|| 1 || *Eine unerwartete Reise*

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»Norrean, der Name so besonders wie die Welt selbst. Während auf der Welt ‚Erde' die einzelnen Länder als Ebenen wahrgenommen werden, sind es in ‚Norrean' ganze Planeten, die sie Länder nennen. Norreaner werden die Menschen in dieser Welt genannt. Die nichtmagischen Bewohner akzeptieren die Crosis. Norrean gilt somit als eines der sichersten Welten...«

-Lehrbuch 3, Die vier bekannten Welten, Kap. 2: Norrean

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Unruhe war das erste, was einem bei ihrem Anblick in den Sinn käme. Die Finger hatte sie ineinander verschlungen, während ihr Zeigefinger nervös im Takt der Standuhr auf die andere Hand tippte.

Ihr Blick streifte durch das ganze Zimmer. Sie liess kein einziges Detail aus.

Die Wände bestanden aus Holz und an der Decke hing bloss eine schwache Lampe, die nach jeder Minute aufflackerte.

Ihr Blick wanderte zu den Bildern an den Wänden. Es waren drei Bilder, die von
gold-gefärbtem Holz umrahmt waren. Das erste Bild zeigte einen kleinen Jungen, ungefähr elf Jahre alt.

Das Bild war schwarz-weiss, sodass man nicht erkennen konnte, welche Farbe sein schicker Anzug und seine Krawatte trugen. Der Junge auf dem Bild hatte helles Haar, beinahe weiss wie Schnee.

Auch auf dem zweiten Bild war jemand in einem Anzug zu erkennen. Diesmal war die Person älter. Die Haare ebenfalls schneeweiss.

Das Mädchen hielt kurz inne, lauschte dem Ticken der Uhr und beobachtete das Licht, doch es flackerte erst auf, als sie die Augen genervt verdrehte. Verdutzt wandte sie sich von der Lampe ab und starrte auf das dritte und letzte Bild.

Diesmal war der blonde Junge auf keinem der Bilder zu sehen, stattdessen erblickte sie eine farbige und surreale Landschaft.

Der Boden war violett gefärbt und der Himmel leuchtete in einem giftigen grün. Einige Menschen waren darauf zu sehen, doch jeder einzelne von ihnen schien seltsamer als der andere.

Die einen hatten gelbe Haut, andere wiederum blaue und selbst ihre Haare leuchteten in verschiedenen Farben.

Im Hintergrund erkannte man drei schwebende Kreise, die umrahmt waren von Sternen, wie sie immer von Kindern gezeichnet werden. Das Bild wirkte kitschig und atemberaubend zugleich und das Mädchen wusste, hierbei handelte es sich nicht um irgendein Bild. Es war die Welt Norrean, die hier abgebildet wurde. Die Welt der Sterne.

Ihr Vater hatte ihr schon viel davon erzählt. Natürlich nur die Dinge, die ihm als Kind in Erinnerung blieben.

Das Flackern der Lampe brachte sie wieder in die Wirklichkeit zurück. Sie wandte sich an den Schreibtisch, auf dem mehrere Blätter lagen.

Auf einigen davon konnte man sogar Kaffeeflecken ausmachen. Das Mädchen schmunzelte leicht, als ihr einfiel, dass auch ihr Vater so tollpatschig war.

Auf einem der Pergamente konnte sie ganz klar das Zeichen der Crosis erkennen. Sie erinnerte sich gut daran, als sie es zum ersten Mal gesehen hatte. Wie könnte sie diesen Tag vergessen, der ihre ganze Zukunft bestimmt hatte.

Es war der Tag gewesen, an dem ihr Bruder verschwunden und sie alleine zurückgelassen worden war. Eine Arlos, ein nicht-magisches Wesen zu sein, war nichts Verwerfliches. Nein, eigentlich kam das sogar ziemlich oft vor. Doch noch nie gab es einen Fall wie sie. Ein Zwilling, getrennt vom anderen.

Der eine ein Crosis, die andere eine Arlos.

Für gewöhnlich wäre das Mädchen mit ihrem Bruder in dieselbe Welt verschwunden, doch als er ging, blieb sie. Es war schrecklich. Sie erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie weinend zu ihren Eltern gerannt war und ihnen erzählt hatte, was geschehen war.

