♔ Sechsundzwanzigmal Collin

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„Begleitest du mich auf einen Spaziergang?", fragte ich Collin, der seinen Kopf gerade in ein Buch gesteckt hatte. Eine der Bediensteten hatte mir gesagt, wo ich ihn finden konnte. Und bevor Nathaniel doch noch auf die Idee kam mir hinterherzulaufen, wäre es mir lieber das Schloss für kurze Zeit zu verlassen.

Er klappte das Buch zu und schaute nach oben, seine blauen Augen fanden meine, ein kleines Lächeln zierte seine Lippen.
„Wie kommt es, dass du meine Gesellschaft dabei wünschst, gioia mia?"
„Du bist gerade die Beste Wahl im ganzen Schloss.", sagte ich, ohne mit der Wimper zu zucken. Denn das entsprach der Wahrheit. Collin war ehrlich zu mir, zumindest soweit ich das einschätzen konnte. Er wollte mir helfen, mich beschützen, und ich fühlte mich wohl in seiner Gegenwart. Das konnte ich nicht leugnen. Seine Augen blitzten bei meinen Worten kurz auf.
„Wie erfreut ich bin das zu hören.", grinste er und stand langsam auf.

Er trug eine braune Hose und ein weißes Leinenhemd.
„Wolltest du demnächst ausreiten?", fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue. Anders konnte ich mir die Wahl seiner Anziehsachen nicht erklären.
„Möglicherweise. Aber jetzt habe ich eine viel bessere Beschäftigung für den Tag."

Wir verließen das Schloss durch die Haupttüren, und fanden uns im Garten wieder. 
„Erzähl mir etwas über dich. Wie bist du aufgewachsen, was hast du alles schon mit deinen Augen sehen können?", unterbrach ich die angenehme Stille. Meine Stimme klang aufgeregt, denn der Gedanke an ein Leben auf Reisen löste Sehnsucht in mir aus.
Collin hingegen senkte seinen Kopf und wandte seinen Blick ab.

„Wir müssen nicht – tut mir leid, wenn das eine unangenehme Frage für dich ist.", entschuldigte ich mich so schnell wie möglich.
Er brauchte einen Moment, um seine Stimme wiederzufinden.
„Wenn wir Verbündete sein wollen, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als ehrlich zu dir zu sein, oder gioia mia?"
Bevor ich ihm eine Antwort geben konnte, sprach er auch schon weiter, steuerte auf das Gewächshaus zu.

„Ich habe einige Jahre im Schloss verbracht, als ich noch klein war. Immer unbemerkt und bedacht darauf, dass niemand etwas von mir erfährt. Ich habe alleine gespielt, alleine gelernt. Meine Eltern haben mich unter Verschluss gehalten."
Er hielt die Tür für mich auf, und die Luft wurde augenblicklich angenehmer als wir das Gewächshaus betraten. 
„Wieso?"

„Mein Vater ist nun einmal nicht Osiris, sondern ein Geschäftsmann auf Reisen, der ein wenig Spaß mit meiner Mutter hatte. Falls meine Identität jedoch herauskommen sollte, und Nathaniel keinen Sohn hat, würde ich trotzdem als eheliches Kind angesehen werden. Osiris hat sich irgendeine verworrene Geschichte ausgedacht, einige Schriftstücke gefälscht. Ich wäre dann ein verlorener Sohn der endlich den Weg heimgefunden hat."
„Wieder stellt sich mir die Frage, wieso? Wieso würde Osiris das tun?"
Collin zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht, Sonnenschein. Vielleicht weil außer mir niemand mehr übrig ist, wenn Nathaniel etwas passiert. Umso bedachter ist Osiris natürlich darauf, dass Nathaniel nichts passiert, solange bis er einen Sohn bekommen hat. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob er sein Königreich nicht lieber in Flammen setzen würde als mir den Thron zu überlassen."
Mein Gehirn versuchte zu verstehen, zu verarbeiten. Ich war unendlich dankbar für Collins Offenheit, für die Ehrlichkeit die ich hier sonst nirgendwo fand.

