♔ Zwanzig Gefühle zu viel

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Ohne eine Sekunde darüber nachzudenken, schlang ich meine Arme um seinen Hals, doch er blieb kerzengerade stehen. Sein ganzer Körper zitterte, aber bekam nicht die Chance seine Gefühle aus ihm brechen zu lassen.
„Nathaniel.", flüsterte ich erneut. Es musste einen Grund geben, wieso er in diesem Zustand zu mir gekommen war. Wieso er sich nicht in seinen Gemächern verkrochen und abgewartet hat. Doch ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte, was er brauchte.

Ich trat wieder einen Schritt zurück und öffnete die Tür zu meinen Schlafräumen. Ausdruckslos schaute er in das Zimmer, verharrte in dieser Position. Ich wollte ihm die Entscheidung nicht abnehmen, zu nichts drängen. Wenn er hereingehen wollte, konnte er das. Wenn er es für eine schlechte Idee hielt, würde ich hier draußen mit ihm warten.
Es war einzig und allein seine Entscheidung. Also wartete ich geduldig, während sein Blick über meine Sachen glitt.

„Darf ich?", fragte er leise. Ich nickte und er machte einen Schritt in mein Zimmer. Normalerweise vermied ich so etwas. Meine Sachen waren mir heilig. Doch hier gab es nicht viel, was mich ausmachte. Zu Hause hatte ich volle Leinwände, Gedichte und Bücher. Alles wofür mein Herz schlug, und Sachen die mir halfen meine Gefühle auszudrücken, ohne sie laut aussprechen zu müssen. Aber das hier war nicht mein zu Hause. Noch nicht. Vielleicht würde es das auch niemals ganz werden.

Ich sah, wie meine Zofe um die Ecke huschte. Sie fing meinen Blick fragend auf. Nathaniel war dem Himmel sei Dank schon ganz in meinem Zimmer verschwunden, denn sie hätte es den anderen Zofen unter die Nase reiben wollen, hätte sie ihn mit mir zusammen gesehen. Und das konnten wir gerade wirklich nicht brauchen.
„Ich brauche dich heute nicht."
Mein Herz schlug gegen meine Brust, aus Angst, dass sie sich meinen Befehlen widersetzen würde. Sie kam mir vor wie ein Mensch, der es bemerkte, wenn Geheimnisse in der Luft lagen. Wahrscheinlich war sie deswegen auch so begeistert davon, Zofe einer Prinzessin zu werden.
„Aber -.", setzte sie an, doch ich brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Erst jetzt viel mir auf, dass sie einige Anziehsachen über ihren Arm gelegt hatte.
Ich machte einige Schritte auf sie zu, dass es mir lieb wäre wenn sie Nat nicht zu Nahe kommen würden.

„Gib mir diese, und leg dich schlafen." Ich versuchte meine Stimme nett, aber bestimmend klingen zu lassen. Doch es schien zu funktionieren. Vorsichtig legte sie mir die Kleidung über den Arm. Jedoch schien Nathaniel nicht meinen Plan zu verfolgen, denn in meinem Zimmer fiel gerade etwas mit einem lauten Knall zu Boden. Erschrocken spannte ich die Schultern an, meine Zofe legte den Kopf schief, um an mir vorbeisehen zu können.

„Da ist jemand in ihren Gemächern! Soll ich die Wachen rufen?", fragte sie aufgeregt und wollte schon losstürmen. Ich bekam gerade noch so ihren dünnen Arm zu fassen, um sie von dieser schlechten Idee abzuhalten.
„Nein. Ich habe Besuch. Ich weiß, dass jemand in meinen Gemächern ist. Und jetzt bitte ich dich inständig zu gehen, und niemandem davon zu erzählen.", flüsterte ich. Ihre Rehbraunen Augen weiteten sich ein wenig, ihr Mund blieb offenstehen.
„Nein. Nein, nein, nein. Es ist nicht -." Jetzt bildete sich ein Lächeln auf ihren Lippen.
Oh, verdammt.
„Keine Sorge, ich werde niemandem etwas verraten."
Meine Hand glitt von ihrem Arm, doch als sie mir zuzwinkerte und in die gleiche Richtung wieder verschwand, aus der sie auch gekommen war, war ich mir nicht so sicher, ob sie dieses Geheimnis für sich behalten konnte.

