3. Kapitel - Avalaine

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Ihre Füße wippten nervös auf und ab. Motivationslos und ungeduldig starrte sie die Wand und die Tür auf der anderen Seite des Ganges an. Auf dem stechend weißen Hintergrund hing ein Gemälde von Claude Monet, das nicht in das alte, heruntergekommene Ambiente der Schule passte. Ava begann, zum vierten Mal die Seerosen zu zählen und aus den Blättern Formen zu interpretieren. Es waren immer noch dreizehn. Tief seufzend zwang sie sich, den Blick abzuwenden.

Der Gang, in dem sie saß, war lang, und hin und wieder führte eine Tür in ein Klassenzimmer oder ein Büro, genau wie die, vor der sie saß. Sie war sich zwar ziemlich sicher, dass niemand mehr in Professor Augsteins Büro war, aber wer hatte denn auch etwas Wichtigeres an einem sonnigen Freitagnachmittag zu tun als vor dem Büro des Direktors zu warten?

Da sie schon seit über einer halben Stunde hier verweilte, waren alle Schüler schon lange gegangen und nur Cas müsste noch auf dem Schulhof warten. Sie seufzte zutiefst genervt.

Immerhin hatte sie- im Gegensatz zu ihrer Mutter- schon alles gepackt und musste eigentlich nichts mehr für morgen erledigen. Robyn dagegen hatte in ihrer unordentlichen Art- die sogar noch extremer war als die von Ava- noch vieles unverstaut gelassen. "Aber ich möchte sie doch noch anschauen, so lange ich kann", hatte sie ihrer Tochter geantwortet, als Ava sie gedrängt hatte, ihre Bilder in einen der Kartons zu packen.

"Aber Ava, ich muss vielleicht noch etwas mixen- man kann nie wissen", hatte sie den noch nicht eingepackten Mixer gerechtfertigt. Ava konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal etwas gemixt hatten, gab es aber auf.

Ihre Gedanken schweiften weiter ab. Gestern hatten sie und ihre Mutter einen Ausflug zum Strand unternommen. "Abschluss- Baden" hatten sie es genannt, auch wenn es in Inverness genauso Strände gab wie hier in Boston. Und doch hatte es etwas abschließendes, endliches an sich.

Ihre Mutter liebte das Meer. Sie liebte alles daran- das Blau, das Wilde, das Unberechenbare. Und es passte. Zu ihren Augen, die der Farbe des Horizontes so ähnlich waren und zu ihrer freien, fröhlichen Art. Ava liebte ihren Blick, den sie jedes Mal am Strand hatte. Er war leuchtend, fast strahlend und ihr weißes Haar wehte wild im Wind. Sie hatten gelacht und waren ins kühle Nass gesprungen. Schon seitdem sie hier wohnten, fuhren sie an die Stelle, an der der Witham in die Nordsee mündete. Dort waren fast nie viele Menschen und man konnte hervorragend auf den Felsen klettern.

"Schau Mal, Ava! Die können wir dann in Inverness zu unserer Sammlung legen!", hatte Robyn aufgeregt geschrien, als sie eine große Muschel gefunden hatte. Sie war braun bis dunkelrot und hatte am einen Ende zwei Zacken, von denen eine Fläche voll kleiner Rillen ausging.

"Das ist eine "gemeine Herzmuschel" ", hatte sie weiter erklärt. Ihre Mutter wusste so etwas manchmal einfach- vielleicht gehörte es zu ihrem Job. Sie konnte erkennen, warum sie so genannt wurde und doch musste sie beim unnötigen Wissen ihrer Mutter lächelnd den Kopf schütteln. Sie hatte genickt und gelacht, als sie den freudigen, warmen Blick von Robyn sah. Es war ein wundervoller Nachmittag gewesen.

"Der Professor kann dich jetzt empfangen." Die Stimme erschrak Ava fast zu Tode, da sie tief in ihren Gedanken gefangen gewesen war. Schnell schnappte sie ihren Rucksack und sprang auf. Ava folgte der Sekretärin und fand sich kurz darauf in dem kleinen Büro des Direktors wieder. Durch ein winziges Fenster schien etwas Sonnenlicht auf seinen riesigen Schreibtisch, der den gesamten Raum auszufüllen schien.

