39| Verrat

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Yeah I hope you feel like
you're a champion
When you break my heart
once and for all.

~ Elina, Champion

~~

KALIE

Ich bin Lesharo. Sohn von Levin und Nayeli.

Zwar erklingen diese Worte vollkommen verständlich in der nahezu gespenstischen Stille des Waldes, aber dennoch scheinen sie meinen Verstand nicht ganz zu erreichen. Es ist als würde mein Gehirn sich weigern, die neu errungenen Informationen aufzunehmen - nicht wahrhaben wollen, was er mir laut meinen Ohren soeben eröffnet hat.

Obwohl ich ihn nur wenige Sekunden zuvor bereits für den Mörder seines eigenen Vaters, für Nikas, gehalten habe, erschien mir diese Wahrheit nie wirklich real.

Vielmehr ist sie aus Verwunderung entstanden, aus dem flüchtigen Zusammenzählen von Hinweisen und dem voreiligen Kombinieren.

Legenden waren für mich immer nur Geschichten. Fiktional – vielleicht mit einem wahren Kern, doch niemals vollständig real. Ich habe nicht an die tatsächliche Existenz dieser Personen geglaubt.

Genauso wie ich bis vor ein paar Wochen noch nicht an Werwölfe geglaubt habe...

Wäre ich nicht so damit beschäftigt gewesen, den stumm vor mir stehenden Jungen anzustarren, hätte ich jetzt sicherlich einen hysterischen Lachkrampf bekommen.

Diese Situation, all das was geschehen ist wirkt auf eine fast lachhafte Weise surreal - und doch logisch.

Es gibt Werwölfe und Hexen, warum sollten dann keine anderen, übernatürlichen Wesen aus den Legenden existieren?

Vampire, Zauberer, Götter... vielleicht sogar diese Waldelfen, von denen der kleine Timothy geredet hat, als wir bei Lorals Geschichtsstunde waren.

Nur wo hört das Ganze auf? Wo ist die Grenze zwischen Fantasie und Realität?

Dieser mehr als verwirrende Gedanke kreist unaufhörlich in meinem Kopf herum und hält mein Gehirn auf Trab, bis mich eine Bewegung vor mir schlagartig in die Wirklichkeit zurückholt. Es ist Liam – oder Lesharo – der sich gerade umdreht und zum Gehen wendet.

„Warte!"

Ich mache einen zögerlichen Schritt in seine Richtung, eine Hand in einer bittenden Geste nach ihm ausgestreckt. Er kann jetzt nicht einfach so verschwinden! Er darf mich nicht einfach so mit all den unerwarteten Enthüllungen allein lassen!

Zumal es da noch eine bedeutsame Sache zu geben scheint, die sein Verhalten prägt, für mich bis jetzt aber noch keinen Sinn ergibt.

„Das, was dir passiert ist, tut mir leid", beginne ich mit zunehmend gefasster wirkenden Worten. „Es muss eine schreckliche Erfahrung gewesen sein, einen so wichtigen Teil in seinem Leben auf eine solch brutale Art und Weise zu verlieren."

Gegen meinen Willen wandern meine Gedanken zu meinen Eltern, die ebenfalls von einem Tag auf den anderen von mir gegangen sind und mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

Eine winzige Falte bildet sich zwischen Liams Augenbrauen. Er scheint zu erahnen, was gerade in meinem Kopf vor sich geht. Einen Herzschlag lang scheint er kurz davor, etwas Verständnisvolles zu erwidern, doch dann scheint der Dunkelhaarige sich an etwas zu erinnern, das ihn dazu bringt die Zähne fest aufeinanderzupressen und mich mit einem unterkühlten Blick anzusehen, der mir bis ins Mark geht.

„Ich will kein Mitleid", stößt er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor, „und schon gar nicht deins."

Mir bleibt gar nichts anderes übrig, als ihn mit großen Augen anzusehen, unfähig zu verstecken, wie sehr mir diese plötzliche Zurückweisung zusetzt. Sollte ich mich vorhin schon verletzt gefühlt haben, diese verstoßenden Worte bringen meinen inneren Schmerz – auch wenn ich mich standhaft dagegen wehre – auf ein völlig neues Level.

„Ich muss jetzt gehen."

Was?

Irritiert blinzele ich ein paar Mal.

Das ist ein schlechter Scherz, oder?

Es ist keiner. Ohne mich noch eines weiteren Blickes zu würdigen, dreht sich der blauäugige Junge um und beginnt vor mir im Unterholz zu verschwinden.

„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?"

