34| Nachhilfe

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Die Vergangenheit ist ein Teil von jedem, den man weder beeinflussen, noch verändern kann. Wir wir damit umgehen, liegt an uns.

~ Loral 

~~

KALIE


Warum bist du hierher, nach New Plymouth gekommen?"

Nur wenige Worte. Und doch lösen sie einen Schwall an Erinnerungen aus, denen ich am liebsten noch für eine Weile entkommen wäre.

Erinnerungen, die sich schwer auf mein Herz legen und die in mir schlummernde, depressive Traurigkeit, vor der ich mich so fürchte, wieder zu erwecken drohen.

Schnell wende ich den Blick von Liams fragendem Gesicht ab, um mich ein paar Sekunden lang in dem Anblick des mittlerweile schwächer gewordenen Regens zu verlieren. Um mich zu sammeln. Um dem Kummer nicht die Kontrolle zu überlassen.

„Ich...", zwinge ich meine dünne Stimme endlich zu einer Antwort, nachdem mehrere Sekunden quälend langsam verstrichen sind.

„Ich wollte einen Neunanfang."

Meine Hand zittert leicht, als ich mir fahrig eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr schiebe, den Blick weiterhin stur geradeaus gerichtet.

Es ist als würden die folgenden Worte in meinem Hals stecken bleiben, sich in meiner Luftröhre festklammern um ja nicht ausgesprochen – und somit ein bisschen realer gemacht zu werden.

Doch als ich Liams warme Hand auf einmal überraschend sanft auf meiner Schulter spüre, den Kopf drehe und seinem Blick begegne, ist es als würde sich diese Blockade von einem Moment auf den anderen in Luft auflösen. Er drängt mich nicht, er sagt nichts. Ohne ein einziges Wort scheint er mir klarzumachen, dass es okay ist.

Dass es okay ist, wenn ich mir meine Zeit nehme. Oder gar nicht erst Antworte.

Und in diesem Augenblick könnte ich ihm nicht dankbarer dafür sein.

„Ich brauchte einfach einen Ortswechsel", fahre ich mit einer Stimme fort, die nichts von dem in mir wütenden Gefühlschaos nach außen dringen lässt. „Ich musste dem Teufelskreis aus langweiligem Alltag und unterdrückter Trauer, in dem ich jahrelang gefangen war, einfach mal entkommen."

Es überrascht mich selbst, wie leicht mir die Worte über die Lippen fließen. Wie gut ich es schaffe, all die bösen Erinnerungen im Zaum zu halten.

„Weil...", mich innerlich wappnend balle ich die Hände zu Fäusten.

Ich muss es ihm nicht erzählen. Ich muss ihm nicht meine tiefste seelische Wunde offenbaren, doch auf irrationale Weise verspüre ich das Bedürfnis, mich Liam anzuvertrauen.

Es auszusprechen wird es realer machen – aber war es das nicht immer schon? Einzig und allein ich habe mich davon abgehalten, die grausame Wahrheit zu akzeptieren. Ich habe sie abgelehnt, verdrängt, in die hinterste Ecke meines Gedächtnisses verbannt.

Doch nun ist es Zeit, diesen Umstand in meinem Leben anzunehmen. Ihn wenigstens ein Stück weit anzuerkennen.

„...Weil meine Eltern vor drei Jahren verstorben sind", spreche ich die unaussprechlichen Worte endlich aus. „Es gab nachts ein Feuer in unserem Haus. Und sie haben die Rauchmelder nicht gehört."

Betroffene Stille legt sich über uns. Der Wind rauscht in den Bäumen, der Regen prasselt gemächlich weiter. Ich sehe dem Naturschauspiel schweigend zu, während ich die in mir aufsteigenden Erinnerungen und die damit verbundenen Tränen mit verbissener Entschlossenheit zurückzudrängen versuche.

„Das orangerote Leuchten der Flammen am Nachthimmel", murmelt Liam irgendwann mit ausdrucksloser Stimme, „daran kann ich mich auch noch gut erinnern." Ein leises, freudloses Lachen ist zu hören.

„Ich hasse diese Farbe."

Er verstummt für ein paar Sekunden, dann höre ich Blätter rascheln und spüre, wie mich jemand an den Schultern nimmt und zu sich herum dreht. Einen Herzschlag später sehe ich mich Liams ernsten Gesicht gegenüber. In seinen himmelblauen Augen schimmert Mitgefühl.

