Rausschleichen mit Hindernissen

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Sorry, dass es so lange gedauert hat, aber wenigstens war es diesmal nicht gleich ein Monat. ;)

Als ich nach Hause kam war mein Vater, wie fast immer, noch nicht da.

Er hat nichts bemerkt, dachte ich erleichtert, denn sonst wäre er wahrscheinlich früher nach Hause gekommen um mir eine Standpauke zu halten oder hätte mir eine wütende Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen. Diese Monologe erinnerten mich immer an die Heuler aus Harry Potter, doch heute blinkte das Telefon nicht.

Ich ging nach oben in mein Zimmer und holte mit eine Tafel Milkaschokolade aus meiner Schreibtischschublade. Hier bewahrte ich immer meine kleine eiserne Ration auf, weil mein Dad keine Süßigkeiten kaufte. Schließlich waren die so ungesund. Aber ich störte mich nicht sonderlich an dem Verbot von Zucker, ich würde sicher verrückt, wenn ich so hoffnungslos unterzuckert wäre.

Ich brach ein großes Stück ab und steckte es mir in den Mund.

Mmh, dachte ich, genau das richtige nach so einem verrückten Tag. Heute war so unglaublich viel passiert, dass ich das Gefühl hatte es wäre schon Wochen her, dass ich ein ganz normales, langweiliges Leben geführt hatte. Dabei war es nur etwas mehr als einen Tag her, da hatte ich mein Armband noch nicht verloren und hatte mich auch noch nicht in eine Meerjungfrau verwandelt oder hatte einen sexy Typen mit Fischschwanz getroffen. Seltsamerweise fühlte es sich nicht mehr so komisch an und ich fühlte mich auch nicht wie ein Frankenstein oder so. Die Meerjungfrauengene waren schon immer ein Teil von mir gewesen, ich hatte es bloß nicht gewusst.

Jetzt hatte ich mich gefunden.

OMG, ich klang wie meine Philosophielehrerin.

Vielleicht sollte ich völlig ausflippen, weil ich ab jetzt immer schuppig werden würde, wenn ich im Wasser war, aber es war irgendwie … gut.

Meine Mutter war auch eine Nixe gewesen. Wie immer, wenn ich an meine Mum dachte sah ich auf das Armband, das nun wieder an meinem Handgelenk baumelte. Ich fühlte mich ihr irgendwie näher als sonst. Der Fischschwanz war ihr Geheimnis gewesen und jetzt war er meins.

Ich lächelte und spielte an den kleinen goldenen Muscheln auf dem Armband herum. Dann seufzte ich und setzte mich an meinen Schreibtisch und begann Hausaufgaben zu machen.

Ob Meermenschen wohl auch Hausaufgaben machen müssen, fragte ich und beschloss morgen Aiden danach zu fragen.

Aiden. Ich lächelte, doch dann viel mir ein, dass ich noch eine Ausrede brauchte um morgen zu Strand zu gehen. Schließlich war ich quasi zu Hause eingekerkert. Samstags war mein Vater den ganzen Tag zu Hause und ich würde es ihm zutrauen, dass er alle halbe Stunde einen Kontrollgang machte um zu sehen, ob ich auch schön lernte.

Ich kannte meinen Vater nun schon sechzehn Jahre lang und wusste, dass eher Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen, als das mein Vater seine Erziehungsmethoden änderte und mir den Hausaarrest erließ.

Ich konnte ihm ja auch schlecht sagen, dass ich leider nicht lernen konnte, weil ich mit einem unglaublich gutaussehenden Meermann verabredet war.

In diesem Augenblick riss mich das Telefon aus meinen Überlegungen.

„Lou, bist du das?“ Scarlet meldete sich nie am Telefon, aber ich erkannte ihre Stimme sofort.

„Ja, ich bin’s“, sagte ich, „ich hab gerade darüber nachgedacht, wie ich morgen von hier wegkomme ohne eine Fluchttunnel zu graben, aber mir fällt nichts ein…“

„und jetzt brauchst du meinen genialen Kopf um eine Lösung zu finden.“ Stellte meine BFF fest und ich musste grinsen.

