Mittwoch - 1.7 - Ruhet von des Tages Müh'

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Don't forget - it's fiction !

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Mittendrin beim Essen heulen plötzlich die Sirenen auf, und alle zucken zusammen. Wir machen sofort das Radio an. Mir wäre es ja lieber, dass Markus und ich das erstmal alleine hören und die Kinder und die Jungs nicht sofort unsere unmittelbare Reaktion sehen können. Aber nun ist es so.

Die monotone Stimme des Sprechers teilt uns mit, dass es sich wahrscheinlich um einen technischen Defekt handelt (das hatten wir schon), dass keine Radioaktivität ausgetreten ist (das auch), dass wir Ruhe bewahren sollen (auch nicht neu), dass wir aber trotzdem nicht raus dürfen oder Wasser benutzen (das auch nicht). Dass alle ach so tapferen Stützen unserer Gesellschaft wie Polizei, Feuerwehr, THW, Rettungsdienste, Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken brav weiter ihren Dienst versehen werden. Dass alle anderen aber trotzdem nicht mit dem Auto rum fahren dürfen. Und dass sie sich am nächsten Morgen wieder melden werden, solange sich bis dahin nichts Entscheidendes ändert.
Na dann. Alles wie gehabt. Aber es ist ja schon richtig, dass sie sich ab und zu melden. Wenn nur die Sirenen nicht alle so nervös machen würden.
Jimin, der grade ein Stück Käse „weggeatmet" hatte, ist mit einem großen Satz von der offenen Terrassentür gesprungen.
Das hätte ich bittedanke nicht so gerne fünfmal am Tag! Geht das???

Oh Mann, dieser Tag war lang. Selbst wir Deutschen ohne Jetlag sind ziemlich müde. Also räumen wir schnell gemeinsam die Küche auf, Maja und Jimin füttern die Schweinchen, und dann trollen sich die Jungs in ihre Betten.

Nachdem ich mit Markus den Tag habe Revue passieren lassen, sitze ich schließlich alleine im Wohnzimmer und hänge meinen Gedanken nach.
Das war vielleicht ein emotionaler Marathon!
Ich bin ein Mensch, der powern kann. Aber normalerweise brauche ich dann viel Zeit alleine, um das wieder zu kompensieren. Und heute habe ich den ganzen Tag durchgepowert. Woher kommt diese Kraft? Ich weiß es nicht, ich ahne es nur. Dankbar fällt mein Blick zu meiner Gebetsecke. Ich spüre: das bin nicht ich, das ist Er durch mich. Und das beruhigt mich, denn sonst hätte ich Sorge, dass ich in den nächsten Tagen immer öfter solche Aussetzer haben werde wie vorhin in der Situation mit Jeongguk. Wenn ich daran denke, fühle ich mich echt beschämt. Jeongguk hat sich vor dem Schlafengehen nochmal bei mir bedankt! Ich muss mehr aufpassen, dass ich meine Wahrnehmung und Interpretation, die durch das Internet entstanden ist, nicht auf die echten Menschen unter meinem Dach übertrage.

Während ich noch darüber nachsinne, geht vorsichtig die Tür auf, und - ein Guk lunzt um die Ecke. Ob ich nochmal Zeit für ihn hätte. Ich klopfe neben mir auf das Sofa und schmeiße gleich die Übersetzungsprogramme an. Ich will Namjoon nicht schon wieder bemühen. Eine Weile schweigen wir, und er ringt sichtlich mit sich. Dann kommt endlich, mit nervös knibbelnden Fingern, seine Frage.
"Wie macht man das denn nun. Das mit dem Merken???"
Ich suche nach den richtigen Worten.

