuen Spielgefährten und tätschelte sanft dessen feine Kleidung, die mit funkelnden Fäden gewoben worden war. Ganz sanft, er wollte dem Wesen nicht wehtun.

Dass Jungkook der ganzen Thematik mit gesundem Respekt gegenüberstand, war unschwer zu erkennen. Sicher, der silberhaarige Fremde konnte mit dieser angeborenen Schönheit nicht menschlicher Herkunft entspringen, doch selbst Sirenen galten als attraktiv – und diese Kreaturen lurrten Seefahrer mit ihrem Gesang in den Tod.

„Daddy", flüsterte Jongoo mit großen, bittenden Äuglein und schob seine Unterlippe vor, während er sich unbewusst auf die Seite des noch immer friedlich ruhenden Spielgefährten schlug. „Das ist dein Engelchen, und es wird dich gaaaaanz doll lieb haben. So wie ich dich lieb hab"

Die Stille, die einschlug wie eine Bombe in einem Granatenregen, zerrte gewaltig an Jungkook's Nerven. Und seiner Entschlossenheit. Denn obgleich er seinem Sohn keinerlei Gefahr aussetzen wollte indem er auf einen Schwindel hereinfiel...genauso wenig wollte er dem wirklich, wirklich hinreißenden Geschöpf seine Hilfe verwehren. Er hatte am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie sehr man in einer fremden Welt, einer fremden Lebenslage, auf die Hilfe anderer angewiesen war. Hätte seine Mutter nicht zu ihm gehalten, wäre Jungkook mit 17 Jahren und einem Baby auf sich allein gestellt gewesen.

Also beschloss Jungkook, besiegt vom waltenden Weihnachtsgeist und den Manieren angelernt durch seine Mutter, das puppenartige Ding aufzuwecken. Niemand sagte ihm wie, oder reichte ihm eine Gebrauchsanweisung für Engel, doch...ein gewisses Etwas in seinem Inneren kannte die Antwort bereits. Er setzte sich behutsam auf den Rand des Sofas und musterte sein Gegenüber. Das makellose Gesicht und die dunklen Wimpern, die federleicht die Haut berührten. Die verschränkten Hände, symmetrisch und ordentlich auf dem Bund der Tunika gefaltet. Die dünnen Beine, die der winterlichen Frische schutzlos ausgesetzt waren.

„Jongoo", sprach der Ältere, ohne den Blick von dem Engelchen zu wenden. Es faszinierte und zog ihn an, ließ ihn nicht mehr los. Und das rasante Schlagen des Herzens teilte ihm mit, dass Jongoo mit dem Daddy, das ist dein Engelchen mehr Wahrheit ausgesprochen hatte, als er vermuten würde.

„Gehst du bitte hoch und holst eine von Daddy's Freizeithosen?"

„Ja!", kicherte der Spatz fröhlich und sauste los, über die Treppen und aus dem Sichtfeld. Schwupps. Jungkook seufzte und blickte ihm nach – würde die Zeit auch so rasant verfliegen? Kindergarten, Einschulung, Abschluss, Studium...

Das Engelchen schien tatsächlich nicht ansprechbar zu sein. Wer auch immer es dorthin, auf dieses Sofa, gelegt hatte, dem galt ein Dank. Denn Jungkook hatte lange nicht mehr aus seinem Alltagstrott ausbrechen können...hatte schon lange nicht mehr das Wummern in seinem Herzen gefühlt. Nicht so wie ein Hammer. Nicht so, wie jetzt. Hypnotisiert von der überirdischen Schönheit beugte er sich vor und legte eine Hand an die weiche Wange, streichelte gedankenverloren eine verrutschte Haarsträhne weg und-

Sein Herzschlag setzte aus.

Da!

Ein Atemzug.

Die erstarrte Puppe verschmolz mit den Zuneigungen des Schwarzhaarigen, gewann an Farbe und erleuchtete bald schon wie ein Stern. Jungkook's Berührung war der Auslöser, wie er erkannte, der dem Engelchen das Leben einflößte. Als wäre es einzig und allein hier, um für Jungkook zu erwachen aus einem jahrhundertelangen Schlummer. Der Weihnachtsmann hatte Jungkook ein Engelchen geschenkt – ein echtes, goldiges Engelchen. Flatternd öffneten sich die Lider und noch im selben Herzschlag füllte eine weitere wundervolle Empfindung Jungkook's Inneres.

Ich hab mir gewünscht, dass dir der Weihnachtsmann jemanden bringt, der dich lieb hat.

Das Schmunzeln überkam ihn, denn sein Söhnchen hatte ein wahrliches Weihnachtswunder in ihrer beider Leben gebracht. Einen Engel, hier auf Erden. Einfach so.

„Daddy! Hier", bremste Jongoo sein Tempo kurz vor dem Wohnzimmer ab, damit er nicht ermahnt wurde über die Nicht-Im-Haus-Laufen-Regel, jedoch wäre es nicht nötig gewesen. Die Freizeithose rutschte desinteressiert auf den Boden. Der Schwarzhaarige bemerkte in diesen Minuten nämlich nichts anderes, als die funkelnden Äuglein des Engels und das grazielle Lächeln, das eine Reihe perlmutt weißer Zähne zum Vorschein brachte. Jungkook nahm seine Hand nicht von des andermanns Wange und der richtete sich ein kleines Stückchen auf, rutschte näher an dem ihm anvertrauten Menschen und spiegelte die zutrauliche Gestik. So saßen sie da, Jungkook und sein Weihnachtswunder, sanken tiefer in diese wonnige Zuneigung und lächelten sich an.

