Pfui Spinne - Heilige Scheiße

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Auch Lillian schnalzte abfällig mit der Zunge. „Heul nicht. Wenn wir schnell sind, können wir noch vor Nachtanbruch zusammen in einem dieser Bergseen hier schwimmen gehen."

Raik stockte und warf ihr einen zögernden Seitenblick zu. „Aber - dann werden unsere Sachen nass?"

Die Vampirin seufzte und verdrehte die Augen. „Dann werden wir die wohl ausziehen müssen."

„Wa-? Ohhhhh!" Auf Raiks Gesicht breitete sich ein motiviertes Grinsen aus, während er sein großes Küchenmesser fester griff und es zielsicher nach dem Schatten warf, der schon wieder am Rand des Lichtkegels entlang huschte. Es knackte.

„Erwischt!" Raik drückte sich an Lillian vorbei, um nachzusehen, was er an den Boden genagelt hatte.

„Das nenn ich Arbeitsmoral", murmelte Lillian mit einem leisen Lächeln in der Stimme.

Doch als die beiden dem aufgespießten Etwas näher kamen, erstarrte die Vampirin neben ihm. Raik warf einen fragenden Blick zurück, ehe er seine Beute genauer ansah. Eine Spinne. Groß wie seine Hand und mit haarigen Beinen. Auch eklig. Nicht so eklig wie die ausgeweidete Leiche da drüben, aber auch eklig.

Trotzdem wartete er nicht länger, sondern griff nach seinem Küchenmesser und zog es ruckartig aus dem Vieh heraus. Die tote Spinne fiel zu Boden und blieb mit einem letzten Zucken ihrer haarigen Beine liegen.

Die Vampirin hinter ihm gab ein Geräusch von sich, dass Raik nur sehr selten von ihr hörte - eine Mischung aus Würgen und Wimmern.

Alarmiert drehte er sich zu seiner Partnerin. „Lilly?"

Ihre Augen waren groß und dunkel und blickten auf die Spinne vor ihnen, während sich ihr Fuß langsam zurückschob und ihre Hand sich um den Dolch krampfte.

Raik starrte Lillian an. Das hatte er nicht gewusst. „Du hast Angst vor Spinnen?" Seine Lippen zuckten. „Ernsthaft? Mein Gott, Lillian! Du bist über zweihundertfünfzig Jahre alt!"

Plötzlich machten so viele Kleinigkeiten Sinn. Zum Beispiel, warum sie jede neue Unterkunft erst einmal mit einem Besen durchfegte und dabei systematisch alle Spinnenweben entfernte.

„Ich habe keine Angst!", schnappte Lillian angespannt zurück, während ihre Augen hektisch von Schatten zu Schatten huschten. „Ich mag sie nur nicht. Schon gar nicht so groß! Widerlig. Sie kriechen einem nachts ins Gesicht. Beißen einem in die Augen, um die Flüssigkeit daraus zu trinken und..."

Noch immer starrte Raik seine Partnerin an. Jetzt hatte er Bilder im Kopf. Gruselige Bilder. „Du weißt, dass das nicht stimmt?", murmelte er leise während er die paar Schritte zurück zu ihr ging.

„Ja?" Es klang mehr wie eine Frage, als wie eine Aussage. „Mutter hat das nur gesagt, wenn ich nicht putzen wollte."

Wenn die gute Frau gewusst hätte, dass sie ihr Kind damit über zweihundert Jahre später noch in Angst und Schrecken versetzte, hätte sie sich vielleicht eine andere Drohung einfallen lassen, um ihre Tochter zum Aufräumen zu bewegen - hoffte Raik wenigstens.

Trotzdem schmunzelte er. Es kam nicht oft vor, dass Lillian sich so offen in die Karten schauen ließ. Geschweige denn, in ihre Schwächen. Vorsichtig strich er über ihr Handgelenk. Kurz griff ihre Hand nach der seinen und drückte sie kurz, ehe sie seine Finger rasch wieder losließ. Auftrag war Auftrag und da brauchten beide freie Hände. Raik lächelte trotzdem. „Ich such dich nachher ab und werde jedes Spinnchen von dir abzupfen und brutal massakrierten."

Ihr Gesichtsausdruck schwankte zwischen einem müden Lächeln und abgrundtiefen Ekel. „Das klingt nach einer heldenhaften Rettung."

„Natürlich. So kennt man mich-"

Ein unangenehmes Klickern lenkte ihn ab. Mit zusammengekniffenen Augen drehte Raik sich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Das angrenzende Zimmer.

Lange, dürre, haarige Beine schoben sich durch die Tür.

