7. Kapitel - Cora

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"Es tut mir Leid, aber bitte versuch wenigstens meine Entscheidung zu verstehen - wobei, mir bleibt am Ende nicht mal eine Wahl." Mein Vater war ein Idiot. Er bekam es hin, die schlimmsten Ereignisse in seinem Leben als schamlose Frechheit darzustellen. Und genau das trieb mir erst recht die Tränen in die Augen.

"Papa, sag es bitte nicht auf die Art, ja? Du bist wirklich Einer."

"Nicht Einer, ich bin immer noch Arzt. Auch wenn ich nicht auf die Behandlung von Krebs spezialisiert bin, weiß doch leider durchaus, wenn die Zeichen auf den eigenen Tod deuten." Er seufzte, atmete tief durch, obwohl gerade die Luft es war, die ihm immerzu knapp wurde. "Es tut mir nur so Leid, Cora. Einerseits bin ich müde von all den Kämpfen und den anscheinend bedeutungslosen Siegen zuvor, aber - aber vor allem will ich dich nicht verlassen. Ich bin dein Vater, wer soll dich denn sonst vor dem Unheil da Draußen beschützen, wenn nicht ich?"

"Du wirst immer mein Vater sein", beharrte ich schluchzend, "auch wenn du nicht mehr am Leben bist." Es lag unausgesprochen im Raum, dass auch meine Mutter einst das selbe Schicksal - der frühe Tod - ereilt hatte. Erst hatte sie mich und meinen Vater verlassen und nun würde er ihr bald folgen. Das, was mein Vater nie verkraften würde, wäre schlichtweg, dass ich zuletzt allein zurückbleiben würde und sie Beide im Tode wieder vereint wären. Und ich konnte keine Sekunde behaupten, dass mich diese Erkenntnis nicht schwer traf - sie zerstörte mich, schlug mich Tag für Tag von Neuem nieder, ohne Ausweg oder Rettung. Wie meine Eltern, starb auch meine Hoffnung.

„Und du immer mein kleiner Spatz", betonte er mit einem der traurigsten Lächeln, die ich jemals bei ihm gesehen hatte. Ich hatte meinen Vater auch selten weinen gesehen, wie er es jetzt tat. Das letzte Mal, als meine Mutter verstorben war und eine Weile danach. Wir hätten zusammen allein mit unseren Tränen wahrscheinlich einen halben Pool füllen können, wenn nicht sogar einen See. „Ich bin so müde, die Medikamente wirken langsam", hauchte er und seine schmerzenden Züge klangen nach und nach ab.

„Das ist gut, schlaf ruhig", lächelte ich, während ich bemerkte, dass er seine Augen krampfhaft versuchte offen zu halten. „Ich wollte sowieso gerade gehen."

„Wie kommst du denn nach Hause?" Obwohl er wirklich schwach war und kurz davor sein musste, den Kampf ums Wach bleiben zu verlieren, schien er besorgt.

„Eine Freundin aus der Uni hat angeboten, mich abzuholen. Mach dir keine Gedanken, deine achtzehnjährige Tochter kommt schon unversehrt nach Hause."

„Schickst du mir eine Nachricht, wenn du sicher angekommen bist?" Ich nickte, obwohl wir Beide genau wussten, dass er längst am Schlafen wäre, ehe ihn die Nachricht erreichte. Und ebenfalls, dass er mehrere Stunden schlafen und sie womöglich erst am Abend sehen würde. Doch ich bejahte ein weiteres Mal und verabschiedete mich mit einem Kuss auf seine Stirn, bevor ich meine Tasche schulterte und zur Tür lief. Er war eingeschlafen, gleich nach meiner Verabschiedung.

Beim Gang über den Flur lächelte mir eine der Krankenschwestern aufmunternd zu, während eine Weitere mit mir das Gespräch suchte.

„Frau Kain", hielt sie mich vorsichtig zurück. „Ist Ihr Vater bereits am Schlafen? Entschuldigen Sie übrigens die Störung, ich wollte nur nicht unnötig ins Zimmer stürmen, während Besuch da ist." Die in die Jahre gekommene Dame mit den dunkelblonden Haaren, die mit einem Zopf nach oben gesteckt waren, behielt einen gewissen Abstand zu mir, obgleich auch sie lächelte. Es war eine der Schwestern, die meinen Vater nicht erst seit dieser Behandlung kannte. Sie war von Anfang an mit dabei gewesen – dennoch wahrte sie Abstand zu mir, vermutlich weil ihre Erfahrung es sie gelehrt hatte.