„Ich...", kurz scheint er zu überlegen, was er sagen soll. „Ich weiß, wie es dir damit gehen muss. Vor vielen Jahren habe ich auch jemanden verloren, der mir sehr wichtig war."

Sein hübsches Gesicht verzieht sich in einem Anflug von

Verbitterung „Und obwohl seitdem so viel Zeit vergangen ist, tut es deshalb nicht nicht weniger weh."

Langsam hebt er eine Hand an meine Wange und wischt mir mit dem Daumen eine kleine Träne aus dem Augenwinkel, was mich dazu bringt, leise aufzulachen.

Ich wollte doch nicht weinen.

Mit immer noch zittrigen Fingern entferne ich die verbliebene Nässe aus meinen Augenwinkeln und schenke Liam ein warmes Lächeln.

„Danke. Für alles."

Wieder einmal steckt so viel mehr hinter diesem einfachen Wort.

Ich bin ihm dankbar, dass er zugehört hat. Dankbar dafür, dass er da war, mich zu nichts gedrängt hat und vor allem, dass er – der Geheimniskrämer schlechthin - mir sogar einen Teil seiner Selbst offenbart hat, von dem ich bis jetzt noch nichts geahnt habe.

Er hat auch jemanden verloren, der ihm wichtig war.

Genau wie ich.

Ich begreife nicht wirklich woran es liegt, aber dieser Gedanke scheint die düstere, deprimierende Wolke in meinem Kopf aufzuhellen. Die Tatsache, dass ich nach Jahren endlich über den Tod meiner Eltern reden konnte, gepaart mit dem Fakt, dass ich mit dieser Art von Verlust nicht alleine bin, scheint die allumfassende Trauer ein Stück weit aus meinem Herzen zu vertreiben.

Stattdessen breitet sich ein warmes Gefühl der Hoffnung, der Zuversicht, nun in meiner Magengegend aus, was meine Mundwinkel unwillkürlich dazu bringt, sich zu heben.

Auch Liam scheint meinen Stimmungsumschwung zu bemerken, denn die nachdenklichen Gesichtszüge verschwinden allmählich aus seiner Mimik und er sieht mich mit einem kaum merklichen Lächeln an.

„Wollen wir weitermachen?", stellt er mir leise eine Frage, deren Doppeldeutigkeit mir auch ohne seinen intensiven Blick klargeworden wäre. Mit einem tiefen Atemzug verbanne ich auch die letzte, böse Erinnerung aus meinem Kopf und konzentriere mich aufs Hier und Jetzt.

Auf ein Hier und Jetzt mit Liam, der meine eigenen Geheimnisse mittlerweile wohl besser kennt als jeder andere.

Wir beide scheinen eine dunkle Vergangenheit zu haben, deren Schatten uns immer wieder einzuholen drohen. Doch in diesem Moment fühle ich mich bereit.

Bereit, die Geschehnisse der letzten Jahre zu akzeptieren. Bereit wieder neu anzufangen - ohne exzessive Arbeitssucht und Flucht vor Gefühlen.

„Gerne, ich bin dabei."

Liams Gesichtszüge nehmen wieder etwas Lauerndes an, während seine Augen mir herausfordernd entgegenblitzen. Wieder einmal bemerke ich erstaunt, wie schnell sich die Stimmung zwischen uns ändern kann.

„Du bist dran", verkündet er, woraufhin ich ihn mit zusammengekniffenen Augen mustere. Auf keinen Fall werde ich seinem bohrenden Blick ausweichen.

„Was war deine bisher schlimmste Lüge?"

Stille.

Wenige Herzschläge lang liegt Liams undefinierbarer Blick auf mir, dann schlägt er zu meiner Überraschung die Augen nieder.

„Ich habe einer Person gesagt, dass sie mir egal wäre. Obwohl das ganz und gar nicht die Wahrheit gewesen ist."

Seine Stimme ist sachlich, klar – und passt so gar nicht zu dem, was er mir soeben anvertraut hat. Es ist, als würde ihn all das nicht mehr berühren. Als hätte er mit diesem Erlebnis längst abgeschlossen.

Vorsichtig neige ich den Kopf, um dem dunkelhaarigen Jungen mir gegenüber in die Augen sehen zu können. In den Teil seiner Selbst, der seine wahren Gefühle stets am schlechtesten zu verbergen vermag. Doch als ich dem Blick der zwei himmelblauen Diamanten begegne, erscheinen sie mir hart und stumpf. Wie eine glatte Oberfläche, durch die man jedoch nichts Genaueres erkennen kann.