Lillian japste etwas in einer Sprache, die Raik schon lange nicht mehr gehört hatte. Und obwohl ihm die Laute aus seiner eigenen Kindheit so vertraut waren, wie ein altes Kuscheltier, brauchte es einen Moment, ehe sein Geist den Worten der einstigen Hansesprache eine Bedeutung abgewinnen konnte: ‚Nicht aus Petrus heiligem Arsch kann so viel Scheiße kommen.'

Raik schüttelte den Kopf und suchte nach der richtigen Antwort in dieser toten Sprache: ‚Also wirklich. Sowas sagt man nicht.'

Dann sah er, was Lillian schon vor ihm gesehen hatte: Eine Spinne kroch durch die Tür.

Eine große Spinne.

Eine riesige Spinne.

Heilige Scheiße.'


Größer als ein Wolf und mit Greifern, so dick wie seine Unterarme. Aber das Schlimmste waren die langen, haarigen Beine, die flink klickernd über den Boden huschten. Hatte dieses Vieh Dupont ausgeweidet?

Unwillkürlich wich Raik einen Schritt zurück. „Nächstes Mal nehm ich ein Gewehr mit", murmelte er leise. „Das trag ich auch allein."

„Ich habe auf euch gewartet, Jäger", klickerte es leise.

Lillian zuckte zusammen. „Das Ding spricht."

„Ding? DING!", grollte die Riesenspinne so laut, dass es von den Wänden widerhallte und die vielen, kleinen Schemen am Rande der Dunkelheit sich ängstlich weiter in die Schatten zurückzogen. „Seid ihr nicht extra wegen mir gekommen, Jäger?"

Raik konnte sich nicht erinnern, dass der Auftrag ekelhafte Riesenspinne erwähnt hatte. Es ging nur darum, eine Person zu finden, die über sensibles Wissen verfügte und- Oh. „Gerald Dupont?"

„Der und kein anderer!" Die Riesenspinne machte eine bizarre Verbeugung, als sie ihre beiden Vorderbeine einknickte und so ihren gesamten Oberkörper absenkte.

„Dann waren Ihre Forschungen von Erfolg gekrönt?" Lillian hatte ihre Stimme wiedergefunden – auch wenn sie ungewohnt leise und zittrig klang.

Die Spinne drehte den Kopf mit den vielen kleinen Augen in die Richtung seiner Partnerin, fixierte sie regelrecht. Raik mochte das nicht. Sein erster Impuls war, sich dazwischenzuschieben. Aber er blieb, wo er war. Lillian würde klar kommen.

Stattdessen schob er sich in die andere Richtung, um die Spinne einzukreisen, während die Antwort des Riesenviehs zwischen den Schatten der Hütte klickerte: „Ist es nicht offensichtlich? Ich habe einen Talisman geschaffen, der die Gestaltwandler-Fähigkeiten der amerikanischen Schamanen kopiert."

Raik und Lillian warfen sich einen kurzen Blick zu. Das war eines der größten Geheimnisse der nordamerikanischen Hütergruppen. Ähnlich wie der Orden in Europa hielten sie in der „neuen Welt" seit Jahrtausenden die übernatürlichen Mächte und die menschlichen Zivilisationen im Gleichgewicht.

„Das könnte wirklich ein Durchbruch sein", murmelte Raik und verfolgte aus dem Augenwinkel heraus, wie Lillian die Ölfunzel auf eine Kommode stellte und Stück für Stück tiefer in die Schatten der Hütte verschwand.

Der Spinnenkopf schwenkte zu ihm zurück und die zu vielen, schwarzen Augen richteten sich auf ihn. Langsam verstand Raik Lillians Abneigung gegen diese Viecher. „Durchbruch ist ja wohl untertrieben! Es könnte ein Erdrutsch in den Machtgefügen der Welt sein!", klackerte die Fistelstimme des mutierten Hexers aufgeregt.

Raik gab es nicht gern zu – aber Dupont hatte recht. Die nordamerikanischen Schamanen waren einer von mehreren Gegenpolen zum europäischen Orden. Und ihre Macht gründete sich vor allem auf ihre Gestaltwandler-Fähigkeiten. Das zu kopieren könnte die fragilen, globalen Politikspielchen entscheidend beeinflussen, die die Mächtigen und Größenwahnsinnigen schon seit vielen Jahrhunderten spielten. Das konnte Krieg bedeuten.

„Und jetzt können Sie jede Gestalt annehmen, die Sie wünschen?", versicherte sich Raik noch einmal und legte eine wohldosierte Mischung aus Bewunderung und Zweifel in seine Stimme, während er noch einmal nach Lillian schaute. Sie war nur noch ein Schemen in den Schatten der Hütte.

