Sträflingsarbeit

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„Schon wieder Sträflinge?" Der grauhaarige Kapitän runzelte die Stirn.

„Die arbeiten auch nicht schlechter als die anderen", beruhigte ihn der Reeder.

„Mag sein. Aber ich bin kein Freund dieser Praxis. Nun gut, nehmen wir die beiden. Die anderen, die Ihr uns gestern gesandt habt, sind jedenfalls gute Arbeiter."

„Das sind die beiden auch", versicherte Eliska. „Sie sind neu und kennen noch nicht alle Regeln. Aber der Junge ist stark und geschickt und die Kleine kann gut putzen. Ich habe eine Küche gesehen, die sie gesäubert hat – die war kaum wieder zu erkennen."

„Also schön", der Kapitän wandte sich an Piroska. „Dann komm mal mit, ich zeige dir, wo meine Vorgänger gehaust haben. Meinst du, du wirst damit fertig?" Mit diesen Worten stieß er eine Tür auf und offenbarte Piroska einen Raum, dessen eigentlicher Verwendungszweck kaum noch zu erkennen war. Mit Mühe konnte man einen Schreibtisch ausmachen, der jedoch fast völlig von Papieren, Leintüchern, Hanfseilen und Werkzeug überdeckt war. In einem Regal waren Kontobücher kreuz und quer gestapelt, einige schien man mit roher Gewalt zwischen die anderen gepfropft zu haben. Weitere Bücher lagen auf dem Boden, in einer Ecke waren schmutzige Decken ineinander geknäult, in einer anderen türmten sich Geschirr und Essenreste. Und selbst an den freien Stellen war der Boden übersät mit Staub und Fußstapfen, die meisten davon mit Teer und Pech für die Ewigkeit festgehalten. Eine Ewigkeit, die nun beendet sein würde, beschloss Piroska. Der junge Matrose, der mitten im Raum stand, wirkte angesichts dieses Chaos recht hilflos. Sie aber war es nicht.

„Lieber Himmel!" entfuhr es Piroska. „Wo sind die Putzmittel?"

„Die was?" Der Kapitän runzelte die Stirn und sie drehte sich heftig zu ihm herum. „Die Putzmittel! Glaubt Ihr, das schaffe ich nur mit Wasser und guter Hoffnung?"

"Putzmittel - Wasser - äh, Wasser ist dort drüben." Der Kapitän winkte vage nach links. Piroska blickte in die angegebene Richtung und entdeckte einige große Fässer.

"Na, wenigstens das! Beschafft mir dann aber auch Besen, Bürsten, Aschenlauge, Seife, Kratzer, Tücher, Salz, Butter und Essig! Anders bekomme ich den Dreck da unmöglich weg!"

„Äh - Butter?" Einen Moment lang dachte Piroska, der Kapitän müsse einen Papagei auf der Schulter tragen, der einen Teil ihrer Worte wiederholte, dann wurde ihr klar, dass es ihr gelungen war, den Oberkommandierenden des Handelsschiffes  aus dem Konzept zu bringen.

„Ja, Butter! Ein gutes Mittel gegen Teerflecken", erklärte sie darum.

„Ah so", angesichts von Piroskas Arbeitseifer und Sachverstand fand der Kapitän Sprache und Autorität wieder und befahl dem Matrosen kurzerhand: „Du hast gehört, was sie braucht. Beschaff ihr alles, wassie verlangt und bleib dann in der Nähe. Sie wird mindestens einen Wasserträger brauchen. Sie mag tüchtig sein, aber sie ist zu klein, um ständig schwere Eimer zu schleppen!"

Piroska holte bereits mit dem rechten Fuß aus, als ihr einfiel, dass es vielleicht keine gute Idee war, den Kapitän vors Schienbein zu treten. So begnügte sie sich damit, dem davoneilenden Matrosen nachzurufen: „Besorg auch einige Bottiche und Eimer!" Dann griff sie sich die sauberste Leinwand und schüttelte den Staub heraus, der sich prompt gleichmäßig auf Schreibtisch, Rechnungsbücher und Kapitän verteilte. Die staubfreie Plane breitete sie auf dem Boden aus und begann, die Bücher auf ordentliche Stapel zu legen. „Wonach sollen sie sortiert werden?" fragte sie. „Nach Jahr oder nach Schiff?"

„Äh – nach Jahren und dann alphabetisch nach Schiff", erwiderte der Kapitän verwundert. „Kannst du denn lesen?"

Piroska nickte. „Natürlich. Auch auf einem Hof braucht man Rechnungsbücher und die habe ich geführt." Sie machte mit ihrer Arbeit weiter, ohne sich um den Kapitän zu kümmern. Nach einer Weile störte es sie aber doch, dass er wie angewurzelt inmitten des Raums stand und sie noch immer staunend betrachtete, während der Staub von seiner Mütze rieselte. „Wollt Ihr mir helfen?" fragte sie.

