12 - Bei Nacht und Nebel

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Mo. 11.12. a.d. 1570

Schweigend gehen Klaas und ich mit Hurtig in unserer Mitte durch die dunkle Nacht davon. Fort von Anna Adams Kate, die mir ein Zuhause in der Not geworden ist, fort vom Dorf, das mich versteckt, schützt und ernährt, hinein in den Grenzwald, der mir zum Verhängnis geworden war, hinüber ins Eichsfeld, von wo ich vielleicht hergekommen bin. Hurtigs Hufe sind am Anfang noch mit Lumpen umwickelt gegen den Lärm, denn der Boden ist inzwischen vom Frost hart gefroren. Auf seinem Rücken liegt eine dunkle Decke, damit auch er nicht so sehr friert, wenn wir uns noch so langsam bewegen. Nach der Brücke über die Rhuma nehmen wir die Lumpen von den Hufen ab.

Die Nacht ist hell, es ist Vollmond. Aber ein leichter Nebelschleier zieht übers Land, macht das Licht diffus und die Schatten weniger scharf. Wir sind froh drum, denn so kann ich selbst im Wald noch ein bisschen was sehen, habe aber dann jenseits des Waldes keinen weithin sichtbaren Schatten auf dem Schnee, der mich den Grenzern verraten könnte. Ich führe Hurtig mit der linken Hand, was etwas ungewohnt ist. Aber die rechte Schulter macht sich doch noch bemerkbar. Die Muskeln sind nicht mehr gewohnt, benutzt zu werden.

Klaas hat mir sehr genau erklärt und aufgemalt, wie die Grenze verläuft, wo die Zöllner zur Kontrolle marschieren. Ich hoffe ja insgeheim, dass es den Männern bei der Saukälte zu ungemütlich ist, immerzu am Waldrand entlang zu laufen. Die Landesgrenze rüber ins Eichsfeld verläuft hier genau entlang des Waldstreifens in der Niederung, die durchzogen ist von den zahlreichen schmalen Armen der Rhuma. Nur an einer Stelle setzt sich der Wald noch jenseits der Grenze fort, weil dort einer der Seitenarme eine ausgreifende Schleife macht, die Grenze aber grade durchgezogen ist. Wenn an diesem Abschnitt der Grenze jemand schmuggeln will, dann passiert das üblicherweise bei diesem Wäldchen, weshalb hier die Grenze so gut bewacht ist. Darum haben wir beschlossen, dass Klaas dort versuchen wird, mit Geräuschen die Zöllner abzulenken, wo sie es erwarten, während ich in einiger Entfernung hinter dem Wäldchen versuchen werde, übers freie Feld davonzukommen. Solange ich im Wald bin, versuche ich, möglichst unsichtbar zu sein. Darum habe ich die dunkle Seite des Mantels außen.
Am Waldrand dann werde ich das weiße Futter nach außen wenden, auch Hurtig helle Decken überwerfen und so das erste Stück übers Feld laufen, bevor ich aufsteigen, querfeldein zu einem Dorf und dann entlang eines schmalen Weges zu einer Scheune an einer Wegkreuzung reiten werde. Dort soll ich hineingehen und auf Pastor Crüger und Klaas Rand warten. An das Dorf konnte der Pastor sich erinnern, weil es dort brannte, als er einmal auf der Reise nach Duderstadt war. Aber ob und wann die Thüringer Grenzposten Wache laufen, das wissen wir leider nicht, weil das auch Pastor Crüger nicht wissen kann. Außerdem ist es schon eine Weile her, dass er das letzte Mal in der Heimat war. Sobald ich auf dem freien Feld bin, weiß ich also nicht mehr, was mich erwartet. Das fühlt sich unangenehm an, aber immerhin kann ich mich auf die Schnelligkeit von Hurtig immer verlassen.

