Wie ich aus einer Mücke einen Elefanten mache

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Ich war unheimlich gut darin, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen.

Das lag einfach daran, weil ich mir über jede Kleinigkeit unbegründet viel zu viele Gedanken machte. Mein Verstand war nie still und analysierte jedes Wort und Verhalten meiner Mitmenschen bis ins kleinste Detail. Das ging dann so weit, bis ich Theorien aufstellte, die gar nicht stimmen konnten.

Das war manchmal mehr als anstrengend, doch es ließ sich nicht so leicht ändern, wenn man wie ich ein Vieldenker war. Ab und zu musste man einfach einen Gang runterschalten und auf das hören, was die Mitmenschen zu einem sagten.

Meistens meinten sie es nämlich so, wie sie es wiedergaben. Und wenn man seinem Verstand nicht trauen konnte, dann musste man seinem Bauchgefühl den Vorrang geben.

***

,,Jetzt mach dich doch selbst nicht so verrückt, Ashley'', versuchte Riley mich zu beruhigen, als ich ihr von dem gestrigen Nachmittag erzählte. Wir saßen in ihrem Garten und ich hatte extra mit ihr darüber sprechen wollen, weil sie die Einzige von unserer Mädelstruppe war, die seit einer längeren Zeit eine Beziehung hatte. Daher ging ich davon aus, dass sie mir da einen Rat geben konnte, wie ich denn nun weitermachen sollte. ,,Nick hat doch gesagt, dass es für ihn in Ordnung ist, wenn ihr noch wartet. Und das ist doch gut. So und nicht anders sollte es sein.''

Das, was Riley da sagte stimmte. Dennoch ließ mich die Bedenken nicht los, dass ich ihm etwas nicht geben konnte, das für andere anscheinend normal war. Aber wenn man sich selbst in deinem eigenen Körper so unwohl fühlte, war es ein Ding der Unmöglichkeit.

,,Du glaubst also nicht, dass ihm eines Tages dieser Aspekt fehlen wird?''

Da war ich eher skeptisch.

,,Du bist gerade nicht bereit dazu. Und das ist eine Sache, für die du dich überhaupt nicht schlecht fühlen musst. Vielleicht möchtest du ja eines Tages mit ihm schlafen. Selbst wenn nicht. Er ist dein Freund und er liebt dich so, wie du bist. Und wenn er sagt, dass er glücklich mit dir ist, dann machst du doch alles richtig.''

Riley blonde Haare schimmerte in der Sonne golden und gaben ihr eine ganz besondere Aura. Ich war ja normalerweise die Person, die anderen Ratschläge gab. Doch mal einen zu bekommen, war gerade mehr als hilfreich. Ich hatte wirklich eine kluge beste Freundin, auf die ich mich zu jeder Zeit verlassen konnte. Und genau dafür schätzte ich sie. Ashley Cooper mochte sich selbst zwar nicht so sehr, aber dafür liebte sie ihre besten Freundinnen umso mehr. Ich wüsste gar nicht, was ich ohne sie machen würde.

Ich blickte auf das Gras, wo viele wunderschöne Blumen zu sehen waren. Sie alle hatten eine einzigartige Farbe und strahlten auf eine ganz besondere Weise. Eventuell war es bei uns Menschen genauso. Niemand sah die Farben, die in uns steckten, wenn wir uns selbst vor der Welt verschlossen. Und vielleicht sahen wir es nicht immer, aber wir alle waren schön.

In den letzten Wochen hatte ich mich so geleibt gefühlt wie noch nie in meinem Leben. Nick war geduldig mit mir in der Nachhilfe und räumte selbst, wenn er öfters Training hatte, Zeit für mich ein. Wir unternahmen Ausflüge, gingen zu mir oder zu ihm nach Hause und trafen uns hin und wieder mit unseren Freunden. Vor allem die Momente, wo ich die Nähe zu ihm spürte, blieben mir ganz besonders im Gedächtnis. Wir waren irgendwie immer noch der Nick Cole und die Ashley Cooper von damals.

