♔ Achtundzwanzig tote Brüder

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Collin begleitete mich auf dem Rückweg bis zu meinem Schlafgemach, in dem Madga schon auf mich warten würde, um mich für das Abendessen frisch zu machen. Ich hoffte, dass sie nicht in dieser Sekunde aus der Tür platzte. Es reichte schon, dass sie vermutete ich hätte die Nacht mit Nathaniel verbracht. Wenn ich jetzt so vertraut mit Collin auftauche, wird dieser Frau der Kopf platzen, dem war ich mir wirklich mehr als nur sicher.

„Danke, dass du mich mit deiner Gesellschaft beehrt hast.", sagte ich, stellte mich auf die Zehnspitzen um ihm einen Kuss auf die Wange zu hauchen.
„Und danke für deine Ehrlichkeit.", flüsterte ich, als meine Lippen seine Wange streiften. Ich bemerkte seine Anspannung, seine Haltung änderte sich, seine Hände verschränkten sich miteinander. Es entlockte mir ein Lächeln, solch eine Wirkung auf Collin zu haben.
Collin, der niemals die Fassung verloren hatte, seit ich ihm das erste Mal begegnet war.
„Danke, dass du gefragt hast."

Als Collin den Flur entlanglief, blieb ich noch kurz vor meiner Tür stehen, um einen Moment Luft zu holen.
„Ihr saht sehr vertraut aus.", hörte ich eine raue Stimme, bevor ich den Mann sehen konnte, der dazugehörte. Nathaniel lehnte gegen eine Wand, weiter hinten im Flur. Ich hatte ihn überhaupt nicht bemerkt. Nachdem der Schock vorbei war, straffte ich augenblicklich meine Schultern.
„Schön, dass es dir aufgefallen ist.", erwiderte ich schnippisch. Spätestens jetzt kochte er vor Wut, denn das war mit Sicherheit nicht die Antwort, die er erwartet hatte.

„Was geht dort vor zwischen euch beiden?" Mit schnellen Schritten kam er auf mich zu, baute sich bedrohlich vor mir auf. Doch ich hatte keine Angst vor ihm, also schüchterte mich diese Geste auch nicht ein. Ich wusste, dass dort nicht wirklich Nathaniel vor mir stand, sondern Prinz Black.

„Wir sind Freunde, Nathaniel. Sei froh, dass ich hinter diesen Mauern überhaupt einen Freund gefunden habe." Seine Augen verdunkelten sich. Es war jedes Mal faszinierend, wenn sie beinahe schwarz wurden.
„Du kannst jeden verdammten Menschen in diesem Schloss zum Freund haben, aber nicht ihn.", fauchte er. Er wollte aber nicht meinen Bruder sagen, dass wusste ich. Doch ihm war, genauso wie mir, bewusst, dass uns jemand hören konnte. Vielleicht stand Madga an der Tür und lauschte, das war wirklich gut möglich, so groß wie die Neugierde dieser Frau war.

„Wieso nicht? Nur weil du nicht mit ihm zurechtkommst, ist es mir ebenso verwehrt?"
„Genau. Das ist die richtige Antwort, Prinzessin."
„Das ist Schwachsinn. Steig von deinem hohen Ross herunter und spar dir die Eifersucht. Er ist ehrlich zu mir. Immer. Er erzählt mir Dinge, die du mir nicht erzählen kannst. Er hört mir zu, wenn du mir nicht zuhören kannst. Wir sind Freunde und ich kann einen Freund wirklich gut gebrauchen. Du hast kein Recht eifersüchtig zu sein, wenn ich diejenige bin, die zuschauen muss wie du eine andere Frau heiratest!"

Den letzten Satz wollte ich nicht sagen, er war in meiner Rage einfach aus meinem Mund gerutscht und ich bereute es sofort. Ich wollte meine Gefühle unter Verschluss halten, solange Nathaniel sich vor mir verschloss.
Seine Gesichtszüge wurden augenblicklich weicher, seine Augen heller. Da war es wieder, das Mitleid, dass ich so sehr hasste.
„Er ist ehrlich zu dir?", wiederholte er, seine Hand hob sich vorsichtig, seine Finger streiften mein Gesicht.

