6| Cousinen ✓

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Wie kann jemand, der nur ein paar Wälder verwaltet und Holz verkauft, sich so etwas leisten?

~ Kalie

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KALIE

Jeffrey hat es in seinem Leben zu nichts gebracht. Der Bruder meines Vaters war ein fauler Hund, der auf eine exzellente Ausbildung verzichtet hat und jetzt irgendwo im Nirgendwo wohnt. Einen großen Wald soll es dort geben - in dem arbeitet er wohl, um sich seine täglichen Mahlzeiten zu finanzieren.

Wenn solche Aussagen die einzigen Informationen sind, die man von seiner Familie über den eigenbrötlerischen Onkel bekommt, stellt man sich beim Besuchen eben jenes Verwandten vielleicht eine kleine Holzhütte vor. Ein Häuschen mit kleinem Hof - eventuell sogar einer aus schiefen Latten gezimmerten Garage - aber sicher nicht das, was sich hier gerade prachtvoll vor meinen Augen erstreckt.

Unmittelbar vor mir thront ein riesiges Anwesen im strahlenden Schein der Nachmittagssonne. Grauer Kiesweg, saftig grüner Rasen und eine Ansammlung von Carports weiter rechts lassen in mir bereits die Vorahnung aufkeimen, dass mein bisheriges Bild von Jeffrey nicht ganz der Realität entsprechen könnte. Und als ich meinen Blick weiter zu der riesigen Villa im Baustil eines alten, europäischen Jagdhauses schweifen lasse, zerplatzt das bescheidene Bild in meinem Kopf wie eine Seifenblase.

Keine heruntergekommene Hütte. Keine rostiges Gartentor und kein vor Unkraut nur so strotzender Vorgarten. Das Heim meines Onkels könnte genauso gut einem Märchenfilm entsprungen sein.

Fassungslos schüttele ich den Kopf und schaffe es irgendwie, nach dem Griff der Beifahrertür zu greifen und auszusteigen, ohne den unerwarteten Anblick des Hauses dabei aus den Augen zu lassen. Fast schon erwarte ich, die sandfarbene Fassade mitsamt den hölzernen Balkonen und den farbenfrohen Blumenkästen auf den Fensterbänken würde sich innerhalb meines nächsten Wimpernschlages auflösen wie eine Fata Morgana.

Die Autotür schlägt zu, wärmende Sonnenstrahlen lassen meine Nase kitzeln und eine leichte Brise trägt den wundervoll modrigen Geruch der Natur an meine Nase, doch darauf achte ich kaum.

Jeder - absolut jeder - den ich gefragt habe, meinte mein Onkel würde in der Forstwirtschaft arbeiten. Sogar Steven konnte mir dies als Bekannter Jeffreys und Einwohner von New Plymouth bestätigen.

Nur wie kann sich jemand, der sein Geld hauptsächlich mit dem Verkaufen von Holz verdient, so ein Anwesen leisten?

Doch das kleine Schild unter dem eindrucksvoll geschwungenen Tor lässt keine Zweifel zu.

>> McCartney << , steht dort in geschwungenen Buchstaben - auch nachdem ich mehrere Male ungläubig geblinzelt habe.

„Hey Kalie, du kommst soweit klar, oder?", meldet sich Steven aus dem Hintergrund, der meine sprachlose Phase der Verarbeitung schweigend vom Fahrersitz des Pickups aus verfolgt hat.

Seine Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und erinnert mich daran, dass ich noch immer einen überaus netten Fahrer habe, der zwar noch auf mich wartet, aber sicherlich auch bald weiter möchte.

„Jaja - natürlich!" Ich schenke ihm ein Lächeln, das hoffentlich nur halb so durcheinander wirkt, wie ich mich gerade fühle. „Danke nochmal fürs Fahren!"

Meine Worte gehen beinahe in der dröhnenden Countrymusik unter, die der Fahrer des roten Trucks direkt wieder aufgedreht hat, nachdem der Motor gestartet wurde. „Immer gerne!", brüllt er mir aus dem heruntergelassenen Fenster seines Autos zu und hebt die Hand zu einem Abschiedsgruß, welchen ich erwidere.

„Wir laufen uns bestimmt früher oder später mal wieder über den Weg, also bis bald! - Und immer schön auf das Tempolimit achten, ja?", gibt er mir augenzwinkernd noch einen letzten, polizeilichen Hinweis, der wahrscheinlich sicherstellen soll, dass unser nächstes Aufeinandertreffen nichts mit Raserei und Polizeikontrolle zu tun hat.