„So in etwa.“

„Dann lass uns mal anfangen einen Fluchtplan zu machen“, begann Scarlet, „wann trefft ihr euch eigentlich?“

Mist, da hätte ich irgendwie früher dran denken sollen. Scarlet wusste, dass ich schwieg, weil ich völlig vergessen hatte das abzuklären.

Ich war einfach ein fürchterlich vergesslicher Mensch oder eher eine vergessliche Meerjungfrau. Ich vergaß mindestens zweimal die Woche die Hausaufgaben und würde meine Klassenräume ohne Plan wohl nie finden. Meistens erinnerten mich Scarlet oder mein Kalender im Handy an wichtige Sachen, wie Geburtstage oder so, weil ich sonst vielleicht meinen eigenen vergessen hätte. Na gut, dass ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber nicht viel.

„Okay, dann um acht.“ Sagte meine beste Freundin.

„Wieso denn acht? Ich war heute doch viel früher da, was wenn er wartet und wartet und dann irgendwann wegschwimmt und dann bin ich die kleine Meerjungfrau ganz allein im Ozean.“

„Nun übertreib mal nicht“, meinte Scarlet, „Es geht erst ab acht, weil es sonst mit deiner Ausrede nicht klappt. Die kann erst ab acht Uhr.“

„Du hast schon eine Idee?“ Scarlet war echt schnell.

„Du tust so, als würdest du Mathenachhilfe bei meiner Tante Katy nehmen. Sie hat gerade ihr Mathestudium beendet und ist so nett dich zu decken. Wenn dein Vater bei uns anruft um die Nummer rauszukriegen um dich zu stalken, was ich ihm echt zutrauen würde gebe ich ihm die Nummer, damit er nicht misstrauisch wird und Katy sagt einfach, dass ihr gerade ganz fleißig Ableitungen paukt. Wenn er dann dich sprechen will sagt sie einfach, dass du gerade auf dem Klo bist.“

Das war wieder mal typisch. Scarlet hatte den Schlachtplan genau ausgearbeitet und durchdacht.

„Das ist genial“, rief ich, „Nur die Sache mit dem Klo müssen wir ändern. Wir könnten es ja Toilette nennen oder ich tue morgen einfach so, als ob ich ganz schrecklich heiser wäre und nicht sprechen könnte.“

Mein Dad würde mich ohne schlechtes Gewissen auch zur Nachhilfe schicken, wenn ich heiser war. Sogar als ich mal neununddreißig Grad Fieber gehabt hatte musste ich zu Schule, also würde ihn eine kleine Erkältung nicht aufhalten.

„Super, dann machen wir das so.“ freute sich Scarlet.

Dann sprachen wir darüber, was ich zu meinem ersten Date anziehen sollte, aber da ich ja mit Fischschwanz im Wasser sein würde konnten wir nur über das Bikinioberteil diskutieren.

„Ich bin ja für das pinkfarbene mit den silbernen Pailletten.“ Betonte meine Freundin.

„Aber das ist Trägerlos“, wand ich ein, „Es würde sofort runterrutschen und das wäre superpeinlich. Außerdem ist es pink und ich hab rote Haare, dass würde schrecklich 80er Jahre aussehen. Ich hab mir den Bikini doch bloß gekauft, weil er reduziert war und damals hatte ich noch die dunkle Tönung drin.“

„Stimmt, daran hab ich irgendwie nicht gedacht. Wie wäre es mit dem schwarzen?“

Wir diskutierten noch eine Weile weiter, bis wir alle meine Bikinis durchgesprochen hatten. Letztendlich entschied ich mich für einen dunkelgrünen mit dünnen silbernen Trägern und kleinen Muscheln. Der passte zu meinen Haaren und auch zum Fischschwanz. Eigentlich versuchte ich immer nicht oberflächlich zu sein, aber Scarlet betonte immer wieder, dass die Kleidung beim ersten Date das allerwichtigste war und dann zählte sie mir alles auf, was sie bei ihren ersten Dates getragen hatte. Bei dem dritten hörte ich auf zuzuhören und starrte in die Luft.

Plötzlich hörte ich die Haustür zuklappen und hatte das Gefühl eines Deja-vu’s.

„Mein Vater ist da und ich sollte lieber so tun, als würde ich ganz fleißig Mathe lernen.“ Scherzte ich.

