9. Kapitel - Lloyd

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Nach der Ansprache meines Vaters mied ich es mich großartig außerhalb des Hauses aufzuhalten. Nik kam entweder her oder ich besuchte ihn direkt nach der Schule und ging im Anschluss vor dem Sonnenuntergang zügig nach Hause.

Ich hatte Angst – und sogar mein bester Freund schien stutzig zu werden, wenn ich mich vor dem Abendessen verabschiedete und nahezu panisch den Heimweg antat. Es wurde derzeit nicht allzu schnell dunkel, immerhin war es Anfang August und die Tage waren noch weitaus länger als die Nächte.

Aber ich ging kein Risiko ein. So sehr ich Isaac nicht ausstehen konnte, so sehr fürchtete ich seine Macht. Wenn es er gegen mich stand, dann würde ich ausnahmslos verlieren – und es würde ihm gefallen. Nein, er würde sich daran ergötzen.

„Lloyd?", kam es von meiner Seite, sodass ich mich auf meinem Schreibtischstuhl zu ihr umdrehte. Ariana sah mich scheinheilig, wie sie es gewiss nicht war, denn sie konnte ein kleiner Teufel sein, an und drehte eine ihrer Haarsträhnen in der Hand. „Kannst du mich zu Susan fahren?"

„Wieso ich? Frag doch Lyn oder Akio, die haben einen Führerschein", merkte ich an und lenkte absichtlich von der Tatsache ab, dass ich meine vier Wände nicht verlassen wollte. Wobei Akio sicherlich kein guter Vorschlag war, Lyn war da aktuell doch die bessere Partie.

„Als ob Dad ihnen das Auto überlässt", verdrehte sie überzogen ihre Augen, bevor sie mir hübsche Augen machte und die Lippen zu einem Schmollmund verzog. „Bitte! Bitte, Lulu!"

„Nenn mich nicht so", murmelte ich peinlich berührt. „Und wie soll das bitte überhaupt funktionieren?"

„Du könntest mich auf dem Gepäckträger deines Fahrrads mitnehmen", schlug sie vor und man merkte ihr an, dass sie sich das gesamte Gespräch bereits ausgemalt hatte. Auf jeden Einwand fand sie die passenden Worte und wirkte nicht einmal überfordert oder überrascht von all meinen Fragen. Sie spielte ihr Spiel gut – das musste man ihr lassen.

„Du könntest aber auch selbst in die Pedale treten." Jetzt seufzte sie. Grinsend wandte ich mich von ihr ab. Ich liebte es, mit ihr diese Spielchen zu treiben. Aber ich wollte nicht so sein.

Sollte ich die Angst wirklich mein Leben bestimmen lassen? Bekam Isaac nicht genau das, was er wollte, wenn ich mich vor der Welt und einer Begegnung mit ihm fürchtete? Und die wohl wichtigste Frage: Wollte ich Isaac gewinnen lassen? Nein, auf keinen Fall.

„Okay, ich fahre dich hin", gab ich mich gespielt genervt geschlagen, „aber nur, weil du es bist."

„Danke, danke! Du bist der beste Bruder auf der Welt!"

„Ja ja, genug geschleimt. Wir treffen uns bei der Garage", wank ich lachend ab und sah, wie meine kleine Schwester in ihrem hellgrünen Sommerkleid das Zimmer verließ. Immerhin war es noch früh am Morgen, denn später würde es wieder brühend heiß werden und dann hätte ich sicherlich keine Lust, meine Schwester in Schwerstarbeit mit dem Rad herumzukutschieren. Sie war zwar ein Fliegengewicht, aber es ging im Prinzip. Außerdem mochte ich die Hitze nicht sonderlich, gerade auch deshalb, da ich viel zu schnell Sonnenbrand bekam und mir dann wieder eine Lektion von Mum bezüglich des Auftragens von Sonnencreme anhören dürfte. Sonnencreme mochte ich übrigens auch nicht, dieses schleimige Zeug klebte den ganzen Tag wie eine Schicht Öl am ganzen Körper. Zumindest tat dies unsere mit dem enorm hohen Lichtschutzfaktor, den wir auch alle definitiv nötig hatten, außer Mum und Lyn.

Deshalb angelte ich rasch meine Sneakers aus der Ecke und verflüchtigte mich nach Unten, bevor es zu einer solchen Lektion durch Mum kommen konnte. Oben hörte ich Ari die Treppe herunterstolpern und warf ihr einen alarmierenden Blick zu. Sie war viel zu laut und ich wollte die Konfrontation mit Mum unbedingt verhindern.