Schlimmer jedoch war das Gefühl, dass ihre Eltern enttäuscht von ihr sein könnten. Jeder einzelne nachfolgende Tag war eine Qual gewesen. Heute war das Mädchen bereits siebzehn und noch immer hatte sie das Gefühl, nicht wirklich akzeptiert zu werden.

Jedes Mal hoffte sie, ihre Eltern stolz machen zu können, doch sie versagte kläglich. Ein Grund mehr, wieso sie es hasste in diesem Arbeitszimmer zu sein. Dies bedeutete nämlich nur eines

Sie hatte wieder einmal Mist gebaut und musste auf ihre Strafe warten.

Eigentlich mochte sie den Professor. Er schien der einzige Crosis zu sein, der sie akzeptierte.

Der Einzige, der je mit ihr versucht hatte auszukommen. Da das Mädchen sehr gut im Kampf auskam, bildete er sie von einer Crosis zu einer Hüterin aus, nachdem man festgestellt hatte, dass ihr Bruder verschwunden und sie ohne Auftauchen jeglicher magischer Fähigkeiten zurückgeblieben war.

Sie sollte wenigstens Crosis beschützen dürfen, statt selbst tatenlos zuzusehen und nichts tun zu können. Naja, eigentlich meinte er es ja immer gut mit ihr und liess sie mit anderen Hütern trainieren.

Nur waren diese zukünftigen Hüter nicht gerade ihre besten Freunde. Sie stiessen sie förmlich von sich und warfen ihr schlimme Beleidigungen an den Kopf. Für gewöhnlich ignorierte sie solche Sprüche, doch heute hatte es dieses zickige Mädchen wirklich übertrieben.

Jetzt sass das Zwillingsmädchen im Büro des Direktors und das andere Mädchen im Krankenabteil.

Jeder bekommt das, was er verdiente, dachte sie sich spöttisch und grinste vor sich hin.
Als ein Knarzen im Boden erklang, wusste sie, dass sie nicht mehr alleine war.

Sie blickte auf und starrte in die grauen Augen eines Mannes. Es war nicht schwierig zu erkennen, dass dies dieselbe Person war, wie der kleine Junge auf den Fotos. Der Direktor.

»Sie beobachten mich schon seit einer Weile, nicht wahr?«, stellte das Mädchen mürrisch fest. Ihr war bewusst, dass er die ganze Zeit über bloss unsichtbar geblieben war und darauf wartete, wie sie reagierte.

»Selbstverständlich, Ellayna«, meinte der Mann fröhlich. »Was war es diesmal? Wen hast du diesmal ins Krankenabteil befördert?«

Manchmal könnte sie ihn für seine übermässige Freundlichkeit einfach erdolchen. Konnte er nicht wie jeder um sie herum ein Ignorant sein? Nein, stattdessen versuchte er es auf die freundliche Weise, um ihr damit auf den Keks zu gehen.

»Sie finden das witzig?«, sagte sie genervt und verdrehte die Augen.

»Natürlich nicht!« Seine ernste Miene verriet ihr, dass es tatsächlich nicht so war.

Augenblicklich spannte sich ihr Körper an und am liebsten wäre sie zurückgewichen, doch sie wollte einerseits keine Angst zeigen und andererseits sass sie auf dem Stuhl fest.

»Junges Fräulein. es ist überhaupt nicht witzig!«

Das Mädchen sprang von ihrem Stuhl auf und blickte ihrem Direktor stur entgegen. Er erwiderte ihren Blick standhaft. Der Zorn war ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Sie hasste es. Sie konnte es nicht ausstehen, behandelt zu werden, als wäre sie ein einfaches, junges und unwissendes Ding.

»Sir, ich lass nicht so mit mir reden!«

Ellayna wich automatisch einen Schritt zurück. Ihr Ziel war die Tür zu erreichen, doch ihr Bein schlug gegen den Stuhl, den sie durch ihre Wut völlig vergessen hatte. Ein stechender Schmerz fuhr durch das Bein ihren Körper hinauf und liess sie ihr Gesicht verziehen.