„Wieso muss dein Vater uns eigentlich immer unterbrechen“, maulte Scarlet; „Egal, du musst mich auf jedenfall anrufen, wenn du morgen zurückkommst und vergiss nicht Aiden zu fragen, ob er facebook hat.“

Ich verdrehte die Augen. So eine Frage konnte echt nur von ihr kommen. Sie hatte nur facebook um Kopf. Die PCs funktionierten unter Wasser leider nicht so gut, deshalb war es sehr unwahrscheinlich, dass Aiden facebook hatte und selbst wenn er einen wasserdichten Computer mit Internet-Stick oder so was hätte wäre vermutlich nicht in einem sozialen Netzwerk für Menschen angemeldet.

Vielleicht gibt es ja ein Meermenschen-Facebook. Das hieße dann mermaidbook oder scale+. Noch so eine Sache, die ich Aiden fragen musste.

„Klar ich frag ihn.“ Sagte ich aber einfach um nicht ewig über facebook diskutieren zu müssen und die Leute, die laut meinen BFF noch in der Steinzeit lebten, weil sie kein facebook hatten.

„Ich ruf dich sofort an, wenn ich wiederkomme.“ Versprach ich und legte auf. Ich schaffte es gerade noch das Telefon wegzulegen und mich „interessiert“ über das Mathebuch zu beugen, als mein Vater reinkam.

„Schön, dass du schon so fleißig lernst.“ War seine Begrüßung. Das war für seine Verhältnisse aber schon echt freundlich. Tja, er ist nicht der umgänglichste Mensch.

Ich begann sofort darüber zu reden, dass ich mich in Mathe jetzt ganz doll anstrengen wollte und auch schon ein bisschen geübt hatte (na gut, ich hab die Überschrift gelesen, aber finde das zählt) und morgen zu Scarlets Tante gehen würde um Nachhilfe zu nehmen.

Zum Glück fragte er gar nicht nach und schien sich sichtlich zu freuen, dass ich „aus meinen Fehlern lernte“, wie er es ausdrückte. Nach ein paar Minuten ließ er mich wieder alleine weiter üben und ich erledigte schnell die Hausaufgaben.

Es war echt nicht schwierig. In der Klausur hatte ich es nicht gepackt, weil ich einen totalen Blackout hatte, aber theoretisch war ich nicht dumm wenn es um Zahlen ging. So war ich nach einer halben Stunde fertig und holte meinen iPod vom Nachttisch und hörte Musik.

Ich hatte keine Lust zum Essen runter zu gehen und mich mit meinem Dad brav über Mathe oder so was zu unterhalten, deshalb beschloss ich das Abendessen einfach ausfallen zu lassen. Ich würde morgen einfach etwas mehr frühstücken, davon wird mach auch nicht dick.

Nach einer Weile erinnerte ich mich daran, dass ich ja heute Abend dringend duschen musste. Das Salzwasser hatte meine Haare ganz strohig gemacht.

Ob ich mich wohl unter der Dusche auch verwandele, fragte ich mich. Es wäre ja irgendwie blöd, wenn ich halb in der Dusche lieg.

Nee, beschloss ich, lieber baden. Eigentlich badete ich nicht gerne, weil dass immer so viel Zeit in Anspruch nahm, aber mit der Flosse war es definitiv sicherer.

Als ich ins Badezimmer ging schloss ich die Tür zweimal ab und ließ den Schlüssel stecken. Paranoid, wie ich manchmal war zog ich sogar noch die Vorhänge zu, obwohl das Bad im ersten Stock war und man nur auf den Garten sah, aber sicher ist sicher.

In der Wanne wuchs mir sofort wieder ein Fischschwanz, als ich weit genug drin lag. Ich nahm mir die Zeit ihn in aller Ruhe zu bestaunen. Die glitzernden hellblauen Schuppen, die zur Spitze hin dunkler wurden waren einfach wunderschön. An meiner Hüfte gingen die Schuppen einfach in Haut über, als wäre es das natürlichste auf der Welt.

Die Flosse fühlte sich ganz anders an, als die toten Fische im Fischgeschäft. Sie war warm und lebendig. Es war einfach unglaublich. Ich konnte es immer noch nicht richtig fassen, dass ich ein halber Fisch war. Ich war etwas Besonderes und das fühlte sich gut an. Nur das Haarewaschen war mit Schwanz schwierig. Die Shampooflasche stand genau am anderen Rand der Badewanne und ich spritzte den ganzen Badezimmerboden nass, als ich danach angelte.

