Wenn dein Herz die Oberhand über deinen Verstand gewinnt

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Joshs Sicht:

,,Lass uns irgendwas im Fernseher anschauen'', schlug ich vor, als Selina und ich nach einem ereignisvollem Abend im Hotelzimmer saßen.

Ich nahm mir die Fernbedienung zur Hand und zippte durch die Kanäle. Dabei blieb ich bei einem Horrorfilm stehen, wo gerade ein schwarzer Porsche einen unheimlich aussehenden Wald durchkreuzte, aus dem gerade ein angsteinflößender Schrei kam.

,,Ein Horrorfilm?'', fragte Selina mich skeptisch.

Ich konnte anhand ihres Gesichtsausdrucks lesen, dass ihr das nicht so ganz passte. Anscheinend war sie wohl ein kleiner Angsthase.

,,Wir können auch was anderes gucken'', bot ich ihr an.

Wegen mir musste sie sich nicht so etwas reinziehen. Manche Menschen konnten eben kein Blut sehen und waren sehr schreckhaft.

,,Ich habe nichts gegen einen Horrorfilm'', gab sie zurück.

Okay, wenn sie das sagte. Sie musste es selbst wissen.

***

Als eine blutige Kettensäge gerade zu sehen war, sah ich, dass Selina ihre Hände in die Bettdecke krallte. Ihr Mund stand offen und ihre Augen waren riesig vor Angst.

,,Wie kannst du so seelenruhig dasitzen und dir so etwas geben?'', wollte sie von mir wissen.

,,Du hast keine Ahnung wie viele Horrorfilme ich schon durch gesuchtet habe, da erschrickt es einem nicht mehr so stark so etwas zu sehen.''

Was Kettensägen und Blut betraf, hatte ich eine große Toleranz. Das lag einfach daran, dass ich mir schon sehr viele Horrorfilme angesehen hatte. Da war so etwas praktisch Standard.

,,Und das natürlich mit weiblicher Begleitung nehme ich an?'', stellte Selina eine Vermutung auf.

,,Darauf kannst du Gift nehmen'', versicherte ich ihr.

Na gut, das klang eventuell ein wenig selbstgefällig. In Selinas Gegenwart konnte ich jedoch nicht anders.

,,Lass mich raten, so ungefähr sah das aus.''

Ich war nicht darauf vorbereitet, dass Selina näher an mich heranrückte, einen Arm von mir nahm und ihn auf ihre Hüfte platzierte.

Ihren Kopf ließ sie auf meiner Schulter ruhen. Allein diese Geste war zumindest für mich viel zu intim, obwohl ich normalerweise absolut kein Problem mit Körperkontakt hatte.

,,Was wird das?'', fragte ich sie unsicher.

Ich konnte es nicht verhindern, dass sich meine Muskeln bei dieser intensiven Nähe zu ihr automatisch versteiften. Ich wollte ihr sagen, dass sie es lassen sollte, doch ich tat es nicht.

Denn es gab einen Teil in mir, der es mehr als genoss, ihr so nah zu sein. Dieser ließ sich nicht abstellen. Es wäre eine absolute Lüge, wenn ich behaupten würde, dass ich mich nicht nach noch mehr Nähe zu ihr sehnte.

,,Ich versuche herauszubekommen, was die Mädchen so toll an einem Kinoabend mit dir fanden'', erklärte sie mir.

Sie wollte also wissen, wie es war, mit mir ein Date zu haben. Kein Problem ...

,,Wenn du das so ist, setz dich auf meinen Schoß'', forderte ich sie auf, wobei ich es eher als einen Spaß meinte. Sie würde es wieso nicht tun.

,,Wieso?'', fragte Selina mich mehr als verwirrt.

,,Wenn du deren Rolle nachempfinden willst, gehört es auch dazu, dass du dich auf meinen Schoß setzt. Man macht keine halben Sachen. Wer A sagt, muss auch B sagen'', machte ich weiter.

,,Vergiss es'', verneinte sie sofort.

Ich wusste es doch. Es war mehr als schwer, dieses Mädchen aus der Reserve zu locken.

,,Du machst jetzt schon einen Rückzieher? Du bist gar nicht zu dem Teil gekommen, an dem wir uns küssen.''

Okay, das hätte ich vielleicht lieber nicht sagen sollen. Das war eindeutig unter der Gürtellinie. Aber ich hatte mir diesen Satz nicht verkneifen können.

Ich wollte wissen, ob sie darauf anspringen und wir eventuell über unseren Kuss reden würden. Es war noch nicht alles gesagt.

Ich hatte noch Fragen an sie, auf die ich eine Antwort haben wollte. Doch gleichzeitig waren es genau die Antworten, vor denen ich mich fürchtete.

Was war, wenn sie wirklich dachte, dass es ein Fehler war, dass wir uns geküsst hatten?

Was war, wenn sie sich nicht vorstellen konnte, etwas mit mir zu haben?

