Eigentlich bist du nicht so ein Arsch, wie ich dachte

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„Hey, da seid ihr ja." Meine Mutter winkte uns schon von weitem zu, als sie uns ins Restaurant reinkommen sah. Das Restaurant selbst war voll mit Menschen, welche alle einer höheren Klasse angehörten, so schien es mir. Man erkannte es an ihrer Art, wie sie die teuren Speisen zu sich nahmen, an der teuren Kleidung, die sie trugen und an ihrem Schmuck, welcher bestimmt einige tausend Dollar wert war. Warum hatte sich meine Mutter nur dafür entschieden, sich hier mit uns zu treffen? Wir setzten uns zu ihr an den Tisch, welcher schön mit Kerzen und Rosenblättern geschmückt worden war. „Ich habe mir gedacht, wir könnten mal ins Restaurant zum Essen gehen anstatt immer nur Zuhause zu kochen."

Wollte sie Josh mit dieser Aktion beeindrucken?

Meiner Mutter war es schon immer wichtig gewesen, dass Leute nur gut von ihr dachten, was theoretisch nicht möglich ist, da es natürlich immer Leute geben wird, die einen nicht mögen. Das war einfach so, daran konnte man leider nichts ändern.

„Guten Abend, ich bin für heute Abend ihr Kellner, nennen sie mich einfach Pascal."

Pascal hatte dunkelblonde Haare und leicht gebräunte Haut. Er war eher schlank, seine Kellnerschürze betonte dies nochmal. Vom Alter her schien er ungefähr genauso alt wie meine Mutter zu sein. Er reichte jedem von uns eine Speisekarte.

Es gab von Hummer und Kaviar bis hin zur gewohnten Spaghetti Bolognesesoße einfach alles. Schlussendlich entschied ich mich für die Spaghetti mit Meeresfrüchten, meine Mutter bestellte für sich das hausgemachte Pilzrisotto und Josh Ravioli mit Käsesoße.

Als Pascal kurze Zeit später mit unseren Getränken wieder kam, war das Grinsen meiner Mutter so groß, dass ich wettete, dass man es bestimmt auch aus 20 Meter Entfernung sehen konnte.

„Einmal die Cola für die junge Dame und eine für den jungen Herrn. Und zu guter letzt ein Glas Rotwein für die schöne Dame."

Oh nein, jetzt errötete sie auch noch im ganzen Gesicht. Na super.

„Dankeschön, Pascal."

„Kein Problem, wie darf ich Sie nennen?"

„Mrs. Maynard, aber nennen sie mich doch einfach Eva."

„Ein hübscher Name."

„Ach Pascal, Sie sind wirklich ein Charmeur."

„Mom, ich glaube ich gehe mal ganz kurz auf die Toilette."

„Nur zu, Schatz."

So schnell ich konnte, stand ich auf und machte mich eilig auf den Weg zur Toilette. Ich wollte nicht dabei zuschauen, wie meine Mutter und der Kellner miteinander flirteten, dies war mir einfach viel zu unangenehm.

„Ach mein Engelchen, hol doch bitte deine reizendende Mutter, wir machen heute einen tollen Familienausflug."

In dieser plötzlich auftauchende Erinnerung sah ich das Gesicht meines Vaters so deutlich vor meinen Augen, dass ich mir nicht sicher war, ob er nicht gerade direkt neben mir stand. Ich beträufelte meine Stirn mit ein bisschen kalten Wasser, um mich zu beruhigen. Ich atmete zweimal tief durch und verschwand dann aus der Toilette, um mich wieder dem Abendessen zu widmen.

„Da bist du ja wieder, wir wollten auf Joshs Aufenthalt hier in Kalifornien anstoßen."

Lächeln nicht vergessen, Selina.

Joshs Augen blieben einen kurze Moment an meinem Gesicht hängen, anscheinend schien ihm aufzufallen, dass etwas mit mir nicht stimmte. In meinem Glas befand sich schon dankbarerweise etwas Cola und ich war somit schon bereit anzustoßen.

„Prost."

Wir stießen an.

„Was habt ihr eigentlich heute so unternommen?"

„Ich war zuhause und habe aufgeräumt."

„Ach Schatz, das wollte ich doch übernehmen."

