30| Verbotenes Wissen

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Noch nie war Wissen so gefährlich. Und noch nie habe ich mich dennoch so danach verzehrt.

~ Kalie

~~

KALIE

Beschwingt verlasse ich den vollgestopften Buchladen und trete hinaus auf die Straße, das Tagebuch schützend an meine Brust gepresst. Noch vor ein paar Stunden hätte ich nicht geglaubt, je mehr über das, was ich heute im Wald gesehen habe, zu erfahren. Noch vor ein paar Stunden war ich wütend, enttäuscht und hoffnungslos.

Bis Liam aufgetaucht ist.

Ich drehe den Kopf leicht zu dem dunkelhaarigen Jungen, der den Laden bereits vor mir fluchtartig verlassen hat und nun auf dem Gehweg wartet, die Nase in seinem ebenfalls neu errungenen Bauplan-Buch vergraben.

Was er daran wohl so spannend findet?

Verstohlen beobachte ich ihn, während ich langsam näher trete.

Hätte mir irgendjemand vor ein paar Tagen weismachen wollen, dass ich eines Tages mit Liam die versteckte Kammer einer Bibliothek plündern würde, hätte ich diese Person wohl hysterisch lachend für verrückt erklärt.

Doch so sehr es mich auch überrascht, ich komme erstaunlich gut mit dem Erzfeind meiner sonstigen Freunde klar.

Zwar scheint dieser mich immer noch ab und zu mit einzelnen Kommentaren und Gesten daran erinnern zu wollen, dass wir uns eigentlich nicht verstehen sollten - aber dennoch war er derjenige, der die Vorschriften seiner Spezies ein wenig verbogen hat, um mir die Möglichkeit zu geben, aus dieser frustrierenden Sackgasse der Ungewissheit zu entkommen.

Vielleicht ist dieser Junge, dessen Motivationen mir weiterhin ein Rätsel sind, gar kein so schlechter Kerl, wenn man erst einmal genau hinsieht.

Vielleicht hätte sogar eine Freundschaft zwischen ihm und mir entstehen können, wenn die äußeren Umstände anders gewesen wären.

Wenn meine Freunde nicht seine Feinde gewesen wären.

Die Freunde, die ich nun weiter anlügen muss, da sie mich sonst aufgrund meines Wissens umbringen werden.

Welch eine Ironie.

„Ganz schön verlassen hier", bemerke ich schließlich, als ich meinen Blick etwas schweifen lasse. Die Straßen sind wie leergefegt, das nächtliche Dorf wirkt verlassen. Kein einziger verspäteter Teenager eilt durch die Gassen, keine Musik, keine hämmernden Bässe ertönen in der Ferne, keine feiernden Menschen lachen und johlen.

Alles ist still. Beinahe gespenstisch ruhig.

„Die Bürger von New Plymouth", murmelt Liam neben mir belustigt, „abergläubisch wie eh und je. Dabei sollten sie es eigentlich besser wissen..."

Auf meinen fragenden Blick hin deutet er mit einem Kopfnicken auf die Pflastersteine des Gehwegs unter unseren Füßen. „Werwölfe kommen nicht gerade nachts ins Dorf, um ein bisschen herumzuspuken und ein paar umherirrende Menschen zu entführen", antwortet er mit einem leicht spöttischen Unterton, „wir stehen nicht gerade so auf Steine und Asphalt unter den Pfoten."

Ohne uns abzusprechen gehen wir nach rechts, um den Weg zurück zu laufen, den wir gekommen sind. Zurück zur Pinewood Bar.

„Und andere übernatürliche Wesen?", frage ich nach einer Weile nachdenklicher Stille, „die könnten hier doch aufkreuzen, oder?"

Liam lacht heiser auf. „Die sollen sich mal her trauen." Er wirft mir einen Seitenblick zu. „Glaub mir, zwei Rudel Werwölfe genügen, um jedes unangemeldete Wesen fernzuhalten, das hier in der Gegend sein Unwesen treiben will."