„Ja, die Medikamente wirken. Er ist eben eingeschlafen, deshalb bin ich jetzt auf dem Weg nach Hause", erklärte ich möglichst ungezwungen. Jedes Gespräch über und mit meinem Vater hinterließ Spuren, die weder vor dem Krankenhauspersonal, noch vor den Menschen in meiner Umgebung versteckt blieben.

„Das ist gut zu hören." Es schien sie wirklich zu beruhigen, dies sah man ihr mühelos an. Ihre Haltung hatte sich ein wenig entspannt. „Dann wünsche ich Ihnen einen guten Heimweg."

„Danke", nahm ich ihre lieben Worte entgegen. „Bis Morgen."

Mit diesen Worten verließ ich so schnell es ging die Station und im Anschluss das Krankenhaus. Draußen hagelte es zu allem Übel, weshalb ich eine Zeit abwartete, bis sich die dicken, weißen Körner in Regentropfen verwandelten und ich den Schirm aufspannen konnte.

Natürlich holte mich keine Freundin aus der Uni ab. Seit der Diagnose meines Vaters ließ ich die Seminare und Vorlesungen am Morgen sausen, um ihn besuchen zu können. Am Ende würde ich es sonst nur bereuen, wenn ich die letzte Zeit nicht möglichst viel mit meinem Vater verbracht hätte. Diese Zeit war mir kostbar, unendlich wertvoll – und ich wollte für ihn da sein, bis zum letzten Atemzug. Er würde das Selbe für mich tun.

Zu Fuß würde ich knapp eine Stunde bis nach Hause brauchen, mir kam gar nicht erst in den Sinn, ein Taxi zu rufen. Seitdem mein Vater seine Diagnose erhalten hatte, war Alles sehr schnell gegangen. Erst war er Monate lang in Behandlung, dann Daheim und dann wieder ein paar Wochen im Krankenhaus – und jetzt würde er wohl nicht mehr nach Hause kommen, wie bisher und auch nach der letzten Bestrahlung.

Da mein Vater seit einem halben Jahr nicht mehr arbeiten konnte, blieb das Geld aus. Das Rudel griff uns etwas unter die Arme, gerade letzte Woche hatte Carlos unserer Familie eine ganze Summe Geld zur Unterstützung geboten. In der Not hatte mein Vater angenommen, um die Rechnungen im Krankenhaus bezahlen zu können. Und natürlich hatte ich den Rest erhalten, um über die Ruden zu kommen. Aber ich sparte das Geld für einen Aufenthalt in einem schönen Hospiz am anderen Ende unseres Waldgebietes.

Die Krankenkasse übernahm fast alle Kosten, dennoch erschlug mich der Eigenanteil und es wurde nur genehmigt, ihn in einem Hospiz in der Nähe unterzubringen und nicht in dem, das uns besser gefiel. Vor einem Monat war es fast soweit gewesen, dass er – wir hatten von der Kasse und dem Personal im Krankenhaus gesagt bekommen, dass wir uns vielleicht nach einem Hospiz umsehen sollten. Wir hatten uns beide angesehen und ihm hatte es im Besagten so viel besser gefallen, als in dem Anderen, dass ich ihm diesen Wunsch erfüllen würde und ihn ab der nächsten Woche dort unterbringen würde.

Laut dem Ärzteteam hatte er noch ein paar Wochen oder Tage oder wer weiß wie lange – und ihre schwammige Aussage tat ihnen Leid, aber sie konnten schließlich nicht hellsehen und das wusste ich. Mir blieb nur die Hoffnung, dass es ein angenehmes Ende wäre und keines von diesen endlos langen, die dich langsam aber sicher auffraßen und dir Alles nahmen, mehr als nur die Luft zum Atmen.

Das Schlimmste war wohl, dass mein Vater als Arzt wohl genau wusste, wie seine Chancen standen und er ahnte bereits, dass ich es ebenso tat. Scheiße, er würde es nicht mehr lange Mitmachen.

„Cora!" Bei dem Klang meines Namens schreckte ich zusammen und hob meinen Kopf fast ruckartig an, um die Quelle dieses Lärms ausfindig zumachen. Mehrere Meter von mir entfernt parkte ein mir nur allzu bekannter dunkelgrüner Kleinwagen.

Ein gequältes Lächeln zog sich über meine Lippen, während ich näher an Malcom herantrat. Er stand – mittlerweile bereits vom Regen triefnass – auf dem Gehweg und wartete auf mich.

„Hi", brachte ich nur zur Begrüßung hervor, nicht mehr. Ich hielt dem Schirm über seinen Kopf, damit er zumindest ein wenig vor dem strömenden Regen geschützt wäre.