„Ich kann nur interpretieren, was ich im Netz über dich gesehen habe. Korrigiere mich bitte, wenn ich völlig falsch liege! Was ich in dir sehe, ist ein junger Mann, der furchtlos ist. Das hat zur Folge, dass du in vielen Situationen die Angst der anderen nicht spürst. Das ist einerseits beneidenswert! Andererseits: Du weißt mit dem Kopf, dass Tae, Namjoon, Jin und Hobi Höhenangst haben. Aber du fühlst es nicht. Darum kannst du problemlos innerhalb von zwei Minuten über einen fünf Meter hohen Parcours hangeln - und hinterher lästern, dass die anderen dreimal so lange dafür brauchen.
Diese Schlange in dem Zoo hat dich einfach neugierig gemacht. Du hast auch gesehen, dass Hobi Angst davor hat. Und dass ausgerechnet er alleine ran musste, während ihr anderen alle zu zweit wart. Aber du fühlst diese Angst nicht. Sonst wärst du vielleicht auf die Idee gekommen zu sagen: 'Komm Hobi, ich mach das mit dir zusammen, dann wird es leichter für dich, denn ich fürchte mich nicht.' Oder vielleicht sogar: 'Hobi, du musst diese Schlange nicht anfassen, nur weil wir anderen das getan haben. Fühl dich nicht dazu gedrängt!'
Verstehst du? Beim Einfühlungsvermögen geht es nicht darum, genauso zu fühlen wie der andere. Du musst nicht auch ängstlich werden. Aber du hast verschiedene Möglichkeiten, dein Wissen um das Gefühl des anderen zu nutzen. Du kannst ihn auslachen, du kannst ihn anspornen oder du kannst ihm Mut machen, zu seiner Angst zu stehen und einfach Nein zu sagen. Du musst nur in dem Moment, wo du seine Angst erkennst – und das hast du ja – einen Augenblick innehalten und überlegen, was er jetzt braucht, damit er sich wieder wohlfühlt. Überhebe dich nicht über den anderen. Sondern stelle deine Furchtlosigkeit dem anderen zur Verfügung."

Guk denkt nach. Seufzt. Lässt seinen Kopf hängen.
„Ich glaube, das wird schwer."
Ich lege meinen Arm um ihn.
„Das schaffst du! Schau dem anderen ins Gesicht, dann siehst du, was er fühlt. Hobis ganzer Körper hat um Hilfe geschrien, als ihm die Schlange um die Schultern gelegt wurde. Frag nach, wenn die Gelegenheit es zulässt. Und erwarte nicht von dir, dass du gleich beim ersten Mal alles verstehst! Du liebst deine Hyungs, und sie lieben dich. Sie verzeihen. Und sie werden spüren, dass du dir Mühe gibst."

Müde lehnt er sich zurück und schließt die Augen. Hinter seiner Stirn rattert es.
„Und jetzt ab ins Bett mit dir!!!"

Was für ein Tag! Die Bilanz von 32 Stunden BTS unter meinem Dach ist: 2 von 7 Mitgliedern sind mal eben psychisch von den Beinen gesägt worden und müssen sich völlig neu orientieren. Ich sollte es positiv sehen: ich habe sie wachgerüttelt. Da ist in ihnen eine neue Tür aufgegangen, da ist ein neuer Weg, den sie gehen können. Aber eigentlich möchte ich, dass sie hier in dieser Enge und Unsicherheit und unter Fremden möglichst stabil sind, damit wir diese Situation lange miteinander durchhalten können. Und nicht, dass sie einer nach dem anderen umkippen und den Halt verlieren.

Nun richte ich meine Gedanken auf morgen. Da die Knalltüten in Biblis sich offenbar Zeit lassen wollen mit der Lösung, ist davon auszugehen, dass London für dieses Wochenende tatsächlich gelaufen ist. Und ich rechne damit, dass Tae ungeduldig in den Keller in mein Atelier drängen wird. Also beschließe ich, den angebrochenen Abend dazu zu nutzen, dass ich gründlich meinen Keller aufräume. Wär' sowieso mal wieder Zeit dafür ...

Ich fahre – so spät am Tag wie sonst nie – meinen PC hoch und bringe ein nettes Hörbuch zum Laufen. Dann sortiere ich Papierreste, Stempel, Bastelkataloge, Stoffe, diverses Werkzeug und die leidigen Rechnungen an die richtigen Plätze und grabe dabei meine Arbeitstische aus. Anschließend suche ich alles für das Arbeiten mit Speckstein heraus, sichte die vorhandenen Rohlinge, kontrolliere das Werkzeug. Danach mache ich mir Gedanken, wie ich diese Kreativeinheit für die Jungs aufbaue, was ich ihnen in welcher Reihenfolge erkläre. Und zu guter Letzt suche ich mir dazu einen Haufen wichtiger Vokabeln zusammen, damit ich dann flüssig reden kann.

