21. Schritt für Schritt durch die Dunkelheit

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"The light at the end of the tunnel is not an illusion. The tunnel is".


Gerade als sich Victoria ihrer Lage richtig bewusst geworden ward, so schien es bereits für ein weiteres Handeln deutlich zu spät. Keine volle Minute verstrich, als bereits das Bücherregal, gefolgt von einem donnernden Krachen, wieder an seinen ursprünglichen Ort zurück fiel und somit die junge Frau mutterseelenallein in einer alles umfassenden Finsternis hinterließ.

Hier herrschte eine ewig andauernde Nacht, so dunkel, dass die Verlorengegangene nicht einmal ihre Gliedmaßen vor den eigenen Augen zu sehen vermochte.

"Charlotte, Louisa! Verdammt noch einmal, könnt ihr mich hören?", brüllte die Schwarzhaarige aus Leibeskräften, während ihre zu Fäusten geballten Hände unentwegt auf die kühl glatte Mauer einschlugen, doch vergebene Liebesmüh. Die Steinwand gab natürlich keinen Millimeter nach.

Auch der Einsatz rammender Schultern trug keinerlei belohnende Früchte, abgesehen von ein paar Schürfwunden und sengendem Pein. Schon bald versagte auch ihre Hoffnung, dass vielleicht ja noch ein Wunder geschehe und hisste daher letzten Endes die weiße Flagge. So würde sich die Büroangestellte definitiv nicht aus ihrer Patsche retten können.

Ein Geheimgang ... wie super bösewichtsmäßig. Könnte doch glatt einer Szene aus einem James-Bond-Film entstammen, scherzte Victoria in Gedanken, um nicht gänzlich dem Trübsal blasen oder gar einem verzehrenden Wahnsinn zu verfallen. Nein, sie musst um jeden Preis einen klaren Kopf bewahren und sich einen Plan B überlegen.

"Dann muss ich wohl oder übel weitergehen. Wie heißt es so schön: Wenn der Rückweg versperrt ist, dann muss jemand mutig den Weg nach vorne einschlagen!", murmelte die Erwachsene wie ein Mantra, dabei halb bewusst Bernhard Blocksberg aus dem Film Bibi Blocksberg und das Geheimnis der blauen Eulen zitierend. Blieb am Ende zu hoffen, dass auch sie den Weg aus ihrem eigenen Labyrinth direkt in die Freiheit finden würde.

Am gesamten Körper fröstelnd, so versuchte Victoria trotz banger Erwartung ihre Hände zusammen zu reiben, doch kein Funke der Wärme sprang auf das rasch auskühlende Fleisch über. In diesem unterirdischen Gefilde schien es so eisig kalt, dass sie problemlos ihre ausgeatmete Luft als manifestierte Rauschwaden erkannte. Neben den kaum zu ertragenden Minustemperaturen schaffte ihr auch die furchtbare Duftmischung, bestehend aus abgestandenem Sauerstoff und brackigem Wasser, allmählich schwer zu .

Erst als die junge Frau gen Boden stierte, so bemerkt diese, dass sie inmitten einer kleinen Pfütze stand, die frische Nässe hatte sich zu diesem Zeitpunkt schon fast durch das Material ihrer getragenen Socken gefressen.

Wenn ich hier nicht elendig an Durst und Hunger verrecke, dann wird mich bestimmt Hypothermie erwischen, grübelte eine nun deutlich griesgrämiger gestimmte Victoria, während ihr gedankenverlorener Blick die steinerne Decke des Tunnels zu beobachten probierte. Unzählige Wassertropfen fielen ständig in ploppender Manier herab und würden gleichfalls ihr Haupthaar schon bald bis auf die letzte Spitze aufweichen.

Entschlossenen Willens straffte die Schwarzhaarige ihre Schultern und zwang sich, auf der Stelle ihre kaum abzuweichende Höhlenerforschung anzutreten. Je schneller ihre Schritte, desto rascher würde sie bestimmt den heiß ersehnten Ausgang erreichen. Da an diesem Ort das Gesetzt der Dunkelheit regierte, so blieb ihr keine andere Wahl übrig, als sich auf ihre anderen Sinne einzulassen und sich mithilfe vortastender Hände einen begehbaren Weg durch die bleierne Schwärze zu bahnen. Glitschig nass fühlte sich das feuchte Gestein unter ihren bebenden Fingern an.

