Mittwoch - 8.7 - Jimin und der Spiegel

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Don't forget  -  it's fiction!

Ich muss das jetzt mal so dazu schreiben: dieses Kapitel ist eines meiner absoluten Lieblings-Häppchen.

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Während ich den Brief an Jin noch einmal durchlese, höre ich leise Geräusche auf dem Flur. Leichte Schritte, dann eine leise Diskussion.
Ach Jungs, macht es doch nicht so spannend. Ich habe doch fast darauf gewartet, dass der nächste kommt!

Die Tür geht auf, und Namjoon steckt den Kopf rein.
„Du, Jimin möchte noch was von dir. Und ich konnte ihn nicht abwimmeln. Er will unbedingt nochmal ..."
Ich nicke.
„Lass ihn rein. Du musst nicht über mich wachen. Es ist schon in Ordnung."
Jimin kommt schüchtern zur Tür rein, und Namjoon verzieht sich in den Hintergrund zum Übersetzen.

„Komm her, setz dich. Ich bin für dich da."
Jimin setzt sich neben mich, eine Weile ist es still. Dann fängt er leise an zu reden.
„Ich möchte dir persönlich danke sagen, dass du gleich am Anfang erkannt hast, was mit mir los ist, und dass du mir den Ausweg aus der Hungerfalle gezeigt hast. Es war für mich und für uns alle der Befreiungsschlag. Aber ich habe auch ganz große Angst vor der Zukunft. In deiner Gegenwart fühlt es sich so gut und richtig an, zu essen, zu lachen und mich in meiner Haut wohl zu fühlen. Ich denke überhaupt nicht mehr drüber nach. Vor dir bin ich einfach richtig, wie ich bin. Aber ich habe Angst, dass das nicht so bleiben wird, wenn du nicht mehr um mich bist und mich so liebevoll und würdevoll behandelst. Ich habe Angst, dass ich den Tour-Alltag nicht packe. Ich habe Angst, dass PD den Druck so erhöhen wird, dass ich wieder zurückfalle und wieder aufhöre zu essen. Ich habe Angst, dass ich auf der Bühne Fehler mache und dann wieder heulend da sitze und mich selbst verachte. Ich habe Angst zu twittern und mich den Fans zu zeigen und dann die ganzen Kommentare zu lesen, die mich wieder hin und her zerren werden. Sie lieben mich, aber manchmal tun sie mir nicht gut ... Am liebsten würde ich deinen Geruch und deine Stimme und die gelbe Decke mitnehmen und mich ganz darin einhüllen, um nie die Erinnerung an diese Geborgenheit bei dir zu vergessen."
Schüchtern schaut er mich von der Seite an, senkt dann den Blick auf seine nervösen Hände.
Ich fühle mich geehrt. Und ich fühle mich in meinen Ängsten um ihn bestätigt.

„Jimin, ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn ich dir diese Frage stelle. Aber ich wage es jetzt mal. Was ist es, das du an dir selbst nicht magst? Wenn du in den Spiegel schaust. Was hält dich davon ab, zufrieden zu sein, wenn du dich siehst?"
Leider muss er gar nicht lange überlegen für die Antwort.
„Ich mag meine winzigen Hände nicht. Ich mag meine platte Nase nicht. Ich mag meine Hampeligkeit nicht. Ich mag meine ..."
Hilfe! Was kommt denn da noch alles?
„Stooop. Reicht. Wenn du noch mehr aufzählst, muss ich dich leider auf der Stelle standrechtlich erschießen, weil du einfach zuuu furchtbar und hässlich und unerträglich für diese Welt bist."
Er schaut mich irritiert an.
„Jimin, das war ein Scherz! Ich meine damit einfach: drei Beispiele reichen. Ich will darauf eingehen. Wenn du mir danach nicht glaubst, kann ich dir auch nicht helfen. Komm mal mit in den Flur zum großen Spiegel. Wir müssen nur leise sein, damit wir nicht alle anderen wecken."

Energisch stehe ich auf und ziehe ihn mit in den Flur. Namjoon folgt uns leise. Jimin will aber nicht in den Spiegel schauen und bleibt darum wie ein störrischer Esel daneben stehen. Ich brauche einen Moment, um das zu kapieren.
„Jimin, findest du etwa deinen eigenen Anblick so unerträglich, dass du nicht in den Spiegel schauen magst???"
Er nickt.
„Ich mag keine Spiegel. Ich bin froh, dass wir für die Auftritte immer von jemand anderem geschminkt werden. Da muss ich selbst nicht richtig in den Spiegel sehen."
Mir kommen die Tränen. DAS finde ich jetzt unerträglich!
O.K.
Ich hole tief Luft.
Auf in den „Kampf"! 