Er saß vor einer großen Anbauwand voller Pokale und Urkunden in einem schwarzen Anzug, der ihn noch kleiner aussehen ließ, als er sowieso schon war. Ohne aufzublicken, schrieb er einfach weiter. Das würde ja lustig werden, dachte Ava und ließ sich zögerlich- unsicher, was sie tun sollte- auf den leeren Stuhl vor dem Tisch sinken. Es herrschte Stille.

Es dauerte allerdings nicht lange, bis er aufschaute und ihr verwirrt in die Augen blickte. Als sei es ihre Schuld, dass sie hier saß. Langsam ließ sich die Erkenntnis in seinen Augen erkennen. Er legte seinen Stift ordentlich neben das Papier, kreuzte die Hände und räusperte sich, als sei sie eine Art Geschäftspartner, den es zu überzeugen galt.

"Ah, Miss Bricks. Schön, sie zu sehen." Schöne Lüge, dachte Ava resignant, doch sie wollte nicht zu abgeneigt erscheinen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie jemals miteinander geredet hatten, in den fünf Jahren, die sie jetzt schon an der Schule war.

"Machen wir es ganz schnell. Ich wollte nur noch ein paar abschließende Worte mit Ihnen wechseln, bevor sie nach.... Irland ziehen."

"Nach Schottland, Sir. Wie kann ich Ihnen helfen?"

"Eigentlich bräuchte ich nur noch Ihren Spindschlüssel und dann kann ich sie entlassen." Er lachte über seine eigene Wortwahl.

Ach, der Schlüssel. Während Avalaine sich daran machte, ihn unter vielen Büchern und Heften hervor zu kramen, öffnete Professor Augstein eine Kaugummischachtel. Als sie den Schlüssel endlich zu fassen bekommen hatte und sich wieder aufrecht hinsetze, wurde ihr schlecht. Nein. Der Direktor hatte schon genüsslich ein Kaugummi in seinen Mund geschoben und biss herzhaft darauf, als sei es ein saftiger Apfel. Sofort kam die gewohnte Angst in Ava, doch sie versuchte, sie zu unterdrücken. Schnell schmiss sie ihm förmlich den Schlüssel in die Arme und versuchte, sich so unauffällig wie möglich zu erheben. Zu ihrem Glück stand auch der Direktor abrupt auf und streckte ihr seine feuchte, schwitzige Hand entgegen. Hektisch nahm Ava sie, schüttelte sich leicht und rannte förmlich nach draußen. Sie versuchte die Übelkeit, die in ihr aufstieg, nieder zu drücken.

Schon so lange sie denken konnte, hatte sie damit Probleme gehabt. Geräusche. Schnarchen und Schmatzen waren das Schlimmste, aber auch andere Töne machten sie fast wahnsinnig. Wenn sie solchen Lauten ausgesetzt war, kam in ihr sofort Furcht und Abscheu auf und der Drang zur Flucht.

Schnell stieß Ava die großen Türen nach draußen auf. Lauwarmer, angenehmer Wind schlug ihr entgegen. Für einen kurzen Moment schloss sie die Augen, um sich wieder zu fangen. Als sie sich beruhigt hatte, dauerte es nicht lange, bis sie Cas entdeckte, der lässig an eine Eiche gelehnt stand.

Es war nicht seine verwaschene Jeans Hose von Tom Tailor oder das T-shirt von Peek und Cloppenburg- das mit einem Klecks Marmelade verschönert wurde-, und schon gar nicht sein wuscheliges, Straßenköter-braunes, in alle Seiten abstehendes Haar, das Aufmerksamkeit auf ihn zog. Es war einzig und allein seine Ausstrahlung. Sein Lächeln, die Art, wie er sich bewegte, wie er lachte. Jetzt war er lediglich an eine Eiche gelehnt und man wollte Zeit mit ihm verbringen. Ihm nahe sein.

Lorenzo stand vor ihm, sein schwarzes Haar war in einem kleinen Dutt gebunden, doch ein paar Strähnen hatten sich gelöst. Sie lachten. Ava fühlte einen Stich. Warum? Sie wusste genau, dass es keinen Grund dafür gab. Es war auch keine Eifersucht. Es war Sehnsucht danach, dass alles so bleiben sollte, wie es war.

„Hey!" rief sie.

Cas drehte sich lächelnd zu ihr und entschlüpfte zärtlich Lorenzos halber Umarmung.

„Hi, du!", an seinen Wangen bildeten sich kleine Grübchen, als er sie anlächelte.