„Als ich zu alt wurde, um nur noch zu tun, was man mir befahl, musste ich das Schloss mit meinem Vater verlassen. Wir sind auf dem Meer gesegelt und haben jedes Königreich besucht. Ich war in den Hauptstädten, in kleinen Dörfern. Doch mein Vater hat sich nie angefühlt wie ein Vater. Er sorgte sich zwar um meine Gesundheit, jedoch um nichts anderes. Ich war allein, die meiste Zeit über. Habe mir alleine das Lesen und Schreiben beigebracht und gelernt mich zu verteidigen. Ich war darauf eingestellt, mein restliches Leben so verbringen zu müssen. Dann ist mein Vater gestorben und mich hat ein Brief erreicht, in dem Cora mich zurück an den Hof geladen hat, wenn ich nicht wusste wohin. Natürlich nur unter der Bedingung, meine Identität geheim zu halten. Und diesen Deal bin ich eingegangen. Ohne meinen Vater hatte ich nicht mehr viel. Ich konnte zwar segeln, aber hatte keine Ahnung von seinen Aufträgen oder seinem Handwerk. Wie schon gesagt, er hat mich nie mit einbezogen. Und jetzt bin ich wieder hier und mache allen das Leben so schwer wie nur möglich."

Wir ließen uns auf eine kleine Bank fallen, die zwischen einigen Grünpflanzen stand.
Das Klima hier drinnen war wirklich angenehm.
Für einen Moment überlegte ich, Nathaniels anderen Bruder anzusprechen. Doch dann sah ich die Trauer in Collins Augen. Er hatte nie jemanden gehabt, der sich für ihn interessierte. Er wurde von seiner Mutter verstoßen und von seinem Vater nicht geliebt. Er war allein. Und für mich da. Also entschied ich mich, für ihn da zu sein.

Es war wahrscheinlich sowieso besser, das Gespräch über Edward mit Nathaniel zu führen.
Vorsichtig lehnte ich mich gegen Collins Schulter, wollte keine Grenze überschreiten, die er vielleicht hatte. Doch als er keine Einwände entgegenbrachte, ließ ich mich komplett gegen sie fallen.
„Erzähl mir von den anderen Königreichen, wie ist es dort? Was gibt es, was es hier nicht gibt? Ich will alles wissen. So gerne würde ich diese einmal bereisen.", sagte ich sehnsüchtig.

Ich hörte ein leises Lachen, bevor er seinen Kopf sanft gegen meinen legte. Es fühlte sich wirklich an, wie ein Verbündeter, den ich gefunden hatte. Ohne es mir erklären zu können, fühlte ich mich bei Collin sicher, verstanden.
Was eine Ironie sich verstanden zu fühlen, ohne sich selbst überhaupt verstehen zu können.

„Welches Königreich zuerst, gioia mia?", fragte er mit weicher Stimme.
„Welches hat dir denn am besten gefallen?"
Er erzählte mir von einem riesigen, gefrorenen See im hohen Norden, und wie er auf diesem im Schnee getanzt hatte. Dann von den bunten Blättern und heißer Schokolade. Als nächstes reisten wir in die Tulpenfelder. Er beschrieb mir das Farbenmeer, welches sich über Meilen zog. Ich wollte es malen, ich vermisste meine Leinwände so schmerzlich.

„Es ist faszinierend, wie unterschiedlich die Königreiche sind. Und die Menschen, auf die man dort trifft. Ich wünschte, du könntest das alles mit eigenen Augen sehen. Du würdest strahlen wie die Sonne, da bin ich mir sicher."
„Zeigst du mir die Welt, Collin?", fragte ich leise. Wenn Nathaniels Schicksal mit Tuala besiegelt wurde, würde ich bei meinem ein wenig nachhelfen müssen. Doch ich könnte mir kaum etwas Schöneres vorstellen, als mit Collin und seinem Schiff auf dem Meer zu segeln und alles zu erleben, was diese Welt zu bieten hatte.

„Ich wünschte, ich könnte, gioia mia. Aber ich fürchte, das liegt nur so halb in unseren Händen." 

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