„Ari?" Zu spät. Es war ein Wunder, dass mein bitterböser Seitenblick meine kleine Schwester nicht augenblicklich tot umfallen ließ.

„Ja?", fragte sie mit lieblicher Stimme zurück. „Ich wollte zu Susan, ist das okay?" Wir wurden von unserer Mutter nicht kontrolliert, aber sie wusste schon gerne, wo wir hingingen und vielleicht auch, wann wir wieder zurück wären.

„Natürlich, aber hast du dich auch eingecremt?" Ich hasse meine kleine Schwester für ihre Lautstärke. Wie konnte so ein zierliches Mädchen, wie sie, bloß so einen Lärm machen? Ich meine, die hatte kaum Gewicht, um überhaupt richtig trampeln zu können, oder?

„Aber Mum", begann sie zu nörgeln.

„Kein Aber!", unterbrach die Herrin des Hauses sie uneinsichtig. „Sonst gehst du mir nicht aus dem Haus." Zu allem Übel stand sie mittlerweile am Kopf der Treppe und sah zu uns Beiden hinunter.

Anders, als ich es erwartet hätte, schien sie überrascht, mich an der Schwelle zu unserer Haustür zu sehen. Vermutlich, weil ich die letzten Tage das Haus nicht verlassen hatte und mich lediglich für den Weg zur Schule hinausgewagt hatte.

„Und wo möchtest du hin?", fragte sie mich vorsichtig. Vielleicht hatte sie Angst, dass sie mich verschrecken könnte und ich dann nicht mehr nach Draußen wollte? Ich wusste es nicht, aber ich hatte jetzt echt etwas gut bei Ari für das, was sie mir jetzt gleich antat.

„Ich wollte Ari zu Susan bringen. Mit dem Fahrrad", erklärte ich und fügte nach einem tiefen Atemzug hinzu: „Und wir kleistern uns vorher mit einem halben Liter Sonnenschutz zu, bevor wir gehen."

„Ich möchte nur nicht, dass wir Beide wieder zum Arzt müssen." Musste sie wieder die alte Leier beginnen? Es lag ein paar Jahre zurück, da hatte ich mir im Schwimmbad mit Nik Mal einen heftigen Sonnenbrand eingefangen. Der war wohl auch nach den Ärzten zu Urteilen nicht ganz so harmlos und nachdem Ari im Sommer einmal mit Susan Zelten war und sie im Anschluss auch einen Sonnenbrand hatte, weil sie sich nicht geschützt hatte, war unsere Mutter wie besessen von Sonnencreme. Unser gesamte Sommer bestand daraus, jede Woche gefühlt eine Tube davon zu leeren und neu einzukaufen, weil wir sonst nicht das Haus verlassen durften.

„Wir tun doch, was du sagst. Siehst du, ich habe sie schon hergeholt." Wir hatten dieses Zeug nahezu überall im Haus herumfliegen, so auch in der Kommode für unsere tausend Paar Schuhe.

Provokativ gab ich Ari eine ganze Ladung auf die ausgestreckten Handflächen, sodass sie mir heimlich einen Mordblick zuwarf, den ich nur mit zusammengekniffenen Augen abstempelte.

„Bekommt euch deswegen nicht in die Haare, ich hätte es sowieso mitbekommen, glaubt mir." Leider tat ich das. Sie kannte uns einfach zu gut, nun mal unser ganzes Leben.

„Niemals!", rief ich ihr überzogen zurück und lachte die Rothaarige vor mir aus, die versuchte, die Masse irgendwie auf ihrer Haut zu verteilen. „Komm, gib mir was davon ab." Sie schmierte mir die Hälfte auf die Hände und nachdem wir in dem stinkenden, weißen Zeug praktisch gebadet hatten, ging es endlich los zur Garage, um mein Fahrrad zu satteln.

Der alte Drahtesel hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, aber das lag lange zurück. Er hatte vorher schon Akio dienen müssen und war demnach schon ziemlich mitgenommen, als ich ihn in die Hände bekam. Wenn Hiroki und Marko Pech hatten, dann würde einer von den Beiden womöglich noch das alte Teil irgendwann fahren müssen. Wobei ich daran nicht wirklich glauben konnte, denn diese Zeit würde noch mehr als ein Jahrzehnt auf sich warten lassen müssen – und bis dahin wäre das Rad wohl längst ein Fall für die Müllhalde.