Mit einem braven Nicken bleibe ich stehen und winke, bis der Wagen des Polizeichefs von New Plymouth im Halbdunkeln des Baumtunnels verschwunden ist.

Dass ich in den letzten zwei Jahren viel zu sehr mit akribischer Verdrängung der Realität, sowie täglichen Wiederholungen im Tagesplan beschäftigt gewesen bin und es deshalb schändlicherweise noch nicht geschafft habe, meine Führerscheinprüfung zu absolvieren, kann er natürlich nicht wissen.

Einen tiefen Seufzer unterdrückend, wende ich mich wieder dem imposanten Zauntor aus glänzendem Metall zu, das wie eine hohe, undurchdringliche Mauer zwischen mir und dem Anwesen emporragt. Gerade bin ich dabei, die Pfosten links und rechts nach einer Klingel oder etwas Ähnlichem abzusuchen, da hallt ein lautes Geräusch über die Rasenfläche zu mir hinüber.

„Kalieee!"

Mein Kopf schnellt nach oben und ich entdecke zwei Personen - ein Junge und ein Mädchen - die soeben aus der wuchtigen Eingangstür des Hauses getreten sind und diese mit einem Knall hinter sich zufallen gelassen haben.

Zwei blonde Haarschöpfe glänzen in der Sonne, was mich dazu bringt, die Augen nachdenklich zusammenzukneifen. Doch als sich eine der beiden Gestalten von der Seite ihres Begleiters löst, um den Kiesweg zum Tor mit schnellen Schritten entlang zu laufen, während ihre Arme in einem wilden Winken hin und her sausen, bestehen keine Zweifel mehr.

„Na endlich!" Schwer atmend kommt meine Cousine vor mir zum Stehen und legt ihre Hände um die kalten Metallstäbe des Hoftores. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr an", teilt sie mir mit strahlenden Augen mit und wirkt dabei ein wenig wie ein kleines Kind, das nun endlich die lang ersehnte Folge seiner neuen Lieblingsserie schauen darf.

Ein leises Summen ertönt, als der Junge hinter ihr eine Hand hebt, in der wohl so etwas wie eine Fernbedienung liegt, und das Tor öffnet. Kurz darauf finde ich mich in einer herzlichen Umarmung wieder, die nach Chanel duftet.

„Hey Clary", begrüße ich das Mädchen mit den hellen Locken, während ich ihre Umarmung erwidere. Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen, als wir uns wieder voneinander lösen.

„Schön, dass du es endlich geschafft hast! Ich warte hier gefühlt schon seit Ewigkeiten... Und zwischendurch habe ich fast schon gedacht, dass du es dir doch noch anders überlegt hast." Ihr Blick schweift zu der schmalen Straße, auf der Steven soeben mit seinem alten Pickup Truck verschwunden ist.

„Dein Taxi hatte aber eine komische Farbe... sag mal - bist du per Anhalter gereist? Du weißt schon, dass das ziemlich gefährlich sein kann, oder? Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Mum gebeten dich mitzunehmen, damit...", ertränkt sie mich sogleich in einem Redeschwall und fährt sich kopfschüttelnd durch die langen, glänzenden Haare, während sie Pläne aufstellt, die meine Anreise sicherlich um einiges bequemer gemacht hätten.

Clary Wintersburg ist meine Sicherung. Mein Notfallplan. Meine Cousine, beste Freundin und wohl engste Vertraute.

Sie war die Einzige von meinen sogenannten Freunden, die noch für mich da waren, als es mir schlecht ging. Ich verstehe selbst kaum, wie sie mein verbittertes, verschlossenes Ich aus der Vergangenheit ertragen konnte - doch sie hat mich nie alleine gelassen.

Nicht, als ich mich tagelang in meinem Zimmer verkrochen habe. Nicht, als ich bei ihren Eltern, die mich nach dem Tod von Mum und Dad selbstverständlicherweise aufgenommen haben, ausgezogen bin, da ich damals der Meinung war, niemanden zu brauchen.

Sie hat mir die kleine Wohnung organisiert, die ihre Mutter als Unterkunft für Touristen vermietete und kam in regelmäßigen Abständen vorbei. So entstanden immer längere, durchaus auch tiefgründige Gespräche, die mir langsam klarmachten, dass ich mein Leben ändern musste.

Und gerade in dem Moment, in dem ich nach einer Lösung für meine derzeitige Situation suchte, hatte Clary einen Geistesblitz, der meinen geheimnisvollen, mehr oder weniger von der Familie verstoßenen Verwandten beinhaltete.

