» Das Ende der Mission «

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Kapitel 9

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          Die Zeit dehnte sich zwischen den Herzschlägen aus. Unendlich ihn ihrer Qual. Die Kugel durchschlug Jules' Hinterkopf und verteilte Hirnmasse auf dem Parkett. Doch alles was ich sah, war das Erlöschen des kleinen blauen Sensorlichts. Es flackerte nicht einmal. Es ging einfach aus. Und Jules war fort. Sein Lachen, seine Begeisterung für immer verloren.

Der Mann hinter mir ließ mich los und ohne Gleichgewicht trudelte ich nach vorne, bereit neben meinem letzten Freund zu Boden zu gehen. Jules war.... Er war... Ich griff nach Gedankenfetzen. Worten. Sie alle hatten mich verlassen. Ich war wieder genauso alleine wie am Anfang.
In einer beruhigenden Geste wollte ich ihn in meine Arme nehmen, doch ein ohrenbetäubendes Brüllen ließ mich mitten in der Bewegung innehalten.

„Nein!" Das Wort beinhaltete so viel mehr Qual, als ich noch vertrug. Das Echo meiner eigenen Verzweiflung. Inmitten einer kleinen Gruppe Kämpfer stand Nathan wie angewurzelt im Türrahmen. Unfähig die Situation zu fassen, wanderte seine Aufmerksamkeit von Jules Körper zu mir und dann zu der rauchenden Pistole. Er selbst trug zwei im Gürtel und die Schutzbrille in den Händen.

Er war schneller an meiner Seite, als ich einen weiteren keuchenden Atemzug tun konnte, schlang seine Arme um mich und zog mich von ihnen fort. Die Wärme seiner Brust schmolz die eisigen Wände, die mich noch aufrecht hielten. Beruhigend legte er sein Kinn auf meinem Scheitel ab, leise flüsternd, während ich zu einem Häufchen Elend zusammensackte.
Sie waren fort. Sie waren alle fort. Es war der einzige Satz, der durch meinen Kopf kreiselte.

Irgendwo im Haus wurde eine Tür eingetreten. Oder eine Wand eingerissen, der Lautstärke nach. Die Miene des Bürgermeisters gab ein verräterisches Zucken von sich, doch Nathan bemerkte es nicht, sondern schob mich vorsichtig zum Ausgang.
„Alles wird gut. Ich bring dich heim", murmelte er so dicht an meinem Ohr, dass ich seinen Atem spürte.

Unter uns fielen Schüsse. Laut und viel zu schnell für die behelfsmäßigen Pistolen der Widerstandskämpfer.

„Nimm deine Finger von ihr!" Wir erreichten gerade einmal die Tür, als Ives einschritt. Lautes Gemurmel kam auf und irgendwo wurde eine Waffe lautstark entsichert, sodass er hastig wieder zurück kauerte, doch sein Ausdruck ähnelte einem Gewitter. „Du wirst meine Tochter nirgendwo mit hinbringen!"

Die Worte brauchten einen kurzen Moment, ehe ihr Sinn in meinem Kopf Wurzeln schlugen.
Seine Tochter. Ob er wusste, in welche Gefahr er sie damit gebracht hätte? So wie er sich gegen seine Widersacher wehrte, sicherlich nicht. Nathan ließ mir keine Zeit die Fragen zu stellen, als er mich vorsichtig auf den Gang hinausschob und hinter uns die Tür schloss.

Er zog mich den Flur entlang, als wir plötzlich beide den donnernden Schritten vor uns bewusst wurden. Obwohl sie rannten, waren sie alle im Gleichschritt. Eine heranrollende Masse, die ganz bestimmt nicht zu Jeter gehörte. Und dieses eine Mal reagierte ich schneller als er.
Weil ich Informationen hatte, die ihn immer noch verwirrt die Augenbrauen zusammenschieben ließen.
Mit einem Ruck zerrte ich ihn in eine Fensternische, hinter die Statue des goldenen Motors und zog ihn neben mir zu Boden.

Gerade noch rechtzeitig, bevor die Militärsoldaten um die Ecke bogen, die Waffen bereits auf Anschlag. Sie stürmten zielstrebig auf den Salon zu, eine beinahe nichtendende Kette an joggenden Männern in grauen Uniformen, die sie mit dem zurückgebliebenen Rauch verschwammen. Jules hatte gewusst, dass sie kommen würden. Er hatte dem Bürgermeister bei seiner Planung geholfen.