"Dann muss ich dich jetzt erst davon überzeugen, dass der Spiegel bei deinem Anblick nicht platzen wird, weil du so hässlich bist? Ist das dein Ernst???"
Erschrocken registriert er, dass mir die Tränen übers Gesicht laufen.
„Nicht weinen. Bitte! Du darfst nicht ..."
Er hebt seine Hand in meine Richtung, wagt es dann aber doch nicht, mich zu berühren.
„... wegen dir weinen? Und ob ich das darf! Du wunderschöner, ganz wunderbarer Mensch machst mich grade nämlich furchtbar traurig. Da kann ich nicht anders."
Jimin wird knallrot.
„Wie um Himmels Willen machst du das beim Tanztraining? Das sind riesige Spiegel!"
Er zuckt mit den Schultern.
„Da geht's nur um die Bewegungen. Da schalte ich aus, dass ich das bin."

Das macht mich erstmal sprachlos. Wie soll ich denn darauf reagieren??? Da habe ich eine Idee.
„Also. Dann erzähle ich dir als erstes meine Geschichte. Schau mich an. Magst du mein Gesicht?"
Er mustert mich, und ich halte seinem Blick stand, obwohl ich so meine eigene Geschichte damit habe.
„Klar! Es ist gütig und lebendig und kann unglaublich viele verschiedene Gefühle zeigen. Dein Gesicht ist wunderbar und genau richtig! ... Und du hast wunderschöne Augen."
Jetzt kommt die Nagelprobe ...
„Danke! Und meine Nase?"
Jimin runzelt die Stirn.
„Was soll mit deiner Nase sein?! Sie ist nicht zu groß und nicht zu klein. Sie sitzt an der richtigen Stelle im Gesicht und gehört zu dir."
Noch hat er nicht verstanden, worauf ich raus will.

„Als ich sieben Jahre alt war, kamen meine Großeltern zu Besuch. Sie hatten uns eine Weile nicht gesehen, und als meine Oma mich sah, quietschte sie beglückt auf und rief:'Hach, Tina kriegt ja einen Knick in der Nase. Wie schöööön!' Niemand weiß, von wem ich diesen Knick geerbt habe. Jedenfalls hatte ihre Schwester wohl auch einen Knick in der Nase, und meine Oma hat ihre Schwester sehr geliebt. Darum fand sie diesen Knick in meinem Gesicht tatsächlich schön."

„Hä? Welchen Knick denn?"
Ich nehme meine Brille ab und zeige ihm meine Nase im Profil.
„Den da." 
Ich deute auf meinen deutlich ge"hubbelten" Nasenrücken.
„Ach sooo. Aber der ist doch egal, der gehört dazu!"

„Tja, wie das Schicksal es so wollte – die kleine Tina fand das aber nicht. Ich war geschockt, ich dachte, ich bin hässlich und bin daraufhin viele Jahre meines Lebens an jedem Spiegel vorbeigerannt, weil ich meine Nase nicht sehen wollte. Meine Jacken landeten immer irgendwo, aber nicht in der Garderobe. Da hing der Spiegel. Zur Toilette bin ich gerannt. Dafür musste ich nämlich am Spiegel vorbei. Eigentlich erst, als ich selbst Kinder bekommen habe und überlegt habe, was ich ihnen Positives fürs Leben mitgeben möchte, habe ich angefangen, mich selbst gnädig anzusehen. Weil ich wollte, dass sie spüren, dass ich mich in Ordnung finde, und dass sie sich in Ordnung finden dürfen."

„Wie alt warst du da?"
Ich rechne kurz.
„Bei Maja war ich 35, bei Simon 39 Jahre alt."
Jimin schluckt.
„Ganz schön spät ..."
Ich nicke.
„Ja. Und du hast die Chance, früher damit anzufangen. Ich lade dich nochmal ein, in den Spiegel zu schauen."
Erst schüttelt er heftig den Kopf. Dann nimmt er meine Hand, holt tief Luft, schließt die Augen und macht einen Schritt nach vorne. Immer noch mit geschlossenen Augen dreht er sich zum Spiegel. Nach einer kleinen Ewigkeit versucht er, nur ein Auge nur ein bisschen zu öffnen. Da er ja aber nicht richtig zwinkern kann, gelingt das überhaupt nicht, und plötzlich müssen wir beide lachen. Ohne es zu wollen, schaut er nun voll in den Spiegel, auf sein eigenes, im Moment viel zu schmales, aber fröhlich lachendes Gesicht.