Mit der Kleidung für Morgen betrat ich mein Schlafgemach und schloss die Türe hinter mir. Nat kniete vor einer Vase, die zu Bruch gegangen war. Einige Rosen verteilten sich auf dem Fußboden zwischen den Scherben. Er sammelte sie auf, doch seine Hände zitterten dabei stark.
„Du brauchst das nicht machen. Ich werde morgen jemandem Bescheid sagen."
Ich legte meine Kleidung beiseite und trat einen Schritt auf ihn zu, meine Worte schienen ihn jedoch überhaupt nicht zu interessieren. Es war beinahe so, als würde er mich überhaupt nicht wahrnehmen. Eine Scherbe glitt ihm wieder aus der Hand, im gleichen Augenblick sah ich einen roten Striemen, der sich in seiner Handinnenfläche gebildet hatte. Schnell suchte sich das Blut seinen Weg aus der frischen Wunde. Doch auch das schien ihn nicht zu interessieren.
„Nathaniel, du blutest." Aber auch diese Worte kamen nicht bei ihm an. Er verhielt sich wie in Trance. Also beschloss ich, mich neben ihn zu knien und ihm beim einsammeln der Scherben zu helfen.

Wir griffen nach der gleichen Scherbe, unsere Hände berührten sich. Seine Haut zu spüren durchfuhr mich mit kleinen Blitzen, von denen ich nicht gedacht hatte, sie noch spüren zu können. Sollte ich Angst vor ihm haben, mich abwenden? Tue ich hier genau das Falsche? Ich wusste es nicht. Doch ich wusste, dass dieser Mann mich etwas fühlen ließ. Ob ich es nun fühlen wollte oder nicht, stellte ich hinten an. Zuerst musste ich herausfinden, ob diese Gefühle gefühlt werden durften. Denn wenn Nathaniel seinen Bruder wirklich umgebracht hatte, wusste ich, waren sie mit einem Schlag weggewischt. Wenn es sein Wille gewesen war, nur um den Thron besteigen zu können, würde ich alles hinter mir lassen und nie wieder zurücksehen.
Seine braunen Augen fanden meine. Licht und Dunkelheit, so trafen wir jedes Mal aufs Neue aufeinander.

Doch sie waren blass. Nicht stürmisch, oder aufgewühlt, wie ich es vermutet hatte. Sondern beinahe hellbraun, trostlos. Ich erkannte kaum Nathaniel in ihnen. Hätte ich nicht gewusst, dass er gerade vor mir saß, hätte ich geglaubt er wäre jemand anders.
„Willst du darüber reden?"
Unsere Hände berührten sich immer noch, sein Blick verwob sich mit meinem. Ich versuchte mich vorsichtig an ihn heranzutasten, langsam, um ihn nicht zu verschrecken.
Doch er schwieg, wie schon die ganze Zeit.
Seine Augen wanderten zu unseren Händen. Immer noch tropfte ein wenig Blut aus seiner Wunde auf den hellen Holzfußboden.

Dann schaute er wieder auf mich. Schneller als ich reagieren konnte, richtete er sich auf, ließ seine gesammelten Scherben auf dem Fußboden zurück.
Wie ein scheues Reh trat er einige Schritte zurück, schaute sich verwirrt in meinem Zimmer um. Als hätte ihn jemand hergebracht, als wären es nicht seine eigenen Beine gewesen, die ihn hierhergetragen hatten.

„Nat." Ich richtete mich ebenfalls auf, langsam. Jede Bewegung war kontrolliert. Ich wusste nicht, was mit ihm los war, aber etwas stimmte hier ganz gewaltig nicht. Was war mit ihm passiert? Wovor hatte er Angst, was hatte ihn so verschreckt?
„Nicht." , sag er und hob abwertend die Hand. Er schaute an mir vorbei zu meiner geschlossenen Tür und ich wusste, was in seinem Kopf vor ging.
Ich machte einen Schritt zur Seite, um wieder in sein Blickfeld zu gelangen.
„Geh nicht. Bitte bleib bei mir.", flehte ich.