„Naja – nicht direkt. Ich kann mich in eine größere, gefährlichere Version dessen verwandeln, was ich werden will." Der Spinnenkopf und damit auch die Greifer wackelte vielsagend hin und her. Der mutierte Wissenschaftler schien wie so viele Künstler oder Autoren ein ausgeprägtes Mitteilungsbedürfnis über sein Schaffen zu haben. Gut für die Jäger. Das kaufte Zeit. „Allerdings muss ich das Wesen, das ich werden will, vorher essen. Mindestens das Herz – oder besser noch im Ganzen."

Raik zog die Augenbrauen hoch und spürte, wie sein Mittagessen – frisch gejagter Hase – in seinem Magen rumorte.

„Das Problem ist viel mehr ein anderes", fuhr die Spinne fort. „Die Verwandlung zerstört den Ursprungskörper."

Raiks Blick huschte zurück zu der Leiche am Boden. Jetzt, wo er genauer hinsah, stellte er fest, dass sie nicht „ausgeweidet" aussah, sondern, als wäre etwas von innen heraus durchgebrochen. Raik bekam mit einem Mal ein noch schlechteres Gefühl.

Wieder war da die klackernde Stimme des Spinnenmonstrums: „Ich kann nicht mehr zurück in meinen alten Körper, sondern nur wieder den Körper wechseln bis ich etwas Passendes finde." Eine Pause entstand, in der Raik sich einmal von oben bis unten gemustert fühlte. Auf die unangenehme Weise. „Es tut mir sehr leid - ich fürchte, ich benötige dich für einen höheren Zweck."

Raik griff sein Messer fester. „Es tut mir auch ausgesprochen leid", antwortete er in vollendeter Höflichkeit. „Aber ich muss bedauerlicherweise ablehnen."

Dann sprang er zum Angriff.

Doch die Spinne krabbelte in diesem Moment bei Seite und er sprang ungebremst gegen einen Stuhl. Das elende Mistding hatte Spinnenreflexe. Immerhin konnte er sich an der Lehne abfangen.

„Zurück!" Lillian.

Ohne nachzudenken, ohne zu zweifeln, tat Raik genau das und sprang von dem Stuhl zurück. Einen Herzschlag später fielen ein Dutzend, dieser handgroßen, haarigen Spinnen auf die Stelle, wo er kurz zuvor gestanden hatte. Irks. Doch sein Rettungssprung brachte nur wenig. Das Spinnenknäuel folgte ihm auf dem Fuße.

„Ach ja", klackerte die Stimme des mutierten Hexers höhnisch. „Ich kann Kreaturen, die meiner Verwandlungsform sehr ähnlich sind, kontrollieren."

Rechts neben Raik schrie Lillian auf. Es klang nicht mehr panisch. Sondern wütend. „Die Viecher beißen! Vielleicht giftig."

„Nicht nur vielleicht", klickerte die Fistelstimme der Spinne - es klang wie ein böses Kichern.

Raik wich weiter vor dem Spinnenknäul zurück und wagte einen kurzen Blick in Richtung seiner Partnerin.

Lillian riss sich eines dieser Viecher aus dem Arm und schmetterte es mit der flachen Hand gegen die nächste Wand, während sie einen regelrechten Stepptanz aufführte und mit jedem Stampfen zielsicher mindestens eine der Spinnen zerquetschte. Spinnenekel hin oder her. Sie kam klar.

Die Frage war vielmehr: Tat er das auch?

Das Spinnenknäuel war schon wieder dicht bei ihm. Er trat beherzt auf einen vorpreschenden Ausreißer. Es knackte widerlich unter seinem nackten Fuß, während undefinierte Flüssigkeit matschig und schleimig in alle Richtungen spritzte.

Das. War. So. Widerlich.

Nun setzte sich auch Dupont in Bewegung, krabbelte auf ihn zu, während er jetzt nur noch die Wand im Rücken hatte.

Weil Raik nicht wusste, wohin, hüpfte er auf den nächsten Tisch und von dort aus direkt auf den Rücken der Spinne. Zumindest war das der Plan. Doch die Spinnenreflexe ließen seinen Gegner auch diesmal nicht im Stich, als er seinerseits schneller nach hinten huschte, als Raik bei ihr war.

„Mistvieh", grollte Raik leise, als das Monster sich plötzlich über ihn schob und vier von ihren acht Beinen jeweils strategisch auf seine Arme und Beine verteilte. Er war bewegungsunfähig. „Scheiße."

„Ich werde dein Herz genießen und deinem ehrenvollen Opfer gedenken...", klickerte Dupont und senkte die dicken, speichel- tropfenden Greifer an seinem Maul zu Raiks Brustkorb.

Im nächsten Moment spürte er ein brennendes Reißen in seinem Oberkörper.

Er schrie.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro