Yoongi

Yoongi war gerade auf den Weg nach draußen, als er feststellen musste, dass dieser mal wieder durch eine zierliche Butterfly versperrt war. Sie war in ein Buch vertieft, doch wer im falschen Fenster hockt hat kein Mitleid verdient, als pockte Yoongi die junge Frau einfach in die Seite, was diese mit einem 'Ieeeeks' und einem bösen Blick zur Kenntnis nahm. 

"Knauf", meinte Yoongi nur und deute auf den Griff mit dem man das Fenster öffnen konnte. "Warum setzt du dich eigentlich immer so zielsicher in die Fenster mit Knauf?" Estelle rieb sich die Seite und gab zur Rache Yoongi sacht eine mit dem Buch auf seinen Kopf. "Es ist die beste Aussicht", meinte sie, "aber warum haben nicht einfach alles Fenster einen Knauf?" 

Yoongi lehnte sich zurück und sah über den Gang. "Rosenbusch, Rosenbusch, Trinkbrunnen, Rosenbusch", meinte er und deutete auf seine andere Seite. "Noch ein Rosenbusch und das Torwächterhauschen." Estelle nickte verstehend. "Und hier hab ihr den Rosenbusch weggelassen." Yoongi nickte. "Und da sich nicht jeder merken will welches nun das richtige Fenster ist, hat nur das einen Knauf." 

Estelle rutschte aus dem Fenster. "Bei uns sind die hauptsächlich zum Lesen da", meinte sie. Dann musterte sie Yoongi kurz. "Wo gehst du denn hin?", fragte sie. "Altstadt", antwortete Yoongi mit einem Schulter zuckten. "Die Vorbereitung für die Regentage sollten fertig sein und ich geh mal runter und schau mir das an. Willst du mit?"

Yoongi beobachtete, wie Estelle scheinbar eine Runde mit sich rang, bevor sie nickte. "Ich war noch nie in der Altstadt." Sie lächelte. "Also denke ich es wird Zeit." Yoongi lachte. "Auf jeden Fall, du hast richtig was verpasst", meinte er und winkte sie hinter die her. Jetzt wo er sie mit nahm musste er wohl oder übel die Treppe nehmen. 

***

Nicht wenig später schlugen sie sich durch die Gassen der beginnenden Altstadt. Yoongi registrierte, wie sich Estelle fasziniert umschaute und ließ ihr Zeit. Er hatte es im  Grunde nicht eilig und Estelle war ganz süß, wenn sie verwundert war. Die Gassen zwischen den Häusern der Altstadt waren wirklich schmal - es passten kaum zwei Personen nebeneinander auf die grob gepflasterten Wege der Stadtmitte. 

Trotzdem war jede Gasse hübsch anzusehen. Das Fachwerk der Häuser hatte einen eigene Charme, die etwas dunkleren Gassen wurden von runden Lampen beleuchtet, die ihr warmes gelbes Licht über die Gänge warfen.

"Unglaublich wie klein hier alles ist! Und wie verwinkelt", stellte Estelle erstaunt fest und Yoongi lachte leise. "Nunja, du musst die vorstellen: Ganz zu Beginn war Vicarli eine Plattform von gerade mal 2km Durchmesser. Da hatte man nicht so viel Platz und zwei Kilometer kannst du auch zu Fuß durchlaufen, also waren große Gassen nicht nötig. Also rückte alles ein bisschen zusammen und wir haben dieses charmante Gassen-Labyrinth", erklärte er. "Früher habe ich mich immer mit meinem Vater angelegt. Wettrennen durch die Gassen von A nach B. Ich hab immer gewonnen." Estelle legte den Kopf schief. "Weil du dich besser auskennst?" Yoongi lachte sein raues Lachen. "Ich kennen die Schlupflöcher. Ich zeig dir vielleicht ein oder zwei."