Dann wäre ich der Einzige von uns beiden, der mehr wollte. Diese Vorstellung gefiel mir ganz und gar nicht. Josh Harrison rannte auf keinen Fall Mädchen hinterher. Schon gar nicht Mädchen, die von Charakter her total das genaue Gegenteil von ihm waren.

Normalerweise war es genau umgekehrt. Die Mädchen rannten ihm hinterher und wollte seine Aufmerksamkeit, die er ihnen nur in geringer Maße gab.

Alles in mir sträubte sich bei dem Gedanken, dass es bei mir und Selina anscheinend anders war. Ich wollte sie, aber sie mich nicht.

,,Küssen?'', hakte sie nach und sah mich dabei sichtlich irritiert an.

Wir sahen uns für einen Moment wahrscheinlich viel zu lang in die Augen.

,,Natürlich. Auf den Mund und mit Zunge'', erwiderte ich, wobei ich schlucken musste, weil meine Kehle trocken geworden war.

Es war absolute Folter, ihr in die Augen zu blicken, während ich praktisch ihre Lippen auf meinen spüren konnte.

Mein Körper hatte sich jede Empfindung abgespeichert, die er gefühlt hatte, als wir beide in der Küche eine wichtige Grenze überschritten hatten und uns nähergekommen waren als vor allem für mich selbst gut war.

Selina schien es wohl nicht so wie mir zu gehen, denn sie bewarf mich kurzerhand mit einem Kissen. Wenn das mal nicht eine klare Aussage war ...

Mir war nie etwas peinlich oder unangenehm. Aber das hier übertraf es bei Weitem. Ich wollte Distanz von ihr. Gleichzeitig ging das nicht, weil wir nun mal im selben Zimmer schlafen würden und ich wieder bei ihr zuhause jeden Tag auf sie treffen würde, weil ich eben ihr verdammter Austauschschüler war.

,,Hast du jedes Mädchen, mit dem du solche Filme angeschaut hast, etwa die Zunge in den Mund gesteckt?'', kam es glucksend von ihr.

Sie dachte es wahrscheinlich. Aber nein, ich hatte nicht jedem Mädchen, mit dem ich im Kino war, meine Zunge in den Hals gesteckt. So niedrig war nicht mal mein Niveau.

Man fand eben nicht jede Person, mit der man sich auf ein Date traf, so attraktiv, dass man sie küssen wollte.

Wenn ich richtig schätzte, müssten es nur fünf Mädchen gewesen sein, die ich überhaupt geküsst hatte. Mehr waren es ganz sicher nicht.

,,Du bist eine der wenigen, bei der ich es nicht getan habe. Das können wir aber jederzeit ändern'', tat ich großspurig.

Sollte sie doch denken, was sie wollte. Sie hielt mich ja sowieso für einen arroganten Macho. Das war ich manchmal auch.

Aber auch ich hatte Gefühle. Da war zum Beispiel dieses Kribbeln im Bauch, das ich immer bekam, wenn es um sie ging. Keine Ahnung, was es war, doch Selina Lauren Maynard faszinierte mich.

,,Nein, danke. Mit wie vielen Mädchen hast du bereits einen Horrorfilm angeschaut?''

Wenn Selina einem eine Abfuhr gab, dann richtig. Es verletzte mich, doch ich tat so, als ließen ihre Worte mich unberührt lassen.

,,Das würde du jetzt gerne wissen wollen'', meinte ich zu ihr gewandt.

,,Das ist keine Antwort auf meine Frage.''

Es war vielleicht gemein, aber ich würde ihr nicht das Genugtuung geben und ihre Frage beantworten. Ich musste ihr schließlich nicht alles über mich erzählen.

,,Einige'', antwortete ich ihr etwas wage.

,,Geht es auch präziser?''

,,Ich wüsste nicht, was dich das angeht'', merkte ich an.

,,Schön, dann halt nicht, ich gehe mich umziehen.''

Selina stand vom Bett auf und lief zu ihrem Koffer. Ich beobachtete sie dabei, wie sie nach etwas Bestimmten suchte, aber es nicht zu finden schien.

,,Findest du keinen Schlafanzug, Püppchen?'', fragte ich sie, als ich mir das Ganze nicht mehr mit ansehen konnte.

Als sie auf meine Frage hin schwieg, stand ich auf und kramte in meiner Tasche nach meinen Klamotten. Irgendwann konnte hielt ich ein graues T-Shirt in der Hand. Sie konnte es ruhig zum Schlafen benutzen.

,,Du kannst mein T-Shirt haben.''

Ich reichte es ihr und Selina verschwand im Bad. Als sie wiederkam, blieb mir kurz die Luft weg. Mein T-Shirt verdeckte nur geradewegs ihren schwarzen Slip.

Ich hatte einen mehr als ansehnlichen Blick auf ihre Beine und ich musste mich selbst ermahnen, sie nicht so offensichtlich anzustarren.