Daraufhin murmelte der verstörte Mann etwas Unverständliches und machte sich eilends aus dem Staub – im wahrsten Sinne desWortes.

„Kannst du lesen?" erkundigte sich auch der Reeder bei Ylvigur und dieser bestätigte das.

„Gut, dann wirst du die Aufschriften auf den Kisten entziffern können. In den Lagerhallen sind die Plätze für die einzelnen Waren markiert. Jede Kiste, die du hineinbringst, meldest du dem Lagerverwalter dort drüben", er zeigte auf einen älteren Mann, der an einem kleinen Tisch mitten auf dem Kai saß, „der kann dir auch sagen, in welche Halle deine Kiste gehört. Hier ist der Kahn", er hatte Ylvigur den Pier entlanggeführt bis zu einem gewaltigen Schiff, dessen Tonnage dem Begriff ‚Kahn' absolut nicht entsprach. „Hier laufen schon so viele Stauer herum, dass wir keinen Überblick mehr haben. Such dir einen Lagerraum, nimm dir eine Kiste und bring sie an Land. Und versuche, niemandem im Weg zu sein." Damit ging er seiner Wege und überließ es Ylvigur, die Strickleiter zu erklimmen und sich auf dem Schiff zurecht zu finden.

Oben angekommen, blickte sich der junge Mann erstmal um. Es wimmelte dort von Leuten, die meisten trugen schwere Kisten. Und viele von ihnen schleppten ebenfalls Fußketten mit sich herum. Stirnrunzelnd beobachtete Ylvigur einen Mann, der mit einer Kiste auf der Schulter die Strickleiter herunterkletterte und sich dabei bemühte, nicht mit der Kette in den Seilen festzuhängen.

„Neu hier?" fragte jemand hinter ihm und der junge Mann drehte sich um. „Ja, ich soll mit ausladen helfen", gab er zurück.

Der blonde Mann, der ihn angesprochen hatte, lachte leise. „Mit Gucken alleine wirst du wenig ausrichten. Komm, ich zeig dir alles."

„Gut, aber erst erklär mir was. Wieso müsst ihr mit den Kisten auf der Schulter runterklettern? Wäre es nicht einfacher, einer bleibt an der Strickleiter stehen und ihr reicht ihm die Kisten runter?"

Der Blonde sah Ylvigur verblüfft an, ging zur Reling und sah hinunter. „Du hast recht! Dieser Pier ist ja höher als die anderen. WANJA!"

Auf diesen Schrei kam ein baumlanger, sehr magerer junger Mann gelaufen. „Ja, Stepan?"

„Runter mit dir", befahl der Blonde. „Du bleibst da stehen und stellst die Kisten auf den Pier. Und ihr anderen reicht die Kisten an Wanja!", rief er übers Schiff. „Komm mit!", das galt wieder Ylvigur.

Auf dem Weg übers Decke stupste der Stepan genannte Mann immer wieder Kameraden an, hauptsächlich eher schmächtig gebaute, bemerkte Ylvigur. Jedes Mal sagte er dann nur: „Runter mit dir zu Wanja!" Die Angesprochenen flitzten prompt zur Strickleiter und ließen sich herab.

„Unten sind Karren, mit denen sie die Kisten rollen können", erklärte Stepan kurz. „Hier oben ist pure Muskelarbeit angesagt. Arbeitest du lieber oben oder unten?"

„Oben!" entschied Ylvigur sofort. Unten hieß sicher tief im Schiffsraum und er fühlte sich jetzt schon unbehaglich, wenn er in die düsteren Räume unter den offenen Luken sah.

„Gut, dann nimmst du Wanjas Stelle ein." Stepan tauchte in eine der Luken ein. Ylvigur zögerte, bevor er die ersten Stufen der schmalen Stiege herunterstieg.

„Das reicht schon!" stoppte ihn Stepan. „Hier!" Er gab ihm eine Kiste hoch, die Ylvigur entgegennahm und aufs Deck stellte. Schon kam jemand angerannt, schnappte sich die Kiste und schleppte sie zur Strickleiter. Und Stepan reichte bereits die nächste Kiste an.

„So geht es schneller", erklärte der blonde Mann. „Zuerst war der Reeder sauer, aber als er merkte, dass die Arbeit so besser von der Hand geht, ließ er mich machen."

„Du gibst hier den Ton an, wie?" bemerkte Ylvigur grinsend.

Stepan griente zurück. „Ja, in gewisser Weise. Ich bin genauso gefangen wie du. Aber die meisten unserer Leidensgefährten hören auf mich." Er zögerte plötzlich. „Deine Haarfarbe – sie erinnert mich an etwas."