„Ja. Er hat mir über seine Kindheit erzählt. Über, du weißt schon wen. Er erzählt mir alles, manchmal in Rätseln, aber er ist ehrlich zu mir."
Kurz schloss Nathaniel seine Augen, atmete tief ein, und langsam wieder aus. Seine Hand verweilte auf meiner Wange.
„Du willst Ehrlichkeit, du bekommst sie. Aber ich will keine Tränen sehen, wenn mich diese verdammte Wahrheit eines Tages den Kopf kostet.", sagte er zwischen zusammengepressten Zähnen. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Solange wollte ich nichts, außer der Wahrheit. Doch jetzt wo ich kurz davorstand, bekam ich Angst. Angst vor seinen Worten, Angst vor dem Tod. Seinem, oder meinem.

„Ich werde schweigen, dass verspreche ich dir."
Er legte den Kopf leicht schief, strich mir eine blonde Haarsträhne hinters Ohr.
„Manchmal tut es so sehr weh, dass man nicht lügen kann, Eadlyn. Doch ich hoffe, dass du das niemals erfahren musst."

Nathaniel zog mich an meiner Hand durch die schier endlosen Gänge des Schlosses. Wir liefen durch Ecken, die ich noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Wann war hier das letzte Mal ein Mensch gewesen? Ich versuchte mir zu merken, wo genau wir langliefen, falls es sich später als nützlich erweisen würde, doch ich verlor jegliche Orientierung in diesem Labyrinth aus Gängen und Steinwänden.

Ich wusste nicht, wie lange wir liefen, bis wir vor einer Tür zum Stehen kamen.
Er zögerte, dann zog er ein Schlüsselbund aus seinem schwarzen Umhang.
„Hierher komme ich, wenn ich mich daran erinnern muss, was ich alles tun musste, um dort zu stehen, wo ich stehe. Um ein Prinz zu sein, der für sein Volk da sein kann, Verantwortung übernehmen kann." Er steckte einen länglichen Schlüssel in das Türschloss und drehte ihn zwei Mal.

„Wenn ich Truppen in den Krieg schicken muss, Soldaten ihr Leben lassen. Dann komme ich her, um zu würdigen was ich gehen lassen musste." In seiner Stimme lag Traurigkeit, die ich bis zu diesem Tag noch nie von ihm gehört hatte. Sie war voller Reue und Bedauern, ließ mir einen eisigen Schauer über den Rücken laufen.

Mit einem leisen Knarren öffnete er die Tür zu einem Keller. Ich verharrte einen Moment. Denn ich hatte das Gefühl, wenn wir diese Stufen nach unten gehen würden, gab es kein zurück mehr. Wollte ich das? Wollte ich nie wieder zurückgehen können?
Nathaniel reichte mir seine Hand, schaute mich fragend an.
Dann ergriff ich sie. Eisige Kälte strömte uns entgegen, als wir in den Keller gingen.
Kälte, die ich noch nie auf meiner Haut gespürt hatte. Sie ging tiefer, drang durch meine Haut bis in meine Knochen, wo sie sich mit meinem Blut vermischte. Es war Kälte, die mich nicht mehr verlassen würde.

„Wer ist hier unten gestorben?", fragte ich leise, versuchte den Kloß herunterzuschlucken, der sich in meinem Hals gebildet hatte. Mein Mund war staubtrocken.
Nathaniel zündete die Kerzen an den Wänden an, im nächsten Moment erstrahlte der Raum in einem friedlichen orange, dabei sah nichts an ihm überhaupt friedlich aus.
Zwei einfache Betten standen an den Wänden, eins links, eins rechts. Zwei Schwerter hingen an der Wand in der Mitte, und ein Stapel Pergament verstreut auf dem Boden vor einem Schreibtisch mit einem Stuhl. Das war alles.

