𝟏𝟔. 𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 | Widerstand

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Erstaunt sah ich Julien an. Was sollte das heißen? Er hatte mich gehen lassen?

In mir breitete sich ein ungutes Gefühl aus.

Mit diesem Satz brachte er mich völlig aus dem Konzept, ich vergaß, dass ich ihm eine Scherbe an den Hals hielt, ich vergaß auch, dass ich diese Scherbe selber in der Hand hielt. Vor Wut ballten sich meine Hände zu Fäusten.
Die scharfen Kanten der Scherbe schnitten in meine Haut, aber ich spürte den Schmerz nicht. Nur das Blut auf Juliens weißem T-Shirt wurde mehr.

Die Hoffnung, die ich in mir getragen hatte, brach zusammen. Sie löste sich auf, wie Wasserdampf sich in der Luft auflöste, bis er nicht mehr zu erkennen war. Erst war er noch da und von einem auf den anderen Moment war er völlig verschwunden. Für immer.

„Nein", stieß ich flüsternd hervor und sah ihn fast schon panisch an. „Nein, das stimmt nicht. Du lügst!" Erregt sprang ich auf und wich vor ihm zurück. Er log! Er musste lügen! 

Er verdrehte die Wahrheit so, wie sie ihm passte. Er verdrehte alles so, dass ich an mir selbst zweifelte. Ich wurde langsam verrückt, ich wusste nicht mehr, was Realität und was reine Fantasie war. Ich wusste gar nichts mehr. Fast gar nichts mehr.

„Leyla, ich-", setzte Julien an, aber ich wandte ihm abrupt meinen Rücken zu, sodass er verstummte. Ich wollte nichts mehr hören. Nie wieder wollte ich mit ihm reden, solange mir einige Erinnerungen von früher fehlten.

Oder war das, an das ich mich erinnerte, auch nicht die Wahrheit? Waren diese Erinnerungen auch von ihm manipuliert? Hatte ich ihn nie geliebt und er drehte es jetzt nur so, dass ich es glaubte? Dass ich glaubte, mal unsterblich in ihn verliebt gewesen zu sein?

Wut ließ meinen Körper langsam kochen, meine Arme fingen an zu zittern, es fühlte sich so an, als ob ich gleich platzen würde. Verzweifelt versuchte ich mich zu beruhigen. Ich schloss meine Augen und atmete tief durch.

„Weißt du, ich wollte früher immer eine Familie." Plötzlich stand Julien direkt hinter mir. Vor Schreck fuhr ich zusammen und zu ihm herum.

Er stand dicht vor mir, sodass ich einen Schritt zurück trat. Er folgte mir, bis ich mit dem Rücken an die Wand stieß.

Mittlerweile spürte ich den Schmerz in meiner Hand, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen. Immerhin blieb die Scherbe eine kleine, aber nützliche Waffe.

„Ich wollte glücklich sein. Mit dir. Ich habe dich mal geliebt, Leyla." Er strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und ich zuckte zurück, schlug aber nur mit dem Kopf gegen die kalte Wand.

Er legte mir die Hand auf meine Wange und ich kniff die Augen zu Schlitzen zusammen.
Diese Berührung widerte mich an. Ich ekelte mich vor diesem Kerl, der mit mir herumspielte, wie mit einer Puppe. In meinem Kopf herrschte absolutes Chaos, ich zweifelte an meinem Verstand.
Er hatte es endlich geschafft. 

Er hatte mich gebrochen, er hatte meinen eigenen Willen, meine eigenen Erinnerungen und auch meinen Verstand gebrochen. Mal war er nett, dann wieder der größte Psychopath.

Um genau zu sein, war er immer ein riesen Psychopath. Er spielte das nette nur, er spielte nur, um mich zu brechen.
Und er hatte es geschafft verdammt nochmal. Es war ihm gelungen. Was würde er nun tun, wo er doch am Ziel angekommen war?