„Hey", gab er gleichermaßen zurück. „Was ist los?"

„Willst du mit rein kommen?", fragte ich unverfroren, ohne eine nennenswerte Reaktion auf seine zuvor gestellte Frage. „Es regnet, falls du das noch nicht bemerkt hast."

„Ach was?", spaßte er kopfschüttelnd. „Wenn es okay ist, dann komme ich gerne mit ins Trockene."

Malcom war noch nie bei mir zu Hause gewesen. Alles, was er bisher von unserem Haus zu Gesicht bekommen hatte, war die Ansicht von der Straße aus auf die Fassade und unseren kleinen Vorgarten.

Ein kalter Schauer jagte kurz über meinen Rücken, als mich die Erkenntnis beschlich, dass dies bald mein Haus wäre. Und der Gedanke daran riss mich noch ein ganzes Stück weiter hinab. Wie in Treibsand, versank ich tiefer und tiefer – wenn ich mich rührte, wie in Augenblicken, wie diesem, sank ich ein Stück schneller.

„Soll ich meine Schuhe ausziehen?" Er sah mich erwartungsvoll an, nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte und wir nun beide mit nassen Schuhen im Flur standen. Wie ein begossener Pudel, dachte ich. Aus einem mir nicht ganz erkennbaren Grund schien der sonst selbstbewusste und redegewandte Malcom sprachlos und unsicher zu sein. Vielleicht überforderte ihn die aktuelle Situation genauso sehr, wie mich selbst.

„Kannst du dir aussuchen", gab ich fast teilnahmslos von mir und mir missfiel der Gedanke nicht ein bisschen, wischen und aufräumen zu müssen, wenn er ein Chaos hinterlassen würde. Immerhin hätte ich dann eine sinnvolle Beschäftigung.

Aber Malcom war kein Chaot, er zog ordnungsgemäß seine Straßenschuhe aus und platzierte sie auf unserem Schuhständer, ehe er mich anblickte. Meine Eigenen hatte ich von meinen Füßen getreten und neben seine auf dem Fliesenboden im Flur bugsiert. Es war egal, ob hier Ordnung herrschte oder nicht, ich würde spätestens nach einer Stunde, die ich allein verbracht hatte, anfangen das ganze Haus von Oben bis Unten zu reinigen.

„Möchtest du was trinken? Einen Kaffee oder Tee?" Es war kurz vor Zwei, wie mir die Uhr in der Küche verriet. Ich wies ihn, am Tisch Platz zu nehmen, während ich bereits zu den Hängeschränken ging.

„Ein Kaffee wäre super", entschied er schließlich, sodass ich im Anschluss zwei Tassen aus dem untersten Fach nehmen und unter die Maschine verfrachten konnte. Ich legte die Pads ein und startete, damit wir in ein paar Minuten die dampfende Koffeinbombe in unseren Händen halten konnten.

„Ist in ein paar Minuten fertig", erklärte ich unnötiger Weise, jedoch fiel mir sonst kein wirkliches Gesprächsthema ein über das ich mit ihm reden wollte. Mir war bewusst, dass er jeden Moment noch einmal die Frage stellen würde – und es war mir ebenfalls klar, dass er dieses Mal eine Antwort erhalten wollte. Eigentlich war es verständlich, doch ich wollte mich so lange es geht davor drücken. Angestrengt überlegte ich mir bereits eine Ausrede, aber nach der Fahrt zum Krankenhaus letzte Woche, blieben mir nicht wirklich glaubwürdige Optionen.

Mir fiel erst jetzt – als ich mich zu ihm umdrehte - wieder ein, dass sein Shirt komplett nass war. „Soll ich dir ein trockenes Oberteil zum überziehen holen?", schob ich die Frage, mein gerade entstandenes Gesprächsthema hinter her.

„Nur, wenn es keine Umstände bereitet."

„Tut es nicht, warte kurz." Der Anblick seiner traurigen braunen Augen klebte noch immer an mir, während ich die Treppen nach Oben zum Kleiderschrank eilte. Der Kleiderschrank meines Vaters, beschlich es mich, als mir der vertraute Geruch beim Öffnen der Flügeltüren entgegenkam.

Mir wurde etwas unwohl, während ich nach dem erstbesten, jedoch lange nicht mehr von ihm getragenen, grauen Shirt griff.

Ich schaffte es in Rekordzeit zurück ins Erdgeschoss und warf es Malcom zu, um in der Zwischenzeit den Kaffee holen. Als ich mich umdrehte, zog er den Stoff gerade über seine Haut und es fühlte sich merkwürdig an, die Kleidung meines Vaters an - ihm zu sehen. Was war er eigentlich für mich? Ein Freund? Mehr?
  