„Das hast du schon vor einer Woche gesagt."

„Ach das stimmt doch überhaupt nicht."

Und wie dies stimmte. Ich erinnerte mich ganz genau daran, dass sie es versprochen hatte diese Arbeit zu übernehmen.

„Wie war denn dein Tag, Josh?"

„Ähm, ich war auf einem Date."

Das war das erste Mal, dass ich gesehen hatte, wie Josh Harrison wegen einer Sache rot wurde. Ich fand's witzig.

„Wie reizend, wer ist die Angebetete, wenn ich fragen darf?"

Von einer Angebeteten konnte man hier nicht wirklich sprechen.

„Sie heißt Tatjana."

Es kam mir vor, als hätte ich den Namen schon mal woanders aufgeschnappt. Ja, natürlich Tatjana Moralez. Sie war unsere Schülersprecherin, keine schlechte Wahl, Josh.

„Sie ist die Schülersprecherin unserer Schule'', kommentierte ich.

„Wow, das ist ja toll, wie ist's denn gelaufen?"

„Gut, wir waren im Kino. Sie ist echt nett und wir haben uns auf Anhieb gut verstanden. Eventuell treffen uns nochmal."

Ein Josh Harrison will sich zweimal mit dem gleichen Mädchen treffen?

Dass ich nicht lache!

„Ach, wenn Selina doch auch nur einmal mit einem gut aussehenden Jungen ausgehen würde! Ich glaube das würde ihrem Selbstbewusstsein ganz gut tun."

Ich musste kräftig husten, da ich mich an meiner Cola verschluckt hatte.

„Mom!"

„Ich sag doch nur, was Sache ist. Vielleicht kann dir Josh ja ein paar Tipps geben, das würdest du doch machen, oder?"

Sag bitte nein, sag dass du viel zu beschäftigt mit Chemie bist.

„Ähm selbstverständlich."

Na klasse.

„Guck mal an, man muss nur fragen."

Kann ich nicht einfach tief im Erdboden versinken?

Zum Glück kam das Essen und somit war das vorhin geführte Gespräch zumindest für heute Abend beendet. Ich hatte die besten Spagetti mit Meeresfrüchten meines gesamten Lebens. Es war, als wäre ich im Schlaraffenland und der Koch hätte nur die besten Zutaten ausgesucht. Josh und meiner Mutter schien es auch super zu schmecken, denn ihr Teller war nach kurzer Zeit schon leergeputzt.

Wir waren gerade dabei einen passenden Nachtisch auszusuchen, da klingelte auf einmal das Handy meiner Mutter, welches sich in ihrer Handtasche befand. Entschuldigend stand sie vom Tisch auf und ging nach draußen, um telefonieren zu können.

Nachdem ich die gesamte Auswahl an Nachtisch bestaunt hatte, bat ich Pascal, mir ein Tiramisu zu bringen. Josh wollte vom Spaghettieis probieren, weil er noch nie Nudeln und Eis zusammen gegessen hatte.

Er hörte auch nicht auf mich, als ich ihm erklärte, dass es eigentlich nur Vanilleeis war, welches die Form von Spaghetti besaß und zusammen mit einer Erdbeersoße serviert wurde. Er sollte machen, was er wollte.

„Dir passt es nicht, dass Pascal und deine Mutter so heftig miteinander geflirtet haben oder?" fragte er mich, als Pascal sich schon auf den Weg zur Küche gemacht hatte.

„Würde es dir gefallen, wenn deine Mutter dies vor deinen Augen tun würde?"

„Nein, wahrscheinlich nicht. Was ist eigentlich mit deinem Vater? Du hast ihn nie erwähnt."

„Er hat meine Mutter verlassen und ist einfach über Nacht abgehauen, ohne Bescheid zu sagen. Ich war damals 7 Jahre alt gewesen. All seine Sachen waren auf einmal am nächsten Tag weg, als hätte er nie existiert."

Den Kloß, den ich vorhin noch in meinem Hals verspürt hatte, schien mich wieder überwältigen zu wollen.

„Das tut mir leid. Ich hätte das Thema lieber nicht ansprechen sollen, das war blöd von mir."

Es tat gut, mit jemandem über meinen Vater zu sprechen, der nicht meine Mutter oder einer meiner Freunde war.