„Ich werde mir dann mal was Essbares besorgen." meine Lorenzo mit einem wissenden Lächeln in Avas Richtung. Er trug eine zerrissene Jeans und ein hautenges Muskelshirt, das gut seinen Bizeps erkennen ließ. Dankend lächelte sie ihm zu. Er drückte Cas einen schnellen Kuss auf die Lippen und machte Anstalten zu gehen, blieb aber noch kurz bei Ava stehen.

"Ciao, Ava. Gute Reise"...", wünschte er, und seine schokoladenbraunen Augen ruhten auf ihr. Er wartete keine Antwort ab, sondern ging zu der Tür, aus der AVa gerade gekommen war und verschwand im Schulhaus. Sie und Lorenzo waren nie besonders dicht gewesen, aber da er immerhin Caspers Freund war, hatten sie sich automatisch immer mal wieder getroffen. Er war sehr attraktiv und hatte mit Sicherheit schon viele Liebesbriefe von dem ein oder anderen Mädchen in ihrem Jahrgang erhalten, das von seinen dunkelbraunen Augen oder seinen fast schwarzen Haaren in Verbindung zu seinem braunen Teint ummantelt wurden. Es ist unnötig zu erwähnen, wie er dazu stand. Als Cas dann die gleichen Gefühlen widerfahren waren, waren alle überrascht, als gerade er der glückliche Gewinner wurde. Seitdem waren die beiden kaum zu trennen.

Ava wandte sich Caspar zu. Er fuhr sich durch seine lockigen Haare und schaute sie erwartungsvoll an.

„Ich hoffe, du musstest nicht zu lange warten? Aber es sah so aus, als hättest du eine unterhaltsame Kompanie bekommen." Zärtlich schlug sie ihm in den Brustkorb, der auf Höhe ihrer Schultern war. Ein kleines Kichern entwich seinen Lippen, wobei seine Wangen Grübchen bildeten.

„Die hatte ich wohl. Ich wäre doch nicht nach Hause gegangen, ohne auf Wiedersehen zu sagen, Cook."

„Du würdest es auch nicht wagen!" flappte Ava ironisch.

„Würde ich nicht." Caspar's Ton wurde ernster. „Würde ich nicht." Für einen kurzen Moment entwich das Funkeln aus seinen Augen und wurde durch etwas Anderes ersetzt.

„Hey, keine falsche Trauer!" Erneut schlug Ava ihm sanft in die Rippen. „Es ist doch kein Abschied für immer! Warte es einfach ab, du wirst erleichtert sein, mich mal los zu sein". Sie vermisste dieses Gesicht, diesen unschuldigen Hundeblick jetzt schon. Lächeln.

„Natürlich. Ich werde mich wohl tatsächlich unter Menschen begeben können. Kannst du das glauben? Menschen." Das Funkeln war definitiv wieder zurück. Viel zu stark genau genommen. Er ging langsam an ihr vorbei zu den Fahrradständern. Sie folgte ihm.

„Und ich werde keine Hausaufgaben für eine ganz bestimmte Person fünf Minuten vorm Unterricht erledigen müssen. Praktisch".

„Eine Win-Win Situation, würde ich sagen." Cas schaute ihr nicht direkt in die Augen, sondern ließ den Blick über den fast leeren Schulhof gleiten. Wie erwartet waren sie die einzigen Menschen, die sich noch auf dem Schulhof aufhielten.

„Durchaus." Für ein paar Sekunden herrschte Stille, nur das Geräusch ihrer Schritte war zu hören. Das Gefühl von Abschied lag in der Luft wie eine Wolke und jetzt schwebte tief über ihnen. Sie drohte bald zu durchbrechen und sich in ihrem ganzen Ausmaß über Ava zu ergießen. Sie waren an Caspers Fahrrad angekommen und blieben stehen.

„Ich werde dich vermissen, Cook." Der Regen war gefallen. Das Gewitter hatte begonnen.

„Danke." Das war eine schreckliche Antwort und sie wusste es. Aber sie wusste auch, dass sie es nicht über sich gebracht hätte, etwas anderes zu sagen.

Aber Ava wusste, dass Caspar sie gut genug kannte, um zu wissen, was sie sagte.

Ich werde dich auch vermissen. Danke, dass du für mich da bist. Ich werde dich auch vermissen und weiß schon jetzt nicht mehr, was ich ohne dich machen soll.

Eigentlich hatte sie es also ganz treffend zusammengefasst.