Das ist ein negativer Aspekt daran, dachte ich, das und die Tatsache, dass ich nicht mit anderen schwimmen gehen konnte, die nicht eingeweiht waren. Das würde im Hochsommer sicher Probleme geben, schließlich traf sich da jeden Tag die halbe Schule am Meer und generell war das Wasser dann immer total überfüllt wie auf Mallorca oder so.

Als ich aus der Badewanne stieg verwandelte sich meine Flosse augenblicklich zurück in meine Beine und ich wäre auf dem klitschnassen Boden der Länge nach hingefallen, wenn ich mich nicht gerade noch am Waschbecken hätte festhalten können.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich den Boden trocken gewischt hatte.

An dieses Baden werde ich mich nicht gewöhnen, dachte ich genervt, es dauert ewig, ist unbequem und dann mach man auf noch alles nass. Ach ja, und die haare hängen nach dem waschen noch mal im Wasser und man darf von vorne anfangen.

Wieso konnte man dieses Meerjungfrauending nicht einfach mal für eine Weile ausschalten?

Obwohl es erst acht Uhr war zog ich mir schon meine Schlafsachen an. In meinem dunkelblauen Seidennachthemd kuschelte ich mich wenig später in mein Bett.

Ich muss zugeben, dass ich einfach eine Schwäche für diese Nachtkleider habe. Die sind so süß und man sieht darin nicht so unvorteilhaft aus, wie in den viel zu weiten Schlafanzügen, obwohl mich nachts ja sowieso niemand sah.

Ich war irgendwie müde. Das war seltsam für mich, weil ich sonst immer eine richtige Nachteule bin.

Vermutlich hatte mich der verrückte Tag heute total geschafft. Ich dachte gerade noch daran mir den Wecker auf sieben Uhr zu stellen, damit ich noch rechtzeitig zur „Nachhilfe“ kommen würde, dann schlief ich ein.

Ich fand mich im Meer wider. Es fühlte sich ungewohnt an und doch irgendwie richtig, dass ich meinen Schwanz hatte. Entspannt trieb ich einige Meter über einem wunderschönen Korallenriff. Das violett und rosa der Korallen schimmerte im Licht der Sonne. Überall waren Fische, die ich noch nie gesehen hatte. In allen Farben und Größen schwammen sie um mich herum und schienen sich nicht im Geringsten an mir zu stören. Ich fühlte mich wie ein Teil von ihnen und schwamm ausgelassen im Riff umher. Elegant tauchte ich unter einem großen Schwarm von Picassofischen durch und glitt aus dem Korallenriff.

Außerhalb dieses bunten Paradieses erinnerte mich die Landschaft an eine Wüste. Ein paar Fische und sonst nur öde Leere soweit ich sehen konnte.

Auf einmal hatte ich ein komisches Gefühl, doch ich hörte nicht darauf und schwamm weiter.

Auch wenn hier nicht mehr viele Fische waren machte es einen riesigen Spaß zu schwimmen. Mit einem kräftigen Schlag meiner Flosse schoss ich jauchzend durchs Wasser. Ich vollführte Drehungen und Pirouetten wie eine Ballerina. Im Wasser waren die Naturgesetzte anders. Ich konnte nicht nur nach rechts und links, sondern auch nach oben und unter. Schwimmen ohne Luftholen zu müssen oder mit einer schweren Ausrüstung beladen zu sein war das schönste auf der Welt.

Von einem Moment auf den anderen änderte sich alles. Wie durch ein unsichtbares Zeichen stoben die Fische plötzlich auseinander. Sie versteckten sich  in den Algen am Meeresboden und einige gruben sich sogar im Sand ein.

Ich war völlig perplex.

Was ist hier los, dachte ich panisch und atmete hektisch. Natürlich bekam ich prompt Unmengen an Salzwasser in die Lungen und musste husten, leider klappt das unter Wasser nicht gut. Ich schwamm mit kräftigen Zügen an die Oberfläche, doch es gab keine. Ich fand die Oberfläche nicht. Ich schwamm und schwamm, doch ich kam nicht an und plötzlich war er da.