Inzwischen schlug ihr Herz so rasant, dass Victoria kurzzeitig fürchtete, einen todbringenden Infarkt erleiden zu müssen. Der Klang von donnerndem Blut rauschte fortwährend durch ihre Gehörgänge, während der Rest ihres Körpers sich langsam aber sicher in eine inhaltslose Eisstatue zu verwandeln drohte. Und dennoch trotzte die Büroangestellte weiterhin ihrem Schicksal, im Insgeheimen planend, am Ende des Duells als alleinige Siegerin hervorzugehen.

Ab und zu streifte ein frostiger Luftzug ihre leichenblassen Wange, unheimliche Schauder des Grusels jagten daher als Folge über die verspannten Muskeln ihres hoch gehaltenen Rücken hinweg. Nichtdestotrotz deutete Victoria diese unheimlichen Vorkommnisse ironischerweise als gute Omen, da diese Feststellung nur den Schluss zuließ, dass sie sich nicht allzu tief unter der Erde befinden konnte und dass es hier irgendwo ein sauerstoffdurchlässiger Ausgang existieren musste.

Inzwischen klebte ihr getragenes Gewand nun wie eine zweite Haut auf ihrem vom Kopf bis Fuß zitternden Leib fest, verschmolz mehr und mehr mit dem eigentlichen Organ zu einer einzig drückenden Einheit. Um den düsteren Gedanken, die nun wie unerwünschtes Unkraut in ihrem Verstand wucherten, schnellstens Einheit zu gebieten, versuchte Victoria die Zeit totzuschlagen, indem sie über den ursprünglichen Zweck dieses Tunnels nachgrübelte.

Entweder hatte die ursprüngliche Familie von Lahnstein diese Anlage als unterirdischen Fluchtweg anbauen lassen oder die Natur höchstpersönlich darf sich als Erschöpfter dieses imposanten Tunnels feiern.

Ich bin ja aber schon richtig gespannt, an welchem Ort ich letzten Endes stranden werde. So wie ich gerade aussehe, würde es mich nicht wundern, wenn mich ein unbehelligter Anwohner für eine Wahnsinnige hält, die frisch aus der nächstgelegenen Irrenanstalt ausgebrochen ist und mir demensprechend die Polizei auf den Hals hetzt. Dieses Szenario würde wirklich diesen gelungen Abendperfekt abrunden.

Nach einiger Zeit musste Victoria allerdings besorgt feststellen, dass ihr aufgrund der verzehrenden Finsternis inzwischen sämtlich vorhandenes Zeitgefühlkomplett komplett abhanden gekommen ward. Nicht einmal hätte sie aufs Geratewohl einschätzen können, wie lange sie sich schon auf den Füßen befand und welche Distanz bereits hinter ihr lag. Raum und Zeit schienen nun absolut obsolet.

Mittlerweile glichen ihre Beine schwer zu bewegenden Zementsäcke, die unweigerlich in naher Zukunft ihre Dienste verweigern würden. Jeder einzelne Schritt kam einen Kampf gegen Windmühlen gleich, ihr Lebenswille, überflutet vom entgegengesetzten Fahrtwasser, dem Tode nahe. Kühle und Nässe taten ihr verfluchtes Übriges, obgleich ihre physische Form bereits auf absolute Sparflamme herunter geschaltet hatte. Wie lebendiges Espenlaub zitterte die junge Frau, das unaufhörliche Klappern ihrer Zähne hörte sich nun wie das Geräusch rasselnder Knochen an.

Urplötzlich, wie aus dem Nichts, knallte eine halb besinnungslose Victoria, die nun mehr wie ein halb funktionierender Zombie auf zwei Stelzen agierte, gegen eine unerwartete Steinwand, die scheinbar das offizielle Ende des Stollens markierte.