Klaas bringt mich bis zur Kreuzung im Wald, wo der Weg gradeaus an der Grenze entlang nach Wollershusen führt. Rechts biegt man ab zum Lehnsschloss in Gieboldehusen, und links verläuft ein Weg durch den Wald direkt zum nächsten Grenzposten. In dem hiesigen Zollhäuschen wohnen drei Mann. Einer bleibt immer im Haus, die beiden anderen laufen nach rechts und links den Waldrand ab. Im Laufe der Nacht wechseln sie wohl ab, damit auch jeder Schlaf bekommt. Diese wandernden Grenzer gilt es nun zu umgehen.
An der Waldkreuzung verabschieden wir uns in stummem Einverständnis und reichen uns kurz und fest die Hände, in der Hoffnung, uns ein paar Stunden später wohlbehalten auf der anderen Seite in der Scheune wiederzusehen. Klaas nimmt seinen Beutel vom Sattel und schlägt sich in die Büsche, um in die Nähe des Wäldchens jenseits der Grenze zu gelangen. Ich führe Hurtig noch eine Weile den Weg entlang, bis auch wir bei einer riesigen Eiche, deren niedrigster Ast über den Weg ragt, im Dunkel des Unterholzes abtauchen. Jetzt kann ich nur noch beten, dass unser Plan gelingt.

Ich bin nun auf mich allein gestellt. Ich komme nur langsam vorwärts, denn ich versuche natürlich, auch mit dem großen Pferd möglichst wenig Geräusche zu machen. Durch den Frost sind jedoch alle Äste steif, und in der nächtlichen Stille trägt jedes leise Knacken sehr weit. Zum Glück ist Hurtig ein wachsames Tier, das sich sorgfältig mit jedem Schritt ins Gleichgewicht bringt. So vermeidet er von allein die Äste, die unter seinem Huf nachgeben könnten. Konzentriert versuche ich, im Halbdunkel alle Landmarken zu erspähen, die Klaas mir zur Orientierung genannt hat. Nach einer Weile sehe ich vor mir einen großen dunklen Schatten aufragen und erkenne den gesuchten Findling, der hier völlig einzeln in der Gegend rumliegt und mir verrät, dass ich den Waldrand an der gewünschten Stelle erreicht habe.

Ich verberge mich hinter dem Felsen, halte meinem Pferd die Nüstern zu, damit es stille ist, und lausche auf Geräusche von der anderen Seite des Felsens her. Nach einigen Minuten höre ich tatsächlich jemand am Waldrand entlang gehen. Seine Schritte sind gedämpft vom Gras, aber der Mann friert offensichtlich erbärmlich und schimpft deshalb leise vor sich hin, während er sich in Richtung des Wäldchens entfernt. Sehr aufmerksam ist er dabei nicht. Vorsichtig gehe ich mit Hurtig um den Felsen herum und kann dann fünfzig Meter weiter den Rücken des Mannes im Nebel verschwinden sehen. Ich wende meinen Mantel und decke Hurtigs Hals, Sattel und Rücken nun mit zwei hellen Decken ab. Wieder spüre ich bei den ausgreifenden Bewegungen meine Schulter, aber es ist auszuhalten. Auch seine Hufe umwickele ich wieder.

Wenn alles geklappt hat, ist Klaas inzwischen geräuschvoll am Wäldchen angekommen und dann lautlos auf den ausgesuchten Baum gestiegen. Ich warte also auf sein Zeichen. Ein paar Minuten später höre ich ein Käuzchen schreien. Darauf habe ich gewartet! Ich antworte ihm und muss einen Moment lang daran denken, wie lustig es Samstag Nacht war, als ich versucht habe, diesen Ruf zu erlernen. Es hatte ewig gedauert und Klaas zu einem breiten Dauergrinsen angeregt. In solchen Momenten frage ich mich, was ich denn in meinem früheren Leben überhaupt gelernt habe außer lesen und schreiben. Viel kann es nicht gewesen sein ...