Ich nicke, wobei ich mir nur schwer ein Grinsen verkneifen kann. Wer hätte gedacht, dass sich auch ein mysteriöser Kerl wie er einmal verplappern kann.

Es gibt also zwei Rudel Werwölfe in New Plymouth, notiere ich mir gedanklich. Endlich eine nützliche Info.

Mein Blick fällt auf das Buch, das ich weiterhin in meinen Armen halte.

Hoffentlich finde ich darin noch mehr...

Denn obwohl ich nun über die Existenz übernatürlicher Wesen Bescheid weiß, tatsächlich brauchbares Wissen über sie zu erlangen ist schwerer als gedacht. Die Aussagen in Büchern widersprechen sich gegenseitig, während die echten Werwölfe an eine ungeschriebene Schweigepflicht gebunden sind.

Nicht zu vergessen die Lebensgefahr, in der ich schwebe, sollten die falschen Leute von meiner Entdeckung erfahren.

Es ist zum Verrücktwerden.

„Kalie?"

Plötzlich hallt eine verwunderte Stimme aufgrund der nächtlichen Stille ungewöhnlich laut zwischen den Hauswänden wieder und lässt mich zusammenzucken. In der von Straßenlaternen nur spärlich beleuchteten Straße erkenne ich eine Gestalt, ein paar Meter von mir und Liam entfernt.

Elias.

„Kalie!", beginnt der blonde Junge, von dem ich mich ein paar Stunden zuvor noch im Streit getrennt habe. „Da bist du ja! Ich hab dich ewig gesucht, nachdem Clary mit Eric- WAS ZUM HENKER?!"

Offenbar hat er soeben Liam neben mir erkannt, was ihn nun mit schnellen Schritten zu uns aufschließen lässt. Ich schlucke hart, während sich ein unwohles Gefühl in meiner Magengegend ausbreitet.

Ein Zusammentreffen von Liam und Elias - das kann ja nur schiefgehen.

Meine böse Vorahnung wird nur noch verstärkt, als ich dem Dunkelhaarigen neben mir einen Blick zuwerfe. Liam scheint seine typische Konfrontationshaltung eingenommen zu haben: Die Hände in den Taschen seiner Jeans vergraben, das Kinn leicht angehoben und auf den Lippen ein provozierendes Lächeln.

Nach außen hin wirkt er völlig ruhig, einzig und allein das hasserfüllte Feuer, welches in seinen himmelblauen Augen lodert, gibt einen Einblick auf seine wahren Gefühle.

Wieder einmal stockt mir beim Anblick dieses grenzenlosen Hasses der Atem.

„Geh weg von ihr, du Lügner!", zischt Elias Liam wütend an, sobald er uns erreicht hat. Seine Augen huschen zwischen uns hin und her, als würde er verzweifelt versuchen sich einen Reim auf diese durchaus surreale Situation zu machen.

Liam und ich, abends zusammen unterwegs.

Sofort will ich das Wort erheben, um mich in einer Erklärung zu rechtfertigen, die keine Bibliothek und damit verbundene Werwolf-Recherche beinhaltet, doch ehe ich auch nur einen Ton herausbringe, kommt Liam mir zuvor.

„Na sowas, du kannst ja richtig bissig werden, Eljas.", bemerkt er in geheuchelter Überraschung. „Anscheinend sind deine Knochen letztens nicht das Einzige gewesen, das beim Sprung von den Klippen angeknackst wurde - oder wo ist deine überhebliche ich-regle-alles-ruhig-wie-ein-Erwachsener-Einstellung?"

„...Allem Anschein nach mit dem Vertrauen auf dein Wort zwischen den Klippen zerschellt", knurrt Elias, wobei ich sehen kann, wie viel Mühe es ihn kostet sich zurückzuhalten. „Und jetzt verschwinde von hier. Du hast weder im Dorf, noch in Kalies Nähe etwas zu suchen!"

Liams Augen verengen sich und für einen Moment bilde ich mir sogar ein, etwas Rotes in seiner Iris aufblitzen zu seien.

„Bring mich dazu."