Es reicht für heute. Ich habe es genossen, mal wieder 1 ½ Stunden alleine zu sein. Müde steige ich aus meinem Reich in die höheren Gefilde und schaue wieder leise in alle Zimmer. Maja hockt auf ihrem Bett und liest irgendeine FF auf Wattpad, während die Schweinchen kwuckelnd durch ihr Zimmer wutzeln. Naja – Stups. Berry ist ein bisschen wie Yoongi – bewegen? Igitt! Im Vierer-Zimmer ist es still und dunkel, Jeongguk oben, Jimin unten im Etagenbett und Hoseok und Taehyung auf den Klappmatrazen schlafen fest. Ich kippe das eine Fenster, damit sie wenigstens etwas Sauerstoff bekommen. Noch ins Bad und Zähneputzen, dann schleiche ich mich leise die letzte Treppe rauf und an Namjoon, Jin und Yoongi vorbei in unser Schlafzimmer. Markus liegt auf seiner Bettseite und liest. Simon liegt in der Ritze unseres zum Glück 2,20m breiten Bettes – und kann nicht einschlafen.
„Mami, kannst du noch für mich singen? Dann kann ich vielleicht besser einschlafen!"

„Klar, mein Sohn, ich muss nur leise singen, damit ich die Drei nebenan nicht wecke."
Und während er sich wieder in seine Decke kuschelt, singe ich nacheinander alle Schlaflieder, die er so liebt (hei, die sind 13 und 17, aber sowas verlernt eine Mutter nie!) und ende schließlich bei „Ruhet von des Tages Müh'", unserem absoluten Lieblingskanon.

Da Simon nun mitsingt, wird es wohl doch etwas lauter, und als ich grade aufhören will, öffnet sich langsam und vorsichtig die Tür. Drei verwuschelte Köpfe unterschiedlicher Färbung kommen zum Vorschein, einer davon ein fragend dreinblickender Namjoon.
"Singst du auch für uns? Das klingt sooo schön beruhigend."
Na Jungs, es ehrt mich ja sehr, dass ihr offensichtlich meine Stimme so mögt, aber allmählich frage ich mich doch, was ihr eigentlich davon habt, denn ich singe nur auf Deutsch, und ihr versteht kein Wort. Und außerdem ist es für euch doch mitten in der Nacht!

„Sorry, dass wir euch geweckt haben. Und: gerne."
Ich antworte, denke einen Moment und frage dann doch nach. Aber die Antwort ist ganz entspannt.
„Wir müssen den Text nicht verstehen. Du singst für deinen Sohn, der im Bett liegt, also sind es Schlaflieder. Und den Rest macht die Musik. Du singst ruhig und schön und verbreitest eine entspannte Atmosphäre. Mehr müssen wir nicht wissen."
Also beginne ich noch einmal und setze mich dazu auf die Kante des Gästesofas nebenan. Ich könnte dieses Lied ungelogen stundenlang immer weiter singen! Die Drei legen sich wieder hin. Einer nach dem anderen fängt an, einfach die Melodie mitzusummen. Ich kriege etwas Gänsehaut, denn beim hohen Anfang überwiegt mein Mezzosopran, beim tiefen letzten Teil des Liedes vibriert der sonore Bass von Yoongi und legt ein wunderbares Fundament. Als die Jungs nach und nach verstummen, werde ich immer leiser und lasse den Kanon schließlich ausklingen.

https://www.youtube.com/watch?v=pKzcgnKQ4lY

Schlaft gut!
Gaaaanz langsam und leise erhebe ich mich.
Danke, guter Gott, dass du mich diese sieben wunderbaren Menschen kennenlernen lässt.
Als ich endlich unter meine eigene Decke krieche, ist auch Simon schon eingeschlafen, und meine Gedanken rasen nicht mehr so wie vorhin. Ich habe mich sozusagen selbst zur Ruhe gesungen und schlafe auch schnell ein.

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24.10.2018    -    5.4.2019    -    28.10.2019
23.3.2020

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