Unwissenheit ist ein Segen

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Verträumt zerpflückte Emma ihr Frühstücksbrötchen zu Flocken. In Gedanken war sie noch bei der vergangenen Nacht, die sie bei Regina verbracht hatte. Oder eher nur der Abend, denn um halb zwölf hatte sich Emma mit einer fadenscheinigen Ausrede verabschieden müssen, da sie nicht wollte, dass ihre Eltern allzu schlecht von ihr dachten. Was sie zweifellos würden, sobald das Thema Regina auf den Tisch kam und Mary durchsickern ließ, dass etwas zwischen ihrer Tochter und der polizeiintern meistgesuchten Serienmörderin lief. Das war eine Information, die sie David so lange wie möglich vorenthalten wollte.
„Emma?"
Die Agentin schreckte auf. „Ja? Hast du was gesagt?" Leicht verwirrt und verlegen bei der Erinnerung an das glühende Gefühl von Reginas Haut auf ihrer sah sie ihre Mutter an.
Mary Margaret schüttelte ratlos-missbilligend den Kopf. Sie hatte bemerkt, dass Emma am gestrigen Tag ziemlich aufgeregt gewesen war, als sie um zehn vor sieben aus dem Haus geeilt war. Und auch die späte Uhrzeit, zu der ihre Tochter zurückgekehrt war, war ihr nicht entgangen. Doch sie entschied sich dafür, vor David nichts zu sagen, und kam einfach aufs ursprüngliche Gesprächsthema zurück: „Willst du beim Gefangenentransport nachher dabei sein oder den Tag mit mir verbringen? Beides wäre mehr als in Ordnung."
„Maleficent ist noch in Storybrooke?", wollte Emma verdutzt wissen und rieb sich die Augen. Sie hatte das Gefühl, unglaublich viel verpasst zu haben, während ihre Gedanken nur um Regina gekreist waren.
David nickte nachsichtig. „Ja, hab ich dir doch letztens erzählt. Aufgrund der DNA-Tests hatte sie ein wenig Zeit gewonnen, dein Antrag wurde bewilligt und Maleficent hat sich tatsächlich gestern Abend, als ich vorbeigeschaut habe, schon einen Anwalt geholt, der ihr einen halben Tag mehr mit ihrer Tochter verschafft hat. Heute Mittag wird sie aber weggebracht."
Die Blonde zögerte. Dann erkundigte sie sich, ob Lily da sein würde, was aber verneint wurde. Es war Maleficents Tochter nicht erlaubt, dort anwesend zu sein. Sie würde ihr zwecks Besuchen in die größere Stadt folgen dürfen, aber der Transport war zu risikobehaftet. Damit gab es auch für Emma eigentlich keinen Grund, dort zu sein. Das sagte sie ihren Eltern auch.
Knapp eine halbe Stunde später verabschiedete sich David zur Arbeit, während Emma mit Mary Margaret zu Hause blieb, um zumindest zu versuchen, die verlorene Zeit aufzuholen. Sie bekam die ominöse Babydecke zu sehen, die ihre Mutter am ersten Tag in der Wohnung noch weggepackt hatte. Mary zeigte ihr auch Neals Babyfotos und versprach ihr, dass demnächst ein Treffen zwischen ihnen organisiert werden sollte. Er war vier Jahre jünger als Emma. Diese brachte in Erfahrung, dass ihr Bruder eine Zeitlang bei einem Schreiner namens Gepetto gearbeitet hatte, aber eigentlich als Mechaniker arbeiten wollte. Da aber in Storybrooke nur die wenigsten irgendein Fortbewegungsmittel besaßen, das beizeiten einer Reparatur bedürfen könnte, wollte er wegziehen. Sehr zu Marys Missfallen, wie sie mehrfach betonte. Der junge Mann, den ihre Mutter ihr beschrieb, klang nach einer aufrichtigen, schlagfertigen Person, mit der man gut klarkommen konnte. Emma konnte es gar nicht erwarten, ihren Bruder kennenzulernen. Ihr Leben lang hatte sie gedacht, sie sei ein Einzelkind gewesen. Natürlich verstand sich das nicht von selbst, aber sie hatte nie genauer darüber nachgedacht. Damals war da einfach nur sie gewesen, niemand sonst. Von dem Jungen, der sie damals im Taxi entdeckt und direkt zum nächsten Waisenhaus gebracht hatte, hatte sie eine Weile gedacht, dass er ihr Bruder gewesen sein könnte, doch das stellte sich nun ja als Fehleinschätzung heraus.
Irgendwann am Vormittag kam die Post. Zwischen Rechnungen, einer Mahnung aus der Schulbibliothek und jeder Menge Werbung entdeckte sie einen großen braunen Briefumschlag. Bevor sie ihn auch nur genauer in Augenschein nehmen konnte, wusste sie, was das war. Reginas Fallakte, die man ihr aus Sicherheitsgründen nicht hatte faxen, geschweige denn mailen, hatte wollen.
Sie nahm das recht schwere Päckchen in die Hand. Mit fahrigen Händen riss sie den Umschlag auf. Warum war sie so ängstlich? Sie wusste, wer Regina war, und dass sie Schreckliches getan hatte. War es, dass all das auf Schwarz und Weiß zu lesen es realer machen würde? Oder versuchte ihr Unterbewusstsein sie vor etwas zu beschützen?
Was für ein Unsinn, wies sie sich gedanklich selbst zurecht. Das hier war einfach nur eine Dokumentation vom Leben einer Frau, die es nicht leicht gehabt hatte. Und die Folgen dessen. Die tödlichen Folgen für andere Menschen. Die feinen Haare auf ihren Unterarmen stellten sich auf.
„Was ist das?", fragte ihre Mutter neugierig, aber in einem Ton, der durchblicken ließ, dass sie es im Zweifelsfall nicht wissen wollte.
Die Agentin klappte die Mappe auf. Sie enthielt nur Kopien. Natürlich hatten sie ihr nicht das Original schicken wollen. „Die Fallakte, auf die ich schon drei Tage warte", meinte sie neutral. Sie blätterte durch. Steckbrief, Häftlingsfoto, Infos zu alten Adressen, was aber nur drei waren – eher ungewöhnlich für eine Serienkillerin –, psychologisches Gutachten...
Emma stoppte bei dem Teil. Das interessierte sie. Was hielten objektive Psychiater und Psychologen von Regina Mills? Sie begann zu lesen. Aber mit jedem Wort, das sie las und das sich in ihre Netzhaut einbrannte wie Feuer, wünschte sie sich mehr, die Akte niemals geöffnet zu haben.
Symptome der Borderline-Störung... Bipolar Typ 2... Soziopathin... Jeder Mord war persönlich motiviert... Personen, die ihr nahestanden... Gibt zu, ihren Ehemann aus kalter Kalkulation vergiftet zu haben... Ist unfähig, gesunde Beziehungen zu knüpfen und aufrechtzuerhalten... Neigt bei Enttäuschungen dazu, nahestehende Personen brutal zu ermorden...
Die Tränen, die ihr über die Wangen gelaufen waren, bemerkte sie erst, als sie auf die Kopien der Akte tropften. Sie war geliefert. Bisher hatte sie den Gedanken immer zurückgedrängt, aber nun konnte sie das nicht mehr. Hier hatte sie es vor sich stehen. Gedruckt. Regina tötete Enttäuschungen. Und Emma würde sich als größte entpuppen. Wenn nicht einfach nur mit ihr gespielt worden war.
Wie auch immer, eines sah Emma nun ganz klar vor Augen: Regina Mills würde ihr Ende sein.

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