„Wieso war ich dann hier? Wieso bin ich jetzt hier?" Meine Stimme zitterte leicht, ich wusste nicht, ob es vor Enttäuschung oder Wut war. In seinen Augen erschien ein fürsorglicher Ausdruck, der mir einen Schauer über den Rücken jagte.

„Die Welt da draußen ist gefährlich. Ich wollte dich beschützen. Du solltest zu mir gehören, für immer. Ich bin keine eifersüchtige Person, aber ich will dich dennoch nur für mich haben.
Wir sind füreinander bestimmt. Wir können zusammen alt werden, eine Familie gründen und glücklich werden. Geschützt, vor der Welt, vor den anderen Menschen, die ihre falschen Spiele spielen. Die sich bekriegen, ermorden und foltern. Aber hier-"

„Und du bist so viel besser, als diese anderen Menschen?!", platze es mir heraus.

Blinzelnd sah er mich an, sein Mund war noch geöffnet, er war völlig in seine Erinnerungen und Wahnvorstellungen versunken gewesen.

Es schien ihm schwer zu fallen, wieder in die Realität zurück zu finden. Ich erleichterte ihm dieses Vorhaben, in dem ich mich unter seinem Arm hindurch duckte und ein bisschen Abstand zwischen uns brachte.

„Hier soll es sicher sein? Du sperrst mich ein, behandelst mich wie ein Tier oder eine Geisteskranke! Aber das bin ich nicht! Ich bin nicht dein Eigentum, ich bin auch nicht krank.
Du bist krank Julien! Du brauchst verdammt nochmal Hilfe. Und diese Hilfe kann ich dir nicht geben, auch wenn du dir das vielleicht einbildest." Ich trat einen Schritt auf ihn zu.

Jetzt war ich es, die ihm die Hand auf die Wange legte. Kurz zögerte ich, aber dann berührten meine kalten Finger seine Haut. Ich versuchte, ihn mit meinem Blick zu fesseln.

Als es mir gelang und er mir seine volle Aufmerksamkeit schenkte, platzierte ich die Scherbe richtig in meiner Hand. Dabei zerschnitt ich mir meine eigene Haut weiter, versuchte aber die Tränen und den Schmerz zu unterrücken.

„Du denkst, wenn du mich hier einsperrst, würde alles wieder gut werden. Würdest du deine Gefühle für mich wieder aufbauen können. Aber das geht nicht.

Du lebst in der Vergangenheit. Vielleicht versuchst du, deinen Fehler von damals wieder gut zu machen. Aber so geht das nicht. So wird es nie gehen. Du machst es nur noch schlimmer." Verwirrung trat in sein Gesicht, aber ich lächelte ihn beruhigend an. 

Schon seit ein paar Tagen, hatte sich eine Erinnerung in meinem Kopf eingenistet. Erst hatte ich sie für einen dummen Traum gehalten, aber dazu war sie zu real gewesen.

Ich hatte diesen Gedanken unterdrückt und ignoriert, ich wollte ihn verdrängen, nie wieder daran zurück denken.
Aber je mehr er mir erzählt hatte, desto mehr bekam ich die Befürchtung, dass es kein Traum gewesen war.
Julien hatte es geschafft, mir meine restlichen Erinnerungen zu nehmen. 

Auch jetzt wusste ich nicht, was wirklich passiert war und was nicht. Aber bei dieser einen Erinnerung wusste ich nun, dass sie stimme.

Sie war der Grund dafür, dass er mich gehen gelassen hatte. Es schmerzte, zu akzeptieren, dass es einmal wirklich passiert war. Ich fing an zu zittern, die Tränen die ich so erfolgreich zurück gehalten hatte, liefen meine Wange herunter und tropften von meinem Kinn herab.

Manche liefen in meinen Mund, es schmeckte salzig, sodass mir schlecht wurde, weil sich dieser Geschmack mit dem bitteren Geruch von meinem Blut mischte. Ich atmete noch einmal tief durch und versuchte meine Fassung zu bewahren.