Sie kamen in die nächste Gasse. Diese war ein bisschen breiter und Yoongis Lieblingsgasse. Es war die Gasse des Handwerk. Hier reihte sich Lädchen an Lädchen mit den verschiedensten Waren, die allesamt handgemacht waren. Von Süßigkeiten, über Kleidung bis hin zu Glaskunst oder Holzhandwerk. "Willkommen in der Gasse des Handwerks", sagte er also und ging zu einem der Stände, die vor den Läden ausgestellt waren. Estelle gesellte sich zu ihm und warf einen Blick über die Auslagen. Sie waren an einem Schmuckstand gelandet. Estelle löste sich von seiner Seite um sich umzusehen. "Wow, das ist alles echt schön", meinte sie, was Yoongi zufrieden zu Kenntnis nahm. 

Er nickte mit einem kleinen Lächeln. "Hier ist alles handgemacht. Es dauert zwar manchmal ein bisschen, bis eine Bestellung fertig ist, aber dafür ist es beste Qualität. Darum kaufe ich fast alles hier unten", erklärte er und Estelle gesellt sich wieder an seine Seite. "Was meinst du? Dunkelblau oder Türkis?", fragte sie und hielt ihm zwei Schmuckhaarnadeln entgegen. Er nahm sie ihr ab und hielt sie ihr gegen die indigofaarbende Mähne. Dann nahm er die mit den dunkelblauen Ziersteinen und steckte sie Estelle ins Haar.

Estelle blinzelte verwundert. "Du kannst die mir nicht einfach ranstecken", meinte sie und Yoongi lachte leise. "Klar kann ich, ich bin der König." Estelle schien einen Moment zu überlegen, ob er das erst meinte. "Wir können das nicht klauen und ich hab kein Geld dabei", erwiderte sie. Yoongi zuckte mit den Schultern. "Schreib es auf den königlichen Deckel und gib es mir oben." Wieder zögerte Estelle, doch dann lächelte sie nur. "Okay!" Sie verschwand kurz in dem Laden. 

Als sie sich wieder an Yoongis Seite einfand machten sie sich daran, die Gasse irgendwie zu durchqueren, was allerdings nicht funktionierte ohne auf den Weg noch Bonbons und Zuckerwatte mitzunehmen. 

Yoongi führte Estelle wieder in eine kleinere Gasse. "Ich zeige dir jetzt den besten Shortcut der Welt", offenbarte er und zog sie in eine Gasse in der nichts weiter war als drei Wände und eine Tonne. "Toll, eine Sackgasse, Yoongi~" Yoongi seufzte nur. "Ist es nicht. Nur hat sie scheinbar wieder Problemchen mit den Nachbarn und jetzt ärgern die sich wieder gegenseitig." 

Mit diesen Worten machte sich Yoongi daran die Tonne zu verschieben. Kam hatte er sie aus dem Weg geschoben offenbarte sich eine hübsche, blaugestrichene Tür. "Tadaaa", machte Yoongi und gesellte sich wieder zu Estelle. "Also", begann er, "hinter diesem Gebäude ist direkt der Markt. Wenn du von hier aus da hin willst kannst du den Weg durch die Gassen nehmen, aber hier reit sich Haus an Haus, also musst du dir Gassen bestimmt 250m links runter, durch eine Gasse und dann die ganzen 250m wieder zurück."

Estelle nickte. "Und rechts?", wollte sie wissen. Rechts war eine Mauer, doch sie war niedrig genug, dass man darüber klettern konnte, wenn man denn sportlich war. "Tonne, Mauer. Nach etwa 30m ist eine Gasse, aber die ist durch ein Tor gesichert und man braucht einen Schlüssel", erkläre Yoongi gewohnt kurz gebunden. "Aaaaalso", er präsentierte die Tür. "Gegen wir durch den Flur von Edna. Hier durch die Tür rein, etwa 5m durch den Flur und durch die Tür wieder raus."