„Was war denn deine schlimmste Lüge?", wendet Liam das Wort wieder an mich, als wäre nichts gewesen. Offensichtlich möchte er meine Aufmerksamkeit wieder auf unser Spiel lenken - was ich ihm diesmal auch verstehend durchgehen lasse.

Allerdings erscheint mir die Antwort auf diese Frage um einiges schwerer als erwartet. Nachdenklich lege ich meine Stirn in Falten, auf der Suche nach einer großen Lüge.

„Eine schlimme Lüge? So ins Gesicht einer anderen Person?"

Liam nickt schweigend. Ich fahre mir verlegen durch die Haare.

„Um ehrlich zu sein...", gebe ich schließlich zu, „ich bin keine wirklich gute Lügnerin. Meist werde ich durchschaut – vor allem Clary scheint einen sechsten Sinn dafür zu haben. Und da sie neben dem Postboten in den letzten Jahren beinahe die einzige Person war, mit der ich Kontakt hatte..."

„Du erzählst mir jetzt nicht ernsthaft, dass du noch nie jemanden erfolgreich belogen hast, oder?", lacht Liam ungläubig auf. „Da fühle ich mich ja beinahe schlecht, neben dir."

Als ich daraufhin nur mit einem hilflosen Blick die Schultern hochziehe, schüttelt er den Kopf, steht auf und hält mir seine ausgestreckte Hand hin. Ohne zu zögern greife ich danach und lasse mich von ihm auf die Beine ziehen.

„Lügen, Tipp Nummer eins", beginnt der Dunkelhaarige in einem belehrenden Ton, während er mich amüsiert mustert. „Denk dir deine Lüge lieber vorher aus. Spontane Ausreden können gut sein, werden aber eher durchschaut, da sie meist nicht ganz rund sind."

Ich nicke stumm, wobei ich mit allerhand versuche, mich auf seine Worte zu konzentrieren. Durch das ruckartige Aufstehen sind wir uns so nah, dass ich jeden einzelnen der helleren Sprenkel in Liams Augen erkennen kann. Mein Herz hämmert in verräterischer Lautstärke in meiner Brust und sein Geruch – eine Mischung aus Baumharz, frisch gefallenem Regen und etwas, das ich nicht wirklich benennen kann, hüllt mich ein wie eine unsichtbare Nebelwolke.

„Außerdem solltest du – so komisch es auch klingt – versuchen selber an deine falschen Aussagen zu glauben. Schließlich tust du das ja auch, wenn du die Wahrheit sagst. Bilde dir einfach für den Moment ein, du hättest gestern tatsächlich eine Runde mit dem Hund gedreht – dann kommst du glaubhafter rüber."

Sein Lippen verziehen sich zu einem verschmitzten Lächeln. „Okay, das mit dem Hund war jetzt vielleicht nicht das beste Beispiel – vor allem weil die Schwindelei sicherlich auffliegen wird, wenn das Tier irgendwann anfängt in die Wohnung zu pinkeln – aber das Prinzip hast du verstanden, oder?"

Wie ferngesteuert bewege ich meinen Kopf zu einem Nicken auf und ab. Zwar sickern seine Worte neben dem permanenten Rasen meines nervigen Herzens nur zäh in mein Gehirn, doch nach und nach kommt alles an.

Vorher ausdenken, spontane Ausreden vermeiden, selbst an die eigene Aussage glauben.

„Jawohl Meister, danke für die Tipps. Ich wollte schon immer mal ein so richtig hinterlistiger, schlechter Mensch sein", ziehe ich Liam auf, wobei ich mit einer Hand an der Stirn einen militärischen Gruß nachahme.

Mit schlechten Scherzen lässt sich hoffentlich gut von der Tatsache ablenken, dass ich meinen Gesprächspartner während seiner gesamten Erklärung einfach nur wie hypnotisiert angestarrt habe.

Und tatsächlich – statt einem Kommentar zu meinem schmachtenden Blick, verdreht der Dunkelhaarige nur seufzend seine Augen.

„Ich habe nie gesagt, dass du ein schlechter Mensch sein sollst -aber in deiner jetzigen Situation kann der eine oder andere Tipp wohl nicht schaden, was?"

Seine Worte sind einleuchtend und bringen nicht nur meinen Verstand wieder in die Zone der Ernsthaftigkeit – auch mein Herz scheint sich allmählich an die Nähe zwischen uns gewöhnt zu haben. Zumindest hat es aufgehört, meine Gedanken permanent mit seinem lauten, aufgeregten Pochen zu füllen.