„Deine Schuld bei mir ist gerade um ein Vielfaches gestiegen, Schwesterherz", teilte ich ihr mit, während sie sich auf den Gepäckträger schwang und ihre Hände tief in dem Metall verankerte, um den nötigen Halt zu bekommen. Kurz darauf fuhr ich los und spürte ihren Kopf, den sie auf meinen Rücken gelegt hatte.

„Damit kann ich leben", meinte sie kichernd. „Ich werde mich dafür irgendwann revanchieren. Sag mir nur, was du willst."

„Nicht auf deinem Geburtstag Karaoke singen?" Mein Einwurf schien ihr ganz und gar nicht zu gefallen, denn sie liebte die Musik und Alles, was damit in Verbindung stand. Vor ein paar Jahren war die Liebe zum Karaoke singen in ihr erwacht und ich musste es mit ausbaden.

„Ne, ich überlege mir was Anderes", konterte sie geschwind, „ich brauche doch meinen besten Sänger!" Wir wussten Beide ganz genau, dass ich nicht singen konnte – also nicht besser, als der Durchschnitt. Dazu kam, dass ich ungern vor Fremden sang, sondern lieber unter der Dusche, wo ich allein war und meine Privatsphäre hatte. Passierte nicht oft, dass ich Ruhe hatte, wenn man fünf Geschwister hatte und damit zu Acht im Haus verkehrte.

Ich lachte gekünstelt. „Guter Witz."

„Es ist nicht so schlecht." Sie zog es extra in die Länge, damit mir ihrer Meinung nach wohl klar wurde, dass es für die Zweitstimme neben ihr ausreichend wäre. „Es geht ja nicht darum, dass man perfekt singen kann, wie ein richtiger Sänger, sondern um den Spaß. Ich selbst bin schließlich auch kein Profi, es ist nur lustig." Nur fand ich das irgendwie gar nicht so witzig mich zu blamieren.

Inzwischen hatten wir unsere Straße längst hinter uns gelassen und ich radelte die Hauptstraße hinunter, um am Spielplatz vorbei zu fahren und anschließend den kleinen Hügel hochzukraxeln.

„Du schaffst es!", feuerte Ari mich auf den letzten Metern an, obwohl ich auch gut darauf hätte verzichten können. Es hatten sich einige Passanten zu uns umgedreht.

Umso glücklicher war ich, als ich auf dem Gehweg vor dem Haus ihrer besten Freundin zum Stehen kam und sie vom Gepäckträger abstieg.

„Danke!", trällerte sie, bevor sie an der Tür klingelte und sich zu mir umdrehte, um mir zum Abschied zu winken. „Bis heute Abend!" Dies sah ich als Zeichen mich auf den Rückweg zu begeben.

Bergab ging es schneller und ich ließ mich den gesamten Hügel hinabrollen, ohne große Mühe. Ich genoss schlicht den Wind und die Aussicht von Oben, bis ich unten in die Pedale trat, um den Schwung auszunutzen und die Geschwindigkeit beizubehalten. Allerdings erhielt plötzlich etwas anders meine ungeteilte Aufmerksamkeit und ich wurde Meter für Meter langsamer, ohne es wirklich zu realisieren.

Wieso hatte ich nur das Haus verlassen? Und warum hasste mich mein Leben so sehr? Warum?

Er lief direkt auf mich zu, hatte mich jedoch noch nicht bemerkt, wie es aussah. Die blonden Haare hatte er aufwendig gestylt und seine Augen richteten sich auf das Haus auf der anderen Straßenseite, unserer gegenüber. Das Einfamilienhaus wirkte verlassen, es stand kein Wagen in der Einfahrt und auch sonst schien es seit einer Weile verlassen.

Das war das Haus von Thomas und seiner Tochter.

„Oh", entfuhr es Jonas, als er mich schließlich doch erkannte. Die Räder hatten längst ihren Schwung eingebüßt und schon etliche Meter vor Jonas angehalten, weshalb er mich nicht sofort gesehen hatte. „Hi."

Ich war völlig perplex. Wieso redete er auf einmal wieder mit mir? Was sollte ich sagen?

„Hey", gab ich kurz angebunden zurück, weil mir schlichtweg die Worte für ein Gespräch mit ihm fehlten. Das er mich angesprochen hatte, war schon Überforderung genug für mich, mein Gehirn setzte vollkommen aus.

Offensichtlich schien ihm unsere Begegnung genauso unangenehm zu sein, wie mir, denn er brach die unerträgliche Stille nicht. Er wank nach ein paar Sekunden nur ungelenk mit seiner Hand und lief dann zügig an mir vorbei.