Die Spannung zwischen den beiden Jungs ist förmlich zu greifen. Schnell trete ich einen Schritt vor, um mich zwischen die zwei zu positionieren, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Denn eine Prügelei wegen meines kleinen Ausfluges ist das Letzte, was ich gewollt hätte.

Zudem ist Elias immer noch verletzt...

Oder...?

Wieder wichtiges Werwolfwissen, das mir fehlt.

Schnell schiebe ich diesen frustrierenden Gedanken beiseite und konzentriere mich stattdessen auf die beiden Streithähne, links und rechts von mir.

„Warte!" Ich sehe Elias flehend an, wobei ich das dünne Tagebuch des Dorfvorstehers möglichst unauffällig hinter meinen Rücken schiebe. „Bitte lass dich nicht von ihm provozieren, du weißt doch, dass gerade das sein Ziel ist", appelliere ich an die Vernunft des Blondhaarigen.

Liams vernichtender Blick brennt sich in meinen Nacken. Anscheinend habe ich ihm mit meinen Worten den Wind aus den Segeln genommen.

Die Taktik scheint sogar zu funktionieren, denn der wütende Ausdruck auf Elias Gesicht verschwindet und weicht einem Resignierten.

„Du hast recht, wahrscheinlich ist genau das sein Plan. Er will von der Tatsache ablenken, dass er sich auf für sein", einen Moment hält er inne, scheint sich dann aber doch daran zu erinnern, dass ich Bescheid weiß, „...sein Rudel verbotenem Territorium befindet."

Hinter mir ertönt ein amüsiertes Schnauben. „Spielen sich alle McCartneys immer so auf wie du, oder ist Überheblichkeit dein eigenes, spezielles Hobby?"

Elias öffnet den Mund zu einer feindseligen Antwort, verstummt jedoch, als er meinem Blick begegnet.

„Ich habe dir nichts mehr zu sagen. Und darüber hinaus bin ich sicher, dass wir nicht diejenigen sind, die alle fünf Jahre wie aus dem Nichts hier auftauchen und Schwierigkeiten bringen!"

Mit einer ruckartigen Bewegung fährt der blonde Junge herum und entfernt sich energischen Schrittes. Nach einigen Metern jedoch hält er inne. „Kommst du, Kalie?", ruft er mir mit einem ungeduldigen Blick über die Schulter zu.

Es kostet mich mehr Mut als gedacht, meinen Kopf noch ein letztes Mal zu Liam zu wenden, damit ich mich von ihm verabschieden kann. Doch als ich seine Gesichtszüge im Schein der Straßenlaternen erkenne, wirken sie eher nachdenklich als wütend.

„Danke", flüstere ich so leise es geht, da ich nicht sicher bin, ob Elias uns hören kann. „Danke für alles."

„Kalie?" Elias nun zunehmend wieder verärgerte Stimme hallt zu uns hinüber und erzeugt ein Funkeln in Liams Augen, das ich nicht so richtig einordnen kann.

„Kein Problem", antwortet der Dunkelhaarige schließlich, etwas lauter als erforderlich. „Ich bin immer gerne jederzeit für dich da, wenn du mal niemanden zum Reden hast."

Gerade will ich genervt über diese rein provokative Geste die Augen verdrehen, als Liam auf einmal näher kommt und beschließt, dem Kuchen der Provokation noch ein Sahnehäubchen aufzusetzen.

Er legt eine Hand auf meine Schulter und nähert sich mit dem Mund meiner Wange, allerdings nur um mir ein leises „man sieht sich" ins Ohr zu flüstern.

Meine Haut kribbelt leicht an der Stelle wo er mich berührt und ich kann nicht umhin, einmal tief einzuatmen, um seinen Geruch tief in mein Gedächtnis aufzunehmen, damit ich ihn nie wieder vergesse.

Wie kann jemand, der so fies sein kann, nur so gut riechen?

Noch ehe ich zu einer anderen Reaktion - geschweige denn einer Antwort komme, ist der Augenblick auch schon vorbei. Liam lässt mit zufriedenem Gesichtsausdruck von mir ab, wirft Elias einen letzten scharfen Blick zu, lächelt mich kurz an und verschwindet dann in einer unbeleuchteten Gasse.