„Nein, schon gut. Ich rede halt einfach nicht gerne darüber, weißt du? Ich habe sogar Post von ihm bekommen, er schickt mir immer zu meinem Geburtstag eine Geburtstagskarte, die habe ich aber nicht gelesen, da ich immer noch sauer auf ihn bin und das auch immer sein werde."

„Das kann ich nur allzu gut nachvollziehen."

„Es tut mir so leid, Selina und Josh. Ich muss ins Büro, es gibt einen dringend zu lösenden Notfall."

Hinter uns stand plötzlich meine Mutter, die eilig ihre Tasche zu packen schien.

„Kein Problem, Mom. Wir kommen schon alleine klar."

„Als Entschädigung lasse ich euch auch etwas Geld, damit ihr euch ein bisschen amüsieren könnt."

Sie zückte einen 20 Dollarschein aus ihrem Portmonee, welchen sie mir in die Hand drückte.

„Danke, Mom. Bis später zuhause."

„Bis später ihr beiden."

Mit schnellen Schritten verließ sie das Restaurant, sie wurde wohl dringend in ihrem Büro gebraucht.

„Darf ich dich noch was fragen? ''

„Wenn es sein muss.''

,,Warum willst so unbedingt etwas von diesem Brice?''

Ging es ihm um die Aussage meiner Mutter, dass ich Nachholbedarf in Flirten brauche?

„Hör zu, wenn es um vorhin geht, dass du mir Flirttipps geben sollst, das ist eine wirklich dumme Idee."

„Mir geht's nicht darum, ich will einfach nur aus eigenem Interesse heraus wissen, was genau du gerade an ihm so toll findest.''

,,Warum? Weil er ernst und klug ist und nicht so wie du gleich mit jeder ins Bett steigt?''

,,Was hat er, was andere nicht haben?"

„Er sieht gut aus."

„Das tun viele andere auch."

„Er ist sportlich."

„Davon gibt es auch viele."

„Er ist musikalisch."

„Ich kenne tausend andere, die das auch sind."

„Meine Güte, was genau willst du denn von mir hören?!"

Wenn ihm meine Antworten nicht ausreichten, musste er mich gar nicht erst löchern.

„Ich möchte das Ganze einfach besser verstehen. Ich will den wahren Grund wissen, und nicht die Dinge, in denen er gut ist. Warum gerade ihn? Geht es dir nur darum, ihn zu vernaschen, weil er dich antörnt oder willst du mehr von ihm?"

Ihn vernaschen?

,,Ihn vernaschen? Wer sagt denn so etwas?''

,,Mit vernaschen meine ich, ihn zu vögeln oder von mir aus Liebe mit ihm machen, wenn dir der Ausdruck besser gefällt.''

Ihn zu vögeln?

Daran hatte ich bis jetzt nie im Traum gedacht.

,,Woher willst du wissen, dass ich das möchte?''

,,Ich bitte dich. Das war heute morgen mehr als offensichtlich.''

,,Können wir über etwas anderes reden?''

Es passte mir ganz und gar nicht ausgerechnet mit dem größten Macho schlecht hin über Brice zu sprechen.

,,So etwas muss dir nicht peinlich sein, weißt du.''

Nicht peinlich, dass ich nicht lachte! Allein der Gedanke an Sex war zumindest für mich irgendwie sehr befremdlich und seltsam. Da würde mir wohl kaum in den Sinn kommen, anzügliche Gedanken gegenüber Brice zu haben. Das war bei mir einfach nicht drinnen.

,,Es geht nicht jedem nur um das Eine, Josh. Ich mag es, dass er gut mit Tieren umgehen kann und sie genauso liebt, wie ich, weil er sonst nicht ehrenamtlich in einem Tierheim arbeiten würde. Ich mag es, dass er kreativ und dazu auch noch richtig klug ist. Er scheint ein guter Kerl zu sein, der mit jedem super klarkommt und für jeden nur das Beste will. Es scheint nichts zu geben, was er nicht schafft oder nicht kann und das finde ich einfach unglaublich. Aber das wahrscheinlich Beeindruckteste an ihm ist, dass er trotz all seiner vielen positiven Eigenschaften und Talente nicht abgehoben oder eingebildet ist. Ich kenne andere, die es wären, wenn sie in seiner Haut stecken würden", beendete ich meinen langen Monolog darüber, was ich an ihm anziehend fand.

,,Dich hat es wohl echt erwischt, was?''

Ich verstand nur Bahnhof.

,,Was meinst du damit?''

,,Du stehst auf ihn.''

Das Ganze wurde ja immer besser.

Warum nicht gleich all meine privatesten Angelegenheiten mit ihm besprechen?

,,Nein, das ist nicht wahr.''

,,Und ob es wahr ist. Du bist über beide Ohren in diesen Kerl verknallt, Püppchen'', behaarte er weiterhin.

,,Okay, ich gebe es ja zu. Es kann eventuell sein, dass ich ein bisschen in ihn verknallt bin.''

,,Nicht nur ein bisschen.''

,,Na gut, vielleicht mehr als nur ein bisschen.''

,,Warum hast du ihn nie auf ein Date gebeten?"

Konnte er sich das nicht denken?

,,Warum sollte ich das tun?''

Warum stellte er mir eine so dumme Frage mit einer so offensichtlichen Antwort?

,,Du hast doch gerade gesagt, dass du auf ihn stehst. Warum hast du ihn noch nie um eine Verabredung gebeten? ''

,,Ich kenne ihn kaum persöhnlich.''

,,Wie willst du ihn denn kennenlernen, wenn du dich nie mit ihm unterhältst oder dich mit ihm triffst?'', warf er ein.

,,Er macht mich nervös. Er macht mich so nervös, dass ich mich nicht wie ein normaler Mensch verhalten kann, wenn er in meiner Nähe ist.''

,,Du willst also warten, bis der Typ dich irgendwann wahrnimmt und dich um ein Date bittet?''

,,Ich weiß selbst, wie unwahrscheinlich das ist.''

Das musste er mir nicht noch extra eintrichtern. Das wusste ich selbst.

,,Mir ist schon klar, dass es etwas schwer für dich ist, weil du schüchtern bist. Trotzdem, warum probierst du nicht einfach dein Glück und fragst ihn, ob er Lust hat mit dir auszugehen? Was hast du schon zu verlieren? Und ganz ehrlich, wenn er nichts von dir will, ist das sein Problem und nicht deins.''

Im Prinzip hatte er ja recht. Trotzdem, von ihm gekorbt zu werden, war es mir nicht wert alles aufs Spiel zu setzten und ihn um ein Date zu bitten.

,,Du hast doch selbst gesagt, dass er bei meinen schlechten Flirtkünsten nicht mehr in mir sehen würde als eine Kumpelfreundin.''

,,Mit schlechten Flirtkünsten meinte ich, dass du ihm viel zu offen zeigst, dass du an ihm interessiert bist. Männer lieben die Jagd. Du machst es ihm so zu einfach und das macht dich für ihn langweilig.''

So hatte er das also gemeint.

,,Woher sollte er wissen, dass ich an ihm interessiert bin, wenn wir nie wirklich miteinander sprechen?''

,,Ein Junge weiß, wenn er nicht völlig auf den Kopf gefallen ist, immer, wenn ein Mädchen einen will. Glaub mir. Er spürt die Schwingungen, die du aussendest. Dazu brauchst du nicht mal den Mund aufzumachen, um es deiner männlichen Mutter Theresa zu sagen."

Bei diesem Satz musste ich anfangen lauthals zu lachen. Ich konnte mich einfach nicht beherrschen und es zurückhalten.

Männliche Mutter Theresa war einfach zu gut. Wahrscheinlich wusste Brice schon längst, dass ich in ihn verliebt war. Meine Körpersprache hatte es ihm garantiert schon längst mitgeteilt.

„Es ist schön, dich lächeln zu sehen und ich muss zugeben, es steht dir verdammt gut." Ob er das ernst meinte? Komplimente waren nicht so mein Ding. Ich wusste nie richtig, wie ich auf sie reagieren sollte. „Guck nicht so, als würdest du dich gerade am liebsten in einer Ecke vor mir verstecken wollen. Das hast du nicht nötig. Ich habe das Kompliment Ernst gemeint."

