Dad ist tot Part 2

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Grayson Levent starb am fünfzehnten März um 12:16. Er war friedlich eingeschlafen. Noch am Tag davor hatte ich mit ihm telefoniert. Es hatte nicht den Anschein gemacht, als ginge es ihm schlechter.

Darum war es umso unerwarteter, als Melinda mich anrief, um mir die Todesnachricht zu überbringen. Ich war völlig in Tränen aufgelöst, als Ashley mich bei mir zuhause vorfand. Meine Mom und Josh hatten sich nicht anders zu helfen gewusst.

Ich wurde mit Nachrichten von Bianca, Riley, Keila und Kate zu bombardiert, die wissen wollten, ob sie auch kommen sollten. Sie brachten eine Urne mit.

Den ganzen Nachmittag waren wir damit beschäftig diese schön herzurichten, indem wir sie bemalten. Riley war diejenige, die sich am meisten dabei Mühe gab und einen idyllischen blutroten Sonnenuntergang auf die Urne zauberte.

Darunter schrieb ich in meiner schönsten Schrift: ,,Sonnenuntergänge sind das schönste Naturschauspiel. Reise und beobachte sie jeden Abend von einem anderen Erdteil der Welt und du wirst erkennen, dass sie dir jedes Mal aufs Neue einzigartig erscheinen werden.''

Josh hatte sich ebenfalls daran gemacht etwas auf die Urne zu schreiben: ,,Manchmal ist es besser das, was man am meisten liebt, gehen zu lassen.''

Der Friedhof in dem mein Dad bestattet wurde, war nur drei Blöcke von unserem Haus entfernt. Melinda war extra mit ihren Kindern nach Kalifornien geflogen, um an der Trauerfeier teilzunehmen.

Bei der Trauerrede wurde mir nur allzu deutlich klar, dass sich der Pfarrer nicht genügend mit der Persönlichkeit meines Dads auseinandergesetzt hatte.

Denn dann hätte er gewusst, dass mein Dad nicht gläubig war und seine Rede nicht auf den Satz ,,Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. Glaubst du das?'' aufgebaut.

Andererseits wie hätte er das wissen sollen?

Er hatte ja meinen Vater nie kennengelernt.

Trotzdem, wie konnte man die Anmaße besitzen, über eine fremde Person zu sprechen, als sei sie der beste Freund gewesen?

Vielleicht waren ja Beerdigungen nicht für die Toten gedacht, sondern für die Lebenden, die alleingelassen zurückblieben.

Seinen Sarg anstarrend, kam mir Gedanke, dass wir alle eines Tages in einem liegen werden.

Sei es in Form von Asche oder unserem toten Körper, der verwesen von Würmern zermalmt werden würde und sich in Knochen auflösen würde, die sich auch eines Tages von selbst zersetzten würden. All die Personen, die ich liebte und ich selbst waren vergänglich.

Die Häuser, die wir gerade unser zuhause nannten, würden von anderen bewohnt werden und die Stadt, die wir als unsere Heimat bezeichneten, würde ein längst anderes Gesicht verpasst bekommen.

Unsere ganzen Habseligkeiten würden in drei oder vier Pappkisten gepackt und in eine Ecke gestellt werden.

Das Leben blieb nicht stehen, wenn jemand starb und lief wie eine von vorne eingelegte Schalplatte einfach weiter.

Was ist, wenn wir nach dem Tod aufhörten zu existieren und selbst unser Geist mit uns starb?

Was ist, wenn es keinen ersehnten Himmel gab?

Würden ich den Tod bloß auf eine banale Weise betrachten, müsste ich stumpf einfach behaupten, dass er das Ende unseres Kreislaufs des Lebens bildete.

Jemand wurde geboren und starb. Manche früher, manche später. Da ich ein Mensch mit Gefühlen war, konnte ich ihn nicht aus einer rationalen Sicht betrachten und musste ihm unbewusst Gefühlen wie Schmerz und Angst zuschreiben. Schmerz darüber, dass mir mein Dad für immer genommen wurde.