Er hält inne. Genauso wie ich. Eigentlich hatte ich nicht vor, die verständnislose Frage in einer solchen Lautstärke von mir zu geben, doch ein winziger Teil meiner Selbst wird von grimmiger Zufriedenheit erfüllt, als ich sehe wie er einen Moment zögert.

Einen winzigen Moment, eine kleine Chance, die ich sogleich ohne weiter darüber nachzudenken ergreife.

„Du will jetzt gehen? Einfach so? Nach all dem was heute passiert ist, nach all dem was zwischen uns passiert ist offenbarst du mir, dass du ein verdammt nochmal Jahrhunderte alter, übernatürlicher Werwolf aus eine der bekanntesten Legenden in der Gegend bist und verschwindest dann ohne jegliche Erklärung?"

Von einer brodelnden Mischung aus Wut und Unverständnis gepackt, trete ich einen Schritt auf mein Gegenüber zu, den Zeigefinger anklagend auf seine Brust gerichtet.

„Du bist ein Feigling! Ein verdammter Feigling, und weitaus schwächer als ich dachte, Liam – oder Lesharo - oder wie auch immer!

Erst machst du einen auf guten Freund, dann verursachst du ein riesiges Chaos im Haus des McCartney Rudels, missbrauchst deine eigentliche Freundin als Geisel und haust zu guter Letzt einfach ab!" Mir entweicht ein abschätziges Schnauben.

„Das ist einfach nur erbärmlich."

Ich genehmige mir einen tiefen Atemzug der klaren Nachtluft, nachdem ich geendet habe. Eigenartigerweise fühle ich mich erleichtert, da ich ihm alles um die Ohren gehauen habe, was mir auf der Seele brennt. Der bedrückende, verzweifelte Knoten in meiner Brust scheint gelöst, alle Probleme mit meinen Worten entfleucht zu sein.

Doch genauso unvermittelt wie mich dieses Gefühl ergriffen hat, ebbt es auch wieder ab, als ich sehe wie sich der Gesichtsausdruck des Dunkelhaarigen ändert. Erst huscht ein irritierter Hauch über seine Züge, dann verziehen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln, das von bitterem Amüsement geprägt ist.

„Du hast es echt immer noch nicht gescheckt, oder?"

Etwas in seinem Ton lässt mich erstarren. Ein kalter Schauer läuft prickelnd mein Rückgrat hinab, während der unsterbliche Werwolf mit wenigen Schritten wieder bei mir ist.

„Unsere kurzen Gespräche... mein plötzliches Auftauchen... der Ausflug in Lorals Bibliothek..."

Er beginnt seelenruhig mich zu umkreisen. Ich stehe einfach nur da, den Blick in die Leere gerichtet. Die Richtung, die dieses Gespräch einschlägt, gefällt mir nicht. Und der leicht gehässige Unterton des Dunkelhaarigen lassen eine schreckliche Vorahnung in mir aufsteigen.

„Du bist neu in diesem Dorf gewesen. Ein Mensch, ein Stadtkind – so schwach und leicht zu beeinflussen. Ich musste nur wissen wie ich das übertriebene Geheimhaltungsprinzip der McCartneys gegen sie nutzen konnte... ein paar Zweifel sähen, dich im Auge behalten und zum richtigen Moment auftauchen."

Seine Stimme hallt dumpf in meinen Ohren wieder, als würde er durch eine unsichtbare Wand zu mir sprechen. Mir aus weiter Entfernung das Herz brechen.

„Auf dem Buch lag ein Zauber, weißt du? Die damalige Hüterin des Rudels hat das die Sammlung der Grundrisse so verhext, dass nur eine Person aus der Blutlinie des Alphas dazu in der Lage wäre, es ohne Konsequenzen aus dem Regal zu nehmen."

Er steht nun so dicht neben mir, dass sich unsere Körper fast berühren. Sein warmer Atem trifft auf meine empfindliche Haut. Und als wäre die folgende Erkenntnis nicht schon erniedrigend genug, spüre ich auch noch, wie sich Gänsehaut auf meinem Hals ausbreitet, als er sich zu mir hinunterbeugt und mir etwas ins Ohr flüstert.

„Ohne dich wäre ich nie an den Plan der Villa gekommen. Ohne dich hätte ich den McCartneys nie ihr wertvollstes Besitztum stehlen können. Ein Besitztum, ohne das ihr Rudel schon bald im Chaos enden wird."

Voller Scham senke ich den Blick zu Boden. Meine Augen brennen, doch ich versuche das letzte bisschen Würde, das mir noch bleibt zu bewahren, indem ich nicht vor ihm in Tränen ausbreche.