Das war doch nicht der Josh, den ich sonst kannte.

Warum war er auf einmal so nett zu mir?

Er hatte doch sonst immer eine eher unhöfliche und grantige Seite an sich, die ich nur allzu gut kannte.

Wo war diese heute Abend nur geblieben?

***

„Verdammt, du hattest Recht  mit dem Spagettieis, Püppchen.''

Josh hatte mit seinem Löffel in dem Spaghettieis herumgestochert um mir zu beweisen, dass dieses auch wirklich Nudeln enthält. Stattdessen hatte er enttäuscht feststellen müssen, dass ich recht gehabt hatte und nicht er.

„Ich hab's dir gesagt, du wollest halt einfach nicht auf mich hören."

„Ich glaube, ich mache nie wieder mit dir eine Wette, Püppchen. Gegen dich hat man einfach keine Chance."

„Ach Quatsch, ich kann einmal falsch bei etwas liegen. Schließlich sind wir alles bloß Menschen, die nicht unfehlbar sind."

„Auch dein Brice?"

„Auch Brice. Ich glaube zwar, dass es bei ihm selten vorkommt, aber auch er kann sich mal irren.''

Das Tiramisu schmolz nur so förmlich auf meiner Zunge. Jeder Biss war eine Wohltat und kam gleichzeitig dem Paradies, wie ich es mir vorstellte, immer näher.

„Wenn ich einmal sterben werde, dann möchte ich vorher unbedingt nochmal in dieses Restaurant gehen und Pasta und Kuchen bis zum Abwinken futtern."

„Ich bin auf jeden Fall dabei, das Essen hier ist einfach nur der Hammer. Ich schwöre, es war das beste Essen, das ich jemals in meinem bisherigen Leben hatte."

„Was ist mit deiner Familie in Birmingham, ihr geht doch bestimmt oft zusammen aus oder? Ich habe mal in einer Reportage gesehen, dass es dort indische, englische, italienische, mexikanische, deutsche und französische Restaurants gibt. Dagegen ist doch hier in Kalifornien die Restaurantauswahl ein Witz, nicht wahr?"

„Ähm, da magst du höchstwahrscheinlich recht haben. Ich kenne mich nur leider damit nicht so gut aus, weil wir eigentlich meistens nur zuhause essen. Mein Vater hat als Anwalt sehr viel zu tun und kommt erst sehr spät abends nach Hause. Ich muss mich deswegen oft um meine 6-jährige Schwester kümmern, ich hole sie von der Schule ab, helfe ihr bei ihren Hausaufgaben, koche für sie und bringe sie ins Bett. Sie ist echt putzig, du solltest sie unbedingt mal kennenlernen."

Er zückte aus seiner Hosentasche sein Handy und zeigte mir ein Bild von einem kleinen Mädchen, welches herzig in die Kamera lachte. Dunkelbraune lange Haare umrahmten ihr rundes kleines Gesicht. Ihre Augen sahen Joshs sehr ähnlich.

„Sie hat Ähnlichkeit mit dir, wie heißt sie?"

„Ellie."

„Was ist mit euer Mutter, ist es nicht auch ihre Aufgabe sich um Ellie zu kümmern?"

Ich hatte eine tiefe Wunde bei Josh gefunden, seine Körperhaltung änderte sich schlagartig, seine Selbstsicherheit schien auf einmal weg zu sein. Das vorige Lächeln wurde durch einen ernsten Gesichtsausdruck ersetzt, den ich nur allzu gut von mir selbst kannte. Ich erinnerte mich daran, dass er mal meiner Mutter gesagt hatte, dass er nicht wirklich weiß, ob seine Mutter stolz auf ihn ist, sie hätte angeblich Besseres zu tun.

„Die ist viel zu beschäftigt mit der Affäre zu einem ihrer Arbeitskollegen. Dadurch vergisst sie, dass sie eine kleine Tochter hat, die vergeblich darauf wartet, dass sie nach Hause kommt. Unsere Familie kommt nicht mal dazu, zusammen am Tisch zu sitzen. Beide haben oft keine Zeit dafür und wenn es mal dazu kommen sollte, dass sie Zeit haben, streiten die beiden einfach nur und einer von beiden verlässt schlussendlich den Tisch und macht sich auf den Weg in eine Bar, um ihre Probleme durch Trinken zu vergessen. Wenn du mich fragst, hätten sie sich schon längst trennen sollen, sie tun sich nicht gut. Doch weil sie meinen, dass Ellie dies nicht verkraften könnte, versuchen sie alles Mögliche um ihre Beziehung zu retten."