Ich schaffte es nicht, noch ein einziges Wort zu sagen, doch das brauchte ich auch nicht. Der Mann, dem mein Herz gehörte, stellte sich in die Mitte des Raumes und begann zu erzählen. Seine Stimme klang beinahe so, als würde sie ihm nicht mehr gehören. Und wahrscheinlich wünschte er sich in diesem Moment auch nichts mehr als das.
Er schaute auf das linke Bett.

„Hier hat Edward geschlafen." Seine Augen glitten auf die rechte Seite.
„Und dort ich."
Für einen Moment herrschte Stille, als ob diese zwei Sätze ausreichen würden um den Schmerz in diesem Raum zu erklären.

„Edward ist sehr krank auf die Welt gekommen. Sie haben ihn versteckt, genauso wie sie Collin versteckt haben. Sie haben sich für ihn geschämt. Er konnte nicht laufen, kaum sprechen. Er und Collin hingegen waren ein Herz und eine Seele. Sie hatten schließlich auch nur einander. Während ich mit dir den Schlossgarten unsicher gemacht habe, gelernt habe zu schreiben, lesen oder zu reiten, haben die beiden ein Leben in verborgenen Ecken und Schatten geführt. Sie kamen klar, solange bis meine Mutter Collin fortgeschickt hat. Edwards Zustand wurde schlimmer, er vermisste seinen Bruder schrecklich. Er wollte raus, wehrte sich gegen alles, was meine Eltern versuchten. Mein Vater hatte von Tag zu Tag mehr Angst, dass Edward sich selbst verraten würde, und somit auch das Königreich. Trotz seiner Krankheit hatte er Anspruch auf die Krone, er wäre nicht der Erste König dieser Art gewesen."

Er machte eine kurze Pause, traute sich jedoch nicht, mir in die Augen zu sehen.
„Mein Vater redete mir ein, dass er eine Schande für unsere Familie sei, alles kaputt machen würde was er so hart erarbeitet und aufgebaut hatte. Mein Onkel wurde getötet, der Himmel hat ihm diese Verantwortung geschenkt. Er fühlte sich auserkoren, und konnte diese Gefahr nicht eingehen, solange hatte er Edward versteckt um sich jetzt alles kaputt machen lassen zu können. Doch ich wehrte mich, versuchte Edward zu beschützen. Verzweifelt suchte ich nach einer anderen Idee, die Erbreinfolge zu ändern, doch du weißt genauso gut wie ich, dass es keine gibt."

Niemand sprach über die Ermordung von König Theodore Black, dem Bruder von Osiris. Der Mörder wurde nie gefunden und böse Zungen behaupten, dass Osiris es auch nie wirklich versucht habe. Aber aus Furcht, schwiegen die Menschen und sprachen darüber nur hinter dreifach verschlossenen Türen.
Und da Theodore zu diesem Zeitpunkt weder eine Frau noch Kinder hatte, ging die Krone an seinen Bruder.

„Mein Vater merkte, dass ich mich seine Anweisung wiedersetzte, seine Ansichten nicht gut hieß egal wie oft er mir diese versuchte einzuprügeln." Etwas blitzte in seinen Augen, und ich wusste, dass sein Vater ihn geschlagen hatte, ohne dass er es laut aussprechen musste.
Als er weitersprach brach seine Stimme, und mit ihr mein Herz.

„Mein Sohn, wenn du der Meinung bist, Edward könnte dieses Reich regieren, lass den Himmel entscheiden, wer der stärkere Prinz von euch ist. Wenn du es nicht tun kannst, legen wir euer Schicksal in seine Hände.", äffte er die Stimme seines Vaters nach. Tränen glänzten in seinen Augen, seine Hand begann zu zittern, als er seinen silbernen Familienring an seinem Finger zu drehen begann.