Der Professor versuchte sich ein Grinsen zu verkneifen, doch Ellayna hatte es schon bemerkt und warf ihm einen wütenden Blick zu. Auch er stand nun auf und bemühte sich um ein ernstes Gesicht, doch das Mädchen machte es ihm nicht leicht.

»Miss Ellayna, hinsetzen!«, befahl der Professor. Aus seiner Stimme war jegliche Freundlichkeit gewichen. Vermutlich hätte sie ihm auch gehorcht, wenn sie nicht in diesem Moment das Gefühl hatte, man würde ihr den Boden unter den Füssen wegziehen. Für einen kurzen Moment wurde ihr schwindlig, sie hielt sich aber noch rechtzeitig am Schreibtischrand fest.

Der Professor wollte gerade um den Tisch herum zu ihr hingelangen und sie stützen, doch eine Welle der Übelkeit packte sie und sie machte auf dem Absatz kehrt und rannte aus dem Zimmer.

Ellaynas ganze Umgebung verschwamm. Ihre Beine trugen sie ganz automatisch die Treppen hinab. Sie kam an Türen vorbei, rannte dabei einige Schüler um, entschuldigte sich aber nicht. Wie hätte sie auch? Hätte sie es gewagt ihren Mund zu öffnen, dann wären ihr bestimmt mehr als nur Worte hochgekommen.

Nicht weiter darüber nachdenkend, rannte sie durch einen dunklen Gang, nach einer Tür strebend, die zehn Meter entfernt vor ihr lag.

Sie konnte nicht sicher bestimmen, ob der Gang dunkel war, doch in diesem Moment erschien er ihr finster. Es wurde auch immer kühler und sie hatte das Gefühl, mehr durch ihn hindurch zu kriechen, als aufrecht zu gehen. Ihre Füsse wurden ganz schlapp. Ihr Körper bebte und sie war völlig verschwitzt.

Hitze und Kälte brannten sich in ihre Haut.

Kurz bevor sie die Tür erreichte, flackerte das Licht des Ganges auf und erlosch für einen kurzen Moment, nur um eben eine Sekunde später wieder aufzuleuchten. Ellaynas Finger umklammerten gierig den Türgriff und drückten ihn kräftig runter.

Augenblicklich warf sie sich durch die Tür. Die kühle Luft schlug ihr auf der Stelle entgegen und raubte ihr ihren Atem. Sie blinzelte ein paar Mal bis sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnten, dann erblickte sie mehrere verzerrte Gesichter, die sie allesamt anstarrten.

»Ellayna«, murrten die Gestalten. Sie spalteten sich, nur um neue Körper anderer Formen werden zu können. Sie erkannte ihren Vater, der sie besorgt musterte. Er war die einzige Gestalt, die sie klar ausmachen konnte.

»Ellayna?«

Er rannte auf sie zu und versuchte sie aufrecht zu halten, doch immer wieder fiel sie in sich zusammen.

»Vater?«, murmelte sie schwächlich.
»Ellayna?« Seine Stimme entfernte sich immer weiter. Sein Gesicht verschwamm unter einem Meer von Tränen.

»Vater?« Sie riss panisch die Augen auf und versuchte ihn in der Dunkelheit auszumachen. »Vater!«

Die Dunkelheit verschlang sie, riss sie mit sich. Was viele nicht erwartet hatten, trat ein.
Ellayna Grace Ronan, der Zwilling, der all die Jahre als Arlos angesehen wurde.

Hinausgerissen aus der Erde, um in einer neuen Welt ein neues Leben zu beginnen.
Ehe sie wusste, wie es um sie geschah, brannte sich das Zeichen der Crosis an die Tür.

Ellayna schien es, als würde sie in einem schwarzen Fluss umhergewirbelt werden. Immer mit dem Ziel, sie so weit hinab zu ziehen, dass sie keine Luft mehr schnappen konnte. Doch sie tauchte auf, schwach und erschöpft.

Ihr Blick war trüb, ihre Sinne benebelt.
Ihr Herz klopfte wild, während sie der Stimme lauschte, die ganz in ihrer Nähe Worte schrie...

»...Renn, du Narr.«

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