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Wie einem kranken Kind trocknete sie Arndt mit einem Taschentuch die nasse Stirn. Dann sah sie auf die Uhr. Es war Zeit für den Besuch beim Kreisanzeiger. Bevor sie jedoch das Präsidium verließen holten sie sich von Bea die Stadtkarte. Mit einem roten Filzstift markierte sie ihnen die Straße, in der sich das Verlagsgebäude der Tageszeitung befand. Ihr dicker Zeigefinger mit dem rosa lackierten Nagel huschte über den Plan.

„Am Kino vorbei in die Fußgängerzone, runter bis zum alten Rathaus, über den Martin-Luther-Platz. Wie schon erwähnt, da gibt's einen tollen Buchladen mit einem Antiquariat. Wenn sie später Zeit haben, gehen sie ruhig mal rein! Da haben sie auch meine Bücher ..."

Bea bemerkte genau, dass sie sich wiederholte. Sie grinste verlegen. Arndt nahm ihr die Tiefstapelei nicht ab. Er las viel und verbrachte viel Zeit in Buchläden. Von einer Patricia Morgan hatte er noch nie gehört, geschweige denn, dass er ein Buch von ihr in der Hand gehabt hätte. Einen winzigen Funken Neugier konnte er jedoch nicht verhehlen.

Am Ende landete Beas Finger auf einer Straße, die sich Langer Krummer Bruch nannte. Ungewöhnlicher Name, dachte Melinda.

„Gleich gegenüber vom Verlag wohnt übrigens unser lieber Kollege."

„Bullerjahn? Ich dachte, der wohnt irgendwo im Wald."

Melinda schlug sich die Hand vor den Mund. Bea guckte entsetzt. Das wollte sie nicht sagen. Verflucht! Sie griff nach dem Stadtplan, dann nach Arndts Arm und zog ihn mit aller Kraft aus dem Büro.

„Danke, Bea!"

Sie wählten wieder den Weg an der Söse entlang. Heute war es jedoch hell. Der Fluss wirkte nicht mehr so reißend. Jetzt sahen sie auch die riesigen Pflanzen, die rechts und links am Ufer wuchsen. Ihre Blätter waren gigantisch. Melinda stellte sich vor, dass darauf winzig kleine Feen mit durchsichtigen Flügeln ihr Sonnenbad nahmen.

Arndt beugte sich so weit über das Geländer, dass Melinda schon fürchtete, er würde hinunter fallen. Wie es sich wohl anfühlt, dachte Arndt, wenn man als kleiner Junge hier hinunter segelt? Man denkt wohl gar nichts, sondern man heult vor Entsetzen, wischt sich den Schmadder aus dem Gesicht und hofft, dass die Eltern einen möglichst schnell wieder herauf holen. War Bullerjahn damals auf den Kopf gefallen? Hatte er irgendwelche Schäden davon getragen? Man hörte ja so einiges von Kopfstürzen.

Da sie in zehn Minuten ihren Termin hatten, blieb ihnen nicht viel Zeit sich unterwegs die Stadt anzusehen, schon gar nicht an einem der zahlreichen Schaufenster stehen zu bleiben oder den angepriesenen Buchladen zu besuchen. Außerdem regnete es und sie wollten nicht klitschnass im Zeitungsverlag erscheinen. Arndt hätte gern ein Eis gegessen, doch er verschob es auf später.

Vor dem Verlagsgebäude blieben sie stehen. Hier um die Ecke wohnte also Mattias Bullerjahn. Melinda versuchte zu erraten in welchem der alten Fachwerkhäuser sich wohl seine Wohnung befand. Weiter hinten sah sie das Firmenschild einer Metzgerei. Schlachterei Kuhlmann. Hatte der Computerheini im Präsidium nicht so geheißen? Nein, der hieß Kolle.

An der Fassade waren lange Schaukästen befestigt, in denen die aktuelle Ausgabe des Kreisanzeigers hing. Eine breite Treppe führte hinauf zum Eingang des Verlags. Herr Ischinger erwartete sie bereits, am Empfangstresen lehnend, wo er sich angeregt mit einem sommersprossigen, jungen Mann unterhielt.