Estelle lachte leise. "Wo ist der Hacken?", fragte sie und Yoongi klopfte. "Der Kuchen", meinte er betont weltmännisch und nobel. Die Tür wurde geöffnet und eine Dame mittleren Altern öffnete ihnen die Tür. Sie hatte schwarzen Haaren, braune mandelformige Augen und ein warmes Lächeln.

"Yoongi!", grüßte sie und ihr Blick fiel auf Estelle. "Wen hast du mir da mitgebracht?", fragte sie und machte ihnen schon mal Platz. Yoongi ging nach drinnen und zog Estelle einfach hinter sich her. "Das ist Estelle. Estelle, das ist Edna", stellte er die beiden vor und die Frauen begrüßten sich. Dann wandte sich Edna wieder an den Stevia. "Kuchen, Yoongi?", fragte sie fröhlich. Yoongi sah zu Estelle. "Siehst du es nun? So werden aus vielleicht 10  Sekunden Flur eine halbe Stunde." "Es ist Schoko-Kuchen", meinte Edna zufrieden. "Eigentlich wollten wir nur durchhuschen", erwiderte Yoongi. "Er ist noch warm." "Es ist eine Falle", raunte Yoongi zu Estelle und die Butterfly kicherte. "Ja, da wäre 'links rum' schneller gewesen." Edna lächelte breit. "Husch, husch, setzte euch in die Stube", sagte sie und trieb sie in das Wohnzimmer, wo ein altbekanntes Gesicht bereits auf der Couch lungerte.

"Hallo, Bao", grüßte Yoongi den Anführer seiner Voyager. "Hoheit, Majestät", grüßte Bao und lüftete seinen imaginären Hut. "Was treibt euch her?" Yoongi setzte sich und Estelle setzte sich neben ihn. "Ich kontrolliere den Marktplatz, aber vorher waren wir in der Handwerkgasse", erklärte der König und Bao grinste. "Also Shortcut bei meiner Ma", vermutete er, "das habt ihr davon, jetzt kommt ihr hier nicht mehr weg." Er gluckste. Yoongi nickte. "Ich glaub auch", meinte er, "ich helf ihr eben mit den Tassen."

Damit stand Yoongi auf und ging zu Edna in die Küche. Er konnte gar nicht sagen wie oft er sich hier schon eingefunden hatte. Beim erstem Mal hatte er sich tatsächlich durchschleichen wollen. Doch Edna hatte ihn erwischt und es gab Kuchen. Das lief im Grunde schon 15 Jahre so, Edna war inzwischen fast wie eine heimliche Tante. Daher kannte Yoongi auch Bao und als der einen Platz im Schloss anstrebte legte Yoongi ein gutes Wort für ihn ein.

Yoongi stellte sich zu Edna und öffnete einen der Schränke um an Tassen zu kommen. "Ihr seht süß zusammen aus", meinte Edna unvermittelt. "Was?", fragte Yoongi und nahm sich 4 Tassen. "Du und die Prinzessin", präzisierte die Frau und lächelte. Yoongi kratzte sich am Kopf. "Ihja ... nicht wirklich", wiegelte er ab. "Wir hatten nicht grade einen guten Start und ich glaube sie mag mich immer noch nicht wirklich, aber wenn sie Langeweile hat und ich nicht allzu sehr von ihr genervt bin, dann kommt sie halt mit", erklärte er. Edna lachte leise. "Natürlich, Yoongi", meinte sie sanft. "Ernsthaft, wie haben letztens Tee getrunken, da hat sie mir sogar einen Stromstoss verpasst", beteuerte Yoongi nur, doch Edna lachte nur lauter.

"Aber, Yoongi, weiß du denn nicht, was bedeutete, wenn es bei Butterflys funkt?" Der Minthaarige zog eine Augenbraue hoch und schüttelte nur den Kopf. Er hatte sich aber auch nicht weiter Gedanken darüber gemacht, dass es was zu bedeuten haben könnte.

"Bei Butterflys funkt es, wenn sie zum ersten Mal einen passenden Partner berühren."