Ich stelle mich hinter ihn und hebe meine Hände.
„Darf ich?"
Als er nickt, drücke ich vorsichtig von beiden Seiten seine Nase schmal. Dadurch wird sie zwar etwas höher, sieht aber viel zu dünn aus sogar in seinem viel zu schmalen Gesicht.
„Gefällt dir das besser?"
Er schüttelt den Kopf, was mit zu gedrückter Nase etwas seltsam aussieht.
„Oder das?"
Nun drücke ich seine Nasespitze ein bisschen von unten nach oben. Heftiges Kopfschütteln.
"Das sieht ja aus wie eine Schweinsnase!"
Nun lasse ich einfach los.
„Und jetzt?"
Erleichtertes Aufseufzen.
„Doch besser", gibt er kleinlaut zu.

„O.K."
Als nächstes ziehe ich sanft seine Hände auf seinen Rücken und halte stattdessen meine eigenen Hände und Unterarme vor seinen Körper. Der Unterschied ist so krass, dass wir beide sofort lachen müssen. Denn: ich bin lang, alles an mir ist lang. Ich habe unglaublich lange Hände. Und das sieht vor Jimins Körper einfach absurd aus. Da wir irgendwann in den letzten Tagen mal mit viel Hallo festgestellt haben, dass Tae zwar ellenlange Finger hat, aber doch nicht länger als meine, weiß Jimin sofort, worauf ich hinaus will. Bei diesen blöden Vergleichsdingern muss er nämlich immer unter schallendem Gelächter der anderen seine Hand an die von Tae halten.
„Muss ich dazu noch was sagen?"
Ich frage ihn leise von hinten. Ich nehme eine meiner Hände weg und schiebe seine entsprechende Hand wieder nach vorne, direkt neben meine andere.
„Welche Hand passt besser zu diesem zierlichen, wohl proportionierten, zauberhaft durch das Leben tanzenden Körper?"
Stille.
„Meine."
Kommt es fast unhörbar aus seinem Mund. Ich verkneife mir das „siehste!"

„Und jetzt zu deiner angeblichen Hampeligkeit."
Ich drehe ihn energisch an den Schultern zu mir um.
„Erstens. Jeder Mensch stolpert mal über eine Türschwelle oder eine Bordsteinkante. Jeder! Es wird nur nicht jeder dabei gefilmt. Ich schwöre, ohne es zu wissen – alle anderen aus der Gruppe sind auch schon gestolpert. Aber nur deine Stolperer werden gezeigt, weil es ja so lustig ist, mal wieder ein Klischee aufzubauen. Es gibt keinen 'clumsy Jimin'. Vergiss es! Versprochen?"
Nicken.

„Zweitens gehört es zu den ganz einzigartigen und ungeheuer liebenswerten Eigenschaften von dir, dass du beim Lachen immerzu fast umfällst. Du lachst nicht einfach mit dem Mund, du lachst mit dem Herzen und mit deinem ganzen Körper. Und das ist wunderbar."

„Und drittens. Ihr seid sieben Individuen, sieben ganz einzigartige Menschen und Persönlichkeiten. Jetzt stell Dir doch mal vor, bei einem Interview oder einem Auftritt auf der Bühne stünden sieben Leute so stumm wie Yoongi da. Na, da käme vielleicht eine Stimmung auf! Nicht ... Oder bei euren Abschiedsreden am Ende vom Konzert würdet ihr sieben Reden wie Namjoon halten. Die Massen würden einschlafen."
Wir müssen alle drei lachen. Nicht, weil Namjoon langweilig ist. Sondern, weil wir uns vorstellen, wie es wäre, wollte der schüchterne Jeongguk eine lange Rede halten, der zappelige Hobi so stille halten wie Yoongi oder Namjoon mit Herzchen um sich werfen wie Jin.