Wenn er jetzt ging, wusste ich nicht, was er anstellen würde. Ihn in diesem Zustand über die Flure irren zu lassen konnte nur in einem Desaster enden.
Außerdem wollte ich antworten. Ich wollte sie nicht nur, ich brauchte sie. Um mich und mein Gewissen zu beruhigen, um zu wissen ob mein viel zu schnell schlagendes Herz eine Berechtigung dazu hatte. Ich musste wissen, ob das hier mein zu Hause, oder mein schlimmster Albtraum werden würde.
Seine Hände zitterten furchtbar doll.
„Was ist mit dir passiert? Bitte sprich mit mir." Doch er schüttelte nur den Kopf, wich einen Schritt zurück als ich einen auf ihn zumachen wollte.
Seine schwarzen Haare fielen ihm zerzaust in die Stirn, verdeckten für einen Moment seine traurigen Augen.

„Ich weiß nicht wieso ich gekommen bin. Ich werde wieder gehen. Es ist unangebracht hier zu sein." Also trat ich beiseite. Keinesfalls wollte ich ihm das Gefühl geben, eingesperrt zu sein, oder mir verpflichtet zu erzählen was passiert ist.
Wenn, dann sollte er es aus freien Stücken tun, weil er mir vertraute, sich bei mir sicher fühlte. Aber das war wohl nicht der Fall.
Mein Blick heftete sich auf den Fußboden, als er langsam an mir vorbeiging. Als könnte ich ihm jemals etwas tun. Er machte einen Bogen um die gesprungene Vase, doch ich spürte die ganze Zeit seinen Blick auf mir.

Ich erwiderte ihn nicht. Es war zu viel. Zu viel Traurigkeit, zu viel Sorge, zu viel Verachtung. Und alles richtete sich irgendwie gegen ihn Selbst. Ich wollte ihm helfen, ich wollte es so sehr. Doch meine Hilfe konnte nicht aufgezwungen werden. Sie musste angenommen werden.
„Lyn?", fragte er leise, war bereits an der Tür angekommen. Seine Hand umklammerte fest den Griff, seine Adern standen leicht hervor.

„Ja?", fragte ich, mein Blick jetzt wieder auf ihn gerichtet.
Meine Gefühle überkamen mich, ich hatte langsam keinen Platz mehr in den hintersten Ecken meines Körpers. Sie alle waren aufgebraucht für schlimme Sachen, die ich in den letzten Wochen erfahren und verdrängt habe. Doch die Ecken platzten aus allen Nähten, weswegen diese Gefühle gefühlt werden mussten. Nathaniel stieß mich von sich, nachdem ich mich entschieden habe für ihn zu kämpfen. Und das war es verdammt schmerzhaftes Gefühl.

„Du wirst nicht nach Hause gehen morgen.", flüsterte er.
„Das habe ich befürchtet." Die Worte waren ausgesprochen, bevor ich es überhaupt gewollt hatte. Das waren Worte, die gedacht werden konnten, nicht ausgesprochen.
„Ich zwinge dich nicht zu bleiben, rede mit meiner Mutter, wenn du das Schloss verlassen willst."
„Nat, ich -." Doch er riss die Tür auf und war in der nächsten Sekunde verschwunden, bevor ich meinen Satz beenden konnte.

Meine Gedanken und ich waren alleine.
Der Mond schien durch das große Fenster, hüllte alles in eine düstere Stimmung.
Ist das jenes Leben, von dem ich geträumt habe?
Mein Blick glitt aus dem Fenster, blieb an dem sternenverhangenen Himmel hängen.
Ich war müde.
Und ich brauchte einen Anhaltspunkt, irgendetwas, dass mir half Antworten zu finden.
Doch ich stand vor dem Nichts.
Nathaniel wies mich ab, stieß mich von sich.

Das hier könnte der Anfang von meinem Ende sein.

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