„Vielleicht hast du recht", stimme ich ihm missmutig Lächelnd zu. „Wenn man bedenkt in was für Schwierigkeiten ich stecke, kann ich mir die ein oder andere Notlüge sicherlich den Kopf retten."

„Sehr schön!" Ein stolzes Lächeln schleicht sich auf Liams Mundwinkel, der nun die Arme vor der Brust verschränkt und einen Schritt zurücktritt. „Ich freue mich immer, wenn ich dir mit meinen Weisheiten das Leben retten kann."

Nun ist es an mir, die Augen zu verdrehen. „Es war mir eine Ehre, oh weiser Werwolf!"

Kurz tauschen wir einen hochmütigen Blick aus, ehe wir gleichzeitig zu lachen beginnen. Das süße Geräusch der Freude vermischt sich mit dem stetigen Prasseln des Regens, in dessen einsamer Trostlosigkeit ich mich nie besser gefühlt habe.

Denn auch wenn die dunklen Wolken am Himmel noch sehr präsent sind, die in meinen Gedanken werden mehr und mehr von dem Jungen vertrieben, dessen befreite Lache nun durch den Wald hallt.

Das sollte er öfter tun, denke ich mir heimlich, denn diese sorglose, fröhliche Seite steht ihm.

„Okay, ich bin dran", mache ich mich daran, unser Spiel wieder fortzuführen, sobald wir beide wieder einigermaßen ernst geworden sind. Anstatt jedoch zustimmend auf eine Frage zu warten, verschränkt Liam nur die Arme vor der Brust und wirft mir einen Blick zu, der weitere Diskussionen ankündigt.

„Findest du nicht, dass ich für diese wirklich nützlichen Tipps eine Extrafrage verdient hätte?", fordert er mich und die selbst gesetzten Regeln unseres Spiels heraus.

„Findest du nicht, dass das ziemlich gegen die von dir selbst vorgeschlagene Abmachung verstößt?", spreche ich ihn darauf an, ernte aber nur ein gleichgültiges Schulterzucken.

„Manche Regeln sind da, um gebrochen zu werden."

Mal wieder schwanken meine Emotionen irgendwo zwischen dem Wunsch zu Lachen, oder genervt die Augen zu verdrehen. „Warum überraschen mich diese Worte aus deinem Mund nicht?"

Nun doch grinsend schüttele ich meinen Kopf, immer noch nicht bereit, ihm seine kleine Regeländerung durchgehen zu lassen.

Es liegt nicht an der Tatsache, dass ich ihm keine Zusatzfrage gönnen würde, es ist das triumphierende Funkeln in seinen Augen, das mich dazu bewegt standhaft zu bleiben. Ihn nicht so einfach ans Ziel kommen zu lassen.

„War das eine rhetorische Frage, oder darf ich mich dazu äußern?"

„Zu dieser nicht, aber zu einer Weiteren, die ich dir gleich stelle, gerne", lächele ich ihn süffisant an, während mein Kopf bereits auf Hochtouren arbeitet.

Kann ich es wagen?

Kann ich ihn jetzt nach seiner Vergangenheit fragen?

~~

~~

A/N:

Hallihallo ihr fleißigen Leseratten! ;P

- Bevor ich mich für diesen mehr als gemeinen Cliffhanger entschuldige, nochmal ein großes Dankeschön an die liebe CrissySea , die mich mit ihren vielen Kommentaren unter anderem darauf hingewiesen hat, wie grottenschlecht  Kalies schauspielererischen Fähigkeiten doch jedes Mal sind. xD

Nicht, dass ich das nicht wüsste, aber dadurch hat sie mich zu dieser Szene inspiriert, in der Liam den ein oder anderen, in der Zukunft wohl hilfreichen Tipp loswerden konnte. :3

Was meint ihr? Wird Kalie je richtig lügen können? O.o

Und wie findet ihr die Chemie zwischen den beiden so? *verlegenes Lachen*

Heute Abend kommt vielleicht noch eine Überraschung - je nachdem ob mein Datenvolumen noch ausreicht um ein weiteres Kapitel hochzuladen. ;) 

...denn auf diesem Cliffhanger kann ich euch doch nicht mehrere Tage lang sitzen lassen, oder? *grins*

Okay - genug geschrieben und mit * gearbeitet.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend - vielleicht bis nachher nochmal. <3

(Und die Kommentare vom letzten Kapitel beantworte ich faules Sofakissen am besten auch mal gleich... xD)

LG Loony ♡

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