,,Verdammt'', platzte es aus mir heraus.

,,Was ist?''

Selina sah mich abwartend an und ich konnte ihr noch nicht einmal in die Augen blicken, weil sie es sehen würde, dass dieser verbotene Anblick etwas in mir auslöste.

,,Ich hätte nicht gedacht, dass du schwarze Seidenunterwäsche trägst.''

Ich hatte es wirklich nicht erwartet, dass Selina offenbar Wert auf schöne Unterwäsche legte.

,,Tja, da muss ich dich leider enttäuschen. Ich habe wie du unschwer erkannt hast durchaus schwarze Seidenunterwäsche. Übrigens ist es interessant zu wissen, dass du dir Gedanken machst, was für Unterwäsche ich anziehe.''

Zum Glück zog sie die Decke über sich. Je weniger ich sah, desto besser ...

,,Dieser Satz klingt so falsch in deinem Mund und so gar nicht nach dir. Aber irgendwie mag ich es. Übrigens steht dir mein T-Shirt echt gut.''

Irgendwie machte das Wissen, dass es mein T-Shirt war, das sie da trug, etwas mit mir. Es machte mich gegenüber Selina besitzergreifend, obwohl ich keinen einzigen Anspruch an ihr hatte.

Ich suchte Zuflucht im Bad und versuchte mich dort auf andere Gedanken zu bringen. Während ich mich umzog, rief ich mir überdeutlich ins Gedächtnis, dass ich bereits vergeben war und ich Selina gefälligst vergessen sollte. Sie und ich würde es niemals geben.

Nach einer Weile, in der ich all meine Gedanken und Vorsätze gesammelt hatte, betrat ich wieder das Schlafzimmer. Ich legte mich auf die andere Bettseite bemerkte sehr schnell, dass es keine Einzelbetten waren, sondern ein Doppelbett.

Wir lagen viel zu dicht nebeneinander und es machte es nicht besser, dass wir beide auf Augenhöhe zueinander blickten.

,,Ich kann jeder Zeit den Boden beziehen, wenn dir das lieber wäre'', bot ich ihr an.

Unruhig rückte Selina ein Stück zur Seite, um für etwas mehr Platz zwischen uns zu sorgen.

,,Nein schon gut, es ist nur etwas merkwürdig.''

Merkwürdig in dem Sinn, dass sie mit mir in diesem Bett schlief oder generell?

,,Du wirst dich dran gewöhnen müssen, oder glaubst du dein späterer Freund wird sich mit der Couch zufriedengeben?'', machte ich ihr klar.

Beim Gedanken daran, wie sie mit einem anderen Typen eng umschlungen schlief, wurde mir augenblicklich schlecht. Hoffentlich würde sie mir niemals davon erzählen.

,,Hey! Ich hatte erst vor nicht allzu langer Zeit meinen ersten richtigen Kuss mit Aiden gehabt. Da kannst du nicht von mir erwarten, dass es eine Selbstverständlichkeit für mich ist, einfach so mit einem Typen im selben Bett zu schlafen'', nahm sie sich in Schutz.

,,Der Kuss mit mir war garantiert besser als mit ihm, gib es zu.''

Ich hatte sie ganz anders geküsst, als es Aiden bei Wahrheit oder Pflicht getan hatte. Ich war damit sozusagen der erste Junge, der sie richtig geküsst hatte. Das zu wissen war etwas tröstlich. Es tat zumindest meinem Ego gut.

,,Dafür erinnere ich mich zu wenig an ihn'', behauptete sie.

Ob das wirklich der Wahrheit entsprach?

,,Ach wirklich? Wenn das so ist, können wir ihn gerne wiederholen, um dir noch einmal in Gedächtnis zu rufen, wie viel besser ich küssen kann als Aiden.''

Diese Situation konnte man doch nur entsprechend mit etwas trockenem Humor verarbeiten. Ich würde mir nicht die Blöße geben und ihr gegenüber preisgeben, wie gut ich wirklich noch unseren Kuss in Erinnerung hatte.

,,Kein Bedarf, ich bin müde gute Nacht.''

,,Dann eben nicht. Ich wünsche dir auch eine gute Nacht, Püppchen.''

Es dauerte sehr lange bis ich einschlief. Ich schloss einfach die Augen und tat so, als würde ich schon schlummern. Dabei war ich immer noch hellwach.

Überrascht spürte ich, wie sich ein warmer Körper gegen mich drängte. Selina murmelte irgendetwas im Schlaf und drückte sich an meine Brust. In diesem Moment dachte ich nicht nach.

Ich hinterfragte es nicht, ließ diese Nähe zu und schlang, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, meine Arme um sie.

Ich lauschte ihrem regelmäßigen Atem und wurde selbst ruhig. Es fühlte sich nicht falsch an, sondern verdammt richtig.

Mein Herz hatte in diesem Augenblick die Oberhand über meinen Verstand gewonnen und gab all den unterdrückten Gefühlen einen Raum.

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