Ozean - Mein Zufluchtsort

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Der schönste Ort dieser Welt war für mich, seitdem ich denken konnte, stets der große, weite Ozean gewesen. Wenn ich aufs Meer blickte, vergaß ich für einen Moment, dass in mir ein riesiges Chaos herrschte.

Ich fühlte mich geborgen beim Anblick des blauen Wassers und den majestätischen Felsen. Wenn ich könnte, würde ich am liebsten meinen gesamten Tag nur am Meer verbringen.

Wenn ich keine Hoffnung mehr sah, dann erinnerte mich der Strand daran, dass das Leben schön war und ich es wertschätzen sollte. Nicht jeder hatte die Möglichkeit, einfach so ans Meer gehen zu können.

Dafür sollte ich umso dankbarer sein. All die negativen Gedanken, die in meinem Kopf existierten, hatten am Strand keinen Platz. Er gab mir Halt, wenn ich drohte, gefährlich zu stürzen und schenkte mir einen Ort, wo ich Ruhe fand.

***

,,Wäre es für dich okay, wenn ich deine Hand halte?'', fragte Nick mich, als wir aus seinem Auto gestiegen waren und vor unserem Zielort standen.

Ich nickte und ließ zu, dass seine Finger sich um meine schlossen. Dabei gingen Elektroschocks durch meinen Körper, die ich probierte, so gut es ging, zu ignorieren. Ich war das alles nicht gewohnt, doch ich glaubte daran, dass es eines Tages für mich normal sein würde.

Als wir am Strand standen, überkam mich sofort ein Gefühl der Glückseligkeit. Allein beim Anblick des Meeres konnte man mit einem Schlag all seine Probleme vergessen. Zumindest war es bei mir immer schon so gewesen. Ich lauschte dem Meeresrauschen, spürte den Sand unter meinen Füßen und bemerkte oben ein paar Möwen, die am Himmel ihre Kreise drehten. Das hier war mein Inbegriff von Freiheit.

,,Ich liebe es hier'', sagte ich lächelnd und mein Freund gab mir einen Kuss auf die Stirn.

,,Ich auch. Ich kenne keinen schöneren Ort als den Strand.'' Nick kramte in einer Tasche, die wir mitgenommen hatten und brachte zwei Handtücher zum Vorschein, die auf den Sand gelegen wurden. Ich setzte mich und beobachtete die Wellen dabei, wie sie von der auf die Küste zugerollt kamen. ,,Hast du Lust, eine Runde schwimmen zu gehen?''

Bei dieser Frage wurde mir mulmig zu Mute. Ich hatte extra ein T-Shirt angezogen, das die Narben auf meinem Arm verdeckte. Ich wollte es nicht ausziehen und ihm erklären müssen, warum ich diese hatte. Es sollte mein Geheimnis bleiben, von dem er auf keinen Fall verraten durfte.

,,Ich gehe nur mit den Füßen rein'', bestand ich und hoffte, dass er das akzeptieren und mich dazu nicht weiter ausfragen würde.

,,Also gut, dann komm mal mit.''

Gemeinsam gingen wir nach vorne und es tat so gut, das kühle Nass des Ozeans auf meinen Füßen spüren zu können. Ich lief bis ganz vorne und genoss es, an diesem wundervollen Ort sein zu dürfen. Und gleichzeitig wünschte ich mir, dass ich ohne jegliche Bedenken hier einfach schwimmen gehen könnte. Doch ich konnte es nicht, wenn ich nicht wollte, dass andere sahen, dass ich mich selbst verletzte. In diesem Augenblick hätte ich so gerne, dass ich damit niemals angefangen hätte. Doch dafür war es leider zu spät. Das, was ich meinem Körper angetan hatte, ließ sich nicht mehr rückgängig machen.

,,Ich wette mit dir, dass ich es schaffe, dich hochzuheben'', war Nick überzeugt und ich und ich war da eher skeptisch.

Doch er bewies mir, dass er das tatsächlich schaffte. Als wäre ich ein Fliegengewicht für ihn, wurde ich von seinen starken Armen hochgehoben und ich hielt mich wie ein Klammeräffchen an ihm fest, um sicherzugehen, dass ich nicht fallen würde. Unsere Gesichter waren sich sehr nah und ich beugte mich einfach vor, um ihn küssen zu können. Ich musste nicht mehr überlegen, ob ich das wirklich machen konnte, weil wir nun ein Paar waren und so etwas völlig normal war.

,,Ich habe dir das nie erzählt. Aber ich hatte es mir damals so sehr gewünscht, meinen ersten Kuss mit dir zu haben, Ash.''

Das zu hören, sorgte für eine heftige Gänsehaut bei mir.

,,Du glaubst gar nicht, wie eifersüchtig es mich gemacht hatte, als du mir erzählt hast, dass du ein Mädchen auf der Party geküsst hast. Und danach kam auch noch June. Daran können wir nichts mehr ändern. Aber du sollst wissen, dass ... dass du mein erster Kuss warst, Nick Cole.''

Gott, warum erzählst du ihm das auch noch?!

Das zeigt doch einfach nur, wie erbärmlich und unattraktiv du bist!

,,Ich bin also die erste Person, die dich geküsst hat?''

Nick ließ mich wieder los, setzte mich erneut auf meine eigenen Beine ab und ein Schmunzeln machte sich um sein Gesicht breit.

Na super, er hat es gehört ...

,,Ja, das bist du. Vor dir hat mich noch niemand geküsst.''

Ein Hoch auf meine Ehrlichkeit ...

,,Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber wenn es so ist, dann freut es mich. Und wenn wir schon darüber reden: Du bist irgendwie auch mein erster Kuss. Und das meine ich in dem Sinne, dass du die erste Person bist, bei der ich etwas gefühlt habe, als wir uns geküsst haben.''

Das zu wissen, war unbeschreiblich. Ich wusste gar nicht so recht, wie ich darauf vernünftig reagieren sollte.

,,Du magst es wirklich, mich verlegen zu machen. Gib es endlich zu, Nick Cole.''

Dafür erntete ich ein kehliges Lachen von ihm.

,,Also gut. Es könnte sein, dass ich das mag. Ich finde es ungemein niedlich, wenn du verlegen wirst.''

Ich fragte mich, was genau er daran niedlich fand. Doch ich würde es höchstwahrscheinlich nicht verstehen, selbst wenn er es mir erklären würde. Nick sah mich aus anderen Augen als ich mich selbst.

Sonst hätte er sich niemals in jemanden wie mich verliebt. Zum Glück konnte mein Freund nicht meine Gedanken sehen und kannte nicht all diese großen Selbstzweifel an mir. Mit ihnen hätte ich ihn vermutlich vergrault.

Wer wollte schon jemanden, der sich selbst nicht so richtig lieben konnte?

Das Einzige, was ich tun konnte, war mir nicht so überdeutlich anmerken zu lassen, dass ich so unsicher im Bezug zu mir selbst war. Ich wollte mich zumindest in seiner Gegenwart wie ein ganz normaler Teenager fühlen.

Ich wollte ein ganz normales Mädchen sein, das überglücklich war, ihre erste Beziehung mit jemandem zu haben, der einen wirklich sehr zu lieben schien.

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