Ich musste erst mal sacken lassen, was Josh mir gerade berichtet hatte. Ich konnte mir vorstellen, wie hart dies für ihn sein musste. Vielleicht war das der Grund, warum er auf Macho tat, weil er befürchtete, dass jemand ihn ansonsten für schwach halten würde.

„Ist das der Grund, warum du dich dafür entschieden hast, ein Jahr in Kalifornien zu verbringen?"

„Ich hab's nicht mehr zuhause ausgehalten, ich habe mal was Neues gebraucht.  Meine Schwester wohnt solange bei meiner Tante, das tut ihr sicherlich ganz gut. Vielleicht versuche ich auch nur mich durch einen Aufenthalt in einem anderen Land vor den Problemen zuhause zu drücken, so wie meine Eltern."

„Rede mit ihnen darüber."

„Wann denn? Die beiden haben doch nie Zeit." Ehrlich gesagt wüsste ich auch nicht, wie ich in seiner Situation reagiert hätte. Wahrscheinlich hätte ich beide die ganze Zeit nur angeschrien, was sicherlich nicht die Lage verbessern würde „Bitte erzähl niemanden davon. Ich will nicht, dass andere diese Geschichte erfahren, okay?"

„Natürlich. Warum hast du sie mir eigentlich anvertraut? Schließlich scheint es ein Thema zu sein, über das du nicht sehr gerne sprichst.''

„Ich wollte dir zeigen, dass du nicht die Einzige bist, die Familienprobleme hat. Es ist okay, darüber mit jemandem zu reden."

Ich und Josh mochten in sehr vielen Dingen unterschiedlicher Meinung sein, doch dieser Abend hatte uns gezeigt, dass wir in manchen Themen auf den gleichen Nenner kamen. Ich hätte es belächelt und mir nicht vorstellen können, wenn ich diese Erkenntnis bei unserer ersten Begegnung gehabt hätte. Josh war mehr als nur ein selbstverliebter Macho, er konnte ein wahrer Freund sein und hatte ein gutes Herz.

Er war nicht perfekt, aber wer ist das schon?

„Lass uns von hier verschwinden. Ich möchte mit dir noch in einen Club gehen."

„In einen Club! Was sollen wir denn dort?"

„Na tanzen und neue Leute treffen, was denn sonst?"

„Du kannst gerne hingehen, aber ich nicht, das ist nichts für mich", entgegnete ich wenig begeistert von seinem tollen Vorschlag.

„Hast du Schiss?"

„Nein habe ich nicht."

„Was ist es dann?"

„Ich ... "

Verdammt, warum fiel mir nie vernünftiger Grund ein, wenn ich einen brauchte?!

„Sag bloß, du warst noch nie in einem."

„Natürlich war ich schon mal in einem, ich mache das öfters. Ich gehe fast jedes Wochenende in eine Diskothek zusammen mit meinen Freundinnen."

„Erstens, nenn es Club oder Disco, das sind heutzutage umgänglichere Wörter als Diskothek. Zweitens, dass du noch nie in einer Disco warst, musst dir nicht unangenehm sein, irgendwann ist es immer das erste Mal. Dann wird es doch umso mehr Zeit, dass du diese Erfahrung noch heute Abend machst, findest du nicht auch?"

„Ich weiß nicht."

„Hast du denn nicht Lust, etwas Verrücktes zu machen, von dem du nie gedacht hättest, dass du dies einmal in deinem Leben tun würdest?"

„Warum sollte ich denn?"

„Weil du sonst Gelegenheiten in deinem Leben verpasst, die dir vielleicht so schnell nicht wieder geboten werden."

„Na gut, lass uns gehen."

,,Geht doch, du machst Fortschritte."

„Ich habe nur zugestimmt, weil ich keine Lust habe den Abend zuhause verbringen zu müssen."

„Dass du zugestimmt hast, reicht mir."

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