Der Hai. Ich hatte immer Angst oder zumindest Respekt vor diesen riesigen Biestern gehabt. Fische mit viel zu vielen Zähnen und einem fiesen Grinsen.

Da konnten mir hailiebende Forscher noch so viel von harmlosen kleinen Fischchen erzählen oder irgendwelchen Statistiken. Ich sah nur diesen riesigen Hai. Ich wusste nicht, wie groß er tatsächlich war, aber mir kam er vor, als sei er mindestens zwanzig Meter Lang. In sein Maul könnte ich glatt dreimal hineinpassen.

Instinktiv wusste ich: Dieser Hai will nicht nur spielen.

So schnell ich konnte schwamm ich davon, doch je kräftiger ich mit dem Schwanz schlug und mit den Armen ruderte, desto näher kam mir der Hai.

Gleich ist alles aus, dachte ich, gleich hat er mich.

Schweißgebadet wachte ich auf.

Ein Traum, dachte ich und versuchte mich zu beruhigen, nur ein Traum.

Ich atmete tief durch und spürte, dass mein Herz immer noch hämmerte, als gälte es einen Marathon zu gewinnen.

Als ich mich beruhigt hatte ließ ich mich zurück ins Bett sinken, doch als ich die Augen schloss sah ich sofort wieder die gigantische Fratze dieses Hais. Schnell riss ich die Augen wieder auf und knipste das Licht an.

Ich war nicht mehr müde, sondern wollte nur noch, dass es endlich morgen wurde.

Blinzelnd sah ich auf die Uhr. Erst kurz nach zwei. Es dauerte noch Stunden, bis mein Wecker klingelte und ich aufstehen könnte.

Am liebsten wäre ich sofort losgegangen und hätte Aiden gesucht, doch ich würde warten müssen, bis es acht Uhr war. Schließlich durfte mein Vater nicht misstrauisch werden. Außerdem hatte ich ein bisschen Angst vor dem großen weiten Meer.

Ob es da wohl tatsächlich so riesige Haie gab, die gerne Meerjungfrau zum Frühstück fraßen? Aiden hätte sicher gewusst, was man tun konnte. Er lebte ja im Meer. Es musste irgendeine Geheimwaffe gegen Haie geben, sonst wären Meermenschen sicher längst ausgestorben.

Ich machte kein Auge mehr zu,  wälzte mich den Rest der Nacht umher und dachte über Aiden, Haie und autoritäre Väter nach.

Zumindest hatte ich das vorgehabt, als ich aus meinem Albtraum aufgeschreckt war, aber wie das so ist mit dem vornehmen wachte ich morgens doch durch meinen gemeinen Wecker auf. Ich musste wohl doch eingeschlafen sein und hatte ganz traumlos geschlafen, doch ich fühlte mich völlig gerädert, als hätte ich drei Tage nicht geschlafen.

Als ich wenig später im Bad vor dem Spiegel stand bekam ich einen Schreck. Vor mir stand eine ganz andere Person.

Naja, irgendwie sah sie aus wie ich, aber sie hatte tiefe Augenringe, die sich mit dem San Andreas Graben durchaus hätten messen können und ihre Haare erinnerten an einen Heuhaufen, in dem ein paar Kinder gespielt hatten. Um die Sache perfekt zu machen hatte diese Person natürlich auch noch einen gigantischen, monströsen, Mount-Everest-großen Pickel auf der Stirn, so dass sie absolut grotesk aussah.

Auf den zweiten Blick erkannte ich mich dann doch, aber ein schöner Anblick war es echt nicht.

Wie eine verrückte ging ich mit zwei verschiedenen Haarbürsten und einem speziellen Spray auf meine Haare los, dann wusch ich mir das Gesicht und trug alle SOS-Anti-Pickel-Cremen auf, die ich hatte. Leider half es alles nichts. Zum Glück hatte ich zum Geburtstag wasserfesten Concealer von Scarlet bekommen. Ich verbrauchte fast die halbe Tube und mein Gesicht sah jetzt wahrscheinlich aus wie eine Maske, aber zumindest hatte ich keine Gräben mehr im Gesicht.