„Die kleine, naive Nichte des Alphas..."

Die grausame Wahrheit gräbt sich wie tausend kleine Rasierklingen in meinen Körper, lässt mich und meine Seele innerlich bluten. So fest ich kann beiße ich die Zähne zusammen, versuche den Schmerz auszusperren, der langsam aber sicher beginnt mich von innen aufzufressen. Eine einzelne, stumme Träne fließt meine Wange hinab, bis ich ihr salziges Aroma auf meinen Lippen schmecken kann.

Ich brauche ihn nicht, versuche ich mir einzureden.

Ich bin nicht ihn ihn verliebt.

Nur warum fühlt es sich dann so an, als wäre mein Herz bei jedem seiner Worte weiter in tausend Teile zersplittert?

~~


~~

LIAM

Knorrige Äste zeichnen sich deutlich gegen das Licht des Mondes ab, Blätter rascheln im sanften Nachtwind und Schatten tanzen am Waldboden, während ich mich eilig an Bäumen und Büschen vorbeischiebe. Normalerweise wäre ich schneller.

Normalerweise würde ich mich einfach in einen Wolf verwandeln, meine Klamotten ins Maul nehmen und mit großen Sprüngen durch den Wald jagen, doch die Situation, in der ich mich gerade befinde, als alles andere als normal.

All die Geschehnisse der letzten Stunden scheinen mir noch immer in den Knochen zu stecken. Mein Körper scheint erfüllt von widersprüchlichen Emotionen, die wie ein Tornado in meinem Inneren wüten. Die undurchdringliche Barriere, hinter der ich sie sorgfältig versteckt hatte, beginn bereits unter ihrem Druck zu ächzen.

Immer wieder taucht ihr Gesicht vor meinem inneren Auge auf. Überrascht, voller Reue und so unheimlich verletzt. Jedes Mal wenn ich an den Schmerz in ihren Augen denke, scheint sich eine spitze Nadel tief in mein Herz zu graben.

Vielleicht will ich einfach nicht weg von hier. Vielleicht will ich diesem Ort und all den Scherben, die ich dort zurückgelassen habe, einfach nicht den Rücken kehren.

Was war deine bisher schlimmste Lüge?, hat Kalie mich mal gefragt. Damals war meine Antwort wahr, und auch heute wäre sie noch die Gleiche.

Ich stoße die Personen, die mir etwas bedeuten von mir. Ich verletze sie. Ich tue so, als wären sie mir egal, obwohl sie es in Wirklichkeit ganz und gar nicht sind.

Erst mein Vater Levin und dann Kalie, denke ich bitter, scheint so,

als würden sich meine Fehler ständig wiederholen.

Diese Realisation löst eine explosive Mischung aus Wut und Selbsthass in mir aus, die mich die Zähne fest aufeinanderbeißen, herumwirbeln und meine geballte Faust so schmerzhaft gegen den nächstbesten Baumstamm rammen lässt, dass die Haut an meinen Fingerknöcheln augenblicklich aufplatzt.

Warmes Blut sammelt sich in den Zwischenräumen meiner Finger, während sich der altbekannte, brennende Schmerz in meiner Hand ausbreitet. Tief einatmend schließe ich die Augen und lehne meine Stirn für einen Moment gegen die raue Borke des Baumes.

Tief in mir drinnen weiß ich, dass ich richtig gehandelt habe. Ich weiß, dass der Diebstahl des Mondsteins die richtige Entscheidung war, genauso wie ich mir einzureden versuche, dass die Nichte des Alphas auszunutzen ebenfalls notwendig gewesen ist.

Denn selbst wenn ich mehr als einfachen Hass für Kalie empfinden würde, änder das nichts an der Tatsache, wer sie ist.

Mit einem letzten, tiefen Atemzug öffne ich die Augen, richte mich zu meiner vollen Größe auf und fahre mit der Hand durch meine Haare, die – wie ich genervt feststelle – wieder einmal völlig zerzaust von Wind und Wald sind.

Meine Vergangenheit hat mich gelehrt, mit Schmerz und Verlust umzugehen. Meine Emotionen in die hinterste Ecke meines Gedächtnisses zu drängen. Wegzusperren, um rational denken zu können.

Und mithilfe genau dieser Taktik gelingt es mir, im Chaos des Lebens, im Strudel der Zeit nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Mein Ziel ist einfach und klar, der Weg dorthin allmählich sichtbar.