„Also hat er uns hier unten eingesperrt. Ich weiß nicht, wie lange. Wir haben kein Essen bekommen, kein Trinken. Niemand hat meine Hilferufe gehört, mein Wimmern oder Flehen. Edwards Stimme war nie kräftig genug um überhaupt schreien zu können."
Seine Augen fanden die Schwerter an der Wand.

„Er hat uns, so gütig wie er ist, die Möglichkeit gegeben, uns gegenseitig umzubringen. Wahrscheinlich hat er sogar gedacht, ich würde es tun. Er hätte einen Sohn hervorgebracht, auf den er Stolz sein konnte. Doch ich habe es nicht übers Herz gebracht. Edward war krank, er hatte nie eine Chance das zu überleben, und das wusste Osiris. Ohne Essen, ohne seine Medikamente. Wir haben nicht mehr geschlafen, aus Angst einander doch falsch eingeschätzt zu haben. In den letzten Tagen die wir zusammen hatten, hat unser Vater uns so weit auseinandergetrieben." Eine Träne rollte über seine Wange, ich machte einen Schritt auf ihn zu, doch er wich aus.

„Ich habe mit dem Gedanken gespielt mir dieses verdammte Schwert einfach selbst ins Herz zu jagen. Ich wollte es, ich wollte es wirklich. Dem ein Ende setzen, Edward seinen Thron überlassen, meinen Vater stinksauer machen. Ich habe einen Abschiedsbrief geschrieben, er war für dich."

Jetzt schluchzte er, fuhr sich verzweifelt mit seiner Hand durch die rabenschwarzen Haare. Meine Augen füllten sich ebenso mit Tränen.
Ich habe einen Abschiedsbrief geschrieben, er war für dich.
„Ich habe es nicht, ich konnte es nicht. Ich war zu feige. Edward brachte es genauso wenig übers Herz. So oft stand ich kurz davor. Ich war ein verdammter Feigling."

Ein lautes Krachen ertönte, als er den einzigen Stuhl in diesem Raum gegen die Wand schleuderte und in seine Einzelteile zerfiel.
„Ich war ein riesiger Feigling.", wimmerte er, als er wie der Stuhl zu Boden ging.
Mit drei Schritten war ich bei ihm, schloss meine Arme um seinen bebenden Körper.
„Nathaniel.", flehte ich. Niemals wollte ich ihn soweit treiben, doch ich hatte das Gefühl, jemand musste ihn über diese Grenze schicken, damit er zurück zu sich selbst fand.

„Er ist gestorben. Ich weiß nicht nach wie vielen Tagen. Er ist gestorben, und es hat ihn furchtbar gequält. Aber er wollte nicht aufgeben, ein letztes Mal Stärke zeigen. Und ich konnte nichts, rein gar nichts dagegen tun außer zuzusehen. Wenn ich dieses Schwert genommen hätte -." Schluchzer erfüllten den leeren Raum, hallten von den Wänden wider wie das weinen vergangener Geister.

„Es ist nicht deine Schuld.", flüsterte ich, strich ihm sanft über seine Haare, während er sich an mich klammerte.
„Ich war doch erst 15. Er war mein großer Bruder. Er sollte jetzt noch hier sein. Er sollte dieses verdammt verfluchte Königreich übernehmen, nicht ich. Es war nie meine Aufgabe."

Er weinte, und ich ließ ihn, versuchte ihm den Halt zu geben, den er brauchte. Ich sagte nichts, denn das würde es nicht besser machen, es würde nichts ändern.
Gefühle waren dafür da, gefühlt zu werden.
Ich ließ die Wellen über ihn einbrechen, immer und immer wieder, solange, bis es nicht mehr wehtun würde. Bis er die Welle brach, und nicht die Welle ihn.

Mein Herz schmerzte für den Mann in meinen Armen. Doch da war ein Gefühl, welches diesen Schmerz überschattete. Hass.
Mein Untergang würde der Untergang von Osiris Black sein.
Wenn das bis zu diesem Punkt eine eher wacklige Entscheidung war, stand sie jetzt felsenfest.

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