45. Ein Blick in die Vergangenheit

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"It takes darkness inside of a person to see it in others." 

"I am aware of my heart, my mistakes, and my sins, and I will be free when the moon shines on my dark soul."

Wie gebannt starrte Fabian auf das prunkvolle Gemälde seines Vaters und ihn nieder, ein unleserlicher Ausdruck trübte nun den silbrigen Schimmer seines durchsichtigen Gesichts. 

Sein komplettes Dasein schien nun vollständig dem einstigen Herren dieses altehrwürdigen Gemäuers zugewandt, der abgeschweifte Blick längst in einer lange zurück liegenden Vergangenheit schwelgend. 

Für einen langen Augenblick glaubte Victoria sogar eine züngelnde Flamme des Zornes in seinen leicht verkniffenen Iriden entdeckt zu haben, doch ihren Kopf würde sie wegen dieser kaum greifbaren Beobachtung lieber nicht verwetten wollen. 

Als der untote Adlige auch nach einiger Zeit keinerlei Anstalten machte, sich irgendwann einmal vom Fleck bewegen zu wollen,  so sah sich die junge Frau schon bald zu einer tatkräftigen Handlung gezwungen.  Nicht sicher, ob er ihre unmittelbare Nähe überhaupt begrüßen würde, so gesellte sie sich schließlich auf leisen Sohlen an seine frei stehende Seite. 

Im Gleichklang ihrer schweigenden Gedanken starrten die Zwei auf elegant ausgeführte Pinselstriche nieder, einer wundervoller  glänzend als der andere. 

Doch wie so viele andere Angelegenheiten im Leben konnte auch hier der schöne Schein vermeintlich trügen und eine viel hässlichere Seele verbergen. Allerdings regten sich in Victoria abermals Zweifel über ihre erste hier gestellte Eingebung, denn die Begegnung mit Thomas von Lahnstein hatte ihr einen weiteren, wenn auch knappen Blick hinter den Vorgang der toten Vergangenheit gewährt. 

Obgleich die Schwarzhaarige weiterhin die felsenfeste Meinung vertrat, dass er zu Lebzeiten bestimmt ein harter Hund gewesen sein musste, so kam ihr die Möglichkeit, dass er auch einen blutrünstigen Meuchler  darstellte, als stetig weniger plausibel vor.

"Und, wie denkst du über dieses Bild? Findet es Gefallen in deine Augen?", fragte Fabian schließlich in die bleierne Stille hinein, die fortwährend wie eine schwere Decke über beider Häupter hing. Überraschend nasal erklang dabei sein ausgewählter Tonfall, so als würde er gerade über das verregnete Wetter sprechen und nicht über einen wichtigen Akteur aus seinem früheren Leben.  

Rasch stellten sich bei Victoria die bloßen Nackenhaare zu Berge auf,  denn seiner dumpf erklingenden Grabesstimme hafte unleugbar die melancholisch komponierte Melodie von verfallener Fäulnis und ewiger Verdammnis an. Augenblicklich erschauderte die junge Frau von Kopf bis Fuß, gedachte sich allerdings nicht so einfach ins Bockshorn jagen zu lassen. 

Denn im Hier und Jetzt schien die Schwarzhaarige erstmals ihrem eigenen Schicksal dicht auf den Fersen und aus diese halsbrecherische Jagd wollte sie letztendlich als Siegerin hervorgehen. Wie aus dem Nichts flüsterte eine unerklärliche Stimme in ihrem Inneren, dass sie sich der Rätsels Lösung gleichfalls mit rasch ausgeführten Schritten annäherte. 

Und jetzt war es redlich an der Zeit,  die im Verborgen schlummernden Geheimnisse auszugraben und ans Licht zu zerren.

Bedächtig legte sich Victoria ihre Worte auf der Zunge zurecht, ehe ihr neutraler Blick den seinen fixierte.

"Eine kluge Frau aus unserer Zeit hat einst gesagt, dass ein Bild ein Geheimnis über ein Geheimnis sei. Je mehr es einem verrät, desto weniger weiß derjenige im Grunde."

Zwar schnaubte Fabian daraufhin amüsiert auf, doch die kurzweilige Erheiterung fand bereits gleich darauf ein abruptes Ende.

"In der Tat, dieser scharfsinnigen Überlegung kann ich wahrlich nicht widersprechen", pflichte er ihr mit einem kurzen Kopfnicken bei, erstaunlicherweise trübte nicht ein Hauch von möglich verspürten Sarkasmus seine ausgewählten Worte. 

Argwöhnisch betrachtete Victoria ihren Gegenüber, ob er sie nicht doch für dumm verkaufte, doch scheinbar meinte er das eben Gesagte tatsächlich ernst. 

"Nichtsdestotrotz habe ich dich um deine Meinung gebeten", verlieh der Aristokrat nun seinen ausgesprochenen Silben eine unüberhörbare Schärfe,  die nun wie geworfene Messer durch die Luft sausten und ihr angepeiltes Ziel klar im Herzen trafen. "Bitte, sag mir, was du wirklich denkst!"

"Und ich sage dir, dass ich dich nicht getäuscht habe. Genau jene Worte lassen mich während dieser Betrachtung nicht in Ruhe", gab Victoria ruhiger zurück als sie sich in Wahrheit tatsächlich fühlte. Zudem gedachte sie ihm für das Erste die Begegnung mit seinem Blutsverwandten nicht auf die Nase zu binden. Denn die Doppelgängern wollte gleichfalls mehr Persönliches von ihm wissen, ungetrübt durch ihre eigene Linse der verschleiernden Erfahrungen. 