Noch während ich mich umdrehe, der McCartney Villa sowohl physikalisch als auch symbolisch den Rücken kehre und meinen Weg durch das Unterholz fortsetze, wandert meine Hand wie automatisch an meinen Hals, an dem sich fünft schmale, leicht wulstige Narben von meiner Halsbeuge, bis hin zu meinem Schlüsselbein ziehen. Vier auf der einen, eine auf der anderen Seite.

Die Hinterlassenschaften vom Griff eines Mörders.

Langsam lasse ich meine Fingerkuppen über die vier leichten Erhebungen auf der linken Seite meines Halses wandern. Noch immer kann ich mich an jeden einzelnen Moment, jeden Gedanken aus jener schicksalhaften Nacht erinnern, in welcher der ehemalige Freund meines Vaters einen Teil seines Versprechens erfüllte. Den Mann umbrachte, den er als Kind seinen besten Freund genannt hatte.

Auch ich habe ihm in dieser Nacht etwas versprochen. Und ich werde nicht eher ruhen, bis ich meine Drohung von damals in bittere Realität verwandelt habe.

Diese Narben auf meinem Hals zeichnen mich. Sie sind eine Erinnerung daran, wer ich bin, woher ich komme und was meine Aufgabe in dieser Welt ist.

Mit einem grimmigen Lächeln auf den Lippen halte ich kurz inne, um eine Hand in meine Hosentasche wandern zu lassen. Eine angenehme wärme breitet sich von dort aus, als würde ich ein schwach glühendes Kohlenstück mit mir tragen. Meine Finger umfassen einen glatten, ovalen Gegenstand. Den Gegenstand, den ich aus Jeffrey McCartneys Büro stehlen konnte.

Er leuchtet in einem hellen, silbrig weißen Licht, das mich leicht die Augen zusammenkeifen lässt. Vorsichtig fahre ich mit dem Daumen über die spiegelglatte Oberfläche des Steins.

Der Mondstein des McCartney-Rudels.

Ein weiterer Schritt zur Verwirklichung meiner Rachepläne.

Doch so sehr ich mich darüber auch freuen sollte, wenn ich diesen schimmernde Stein ansehe, empfinde ich nichts als Leere. Denn für eben jenes Objekt habe ich einen hohen Preis gezahlt.

Um in Besitz dieses mächtigen Relikts zu kommen, habe ich das Mädchen hintergangen, das mir nach all den Jahren zum ersten Mal das Gefühl gegeben hat, angekommen zu sein. Das Mädchen, für das ich eigentlich nichts empfinden dürfte.

Ich habe gewonnen, aber gleichzeitig auch verloren.

Und so fest ich auch daran glauben möchte, dass dieser Stein all seine Opfer wert war, ich kann es nicht. 

~~

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A/N:

Überraschung! XD

Na? Habt ihr das Update erwartet?

Genauso wie ihr Liams "Verrat" (wenn man so will) erwartet hättet...? O.o

... Schlechte Überleitung? - Check! XD

Naja, aber jetzt mal im Ernst:

Danke! <3
Danke für all die lieben Kommentare, reads und nicht zuletzt auch die Votes, mit denen ihr mir jedes Mal ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und mich zum Weiterschreiben motiviert.

Crescent ist mittlerweile wirklich zu einem Herzensprojekt geworden und ich freue mich sehr, gemeinsam mit euch in den nächsten Teil zu starten. ;D

(Warum kriege ich hier gerade irgendwie... berufliche Motivationsreden-Vibes? xD)

Jedenfalls... *räuspert sich* ...würde ich mich sehr freuen, wenn ihr mir zum Ende von Teil I noch einmal kurz eure Meinung zu der Geschichte, Verbesserungsvorschläge und Wünsche (z.B. Shippings, die unbedingt Realität werden müssen? ;3) in die Kommentare schreiben würdet.
Vielleicht lässt sich da ja noch etwas machen... ;)

Außerdem habe ich bei vielen Büchern gesehen, dass die Autoren eine Meinung, also einen Kommentar von einem Leser, mit in den Klappentext einbringen... also falls unter euch irgendjemand ist, der bei mir im Klappentext ein bisschen Werbung machen möchte...

...Wäre es super lieb, wenn ihr ein paar nette Worte unter diesem Absatz hinterlassen könntet. ^-^

-

Okay, genug nach Lob gebeten, haha. Ich wünsche euch noch einen wundervollen Abend/Morgen/Nachmittag - wann auch immer ihr das hier gerade lest. :)

Wir sehen uns am Freitag! :D

LG Loony ♡

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