„Keine Ursache. Aber du musst mir versprechen, auch mal zu schreiben. Ich will keine Monologe führen." Sein schelmisches Lächeln schlich sich auf seine Lippen.

"Natürlich, was denkst du denn von mir? Ich schreibe doch immer." Das war eine Lüge. Cas beschwerte sich schon seitdem sie beide über ein Handy verfügten darüber, dass Ava nie antwortete oder selber schrieb. So war ihr Chatverlauf relativ einseitig.

Sie standen noch eine Weile auf dem Hof, redeten und lachten, bis Caspar aufbrechen musste. Seine Mutter hatte einen totalen Überwachungszwang, seit dem, was mit seiner Schwester passiert war, und ließ ihn kaum noch in seiner Freizeit aus dem Haus. Sie wurde in jeder Sekunde panisch, in der sie nicht wusste, wo er war. Auch wenn es weh tat, nickte sie und wartete, bis er winkend auf seinem Fahrrad weggefahren war.

Danach drehte sie sich um und schaute auf das Schulgebäude. Wie es still, kalt und ungeliebt aus dem Boden herausragte. Ava sog den Anblick noch ein letztes Mal in sich auf, dann drehte sie sich mit einem zufriedenen Lächeln um. Es würde ihr nicht wehtun, nicht wieder in diese Schule zu müssen.

Als sie Zuhause ankam, war es schon später Nachmittag, die Sonne stand tief. Ava fing an zu frieren, als sie ihr Fahrrad in den Schuppen hinterm Haus rollte. Er war, genau wie das Haus, vor mehr als hundert Jahren errichtet worden und schien fast zusammenzufallen. Überall waren Schrauben locker oder kleine Spaltöffnungen zwischen den Brettern, doch das störte Ava nicht. So konnte man einfach alles nach Belieben hinein schmeißen und musste sich nicht darum kümmern, nichts zu beschädigen. Sie fand, das war das Angenehme an alten, abgenutzten Dingen. Sie hatten schon alles hinter sich. Es machte keinen Unterschied mehr, was man noch damit anstellte, sie waren so oder so alt und heruntergekommen. Eine Macke mehr oder weniger würde einfach untergehen.

Dasselbe galt auch für das Haus. Es war ein Altbau, relativ gut erhalten, aber mit Sicherheit nicht gerade wertvoll. Als Kind hatte niemand etwas gesagt, wenn sie gegen die Wand Fussball gespielt hatte oder als sie und Cas mit Kreide auf dem Weg vor dem Haus gemalt hatten. Die Gegend war nicht wirklich beliebt, und doch nicht gefährlich oder verdreckt. Sie lebten ungefähr einen Kilometer von der wirklich dunklen Gegend entfernt, die in der Abends Drogen verkauft werden und wo man besser nicht alleine draußen sein sollte. Als Kind war es ihr stets verboten gewesen, dort hinzugehen.

Nachdem sie ihr Fahrrad ordentlich verstaut hatte, machte sie sich auf den Weg nach oben. Von den drei Wohnungen, die das Gebäude hergaben, bewohnten sie und ihre Mutter das oberste Geschoss gleich unterm Dach. In jedem Zimmer hatten sie deswegen eine schräge Wand.

Gleich darunter wohnte eine alte Frau namens Ilva und wiederum darunter Mr. Button. Er war der Hausmeister und Besitzer des Hauses und mit Sicherheit schon siebzig Jahre alt, doch das wusste niemand so genau. Früher war sie von mehr als hundert ausgegangen. Seine Frau war vor einigen Jahren gestorben und seitdem lebte er alleine. Auch wenn er auf den ersten - und zweiten Blick- grimmig und böse aussah, war er ein gütiger Mann. Als Ava noch klein war, hatte er ihr jeden Morgen auf dem Weg nach unten und zum Kindergarten ein Stück Obst aus seinem Anbau im Garten geschenkt. Manchmal waren es Äpfel, Birnen oder Aprikosen. Es kam auf die Jahreszeit an.

Ava hatte keine Lust, sich wieder zur Vorderseite des Hauses zu begeben und kletterte stattdessen einfach die Feuerleiter nach oben. Sie führte an jedem der Balkons vorbei, den jede Wohnung besaß.