Angst vor meiner eigenen Vergänglichkeit und die der Personen, die mir am Herzen lagen. Eventuell suchten sich Menschen als Zuflucht oftmals die Religion, weil der Gedanke, dass es eine höhere Macht gab und die Seele für immer weiterlebte erträglicher war. Dad wurde neben meinen Großeltern in die Erde eingelassen.

Ich verbot es mir, auch nur die einzige Träne zu vergießen, als ich an der Reihe war Erde zum Bedecken seines Sargs in das Loch reinzuschaufeln. Ich durfte nicht in einem Meer von Tränen und Traurigkeit ertrinken.

***

,,Dir geht es nicht gut.''

Josh beobachtete mich dabei, wie ich meinen fabrizierten Teig in die Kuchenform gab. Ich war vielleicht keine gute Köchin, aber wenn ich etwas beherrschte, war es das Backen.

,,Natürlich geht es mir gut. Wäre ich sonst auf der Beerdigung gewesen?''

Ich stelle die befüllte Form in den Ofen und presste meinen Rücken gegen die Arbeitsplatte.

,,Wenn es dir gut gehen würde, würdest du nicht um 1 Uhr nachts Kuchen backen'', warf er ein.

Ich hatte nicht schlafen können, weil ich immer und immer wieder von mir und meinem Dad geträumt hatte. Wie er mir das Fahrradfahren beibrachte.

Es war als hätte dieser Traum sich in mein Unterbewusstsein hineingefressen und es fest umklammert, damit er es nicht verlassen konnte.

Davon überzeugt heute keinen Schlaf mehr zu bekommen, war ich in die Küche gegangen, um mich durch das Backen eines Möhrenkuchens abzulenken. Dabei hatte ich nicht damit gerechnet, von Josh auf frischer Tat ertappt zu werden.

,,Wäre es dir lieber, wenn ich heulend die ganze Nacht im Bett liegen würde? Wenn ich dazu in der Lage bin, leckeren Kuchen zu backen, dann kann es mir doch nicht schlecht gehen. Also spar dir dein ,,es geht dir nicht gut''. Mir geht es nämlich absolut blendend.''

Der Teig wuchs und wuchs. Das würde ein besonders guter Kuchen werden.

,,Wenn ich ehrlich bin ja. Mir wäre es lieber, dass du heulend im Bett liegen würdest, als mitten in der Nacht damit beschäftigst bist, einen Kuchen zu backen. Du hast seit dem Tag, an dem er gestorben ist, kein einziges Mal geweint. Du verdrängst deine Gefühle, Püppchen. Das ist sowas von nicht gesund.''

Weil ich Angst davor hatte, wenn ich anfangen würde zu weinen, nicht mehr aufhören könnte. Verdrängen war ein Ausweg, nicht von einem Moment auf den anderen zusammenbrechen zu müssen.

Was sprach also gegen unschuldiges Verdrängen?

,,Das tue ich nicht. Wieso wird von einem erwarten jedes Mal, wenn man einen geliebten Menschen verloren hat, ein heulendes Elend zu sein?''

Ich backte Kuchen. Ich funktionierte. Mir ging es gut.

,,Niemand erwartet von jemanden, der eine wichtige Person verloren hat, ein heulendes Elend zu sein. Wut, Frust, Verzweiflung sind genauso denkbar und verständlich. Du aber wirkst emotionslos. Wie ein Roboter.''

Ich war doch kein gefühlsloser Roboter!

,,Falls du es nicht bemerk haben solltest: Ich bin ein Mensch und kein Roboter.''

Unbeeindruckt schweifte sein Blick zu meinem Gesicht. Als würde er nach etwas bestimmtes suchen.

,,Ich habe nicht gesagt, dass du ein Roboter bist. Ich habe gesagt, dass dein Verhalten einem Roboter ähnelt. Das ist ein großer Unterschied."

,,Mein Verhalten ähnelt nicht einem Roboter!''

In meiner Antwort steckte mehr Wut als ich eigentlich beabsichtigt hatte.

,,Wie du gerade auf meine Worte reagierst, gefällt mir schon viel besser. Was geht dir durch den Kopf, wenn ich zu dir sage, dass du dich wie ein Roboter verhältst?''