Ischinger war blass, unrasiert und roch nach verbrauchter Luft.

Der Grottenolm aus dem Bildarchiv, dachte Melinda. Kein Fenster, kaum Sauerstoff und wenig Kontakt zu anderen Menschen. So sah das zumindest in ihrer Vorstellung aus.

Sie stellten sich einander vor.

Dann zeigte Ischinger auf den Tresen, wo ein bauchiges Glas mit smaragdgrünen Bonbons mit aufgedrucktem Zeitungslogo stand.

„Nehmen sie sich einen. Gern auch zwei. Geht aufs Haus!"

Er riss den Mund auf und ließ ein kehliges Lachen hören. Dabei entblößte er ungepflegte Zähne. Arndt wurde zunehmend unwohler.

Zum Bildarchiv ging es über mehrere schmale Holztreppen, die sie tiefer und tiefer in das Gebäude führten. Vor einer ungeputzten Milchglastür blieben sie stehen. Dahinter befand sich Ischingers Reich der Bilder.

Schwere, zimmerhohe Registrierschränke aus dunklem Holz bedeckten die Wände bis hinauf zur Decke. Arndt erkannte kleine weiße Schilder mit aufgedruckten Jahreszahlen, die weit ins 20. Jahrhundert zurück reichten. Es war als wären sie durch ein Zeitportal geschritten und im Jahr 1920 angekommen.

Hier war mehr Platz als in Arndts und Melindas Büro zusammen. In der Mitte des Raums stand verloren ein langer Tisch mit mehreren Stühlen. Einer von vier Computermonitoren schickte sein weißblaues Licht in den ansonsten nur spärlich beleuchteten Archivraum.

Ischinger wickelte einen weiteren Bonbon aus seinem Papier und warf ihn sich in den Mund. Dann machte er sich an dem Computer zu schaffen.

„Ihre Kollegin hatte mich gebeten die letzten zwei Jahre ..."

Er fuhr hektisch mit der Maus auf dem Tisch herum und drückte hier und da auf die Tastatur.

„Vier Brände. 2. Dezember, 10. März, 9. Juni und der von neulich, 22. September. Ich habe ihnen die Ordner mit den Bildern auf den Desktop kopiert. Wenn sie Abzüge brauchen, einfach die gewünschten Bilder in den leeren Ordner hier schieben. Ich drucke sie ihnen dann aus. Melden sie sich wenn sie fertig sind!"

Damit schlich Ischinger in den hintersten Teil des Archivs, wo über einer Arbeitsfläche, die über und über mit Fotos bedeckt war eine Schreibtischlampe mattes Licht spendete. Er ließ er sich auf einen knarzenden Bürostuhl fallen und griff nach einer bereitliegenden Lupe.

Arndt und Melinda schoben sich zwei Stühle vor den Monitor. Melinda griff nach der Maus und öffnete nacheinander die vier Bildordner. In jedem von ihnen befanden sich zwischen zehn und fünfzehn Bilder. Es dauerte einen Moment bis sie herausgefunden hatte wie man die Fotos auf Bildschirmgröße heranzoomte.

In der Nacht des 2. Dezembers hatte es stark geschneit. Auf den Bildern fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel. Die Feuerwehrleute liefen durch knöcheltiefen Schneematsch. Auf dem Großteil der Bilder war immer dasselbe zu sehen. Eine brennende Schule, Einsatzfahrzeuge, viele Schläuche und gestresste Feuerwehrmänner. Nur zwei Aufnahmen hatten die umherstehenden Schaulustigen eingefangen. Ein Mann mit Kopfhörern war nicht darunter.

Arndt tippte auf eine Stelle im Hintergrund, dort wo das Blaulicht nur noch dürftig die Dunkelheit erhellte. Dort stand jemand im Schatten eines Baumes. Melinda versuchte näher heran zu zoomen, doch das Bild verpixelte und sie erkannten noch weniger als zuvor.

Auf dem zweiten Bild die gleiche Szenerie. Doch nun war die Person unter dem Baum verschwunden.

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