Ein paar Herzschläge lang stehe ich noch wie erstarrt da. Mein Herz rast schneller, als mir lieb ist und ich spüre bereits Röte in meine Wangen schießen.

Verdammt. Ich sollte auf diese Geste nicht so reagieren.

Hoffend, dass man meine geröteten Wangen dank des matten Lichts der Straßenlaternen nicht erkennt, räuspere ich mich und folge Elias kommentarlos.

Der wirft mir nur einen undefinierbaren Blick zu, ehe er sich umdreht und wir zusammen den Weg nach Hause einschlagen.

„Es tut mir leid", erhebt der blonde Junge irgendwann das Wort, als wir die Hauptstraße des Dorfes hinunterschlendern. „Ich weiß, dass ich dich mit meinen Ausreden vorhin verletzt habe. Und ich weiß auch, dass du dir Antworten sicher mehr als alles andere wünschst, aber-"

„Es ist okay", unterbreche ich ihn, ehe er seinen Satz beenden kann. Im Schein der Straßenlampen werfe ich Elias einen versöhnlichen Blick zu.

Jetzt, wo ich weiß warum, fällt es mir auf einmal gar nicht mehr so schwer, ihm zu verzeihen. Zwar ist da immer noch ein Anflug von Enttäuschung, der sich hartnäckig in meinem Herzen eingenistet zu haben scheint, doch darüber hinaus kann ich seine Entscheidung verstehen.

Er wollte mich schützen. Mich und sein eigenes Rudel.

Nur weilt dieser friedliche Augenblick nicht lange, denn als der Blondhaarige den Kopf dreht, um mich ebenfalls anzulächeln, fällt sein Blick auf das schmale Buch, welches ich weiterhin leicht hinter meinem Rücken versteckt halte.

Der Anblick dieses Tagebuchs, in dem ich laut Liam weitere Informationen über Werwölfe finden soll, wischt jegliche freundliche Mimik aus seinem Gesicht.

„Was ist das?" Seine Augenbrauen ziehen sich skeptisch zusammen, während seine Augen mich forschend mustern.

Augenblicklich lasse ich das in Stoff gebundene Schriftstück noch weiter hinter meinem Rücken verschwinden, wobei ich erst später merke, dass diese Aktion mich nur umso verdächtiger gemacht hat.

„Ich äh...nichts!", erfinde ich mal wieder eine überaus brauchbare Ausrede, für die ich mir im nächsten Moment am liebsten selbst in den Hintern getreten hätte.

Nicht nur, dass ich ihm soeben die absolut klischeehafte ich-verstecke-etwas,-gebe-es-aber-nicht-zu-Antwort gegeben habe, ich scheine die minimale Chance auf eine Beseitigung unserer Differenzen durch Ehrlichkeit soeben in tausend Teile getreten zu haben.

Dementsprechende Emotionen erkenne ich auch auf Elias Gesicht, als er mir einen Blick zuwirft, der so voller Bedauern ist, dass er mir durch Mark und Bein geht.

„Ich nehme an, dein kleiner Ausflug mit Liam hat dir so einige Antworten eingebracht", gibt er schließlich mit einer Stimme von sich, die so gar nicht zu den Emotionen passt, die sich im Schein der Straßenlaternen in seinen nussbraunen Augen widerspiegeln. Sie ist distanziert, sachlich und kalt.

„Ich habe alles ernst gemeint, was ich dir vorhin gesagt habe. Ich weiß, dass du unsere Existenz nicht verraten wirst und ich werde nichts tun, das dich in Schwierigkeiten bringt."

Er wendet den Blick, den er zuvor stur ins Nichts gerichtet hatte, ab und heftet ihn auf mich.

„Aber ich kann nichts für deine Sicherheit tun, wenn du dich weiterhin dazu entschließt, Forschungen über unsere Spezies zu betreiben. Diese Welt ist nichts für dich, du weißt nicht, worauf du dich da einlässt und...", für einen Moment huscht ein gequälter Ausdruck über das Gesicht des Blondhaarigen, „ und so wird Jeffrey früher oder später von deinem Wissen erfahren."