„Das passt nicht! Ihr seid jeder anders. Ihr präsentiert euch dem Publikum auf sieben verschiedene Weisen. Ihr redet anders, denkt anders, bewegt euch anders. Du bist nicht hampelig. Du bist lebendig und fröhlich und energiegeladen und den Fans zugewandt und überschäumend glücklich, wenn du auf der Bühne stehst. Du kannst nicht SO tanzen, wie du es tust, und ansonsten immer so unbeweglich sein wie ein abgeschalteter Roboter. Du bist ein Mensch, der aus der Bewegung heraus lebt. Du umarmst und tanzt und lachst mit dem ganzen Körper. Das ist nicht hampelig, das ist lebendig und authentisch.
Und: Was auch immer wir sind – es hat immer zwei Seiten. Bzw. es gibt für jede unserer Eigenschaften Momente, wo sie passen und nötig sind und gut tun. Und andere Momente, wo sie fehl am Platze wirken und manche stören. Aber wer dich will, muss dich mit allem nehmen, was du mitbringst. Es gibt keine halben Jimins! Dich gibt's nur als vollständiges und einzigartiges Exemplar voller Leben und Liebe und Leidenschaft. Und das darfst du voller Überzeugung leben. Wer dich will, muss dich im Ganzen nehmen. Du bist keine Wurst, von der man im Supermarkt 100 Gramm in Scheiben kaufen kann."
Ich imitiere ein Einkaufsgespräch an der Wursttheke.
"Ich hätte gerne drei Scheiben Jimin. Die mit den braunen Augen, die mit dem niedlichen Bauchnabel. Ach – und die mit dem großen Zeh."
Dieses Bild schießt mir so spontan durch den Kopf, dass ich es nicht zurückhalten kann. Und die Vorstellung, Jimin in Scheibchen geliefert zu bekommen, ist so saukomisch, dass er endlich in sein helles Gelächter ausbricht, die Augen zukneift und sich der Länge nach auf den Boden wirft.
Ich hab dich!
Uuuups. Da oben geht eine Tür auf ...

Kurz halten wir alle Drei stille und warten ab, bis im ersten Stock wieder Ruhe eingekehrt ist.
„Weißt du, was für Maja und mich der tollste Moment bei den letzten Run-BTS-Folgen war neben den Gedichten, die ihr euch abends am Lagerfeuer vorgelesen habt? Es war der Moment beim Badmintonspielen, wo ihr alle so lachen musstet, dass du gerufen hast:'Hört auf zu lachen. Ich kann nichts sehen!' Wir haben uns schier weggeschmissen vorm PC. Es ist SO schade, dass du dich selbst nicht sehen kannst, wenn du lachst. Dein spontanes, natürliches Lachen ist so ansteckend, es könnte Tote aufwecken!"
Weil er sich gar nicht mehr einkriegt vor Lachen, schubse ich ihn schließlich zurück ins Wohnzimmer. Nicht dass die aufgeweckten Jungs plötzlich auf die Idee kommen, auch noch eine Audienz bei mir haben zu wollen. Spiegelstunde beendet. Die anderen sollen ja schlafen. Erst nach einer Weile können wir uns beruhigen. Das ausgelassene Gelächter hat uns dreien gut getan. Noch so eine Gabe von Jimin. Sein Lachen macht andere Menschen glücklich, weil es so echt ist und von tief drinnen kommt!

Dann werde ich doch nochmal ernst.
„Jimin, ich kann nicht mitkommen. Ich kann dich nicht immer persönlich beschützen. Und du wirst das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl erst nach und nach wieder lernen, das ist mir bewusst. Aber die anderen wissen das auch. Und sie werden für dich durchs Feuer gehen! Sie werden dich auf Händen tragen, bis du wieder selbst stark genug bist, um zu gehen. Du bist nicht alleine mit PD, du bist nicht alleine auf der Bühne, du musst nicht alleine in den unsozialen Medien rumturnen. Du kannst und wirst IMMER einen von ihnen dabei haben. Du darfst bloß nicht aufhören, mit ihnen zu reden. Ich muss hier bleiben. Aber ich werde jeden Tag an dich denken, für dich beten, in deinem Herzen sein und dir alle Kraft der Welt rüberwünschen."
Er nimmt meine Hand und drückt sie ganz fest. Als wollte er nie wieder loslassen.

„Jetzt ab ins Bett mit dir! Dein Ziel ist London mit über 50 Kilo und eine hinreißende Show voller unvergleichlichem Jimin-Charme bei den Billboards. Und für beides braucht man ausreichend Schlaf!"

Ich räume noch die Briefe beiseite und schlappe dann auch die Treppe hoch, bevor sich doch noch eine Schlange bildet. Allmählich bin ich nämlich wirklich leer-geliebt.

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29.11.2018    -    16.6.2019    -    30.10.2019
30.3.2020

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