Dass mir der Tod meines Vaters egal war. Dass ich nicht normal war, weil ich keine Anzeichen von Trauer zeigte. Das es leichter war ein Roboter zu sein, als sich verletzlich und schwach zu geben.

,,Das deine Aussage, ich würde mich wie ein Roboter verhalten, nicht stimmt.''

Der Kuchen würde nicht mehr lange brauchen.

Ob ich anschließend ein Blech Schoko Muffins backen sollte?

,,Wie fandest du die Beerdigung? Fandest du sie angemessen?''

Sie hat ihm rein gar nicht entsprochen.

,,Du benimmst dich schon wie einer dieser Seelenklempner, zu denen man die Leute schickt, nach dem ,,à la mach mich mal wieder glücklich Rezept". Was kommt als nächstes? Was fühlst du, wenn du an deinen Vater denkst? Was für eine Erinnerung hast du dabei? Was für ein Mensch war er? Du kennst doch die Antwort schon: Er war ein Mensch, der dachte, dass es besser war, das was man meisten liebt, gehen zu lassen. Es gibt nicht die eine Formel, die einem die Trauer aus dem Herzen nimmt. Manche offenen Wunden kann man nicht einfach mit einem beschissenen Trostpflaster verarzten in der Hoffnung, dass sie eines Tages heilen. Denn es gibt Wunden, die nie mehr heilen werden.''

,,Aber wie soll sie jemals die Chance haben, zu heilen, wenn du dich nicht dem Trauerprozess stellst? Indem du die Konfrontation vermeidest, machst du das Ganze noch viel schlimmer.''

,,Reden würde das Ganze nicht ungeschehen machen'', entgegnete ich stur.

,,Nein würde es nicht. Aber es würde dir helfen, seinen Tod zu verarbeiten'', erwiderte Josh mit einer so großen Bestimmtheit, dass es mich erschaudern ließ.

Um die Wunde aufzureißen und im Schmerz zu ersticken?

War das der Inbegriff von Verarbeiten?

,,An dem Tag als er gegangen ist, ist für mich eine Welt zusammengebrochen. Ich bin ganz früh schon wach gewesen, weil wir an diesen Tag eigentlich einen Ausflug um die Küste geplant hatten. Ich habe die Tür des Schlafzimmers meiner Eltern aufgerissen und ,,Guten Morgen'' gerufen. Meine Mutter hat nur gegrummelt, dass sie noch etwas schlafen will. Die Bettseite von meinen Dad war leer. Ich dachte er sei im Badezimmer, also habe ich mich vor die Tür gestellt, doch kein Rauschen von Wasser war hören. In der Küche war er auch nicht. Seine ganzen Schuhe waren weg. Keine einzige Jacke von ihm hing noch in der Garderobe. Seine ganze Kleidung aus dem Kleiderschrank war verschwunden. Es war, als hätte er niemals existiert. Als hätte er nie in diesem Haus gelebt. Und nun ist er tot. Ich werde niemals mehr ein Wort ihm wechseln oder besuchen können. Er ist für immer weg.''

Die Worte sprudeln nur so aus meinem Mund. Irgendwie schaffte ich es mich auf die Arbeitsplatte zu setzten. Josh hielt den Kopf gegen meine Schulter gelehnt und wischte mir Gesicht und Nase mit einem Küchenkrepppapier.

Wäre ich nicht so aufgelöst, wäre mir dieser Moment total unangenehm. Nach geschlagenen zehn Minuten war mein Kuchen endlich fertig. Ich bereite uns jedem ein Stück auf dem Teller zu. Mit vollem Magen fiel es mir deutlich leichter über Dad zu reden.

Wir unterhielten uns die ganze Nacht über meinen Dad. Ich schüttete ihm mein Herz aus und zum ersten Mal nach Tagen schien es mir etwas besser zu gehen.

Es tat weh die Wunde aufzureißen. Aber vielleicht musste man so etwas tun, damit diese frische Luft bekam und vielleicht doch heilen konnte.

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