„An deine Schwester?" Ylvigur war sich schon sicher gewesen, bevor Wanja Stepans Namen genannt hatte.

Stepan ließ die Kiste fallen. „Woher weißt du, dass ich eine Schwester habe? Eine mit rotem Haar?"

„Die ihr auch noch Piroska genannt habt. Sehr sinnig!"

„Du kennst sie?"

„Ja. Und dich kenne ich auch." Ylvigur blieb mit der Kiste in den Händen stehen und wartete angespannt auf Stepans Reaktion.

Dieser ließ die Faust auf die nächste Kiste donnern: „Du bist es also doch! Der Wilko damals zur Sommersonnenwende!"

„Ganz genau."

„Ich hoffte, du wärst entkommen."

„Bin ich auch. Mich haben sie erst jetzt erwischt. Zusammen mit deiner Schwester."

„Was hattest du mit Piri zu tun?" Stepans Augen, die tatsächlich so beeindruckend dunkelblau waren wie von Piroska beschrieben, verengten sich misstrauisch.

„Nicht viel. Ich traf sie im Wald, schwer bepackt und half ihr tragen."

Stepan schnappte nach Luft. „Sie ging also zur Frau Großmutter. Und hatte natürlich keine Ahnung, was sie da trug."

„Du etwa?"

„Inzwischen schon. Damals war ich ebenso unwissend wie sie. Aber gefallen hat es mir nie, dass die Dörfer die Mädchen schutzlos zur Frau Großmutter senden." Wie zur Bestätigung drückte Stepan die nächste Kiste so heftig in Ylvigurs Arme, dass der junge Mann beinahe in die Knie ging.

„Schätze, darum haben sie dich hierhergebracht und nicht wieder zurück ins Dorf gelassen."

Stepan nickte. „Ich habe mir nach und nach alles zusammengereimt. Als Kriszta hier auftauchte, tauschten wir unser Wissen aus und ich glaube, jetzt haben wir ein besseres Bild davon, was hier und im Hünenwald vorgeht."

„Ich denke auch", erwiderte Ylvigur finster. „Piroska habe ich nicht gesagt, was ich vermute. Sie muss es selbst herausfinden."

„Natürlich. Ich hätte es damals auch nicht geglaubt, hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen. Ich gab zuvor auch euch die Schuld an den verschwundenen Mädchen."

„Wir würden niemals Menschen entführen - jedenfalls nicht ohne deren Einwilligung."

„Wenn sie einwilligen, ist es auch keine Entführung. Moment mal, meinst du damit ...?" Stepan blickte Ylvigur verwirrt an, aber dieser legte den Finger auf die Lippen. „Vielleicht. Ist noch lange nicht spruchreif. Denk nicht drüber nach. Ich tu's auch nicht. Es kommt, wie's kommt!"

„Na gut.", Stepan seufzte. „Ist auch egal. Hier kommen wir nicht raus. Ich versuch's seit einem Jahr."

„Du wirst nicht gesucht. Piroska erzählte mir, man hält dich in Altkirch für tot. Und sie trug eine rote Kapuze."

„Piroska trägt niemals rot!"

Ylvigur nickte nur; er hegte einen ganz ähnlichen Verdacht wie sein Gefährte.

Stepan riss plötzlich die Augen auf. „Ich weiß, was die Kapuze bedeutet! Aber ich hätte nie gedacht ... unsere Eltern hätten doch nie ..."

„Sie sagte auch, es gibt einen neuen Erben für euren Hof und der will sie nicht."

„Ja, ein Hof braucht einen Erben. Aber trotzdem ... nein, das muss ein Irrtum sein!"

„Ich vermute jedenfalls, dass sie auch nicht gesucht wird", fuhr Ylvigur fort. „Wenn die rote Kapuze ein Irrtum war, werden sie eben denken, sie ist tot. Kriszta hält man auch für tot, von Wölfen zerrissen."

„Im Hünenwald gibt es keine natürlichen Wölfe!"

„Das weiß Piroska aber nicht. Aber es gibt uns!"

„Aber ihr seid nicht ..."

„Und wir halten mehr von Familienbanden als ihr", fuhr Ylvigur unbeirrt fort. „Ich werde gesucht. Wir haben also eine Chance."

„Deine Leute dürfen den Ostwald nicht verlassen."

„Doch. Wir haben nur versprochen, nicht außerhalb des Ostwaldes zu jagen."

„Oh!" Stepan dachte einen Moment lang nach, dann grinste er. "Das ist allerdings ein Unterschied."

„Eben. Und in dieser Lage ein sehr wesentlicher Unterschied, denke ich."

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