Die ersten Schüsse fielen, noch bevor der Letzte im anschließenden Raum verschwunden war. Und ich ließ Nathan keine Zeit sein Schicksal zu debattieren. Es war vielleicht meine verbliebene Chance, es nach Hause zu schaffen, doch zu was würde ich zurückkommen? Mein Auftrag war erfüllt. Der Bürgermeister sicher. Aber Nathan... er könnte ein ganzes Land retten, wenn er seine Blutreinigungsmaschine entwickelte.
Und deshalb griff ich seine Hand und rannte los. Zog ihn die Treppe hinunter, immer weiter am Haupteingang vorbei, der zweifelsohne ebenfalls besetzt worden war.

Mit jedem Schritt nahm die Hitze um uns herum wieder zu. Kleine Feuerherde leckten hier und dort an dem teuren Mobiliar und erstickten uns beinahe in seinem Rauch.
Über uns hörten wir den Bürgermeister meinen Namen rufen. Ich drehte nicht einmal den Kopf. Ich hielt erst an, als wir vor der Wendeltreppe standen.
Keuchend und hustend wandte ich mich zu Nathan um.

Er schluckte schwer, als er meinen Blick bemerkte und ließ mich los.

„Du musst die Hauptstadt verlassen. Kehr nicht zurück. Niemals. Ändere deinen Namen, damit meine Regierung dich im Zweifelsfall nicht findet. Flieh in eine der Städte im Herzen des Landes. Dort werden in ein, zwei Jahren die Gesetze für die Erfindungen gelockert", ich wischte mir ein paar Tropfen aus seinem Gesicht. Regen und Schweiß.
„Arbeite an keiner Zeitmaschine. Egal, was du tust. Verwende deine Energie nicht auf etwas, das dich am Ende noch deinen Kopf kostet. Setz deine Pläne für die Transfusions- Apparatur um und rette Leben. Rette sie alle-..."

„Und was willst du tun?" Zweifel schnitt tief durch seine Züge. Sorge vor dem, was ich ihm gerade erzählte. Vor dem Wissen stets eine Zielscheibe auf dem Rücken zu haben. Sorge um mich.

Die Frage war wie ein Schlag in meinen Magen. Und ich? Ich ließ die Panik in meinem Herzen nicht real werden.
„Ich werde immer einen Schritt hinter dir sein", antwortete ich entschieden und schob ihn die Wendeltreppe hinunter.

Nathan bemerkte die Lüge, doch näherkommende Rufe nach meinem Namen ließen ihm keine Zeit, mit mir zu diskutieren. Ich stoppte ihn erst wieder, als er beinahe an dem Spiegel vorbeigelaufen wäre. Ein mannshohes Ding mit viel zu aufwendig verziertem Goldrahmen, der in seinem Prunk eigentlich im Kellergewölbe vollkommen fehl am Platz war.

Nathans Augen folgten jedem meiner Handgriffe, als ich vorsichtig den verborgenen Hebel fand und den Mechanismus in Gang setzte. Unter dem lauten Knirschen der Zahnräder, die sicherlich unser Versteck verrieten, schwang die Scheibe auf und enthüllte, dass es sich tatsächlich um einen Einwegspiegel handelte, ähnlich wie er bei Verhören benutzt wurde.

Wieder rief jemand meinen Namen. Dieses Mal bereits am Absatz der Treppe.

„Der Weg wird dich vor die Stadttore führen! Renn! Renn und sieh niemals zurück!", schubste ich ihn auf das Loch in der Wand zu.
Trampelnde Schritte auf den Stufen wurden lauter. Wurden zurückgeworfen von den hohen Wänden.

Er zögerte. Beide Hände gegen den Rahmen gestemmt, drehte er den Kopf zu mir zurück.
„Komm mit mir!" Seine blauen Augen waren... flehend. Verzweifelt. Die eines Sterbenden, in seinen letzten klaren Sekunden. Aber er würde nicht sterben. Dafür hatte ich gesorgt.

In einem furchtlosen Versuch meine zitternden Finger zu beruhigen, griff ich in seinen Gürtel und nahm ihm eine der Pistolen ab.
Er wusste, dass das nicht möglich war. Die Schritte kamen immer näher.
„Sieh nicht zurück", wiederholte ich noch einmal, um die Entschlossenheit kämpfend.