Nachdenklich ziehe ich die Augenbrauen zusammen, bis es auf einmal klick macht. Das riesige Anwesen, die vielen Leute, die alle auf meinen Onkel zu hören scheinen, sein stets selbstbewusstes und bestimmtes Auftreten...

„Jeffrey McCartney ist euer Anführer, oder?"

Elias nickt widerstrebend. „Ja, er ist der Alpha in unserem Rudel."

Sein eindringlicher Blick findet wieder den Meinen. „Und weißt du auch, was die Aufgabe eines Alphas ist? - Er beschützt sein Rudel. Er sorgt dafür, dass wir alle sicher leben können und kümmert sich um Probleme."

Es folgt eine anklagende Handbewegung in meine Richtung. „Du bist eines dieser Probleme. Wenn er herausfindet, dass du die Wahrheit über uns kennst, ist er gezwungen sich an die Vorschriften seiner Art zu halten und..."

Elias beendet den Satz nicht, doch seine Gesichtszüge erzählen mehr als tausend Worte. Ein eiskalter Schauer läuft mir den Rücken hinunter.

„Aber...", erhebe ich mit krächzender Stimme das Wort, „er ist doch mein Onkel. Würde er wirklich...", ich schlucke hart, zwinge mich jedoch, den Satz zu beenden.

„Würde er wirklich seine eigene Nichte dem Tode weihen?"

Sobald mir die Worte über die Lippen kommen, stelle ich fest, dass ich die Antwort auf meine Frage eigentlich gar nicht erst wissen möchte.

Auch Elias schweigt betroffen, sieht mehrmals zu mir und scheint offenbar nach Worten zu ringen.

„Ich kenne Jeffrey seit ich klein war, er ist kein böser Mensch", gibt er schließlich nach mehreren Sekunden erdrückender Stille von sich. „Ich fühle mich nicht gut dabei, ihn zu hintergehen und sein Vertrauen in mich auszunutzen, aber ich weiß, dass ihn diese ganze Sache mit dir vor eine Entscheidung stellen würde, die er nicht treffen möchte."

Wir sind mittlerweile am Stadtrand angekommen und biegen auf die Landstraße, die uns nach wenigen Metern zu dem asphaltierten Weg führt, an dessen Ende die Villa meines Onkels liegt.

Bevor sich die Finsternis des Waldes wie ein dichter, schwarzer Umhang um uns legen kann, schneidet mir der blonde Junge den Weg ab. Mit ernster Miene positioniert er sich vor mir, die Hand bittend ausgestreckt.

„Bitte mach alles nicht noch schlimmer als es ist. Bitte stelle uns nicht vor die Wahl."

Seine Stimme ist leise, jedoch nicht weniger wirkungsvoll.

Mit zitternden Fingern hebe ich die Hand mit dem Buch, um es dem vor mir stehenden Jungen zu überreichen. Ich werfe einen letzten, wehmütigen Blick auf den verdreckten Einband, wobei sich meine Hand krampfhaft zusammenzieht, als würde mein Körper sich weigern, dieses neue Stück Hoffnung einfach so gehen zu lassen.

„Aber es gibt doch niemanden, der prüft ob man das Gesetzt der Werwölfe einhält", unternehme ich einen letzten Versuch, die soeben erst errungene Wissensquelle bei mir zu behalten. „Vielleicht könnte Onkel Jeffrey eine Ausnahme machen... Liam hat gesa-"

Liam ist ein manipulativer Lügner, der mit Menschen spielt, als wären sie Puppen in einem Theaterstück!", unterbricht Elias mich harsch. „Alles was er kann, ist Zweifel und Unwahrheiten verbreiten, nur weil er nach all den Jahren immer noch der Vergangenheit nachjagt!"

Geschockt sehe ich Elias an, der mir das Tagebuch mit einem Ruck aus der Hand gerissen und es achtlos ins Unterholz des Waldes gepfeffert hat - doch das bemerke ich kaum. All meine Aufmerksamkeit ist auf die letzte Aussage des Blondhaarigen gerichtet.