Mit wasserfester Wimperntusche und Lipgloss versuchte ich meinen Look zu retten und gab mich schließlich damit zufrieden, dass ich nicht mehr wie eine Vogelscheuche aussah.

Ich zog meinen Bikini unter und steckte ein Handtuch in meine Tasche. Zur Tarnung kamen dazu natürlich noch das Mathebuch und mein Collegeblock hinzu.

In meiner grauen Jeans mit den Löchern (die mein Dad letztens fast weggeworfen hätte, weil sie ja „Kaputt“ war) und meinem hellgrünen Abercrombiepullover ging ich wenig später die Treppe runter.

Auf einmal bemerkte ich, dass ich einen Bärenhunger hatte. Am Abend zuvor hatte ich das Essen ausfallen lassen und hätte nun ein ganzes Hotelbuffet verschlingen können.

Doch als ich den Kühlschrank öffnete empfing mich gähnende Leere. Ein paar (abgelaufene) Joghurts, ein bisschen verschimmeltes Gemüse und ein Tetrapack Apfelsaft, dass besser keiner mehr essen sollte ohne eine Lebensmittelvergiftung zu bekommen.

Da viel es mir siedendheiß heiß, wir hatte ja vorgestern alles aufgegessen. Eigentlich hätte ich gestern einkaufen gehen sollen, doch über all dem Meerjungfrauenkram hatte ich es völlig vergessen.

Na klasse, noch eine Sache über die sich mein Vater so richtig aufregen würde.

Wir (oder eher er) hatten abgemacht, dass wir immer abwechselnd einkauften. Normalerweise legte er mir das Einkaufsgeld immer in die Schale im Flur, zusammen mit dem Einkaufszettel. Jetzt lag beides natürlich noch unangetastet da und wartete auf mich.

Verfluchte Scheiße, dachte ich und hoffte, dass ich mit meinem Vater den Einkaufsdienst tauschen könnte. Ich musste ja zur „Mathenachhilfe“ und konnte Aiden beim besten willen nicht noch länger warten lassen.

In diesem Moment kam mein Vater in die Küche. Wenn man an den Teufel denkt…

Er sah ehrlich gesagt nicht so aus, als würde er gerne Einkaufen gehen. Um ehrlich zu sein sah er eher so aus, als hätte ich seine Kaffeemaschine kaputtgemacht.

„Du hast nicht eingekauft.“ Stellte er anstatt eines schönen „Guten Morgen“ fest.

Beiß in den sauren Apfel, so schlimm wir es schon nicht werden, dachte ich und versuchte mir selbst Mut zuzusprechen.

„Ich hatte gestern so viel zu tun. Du weißt schon mit Mathe und so, da hab ich das Einkaufen total vergessen.“ Das war nur teilweise gelogen, ich hatte es ja wirklich vergessen.

„Dann geh jetzt. Wenn du dich beeilst kommst du nicht so viel zu spät zu deiner Nachhilfe.“ Ich sah ihn entgeistert an.

Ich sollte jetzt einkaufen gehen und dann noch viel später zu Aiden kommen. Das war ja mal wieder super gelaufen.

„Kannst du nicht heute und ich mach nächste Woche?“ versuchte ich es möglichst lieb und dackelblickmäßig. Leider zog bei meinem Vater der Dackelblick nicht und es würden eher Schweine fliegen lernen, als dass meine Dad auch nur einen Millimeter von seinen eisernen Regeln abrückte.

„Nein.“ Sagte er wütend und wurde ganz rot im Gesicht. „Du gehst jetzt, Louisa. Genau jetzt und komm mir nicht mit billigen Ausreden.“ Er drehte sich um und stapfte in sein Büro, doch ich hätte schwören können, dass er etwas von „pflichtvergessenen Teenagern“ vor sich hinmurmelte.

Na super. Enttäuscht und wütend auf meinen Vater und auf mich selbst ging ich in den Flur, nahm mir das Geld und die Einkaufsliste, zog mir meine hellbraunen Boots an und verließ das Haus. Aber nicht ohne die Tür so laut zu knallen, dass die schwerhörige Nachbarin wahrscheinlich einen Hörsturz bekommen hatte.

Bitte schreibt mal, was ihr so bisher von der Story haltet. :)

Bis bald eure Anni

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