Entgegen meiner Hoffnung, dass ich tiefere Gefühle für ihn hegen könnte, liebte ich ihn nicht. Es wäre so viel einfacher gewesen, wenn doch – aber ich tat es schlichtweg nicht. Ein guter Freund, mehr war er nicht; Wir waren Freunde mit gewissen Vorzügen, wie in all diesen schlechten Liebesfilmen in denen genau dieses Paar schließlich doch Gefühle für den jeweils Anderen entwickelte und am Ende ein glückliches Leben führte. Klischeehaft.

Dennoch tat es weh, dass wir so etwas nicht haben würden. Wahrscheinlich allein meinetwegen würde es scheitern. Ich war ein untergehendes Schiff – und ich wollte den Kollateralschaden möglichst gering halten und nicht weitere Menschen mit mir in den Tod reißen. 

Er sprach nicht, auch nicht, als ich mich neben ihm niedergelassen und ihm seine Tasse gereicht hatte. Bedanken tat er sich daraufhin leise, dann verfiel er wieder diesem Schweigen. Wartete er darauf, dass ich das Wort ergriff? Bitte nicht, dachte ich panisch, ich bin überhaupt nicht gut in so etwas.

„Was ist es über das du scheinbar überhaupt gar nicht mit mir sprechen möchtest?", hakte er schließlich nach und ich wusste nicht, weshalb ich erleichtert war. Es müsste mich aus der Bahn werfen, aber dies tat es nicht. „Eigentlich müssen wir nicht darüber sprechen, aber ich habe bemerkt, dass es dir nicht gut geht. Sei ehrlich zu mir – bist du krank? Musste ich dich deshalb ins Krankenhaus fahren?"

Ich war etwas überrumpelt. Wenn ich ehrlich war, hatte ich mir gar keine Gedanken darüber gemacht, was er sich Dank meiner verschlossenen Art ausgemalt hatte. Er musste wirklich verschreckt worden sein, als er mich, verheult wie ich war, ins Krankenhaus hatte fahren müssen, was? Konnte ich ihm nicht verübeln.

„Nein, mit mir ist alles in Ordnung", beschwichtigte ich ihn rasch, auch wenn es sich ein wenig nach einer Lüge meinerseits anhörte. „Ich habe Jemanden im Krankenhaus besucht."

„Also kam der Anruf letztes Wochenende vom Krankenhaus?", schlussfolgerte er leise, bevor er sich fast an seinem heißen Getränk verschluckte. „Tut mir Leid, wenn du nicht darüber sprechen möchtest, dann können wir es sein lassen. Das ist okay, wirklich." Er schien wirklich besorgt darüber zu sein, ob er mich zu sehr in die Enge trieb mit seiner Fragerei. Allerdings konnte ich seine Position durchaus verstehen und ich schuldete ihm für mein Verhalten eine Erklärung.

„Jetzt haben wir doch eh schon damit angefangen", meinte ich und versuchte dies so beiläufig wie möglich klingen zu lassen. Trotzdem tank ich einen großen Schluck aus meiner Tasse und ließ mir Zeit beim Abstellen. „Aber ich halte mich kurz, okay?"

„Mehr als okay." Er nickte mehrfach. Vermutlich weil er selbst nicht wusste, was gleich auf ihn zukommen würde. Für mich war es auch bei jeder Erzählung immer so, als würde mich ein Lastwagen überfahren, also verübelte ich es ihm keineswegs.

„Mein Vater hat Krebs und – und der Anruf am Wochenende, der kam von einem Mitarbeiter dort. Er sagte, ich sollte persönlich im Krankenhaus erscheinen, weil sich der Zustand von meinem Vater enorm verschlechtert hatte. Der Krebs hat gestreut und – und", meine Stimme zitterte und schlotterte, wie meine Hände und brach schlussendlich ab, als die Tränen über meine Wangen kullerten.

Mein Sitznachbar tat nichts weiter, als seine Arme zu öffnen und mir die Möglichkeit zu lassen, selbst zu wählen, ob ich Nähe brauchte oder nicht. Und im nächsten Moment später lag ich schon schluchzend an seine Brust gedrückt in eben diesen Armen. Der vertraute Geruch des T-Shirts meines Vaters verschlimmerte meinen Schmerz um ein Vielfaches, aber zugleich beruhigte er mich auf eine verstörende Art.

Ich brauchte ihn und doch tat es so weh, ihn um mich zu haben. Er sollte endlich von seinem Leid erlöst werden, aber doch wollte ich ihn nie gehen lassen, meinen Papa.

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