Sackgasse, schoss es hoffnungslos gestimmten Vagabundin unweigerlich durch den Kopf, ehe sie abermals die Liebkosung eines simplen Luftzugs auf ihrer Haut verspürte. ein überraschender Hauch, dessen Wirken ihrem erschöpften Überlebensinstinkt auf der Stelle neue Lebenskraft einhauchte.

Fest die Zähne zusammenbeißend, so sammelte die Urlauberin ihre letzten Reserven zusammen und begann sogleich mittels fahrig anmutender Bewegungen die vor ihr liegende Fläche nach möglich eingebauten Mechanismen abzusuchen - und da! Tastende Finger drückten unweigerlich auf eine Art Knopf, der augenblicklich nachgab. Sekunden später donnerte bereits ein lautstarkes Krachen durch den Tunnel, woraufhin sich ein Stück der Steinwand loslöste und sich nach außen öffnete.

Schwankend ergriff Victoria den dargereichten Strohhalm und schlüpfte im Nu durch das offenstehende Portal hoffentlich in die herbei gesehnte Freiheit.

Wenige Augenblicke später fand sich die Erwachsene endlich auf der anderen Seite des Stollens wieder. Und im Handumdrehen schloss sich ebenfalls der schmal geschnittene Steinvorsprung und erweckte sogleich bei ihr den dunklen Eindruck, als hätte es diesen im Vorhinein gar nicht erst gegeben.

Müde Iriden entdeckten auf der Wanderung, dass ihre Wenigkeit sich nur noch ein paar Meter von dem endgültigen Schluss des röhrengeformten Höhle entfernt befand. Zwar strahlte Victoria auch hier eine bekannte Dunkelheit entgegen, doch jenem Scheint wohnte beileibe mehr Leben als der vergangen Düsternis bei.

Vor Erleichterung einen leisen Freudeschrei ausstoßend, spürte die Heimgesuchte, wie die Laterne der Hoffnung erneut in ihrem Inneren hell flackerndes Feuer fing und dabei tröstende Wärme verströmte. Mit durch und durch positiven Gedanken im Bauch hastete jene Gestalt in Richtung besagter Erlösung, um diese steinernen Irrgarten für alle Zeit hinter sich zu lassen.

Keine drei Minuten dauerte es, ehe sich die tapfere Frau schließlich zum zweiten Mal an diesem denkwürdigen Abend in den gespenstischen Fängen von Mutter Natur vorfand. Schon bald musste sich die Erstaunte eingestehen, dass der geheime Tunnel sie geradewegs zu der Brücke geführt haben schien, deren urplötzlicher Einbruch einst vor über hundert Jahren so viel Leid und Sterben verursacht hatte.

Seitlich neben dem aufgebahrten Gestein führte ein kleiner Erdaufstieg direkt zur Oberfläche der Landesverbindung, über und über mit allerlei verschiedener Gräser, Unkräuter und schwarz schimmernden Büschen versehen, die angesichts des herabstrahlenden Mondlichts so glänzten, als hätte jemand diese zuvor in einem Eimer flüssigen Silber gebadet.

Höchst beunruhigt nahm eine nach oben blickende Victoria allerdings sofort von der brodelnden Wolkenfront dringend Notiz, die mit größter Sicherheit wieder ihre unaufhaltsame Tränen über die hier gedeihende Landschaft vergießen würde.

Immer wieder blähte Victoria ihre Lungen weit auf, um die frische Luft so gut wie möglich aufzusagen. Auch wenn sich dabei ihre schmerzende Kehle so anfühlte, als würde dieser unentwegt eine brennende Fackel tiefhinab in Richtung des Rachens geschoben werden. Nicht unbedingt ein vergnüglicher Spaziergang im Park, aber notwendig um die Erinnerungen an die vergangene Tortur endlich vom Körper abzuschütteln.

Durchaus handelte es sich hierbei um eine dringend benötigte Handlung, denn nur wenig später würde sich der armen Seele eine haarsträubende Situation offenbaren, die ihr möglicherweise nicht nur das Leben sondern auch ihre psychische Gesundheit kosten könnte.

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