Tränen brannten in meinen Augen, als ich ihm einen weiteren Stoß versetzte. „Ich bin direkt hinter dir, sobald ich sie abgelenkt habe." Eine Lüge. War es nicht nur passend, dass auch meine letzten Worte an ihn nicht mehr als Lügen sein würden?

Widerwillig klettere er durch das Loch, drehte sich jedoch sofort wieder um. „Versprich mir-..."

Ich schlug ihm die Tür ins Gesicht und ein Verriegelungsmechanismus schloss sich. Seine protestierenden Faustschläge waren kaum mehr als eine leichte Vibration der Scheibe, die mir lediglich mein eigenes, gebrochenes Herz zeigte.
Und trotz der Übelkeit und dem bitteren Geschmack in meinem Mund, weitete sich meine Brust in Erleichterung. Er würde leben. Er würde leben und diese Welt zu einem besseren Ort machen. Nichts anderes war wichtig.

Die erste Träne befreite sich aus meinen Wimpern, als ich die Sicherung der Pistole löste. Ich tat das Richtige. Anthony hätte nichts anderes von mir erwartet.

Schritte kamen im Gleichmarsch die Wendeltreppe hinunter.

Ich dachte an Jules und Bram. An Forges, der für uns sein Leben gelassen hatte. Hoffentlich würden sie mir verzeihen. Aber für mich gab es kein passendes Leben, zu dem ich jetzt noch zurückkehren konnte. Ich war keine Historikerin mehr, keine Professorin, die sich vor kleinen Meetings mit ihrem Kollegen sorgte.
Wir hatten uns so sehr vor dem Firefly-Effekt gefürchtet und welche Auswirkungen er auf die Zukunft haben mochte, dass wir vollkommen blind gegenüber den Änderungen in uns selbst gewesen waren.
Narren. Wir alle waren Narren. Und nun war es zu spät.

Der Bürgermeister stolperte auf den Treppenabsatz. Seine Augen weiteten sich beim Anblick meiner Waffe, doch ich senkte sie genauso schnell.
„Wo ist er hin?", sein Blick sprang von mir zu den Stufen hinter mir, zu dem Spiegel. Erkenntnis machte sich breit und er ballte die Fäuste, griff nach seinem eigenen Schusseisen. „Du darfst ihn nicht gehen lassen, Eliza! Egal was er dir eingeflüstert hat!"

Er machte einen Schritt auf mich zu und ich riss die Pistole wieder hoch. Es stoppte ihn mitten in der Bewegung. Ihr Lauf schwankte und zitterte in meinen Händen, doch ich hielt sie nichtsdestotrotz. „Er ist keine Gefahr", beschwor ich den Mann vor mir, so ruhig es meine Stimme zuließ. Jules war für ihn gestorben. Ich wollte ihn nicht erschießen und das Geschenk meines Freundes nicht so mit Füßen treten. Sein Leben war alles, wofür ich die letzten Tage gekämpft hatte. Die Sicherheit, dass meine Mutter eine Erfindung in einer anderen Welt sehen würde, die ihr Hoffnung und Stärke gab, um sich um ihre Tochter zu kümmern, auch wenn die Liebe ihres Lebens gestorben war.

Über uns wurde das gleichmäßige Stampfen der Soldaten lauter. Sie eilten wie mein hektischer Herzschlag die Treppe hinunter. Immer näher. Ives hörte sie ebenfalls und seine Unsicherheit verfolg.
„Ich weiß, worin dieser Gang mündet. Wenn du uns nicht vorbeilässt-..." Ohne mich aus den Augen zu lassen, drehte er dein Kopf ein bisschen und holte Luft. Zorn füllte seine schwarzen Augen wie ein Gewitter.

„Nein!", ich löste die Sicherung, doch er glaubte mir nicht. Elizabeth war seine Tochter und er liebte sie. Er würde die Soldaten an den Ausgang schicken. Er würde keine Überlebenden lassen.
Und in dem Moment erkannte ich den Unterschied. Er hatte Mitleid mit mir gehabt, weil er glaubte, ich wäre mit ihm verwandt, wüsste er, wer ich wirklich war...

„Dieser Mann hat dein Mitleid nicht verdient. Er ist nichts als Dreck unter unseren Schuhen auf dem Weg zur Größe."
Eine ungesunde Ader auf seiner Stirn trat hervor und pulsierte mit seinem rapide ansteigenden Puls. Er war gewaltbereit. Im Zweifelsfall auch gegenüber mir.

