Artenschutz

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Die kalte Jahreszeit ging, der Frühling kam, und mit ihm die Fliegen. Kleine verfressene Aasgeier mit Stummelflügeln, die Augen rot vor Gier.

Er hatte schon auf sie gewartet. Hatte heimlich einen angebissenen Apfel oben, ganz hinten auf den Kühlschrank gelegt. Dem konnten sie nicht widerstehen!

Am Montag war es eine, vielleicht ein Weibchen. Am Dienstag waren es schon zwei, ein Männchen war hinzugekommen.

Bereits am Donnerstag schwirrte eine Population von etwa dreißig Rotaugen durch die Küche. Immer wenn man sich bewegte, sich am Obst, am Gemüse oder an gelborangenen Küchengefäßen zu schaffen machte.

Er schüttelte sich, kriegte sich aber schnell wieder unter Kontrolle, denn er musste Fallen bauen. Gelbe Plastikschüsselchen, warmes Wasser, viel billigen Essig und ein kräftiger Schuss Spülmittel, das dafür sorgte, dass die Oberflächenspannung des Wassers auf ein Minimum reduziert wurde und die Rotaugen sicher ersoffen. Das war der Aufbau, und er funktionierte in den meisten Fällen todsicher.

Nachts, wenn die Küche ruhig dalag, gingen sie ihm auf den Leim, würden sie von dem köstlich sauren Wasser kosten wollen, und das war es dann gewesen.

Am Morgen zählte er seine Beute, gab seiner Gattin einen Kuss aufs Auge und ging zur Arbeit.

Als er am Abend zurück kam fand er die Schüsselchen nicht mehr vor. Vielleicht hatten sie bei der Küchenarbeit gestört, vielleicht waren sie einfach nur an einem anderen Platz gelandet. Seine Gattin verdrehte nur wortlos die Augen als er sie danach fragte.

Seine jüngste Tochter kam die Treppe hinunter gestürmt, ihr Gesichtchen angeschwollen vor Wut.

„Du Fliegenmörder!"

Sie sprang ihren Vater an und biss ihn mit ihren Milchzähnchen ins Bein.

Die Kinder hatten gemeutert und seine Frau den Inhalt der Fallen kurzer Hand im Garten entsorgt. Die Schüsseln standen, abgewaschen und getrocknet, im Wandschrank.

Der Schmerz im Bein hatte ihm Tränen in die Augen getrieben. Er humpelte hinauf in sein Arbeitszimmer.

Wenn die Kinder im Bett waren gab es neue Fallen!

Auf dem Schreibtisch fand er eine Haftnotiz, die ihm seine Frau hinterlassen hatte. Der Klassenlehrer des Sohnes hatte angerufen und bat um schnelle Rückmeldung, gern auch später am Abend. Sein Sohn wäre heute Morgen völlig aufgelöst in die Klasse gekommen, bleich, schweißgebadet. Auf Nachfrage hätte er berichtet, dass sein Vater Fruchtfliegen mit Hilfe ausgeklügelter Mordtechniken ertränken würde. So ginge das nicht, sagte der Lehrer. Ob der Vater nicht wüsste welche Konsequenzen, sowohl für die kindliche Prägung als auch für ihn selbst, ein solches Treiben haben konnten. Er möge seine Tierversuche bitte unterlassen, sonst sähe er sich gezwungen Anzeige zu erstatten.

Abends saß er mit seiner Familie am Abendbrottisch, betretenes Schweigen, vorwurfsvolle Blicke seiner drei Kinder, sieben Fliegen auf dem Lampenschirm über ihm.

Um Mitternacht, die anderen Familienmitglieder schlummerten bereits, waren die Fallen erneut präpariert, dieses Mal jedoch an geheimen Orten versteckt, wo sie nur von den Rotaugen erspürt werden konnten.

Ein prüfender Blick am nächsten Morgen ließ ihn sechzehn tote Fliegenleiber zählen.

Erfreut verließ er das Haus.

Als er in der Firma an seinem Schreibtisch saß und den Rechner anschaltete, durchfuhr ihn ein furchtbarer Schreck.

Er hatte die Leichen nicht beseitigt!

Die Neun-Uhr-Pause mit Käsebrot und Milchkaffee erlebte er noch in Frieden. Um zehn Uhr knallten die Zugangstüren des Großraumbüros aus den Angeln. Knarzige Männerstimmen schrien sich den Weg frei, schwere Stiefel brachten den Fußboden zum Vibrieren.

Unwillkürlich zog er den Kopf ein, glitt vom Stuhl und machte sich unter dem Schreibtisch so klein wie er irgendwie konnte.

„Staatlicher Tierschutz, Sektion Südwest, sie sind verhaftet!"

Ein Ungetüm mit Stiernacken, olivgrünem Tarnanzug, Schutzhelm und griffbereitem Gummiknüppel zerrte ihn unterm Tisch hervor, riss ihm den rechten Arm auf den Rücken und schubste ihn hinaus aus seiner Kabine, unter Flankenschutz der anderen Tierschutz-Soldaten hinaus aus dem Büro, die Treppe hinunter, aus dem Gebäude, hinein in den Gefangenentransporter.

Wohin der fuhr wussten hier alle.

Alle.

Diejenigen, welche aus den zwanzig Stockwerken hinunter auf die Straße glotzten, die Gaffer, die schon seit längerem das Spektakel von unten aus beobachtet, die sechshunderttausend LiveTV-Nutzer, die jeden Schritt der Verhaftung am Bildschirm mitverfolgt hatten. Der Lehrer, der hämisch grinsend das Geschehen auf seinem Handy beobachtete, die Frau und die Kinder, die mit Genugtuung Papas Fehlen für immer genossen.

Die Rotaugen paarten sich unterdessen und genossen die Druckstellen am Supermarktobst.

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