„Ja, es stimmt. Du wolltest eine Familie. Aber du hast sie selbst zerstört Julien. Es war deine Schuld."
„Sag so etwas nicht!", schrie er mich plötzlich an und ich zuckte zurück. Blanke Wut zeichnete sein Gesicht, noch nie vorher war er so mit dieser Tatsache konfrontiert worden.

Er schien immer irgendwem anders die Schuld dafür gegeben zu haben, in aller erster Linie mir. „Lüg mich nicht an Leyla! So war es nicht!" Er stürzte sich auf mich, aber bevor er mich packen konnte, stieß ich ihm die Scherbe in den Oberkörper.

Ich traf ihn am Bauch, über meine Hand lief sein warmes Blut. Entsetzt sah er mich an, aber ich bohrte die Scherbe noch ein Stück tiefer in sein Fleisch. Dabei sah ich ihm kalt in die Augen.

„Doch Julien. Das ist die Wahrheit. Du warst es gewesen. Nicht ich, nicht mein Körper. Ganz alleine du." Ich zog meine Hand ohne die Scherbe zurück, er beugte sich leicht nach vorne und presste sich die Hände auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen.

„Das hier ist die Realität Julien. Du lebst in deiner Fantasiewelt!", schrie ich ihn an, er zuckte bei meinen Wörtern zusammen.

Ich wusste nicht, woher ich den Mut nahm. Vielleicht lag es daran, dass er mir alles genommen hatte. Dass mir nur diese eine Erinnerung blieb, bei der ich wusste, dass sie passiert war.

Das gab mir Sicherheit. Es war die einzige Karte, die ich spielen konnte. Ich setzte alles darauf, ihn dadurch selbst zu brechen. Oder zumindest so aus der Bahn zu werfen, dass er aus seiner Rolle fiel.

Stolpernd kam Julien wieder näher. Die Verletzung war nicht tief und würde ihn auch nicht töten, aber so hatte ich es zumindest geschafft, seinen Angriff abzuwehren.

„Es. War. Nicht. Meine. Schuld." Er betonte jedes einzelne Wort, aber ich zog nur meine Augenbrauen hoch. Energisch wischte ich mir über die Augen, um die Tränen wegzubekommen. So kalt und abwertend wie möglich sah ich ihn an. Unter diesem Blick wurde er immer kleiner, bis er es aufgab. Er wandte sich von mir ab und trottete auf die Tür zu. Das wäre meine Chance...

Ich folgte ihm, aber leider schien es ihm noch zu gut zu gehen. Kurz vor der Tür holte er einen dicken Schlüsselbund aus seiner Hosentasche hervor.
Bevor ich reagieren konnte, hatte er mir diesen Schlüsselbund auch schon gegen die Stirn geknallt.

Der Schmerz schoss durch meinen Kopf, mein Sichtfeld wurde schwarz und ich verlor mein Gleichgewicht. Hart prallte ich auf dem Boden auf. Verdammt!

„Es war allein deine Schuld Leyla. Dein Körper war nicht stark genug. Wenn du dich mehr angestrengt hättest, wären wir jetzt eine glückliche Familie. Aber du wolltest es nicht. Du hast es dir selbst zuzuschreiben! Es war dein Fehler!" Blind vor Wut trat er auf mich ein. Wo nahm er nur die Kraft her? 

Ein Tritt in den Bauch ließ mich aufkeuchen, die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst. Die Erinnerung flammte in mir auf. Mein Körper fing an zu brennen, zu zittern.

Meine Hände krampften sich zusammen, es war genauso wie damals: Ich, hilflos auf dem Boden. Juliens Aggressionen ausgeliefert. Genauso wie das kleine Lebewesen in meinem Bauch. Es hatte diesen Wutanfall nicht überlebt.

Jetzt schmerzte mein Bauch, mein ganzer Oberkörper, aber es war nichts im Vergleich zu damals. Damals krümmte ich mich vor Schmerzen, Blut durchtränkte meine Hose.

Julien ließ mich gehen.

Mit einem toten Kind im Körper.

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