Und in diesem Moment betete ich. Dass die Geschichte sich selbst zurechtrücken würde und Nathan nur dieses eine Mal auf mich hören würde.
Bram hatte einmal von den unvorhersehbaren Folgen gesprochen, die sie daran hinderten, Nathan einfach zu erschießen und damit die Erfindung der Zeitmaschine zu stoppen. Er hatte allerdings nie erwähnt, was ein gerettetes Leben anrichten konnte.

Der letzte Funken Sympathie für den Bürgermeister brach mir das Herz. Er war kein schlechter Mann. Er versuchte, seine Leute genauso zu schützen wie Nathan es tat. Jules hatte Recht daran getan, ihm das Leben retten zu wollen. Und ich bereute meine Handlung, noch bevor ich den Abzug losließ. Aber wenn er hiermit durchkam, würde er es wieder tun und viele weitere Leichen würden seine Regierung begleiten wie ein widerlicher Schatten.

Eine einzelne Träne rann über mein Gesicht. Dann feuerte der Schuss.

In einer überraschten Geste ließ Clement Ives die eigene Waffe fallen, die Hände an seine Brust geklammert. Seine Augen fixierten sich auf mir, unfähig den Moment zu fassen, den er selbst für unmöglich gehalten hatte.

„Es tut mir leid. Es tut mir so leid!" Nur ein Wispern, doch ich konnte nicht aufhören es zu wiederholen. Er musste es wissen. Musste wissen, dass ich ihn so gerne hatte retten wollen.

Er fiel auf die Knie und ich fing ihn auf, senkte ihn langsam zu Boden. Hielt ihn, bis sein letzter unregelmäßiger Atemzug verklungen war. Und dann noch ein bisschen.
Niemand hatte es verdient, alleine zu sterben.

Ein lauter Ruf ließ mich nach seiner Waffe greifen. Mein nächster Schuss schrammte an dem Arm eines Militärs vorbei, der gegen einen anderen Mann fiel.
Es gab mir wertvolle Sekunden aufzustehen zurück zum Spiegel zu weichen, die Finger am kleinen runden Sensor.

Der Knall war ohrenbetäubend laut in der beengenden Nähe des Raums. Er stieß mich geradewegs rückwärts gegen die Scheibe, wo ich für einen kurzen Moment Halt suchte. Der Schmerz erreichte nicht einmal mein Bewusstsein, als bereits der zweite Schuss fiel. Er riss meinen Arm von der empfindlichen Stelle hinter meinem Ohr.
Mein Sensor fiel zu Boden und ich mit ihm. Die Sekunden tickten herunter in einer unsichtbaren Uhr, während die Schatten in meinem Sichtfeld immer näherkamen.
Ich hatte das Richtige getan. Es war mein letzter Gedanke, doch er machte den Abschied nicht leichter.

◌ ◌

          In einem Kontrollraum in einer anderen Welt breitete sich Schweigen aus. Lediglich das leise Surren der Geräte und das gleißende Licht der weißen Wände störte die betretene Stille, als Major General Carstenson von seinem Monitor zurücktrat, die Miene steinern vor verschlossenen Gefühlen.

„Tragt sie ein", murmelte er der Assistentin zu, einem dunkelhaarigen Mädchen mit krausen Locken. Es war ihr erster Arbeitstag. Eine Geschichtsstudentin in der Ausbildung.
Sie schluckte gegen die Enge ihrer Kehle an, während sich ihre Finger langsam auf die Tastatur senkten.

Auf dem großen Bildschirm oberhalb ihrer Köpfe füllte sich die letzte Zeile des Berichts.

Kpt. Forges, Taylor;             k.i.a.
Dr. Bram, Norton;                 k.i.a.
Ing. Breckwig, Julian;         k.i.a.
Prof. Queensbury, Emily;   k.i.a.

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"Die Geschichte erzählt gerne über ihre Gewinner. Die Großen und Heldenhaften. Es ist an uns Historikern nach den Verlierern zu suchen, ihre Erzählungen abzustauben und weiter zu geben, damit sie nicht in Vergessenheit geraten, nachdem sie alles aufgeben mussten."
-  Emilia Queensbury, 'Die Chroniken von Pria'

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