Doch da war ebenso nun eine neue Ebene in unserer Beziehung, die ich in meiner Gefühlswelt entsprechend verarbeiten musste. Meine innere Verzweiflung hatte sich in den Hintergrund gedrängt und ich hatte nun schon seit einiger Zeit nicht mehr Nächte gehabt, in denen ich geweint hatte. Das mit dem Selbstverletzten hatte ich an dem Tag vorerst gelassen, als ich mit Nick am Strand gewesen war, weil ich es mich aufgeregt hatte, dass ich deswegen nicht alles hatte tun können, was ich gewollt hätte.

,,Ich habe irgendwie Angst davor, wenn Nick mich völlig entblößt zu sehen bekommt. Dass ihm nicht gefällt was er sieht und er sich denkt: Ach man, warum bin ich überhaupt mit jemanden wie ihr zusammen.''

Riley sah entsetzt aus und dabei hatte ich das, was ich wirklich dachte, etwas netter formuliert. Wahrscheinlich hielt sie meine Angst für unbegründet, aber dass waren doch eigentlich vieler unserer Ängste. Sie waren häufig irrational und von der Realität weit entfernt.

,,Wenn er so denken würde, dann tut es mir leid, aber dann ist er in meinen Augen ein Arschloch. Glaubst du ernsthaft, dass Nick so etwas zu dir sagen würde? Ich halte ihn zumindest nicht für so einen Kerl. Und soll ich dich auf eine andere wichtige Sache aufmerksam machen? Meistens nimmt die andere Person die Stellen an unserem Körper, für die wir uns unsicher fühlen und die uns nicht so sehr gefallen, gar nicht erst so wahr. Wir selbst legen den Fokus auf sie und niemand sonst. Es gibt also keinen wirklichen Grund für Unsicherheit, Ash.'' Wenn Riley die Narben an meinen Oberarmen kennen würde, dann würde sie so etwas nicht so leicht von sich geben. An ihnen war rein gar nichts schön und ich hatte geradezu Panik davor, wenn sie jemand anderes zu Gesicht bekommen würde. Selbst bei meinem Bauch, meinen Waden und meiner Taille bezweifelt ich, dass sie eine andere Person hübsch finden würde. Ich wollte gar nicht erst diesem Gedankengang weiterfolgen, weil er nur in Selbsthass enden würde. Meine Mutter hatte schon, seitdem ich klein war, irgendetwas von Selbstliebe gepredigt, aber ich hatte nicht die leiseste Idee, wie man sich diese selbst gab. Bei anderen Menschen schien es jedenfalls gut zu funktionieren, nur bei mir nicht. Selina, Riley und Bianca kannten ihren Wert und ich fühlte mich hin und wieder sehr klein unter ihnen. Selbstliebe konnte man vorgelebt bekommen, so wie in meinem Fall. Aber das half absolut nichts, wenn man diese nicht irgendwann lernte und verinnerlichte. Wie man das tat, war genauso wie Mathe ein großes Fragezeichen für mich. ,,Lass uns in mein Atelier gehen. Ich möchte dir unbedingt meine neuen Kunstwerke zeigen'', rief meine beste Freundin euphorisch aus.

Wir gingen rüber zu dem kleinen Häuschen, das Riley als ihr ,,künstlerisches Reich'', bezeichnete. Der Raum war hell und die Wände waren mit Bildern bedeckt, die mich jedes Mal aufs Neue zum Stauen brachten. Riley malte alles mögliche, Menschen, Tiere, Gegenstände und die Natur.

Ein Bild gefiel mir ganz besonders. Sie hatte mit diesem die Kunstaustellung gewonnen. Darauf zu sehen, waren Rosen, die rot/blau, schwarz, dunkellila und violett waren. Ich hätte so gerne die Bedeutung hinter diesem Gemälde gewusst, doch Riley hatte sie niemals verraten wollen.

,,Erzählst du mir irgendwann die Geschichte zu deinem Rosengemälde?'', fragte ich hoffnungsvoll nach.

,,Eines Tages vielleicht, ganz bestimmt'', versprach mir Riley und führte mich zu den neuen Kunstwerken, die sie mir voller Begeisterung im Detail erklärte.

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