„Herzlich willkommen in unserer Familie", flüsterte Jungkook mit flatterndem Herzlein und erfreute sich an dem bildschönen Strahlen seines Gegenübers, der die Begrüßung strahlend annahm und die Beine an seine Brust zog. Mit einer fließenden Bewegung rutschte das anmutige Wesen auf Jungkook's Schoß, kuschelte sich eng an sein Menschlein und schloss genießerisch die Augen. Engel fühlten sich zu den Menschen hingezogen, von denen das Gefühl der Geborgenheit und der Heimat ausstrahlte. Und Jungkook schmeckte nach süßen Keksen und einem prasselnden Kaminfeuer – das Engelchen verfiel dieser charismatischen und liebevollen Ausstrahlung sofort. Für ein paar Minuten verweilten die zwei in dieser Pose, eng umschlungen und mit der Welt im Einklang, wuchsen fester und fester aneinander, als Jongoo mit auf das Sofa krabbelte und auf sich aufmerksam machte. Er grinste und klatschte in die Hände, hoch erfreut über den nun erwachten Engel, und Jungkook war drauf und dran ihn zu ein bisschen Ruhe zu ermahnen – der Engel sollte nicht erschrecken.

„Ja, Familie!", trällerte Jongoo trotzdem ausgelassen und streichelte ehrfürchtig über den silbrigen Haarschopf, was das Wesen mit geröteten Wangen zuließ und sich unwillkürlich näher an seine Vertrauensperson schmiegte. Der kleine Sohn kicherte hell und kletterte auf den Schoß des Neuankömmlings, umarmte ihn und dann waren es nicht mehr zwei, sondern drei, die auf dem Sofa kuschelten und sich wirklich als Familie identifizierten.

Jungkook warf dem Wesen nicht gut versteckte Seitenblicke zu und ihm gefror das Blut in den Adern, als der Engel schüchtern näher rückte und ihm ein kleines Küsschen auf die Wange gab. Vielleicht war es ja genau das, was er so lange wieder gebraucht hatte: jemanden, der ihn lieb hatte.

„D-danke...", wisperte das Engelchen so gerührt von der offenen Bereitschaft ihn aufzunehmen, dass er errötete und sowohl Jungkook als auch Jongoo herzlich knuddelte. „...ich hab euch lieb"

Jongoo's Augen weiteten sich ehrfürchtig und er wisperte: „Wirst du meine Mommy?"

„Nein. Eine Mommy kann man nicht ersetzen...und einen Engel auch nicht", unterbrach Jungkook vorab jegliche Diskussion und drückte seine beiden Familienmitglieder, wobei sein Blick so viel Zuneigung ausdrückte, dass es eines ganz klar untermauerte: Jungkook glaubte fortan an die Magie, von der so viele Geschichten und Lieder geschrieben standen. Sein Engelchen kam somit zu ihm, lächelte ihn nun glücksselig an und flüsterte geschmeichelt vom Eifer des Kindes: „...m-man hat mich in m-meiner Heimat ohne Namen erschaffen...e-es ist dir überlassen, w-wie ich heißen soll"

„Taetae", kicherte Jongoo fröhlich und nickte begeistert. „Taetae. Ja, nicht wahr, Daddy?"

Der Schwarzhaarige zuckte beflissen mit den Schultern und überließ diese Entscheidung dem namenlosen Geschöpf des Himmels, das majestätisch und anmutig auf seinem Schoß saß und mit seinem Leibeskind spielte. Seine Intuition versprach ihm, dass das Engelchen keinen irdischen Namen benötigte, um diese Familie zu vervollständigen. Jetzt...jetzt war alles perfekt. Also, mit einem Lächeln, küsste er dessen Wange und meinte: „Wenn meinem Engelchen der Name Tae gefällt?"

Tae nickte und freundete sich binnen weniger Wimpernschläge mit diesem Titel an – mit der lieben Art und Weise, wie er aus Jungkook's Mund gesprochen klang. Nach Zuhause.

Egal ob groß oder klein: jeder hat etwas Besonderes an sich. Etwas Magisches. Etwas völlig Einzigartiges, was nichts und niemand ersetzen oder übertrumpfen kann. Die Magie ist wie in den Glühwürmchen allgegenwärtig, selbst wenn sie so unscheinbar wirkt, dass man sie leicht für ein Hirngespinst halten mag.

So in etwa ist es dem alleinerziehenden Vater eines fünfjährigen, äußerst lebhaften Sohnemanns ergangen. Der musste auch erst auf die harte Tour lernen, dass man nicht unbedingt an Magie glauben musste, um ihr zu begegnen.

Das war die Geschichte, wie Jeon Jungkook erlernte an die versteckte Magie zu glauben. An Engel, Geschöpfe des Himmels und die Liebe, die unsagbar dolle und pure Liebe, die sein Engelchen ihm bedingungslos schenkte. Der Weihnachtsmann beobachtete von seinem Wolkenpalast aus mit großväterlicher Anteilnahme, wie Jungkook sein liebstes Kind schätzte und pflegte, Jahr ein Jahr aus erfreute er sich an der zusammengewachsenen Familienidylle und obwohl er den silberhaarigen Kuschelfratz in seinem Reich vermisste, so stimmte es ihn glücklich, ihn umringt von lieben Menschen zu wissen.

Dass er angekommen war, genau dort, wo er immer bestimmt war hinzugehen.

Nach Hause.

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