Der große Vorteil war, dass auch diese Türen sowohl von Innen als auch von Außen abzuschließen waren. So konnte sich Ava an den anderen beiden Wohnungen vorbeischleichen und schnell nach oben kommen. Sie benutzte diesen Weg auch immer, wenn sie gesehen hatte, dass sich fremde Menschen im Haus befanden, denen sie nicht begegnen wollte oder wenn sie mal keine Lust hatte, mit Ilva eine ihrer langen Gespräche zu führen. Sie hatte eine Vorliebe dafür, den Klatsch und Tratsch der gesamten Gegend zu erzählen und einem im Gegenzug dafür alle interessanten Geheimnisse ihres Gesprächspartners zu entziehen.

Sie fand Ava langweilig, da sie kaum Verschwörungen in ihrem Leben hatte. "Sie ist schon wieder schwanger!", erzählte sie oft oder "Hast du schon gehört? Er hat die Scheidung wirklich eingereicht! Das hätte ich ja nicht gedacht!" Ava kannte kaum einen der Menschen, über die sie sprach und interessierte sich auch nicht dafür. In ihrem Leben war weder jemand schwanger, noch ließ sich jemand scheiden.

Oben angekommen stellte Ava ihren Rucksack ab und kramte wieder unter vielen Büchern und Heften herum, bis sie endlich den Schlüssel gefunden hatte. Sie wollte gerade von ihm Gebrauch machen, als ihr auffiel, dass die Tür schon offen stand. Nicht weit. Lediglich wenige Millimeter, aber dennoch war sie nicht geschlossen und schon gar nicht abgeschlossen.

Leise ließ sie den Schlüssel in eine ihrer großen Jackentaschen gleiten und drückte sanft gegen die Tür. Mit einem kaum hörbaren Knarren schwang sie auf.

Stille. Kein Ton war zu hören. Das war ungewohnt, da ihre Mutter meistens Musik anhatte. Egal, ob sie kochte oder arbeitete, duschte oder las. Die Soul-Musik, die sie liebte, war nirgends zu vernehmen.

„Mom? Ich bin zu Hause", flüsterte Ava. Sie wollte sichergehen, dass sie ihre Mutter nicht weckte, falls sie schlief. Aber auch das war eigentlich unwahrscheinlich. Robyn hatte schon immer Schlafprobleme gehabt und würde nachts nicht mehr schlafen können, täte sie es jetzt schon. Sie bekam keine Antwort.

„Mom?" Dieses Mal sagte sie das Wort deutlich lauter. Da sie einen leichten Anflug von Panik spürte, war es ihr egal, ob sie sie wecken könnte. Sie war sich zu sicher, dass sie nicht schlafen würde. Sie bekam wieder keine Antwort.

Ava wusste, dass ihre Mutter zuhause sein sollte. Sie arbeitete gerade nicht, da sie ihre letzte Arbeit gekündigt hatte, um die neue in Schottland antreten zu können und war deswegen eigentlich immer zu Hause. Sie würde nur für einen Notfall weggehen, aber sie hatte keine Nachricht hinterlassen. Schnell zog sie ihr Handy aus ihrer Hosentasche. Nichts. Sie hatte weder von Mom eine Nachricht, noch von jemandem Anderen.

Sie warf ihre Tasche samt Handy in die Küche, in die sie durch die Tür automatisch gekommen war, und rannte ins Wohnzimmer. Sie musste vielen Kartons ausweichen, die im Weg standen. Keine Spur von ihrer Mutter. Vielleicht war sie ja einkaufen gegangen. Doch sie wusste genau, dass auch das keine Option war. Sie wäre nicht weggegangen, ohne ihr vorher Bescheid zu sagen.

Scheiße. Jetzt NICHT in Panik verfallen.

Das Schlafzimmer. Der Flur. Sogar die Abstellkammer. Alles leer.

Ganz ruhig. Atmen. Es muss nichts passiert sein. Mach dich nicht verrückt. Denk.

Sie spurtete zurück in die Küche und holte ihr Handy vom Tresen.

Hastig wählte sie die Nummer ihrer Mutter. Es dauerte ein paar Sekunden, bis es wählte. Soulmusik erklang nicht weit entfernt. Das war der Klingelton ihres Handys. Ava legte auf. Robyn nahm ihr Handy immer mit. Es gehörte zu ihrem Beruf, immer erreichbar zu sein- sagte sie immer.

Atmen.

Zurück ins Wohnzimmer und in den Flur. Vielleicht redete sie nur mit Ilva. Sie riss die Haustür so schwungvoll auf, dass die Jacken, die auf der Innenseite hingen, gegen die Tür schlugen. Da war sie. Und lag in ihrem eigenen Blut.

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