"Du kannst mir auch gerne ein paar Geschichten über deinen Vater erzählen, sofern es dein Erinnerungsvermögen überhaupt zulässt. Ich schwöre dir, ich würde keiner Menschenseele nur ein Wort verraten und könnte vielleicht deine Gedankengänge besser verstehen!"

Gespannt verfing sich beider Blicke, verknoteten sich so stark, bis ein Auflösen kaum mehr möglich schien. 

"Lass mich dir sagen, dass mein Vater zu seinen Lebzeiten kein guter Mensch gewesen war. Harte Schläge und Bestrafungen der übelsten Sorte, bei nur kleinsten Vergehen angewendet, schienen damals sein tägliches Leib und Brot",  erzählte Fabian schließlich nach einer guten Weile. 

Seiner gequälten Miene nach zu urteilen bereitete ihm jedes einzeln ausgesprochene Worte sichtbare Höllenqualen.

Nur diese wenigen Sätze genügten bereits, damit Victoria im Insgeheimen seine einst menschliche Gestalt betrauerte und wegen seiner verlorenen Jugend so manch unsichtbare Tränen weinte. 

Niemand, absolut niemand, hat solch schreckliche Behandlungen verdient. Gerade zarte Kinderseelen brauchen doch viel Liebe, Verständnis und Geduld, damit sie wie Blumen im Frühling gedeihen und ihr volles Potential entfalten können. Armer Fabian. Arme Katharina. Da blutet mir mein Herz. 

Vielleicht erzähle ich dir bei einer anderen Gelegenheit mehr, doch will ich diesen einen Abend nicht mit seiner jämmerlichen Präsenz besudeln", sprach ein nun sehr verächtlich dreinblickender Fabian mit einer leise erklingenden Stimme aus, seine beiden Hände formten nun geballte Fäuste. 

Unweigerlich fiel seine wankende Sicht auf das eigene gemalte Antlitz und stieß nur wenige Sekunden später einen lauten Seufzer aus.

"Du hättest mich damals als Mensch bestimmt mehr gemocht als in dieser Form..."

Blanker Selbsthass waberte unlängst wie ein verzehrendes Feuerinferno in seinen Augen auf. Finstere Schatten huschten im Nu über durch und durch bleich anmutende Konturen hinweg,  gruben sich gleich ausgefahrenen Klauen abgrundtief in schimmernde Konturen bis  ihr am Ende nichts als Schwärze entgegenstarrte. 

Obwohl Victoria weiterhin mit dem zweifelhaften Wissen rang, möglicherweise nur einen lebensechten Ersatz für Rosmarie darzustellen und ihr auch sein Verhalten in letzter Zeit sehr seltsam vorkam, so kamen ihr dennoch folgende Worte nur allzu leicht über die Lippen. 

"Ich mag dich trotzdem, egal der Umstände."

Nach nur wenigen Sekunden formte sein Mund ein aufrechtes Lächeln,  welches ihn schöner als ein Engel auf Gottes schöner Erde erstrahlen ließ.

Erneut fuhr sein fleischloser Finger über ihre fröstelnden Wange hinweg, eine liebkosende Bewegung, wenn auch gleich kühl und windig.  Nichtsdestotrotz fühlte sich Victoria ihm in jenem Moment so nah wie noch nie zuvor. Zwei einsame Seelen auf der Suche nach einer gemeinsamen Wahrheit, verbunden durch beider Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 

Sobald der kostbare Zauber des geteilten Augenblicks verfolg, räusperte sich Fabian geräuschvoll und deutete mit einer leichten Kinnbewegung in Richtung des kaum berührten Tisches.

"Siehst du dort drüben die alte Öllampe stehen? Dort, wo wir hingehen werden, wirst du begleitendes Licht auf jeden Fall benötigen. Zumindest hat besagtes Gerät noch vor ein paar Jahrzehnten funktioniert..."

"Na dann, wenn du es sagst", erwiderte Victoria leichthin, obgleich ihr bei der Erwähnung, ein bislang unentdecktes Reich der Finsternis genauer unter die Lupe zu nehmen, zunehmend mehr mulmig zu Mute wurde.  Allerdings wollte sie hier, so kurz vor der vermeintlichen Zielgeraden,  nicht die weiße Flagge hissen. 

Daher straffte die Schwarzhaarige entschlossen ihre Schultern, tänzelte durch den Raum und schnappte sich rasch das erwähnte Objekt. 

Sobald der erste leuchtende Schein aufflackerte, staunte Victoria buchstäblich Bauklötze in die Luft. Mit überaus zittrigen Fingern umklammerte sie die Petroleumlampe, die nach all der vergangenen Zeit überraschend gute Dienste leistete. In aller Schnelle suchte die Heimgesuchte abermals Fabians Seite auf, damit das geplante Abenteuer nun endlich angetreten werden konnte. 

"Also dann, zeig mir dein Geschenk! Ich bin bereit für das Wagnis. " 

Doch bevor das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden konnte, brannte unterhalb Victorias Fingernägel eine wichtige Frage auf, die nun einer unbedingter Klärung bedurfte und sich nicht länger verleugnen ließ. 

"Wie denkst du eigentlich überhaupt über mich? Magst du mich nur, weil ich dich an Rosmarie erinnere oder sogar um meiner selbst willen?", würgte die plötzlich Stammelnde jene Sätze nur mit Müh und Not hervor, scheinbar in diesem Augenblick der deutschen Sprache nicht mehr mächtig.  

Leise drucksend verlagerte die junge Frau immer wieder ihr Gewicht von einem Bein auf das andere, sich im Insgeheimen darüber ärgernd, dass er sie vermutlich wie ein offenes Buch lesen konnte. 

Und doch musste sich Victoria endlich Vergewisserung verschaffen. 

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