Ohne sie würde ich hier heute sicher nicht stehen.

„Ich...ähm", räuspere ich mich, um die Analysen meiner Freundin damit vorsichtig zu unterbrechen. Sie scheint zu bemerken, dass ich im Begriff bin, mich zu ihren Anschuldigungen bezüglich des per-Anhalter-Fahrens zu äußern, weshalb sie verstummt.

„Meine Anreise...", beginne ich auszuholen, entschließe mich dann aber doch angesichts meiner erschöpften Glieder, die ganze Erklärung noch etwas zu verschieben. „...war komplizierter als gedacht. Ich erzähl es dir später, okay?"

Die grau-blauen Augen meiner Freundin schalten in einen Röntgenblick, mit dem sie mich von Kopf bis Fuß abscannt, um ja nicht die kleinste Gefühlsregung meinerseits zu verpassen. „Muss ich mir irgendwie Sorgen machen...?" Ihr Blick lastet auf der zerkratzen Haut meiner Schienbeine.

„Nein, musst du nicht", winke ich beruhigend ab. „Zumindest nicht mehr."

Der letzte Satz scheint die Wirkung des Ersten in gewisser Weise aufzuheben, weshalb meine Cousine fragend eine ihrer geschwungenen Augenbrauen hochzieht.

„Gleich", vertröste ich sie mit einem Augenzwinkern und nicke mit dem Kopf in Richtung Villa. „Wollen wir nicht erst einmal reingehen?"

Clary zögert einen Moment, mustert mich noch einmal, ehe sie zu erkennen scheint, dass ich momentan weder in Gefahr schwebe, noch in großen Schwierigkeiten stecke. „Gute Idee!", stimmt sie mir schließlich mit einem aufgeregten Grinsen auf den Lippen zu; scheint von einer Sekunde zur anderen vom besorgte-Cousine-Modus in den Ferien-mit-der-besten-Freundin-Modus gewechselt zu sein.

„Ich muss dir unbedingt mein Zimmer zeigen - es ist einfach umwerfend! Als du mir von dem Bruder deines Vaters erzählt hast, hätte ich alles erwartet - Wohnwagen, zerfallene Holzhütte oder nur ein Zelt mit Lagerfeuer - aber nicht das!"

Die dünnen, goldenen Ringe an ihrer Hand glitzern im Sonnenlicht, als sie das gesamte Anwesen mit einer ausschweifenden Bewegung einrahmt.

„Weit du", fährt Clary mit etwas gesenkter Stimme fort, während der blonde Junge hinter ihr allmählich näherkommt. „Ich hatte selbst gewisse Zweifel, was meine eigene Idee betrifft..."

Das weiß ich. Allein das Pfefferspray, das ich sie habe unauffällig einpacken sehen, spricht für sich.

„...aber nachdem ich hier ein paar Stunden auf dich gewartet habe, bin ich so langsam auf den Geschmack gekommen. Zwar scheint es hier weit und breit keinen einzigen Club - und schon gar kein Shoppingcenter zu geben, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass wir eine tolle Zeit haben werden!"

Wie eine leicht übertragbare Krankheit werde ich vom euphorischen Grinsen meiner Freundin angesteckt.

Clary ist zwar meine Cousine, hat aber im Gegensatz zu mir keinerlei Verbindung zu Onkel Jeffrey. Ihre Mutter war die Schwester meiner Mum, während er der Bruder meines Vater ist. Dass sie dennoch keine Mühen gescheut, in wenigen Tagen ihre Koffer gepackt und darauf bestanden hat, mit mir nach New Plymouth zu kommen, schätze ich sehr.

Ohne mit der Wimper zu zucken hat sie ihrem glamourösen Leben in der Großstadt, bestehend aus nächtelangen Partys, Clubabenden und ausschweifenden Shoppingtouren für mehrere Wochen den Rücken gekehrt, um der introvertierten Freundin bei dem Versuch beiseite zu stehen, ein neues Leben zu beginnen.

Und ich kann nicht umhin zu bemerken, was für ein großer Freundschaftsbeweis das ist.

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A/N:

Ein neues Kapitel mit neuen Charakteren! - Oder zumindest einem neuen Charakter. xD

Und? Hat die liebe Clary es geschafft, einen guten ersten Eindruck zu machen? ;D

Blondschopf Nr. 2 - alias "der Typ mit der Hoftorfernbedienung" - lernt ihr dann im nächsten Kapitel kennen. Ich freu mich schon! ;)

LG Loony ♡

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