Das war es jetzt also gewesen? Er grüßte mich, damit er im Anschluss keinerlei Worte mit mir wechselte?

Ungläubig drehte ich meinen Oberkörper und sah ihm hinterher, doch er ging nur weiter seines Weges, den kleinen Hügel hinauf und war bereits jetzt schon viel zu weit entfernt, als das ich ihm noch etwas hätte entgegnen können. Dies schien wohl auch seine Absicht gewesen zu sein.

Eigentlich hätte es mich nicht stören sollen, denn ich hätte nicht gewusst, was ich mit ihm zu besprechen hatte – doch es störte mich ungemein. Und zugleich war es mir so peinlich, dass ich am Liebsten im Erdboden versunken wäre.

Um nicht weiter in der Gegend herumzustehen, setzte ich mich wieder in Bewegung und ließ die Wohnsiedlung hinter mir – ließ Jonas hinter mir.

„So eine Scheiße", fluchte ich leise in mich hinein und fuhr schließlich an unserem Haus vorbei, die Straße hinunter. In meinem derzeitigen Zustand wollte ich nicht nach Hause.

Mir wäre sogar ein Aufeinandertreffen mit Isaac lieber gewesen, als mit ihm. Mir hätte Jeder begegnen können, Jeder, außer ihm. Seit Tagen konnte ich an nichts Anderes mehr denken, als an dieses blöde Geständnis und das es mich einen meiner besten Freunde gekostet hatte.

Wie konnten meine Gefühle für ihn nur alles zerstören? Warum musste ich so fühlen? Es schmerzte, sowohl die in die Brüche gegangene Freundschaft, als auch mein Herz.

Mein Magen begann zu krampfen, sodass ich anhalten musste, weil ich nicht mehr lenken konnte mit einer Hand. Die andere hatte ich um meinen Bauch geschlungen, in der Hoffnung, dass ich dem Schmerz so Einhalt gebieten konnte.

Aber ich schätzte, eine Hand konnte meinen Herzschmerz nicht heilen.

Eigentlich war ich auf dem Weg zu Nik gewesen, aber dies konnte ich jetzt vergessen. In meinem Zustand wollte ich ihm lieber nicht vor die Augen treten, sonst würde er sich nur Sorgen machen.

Stattdessen parkte ich mein Fahrrad an einem der Bäume und lief ein paar Schritte in den schützenden Wald hinein, um mich unter einem der dicken Nadelbäume niederzulassen.

Dann erst, allein und im Schutze des Waldes, konnte ich meinen Emotionen freien Lauf lassen. Es wäre Niemand dort, der mich sehen würde. Niemand dort, der mir einreden würde, dass Alles besser werden würde. Niemand, der mich versuchen würde aufzuheitern.

Ich wollte ihnen keine Sorgen bereiten, wollte nicht hören, dass bessere Zeiten kommen würden. Das wusste ich – und dennoch war es derzeit so schwer, daran zu glauben. Und vor allem wollte ich nicht fröhlich sein, wenn Alles in mir nach Einsamkeit und Tränen schrie.

Auch wenn Akio mittlerweile wieder mit mir sprach und sogar zum Training mit Dad ging, wollte ich ihn damit nicht unnötig belasten. Außerdem wüsste ich nicht einmal, wie ich ihm oder Mum oder überhaupt Jemandem in meiner Familie erzählen sollte, dass ich auf einen anderen Jungen stand.

Ich weiß, dass sie mich nie dafür verurteilen würden, aber ich hatte trotzdem Angst, es offen zu erzählen. Dafür gab es keine Worte – und nach der Abfuhr von Jonas könnte es sogar sein, dass ich mich nie wieder in einen Kerl verlieben würde, oder? Vielleicht war es tatsächlich nur eine einmalige Sache? Eine Phase?

Doch egal, wie lange ich darüber nachdachte, dieser Gedanke würde immer eine Lüge bleiben, dass wusste ich selbst. Und dennoch konnte ich diese Wahrheit noch nicht annehmen. Eines Tages wäre es vielleicht soweit, nur heute noch nicht.

Schniefend sah ich zu den Baumkronen empor und schloss meine nassen Lider. Das Rauschen der Blätter war klar zu vernehmen und beruhigte mich.

Es war nicht das Ende der Welt, ich atmete immer noch. So leicht war ich nicht kleinzukriegen. Nicht wegen ein paar unerwiderten Gefühlen. Egal, wie sehr es auch schmerzte, es würde vorübergehen, ganz sicher.

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