„Die Vergangenheit?", wiederhole ich fragend. In unserem Gespräch hatte Liam bereits gewisse Differenzen in der Vergangenheit angemerkt, ist aber nie konkreter geworden. „Was ist denn damals zwischen euch, zwischen euren Rudeln passiert?"

Wenn ich meine Nase schon aus all dem Werwolfzeug raushalten soll, kann ich ja vielleicht wenigstens versuchen, den allumfassenden Hass zu verstehen, der jedes Mal in der Luft liegt, wenn Liams Freunde Elias und seinen begegnen.

Zumal ich nicht unbedingt das Gefühl habe, Liam wäre durch und durch eine böse Person.

Nur scheint Elias seine kein-Wissen-über-Übernatürliches-Regel sehr ernst zu meinen, denn er schüttelt nur den Kopf. „Alles, was du wissen musst, ist dass man ihnen nicht trauen kann. Alle paar Jahre tauchen sie wieder hier auf und bringen nichts als Schwierigkeiten und Ärger."

Nun ist es an mir, kaum merklich den Kopf zu schütteln. Das was Elias da erzählt, das kann doch nicht alles sein!

„Weißt du denn, warum sie das tun?", frage ich daher noch einmal nach, in der Hoffnung, wenigstens eines der um mich herum existierenden Rätsel ein Stück weit lösen zu können.

Doch diese kleine, naive Vorstellung zerfällt unter Elias hartem Blick zu Staub.

„Es gibt keinen Grund", erwidert er mit der Entschlossenheit eines Mannes, der sich auf keine weiteren Diskussionen einlassen wird. „Sie sind einfach böse. Böse und gelangweilt."

Nach dieser Feststellung wendet er sich von mir ab, um in der Dunkelheit des Waldes zu verschwinden. Einen Moment lang sehe ich sprachlos zu, wie die Silhouette des Blondhaarigen langsam aus dem schwachen Lichtkegel der letzten Straßenlaternen verschwindet, ehe ich mich dazu zwinge, ihm zu folgen.

Noch während ich dem Dorf ebenfalls den Rücken kehre, spüre ich die vertraute Frustration an meinen Nerven nagen. Als wären all diese dummen Vorschriften und Gesetze nicht genug, habe ich andauernd das Gefühl, von Elias wie ein naives Kindergartenkind behandelt zu werden, das noch nicht bereit für die große, grausame Welt dort draußen ist.

Doch das bin ich nun mal nicht.

Ich bin mit meinen siebzehn Jahren eine fast erwachsene Frau. Eine Frau, die sich nicht behandeln lassen wird, als wäre sie drei Jahre alt.

Kurz nehme ich mir einen Moment, um unter den Zweigen der Bäume stehen zu bleiben, den Blick gen Nachthimmel zu richten und die kühle Nachtluft tief in meine Lungen zu saugen.

Ich sollte mich beruhigen, mich ablenken. Denn Frustration und meine angeborene Neugierde sind eine gefährliche Gefühlskombination.

Eine Kombination, die mich, nach allem, was ich heute von Liam und Elias erfahren habe, in große Schwierigkeiten bringen könnte, wenn ich nicht aufpasse.

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A/N:

Und hier präsentiere ich Ihnen das neueste (und etwas verspätete ^-^) Kapitel von Crescent! :D

*überlegt was sie noch schreiben könnte*

Joah, also die Frage "was haltet ihr so von dem Kapitel?" Nach JEDEM Kapitel wird ja irgendwann auch langweilig, oder? xD

Deshalb ähm... wie geht es euch so? Habt ihr etwas unternommen an Pfingsten? =)
Und wisst ihr überhaupt, worum es bei diesem Feiertag geht?

- Ich muss zugeben, ich wusste es bis zu meinem Konfirmationsunterricht vor ein paar Jahren nicht wirklich. xD

Shame on me o.O

Naja, macht euch noch einen schönen Nachmittag, wir sehen uns dann bald (nächste Woche oder früher) wieder!

LG Loony ♡

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