Kurz darauf ertönen Rufe vom Wäldchen her. Ich weiß, dass Klaas dort nun Steine aus seinem Beutel vom Baum in das Grenzwäldchen hinüber wirft, und kann hören, wie der Zöllner ruft und versucht, die Ursache der Geräusche im Unterholz zu entdecken. Das ist mein Moment! Ich ziehe Hurtig unter den Bäumen hervor und marschiere mutig drauflos, immer vom Wald weg. Jede Elle weiter bringt mich tiefer in den Nebel über den Äckern, weiter weg von den Zöllnern, näher an mein Ziel in Sicherheit.

Da dröhnt hinter mir ein Schuss aus einer Büchse. Ich erstarre, als der Knall die Luft zerreißt. Dass sie schießen würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Darum haben wir für den Fall auch nichts vereinbart. Ich bin völlig hin und her gerissen. Was, wenn sie nun den Klaas erwischt haben? Auf Schmuggel steht bestimmt der Strick. Vielleicht ist er sogar getroffen. Bei der Kälte hat er nahezu keine Überlebenschance. Dann liegt statt meiner der unschuldige Freund tot im Wald. Wilde Gedanken rasen durch meinen Kopf, doch nichts davon taugt dazu, Klaas irgendwie zu helfen. Ich nehme Hurtig ganz kurz am Zügel und halte ihm die Nüstern zu, damit er nicht schnaubt, lausche in den dichter werdenden Nebel, ob weitere Schüsse fallen – und höre schräg vor mir jemand rufen und in Richtung des Wäldchens ziemlich nah an mir vorbeistürmen.
Erschrocken halte ich die Luft an. Das war der Thüringer Grenzer! Und er war ganz dicht. Wäre nicht der Schuss gefallen, wäre ich ihm wahrscheinlich nichtsahnend direkt in die Arme gelaufen! Sofort hat er sich aufgemacht, um einen eventuellen Schmuggler von seiner Seite aus abzufangen.

Starr bleibe ich stehen und versuche erstmal, wieder zu Atem zu kommen.
Ob da noch mehr Thüringer rumlaufen? Nein, sicher nicht. Sie werden doch nicht so viele Leute an jedem einzelnen Grenzabschnitt herumlaufen lassen!
Mein Weg sollte also frei sein.
Aber Klaas hat es nun mit einem weiteren Gegner zu tun – von dem er nicht einmal etwas weiß!
Es macht mich völlig verrückt, dass ich ihm nicht helfen, ihn nicht einmal warnen kann. Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel, dass er mit heiler Haut und rechtzeitig aus dem Schlamassel wieder herauskommt, lausche noch einen Moment Richtung Wäldchen und atme wieder aus.

Schließlich überwiegt die Vernunft. Ich könnte Klaas nicht mehr retten, höchstens mich selbst in Gefahr begeben. Also schwinge ich mich endlich auf Hurtigs Rücken. Dabei kann ich nicht vermeiden, dass ich mich mit der rechten Hand hochziehen muss, und ein stechender Schmerz fährt mir durch die Schulter. Ich beiße die Zähne zusammen, nehme den Zügel in die linke Hand und reite zügig immer von der Grenze weg in den heraufdämmernden Morgen hinein, um das Dorf Rüdershusen zu umgehen. Meine Schulter muss jetzt egal sein. Meine Sorge gilt dem jungen Freund. Und mein Herz hängt fest in der Kate von Anna Adam.

Bestimmt eine Stunde lang reite ich langsam durch die Morgendämmerung. Nur ganz allmählich lichtet sich der Bodennebel. Raureif hängt in den kahlen Ästen der Büsche am Wegrand. Als sich schließlich ein paar Sonnenstrahlen durch die trübe Suppe kämpfen, glitzern die Eiskristalle und verzaubern die Landschaft um mich herum. Auf dem gefrorenen Boden hinterlassen die Hufe kaum Spuren.

Meine Gedanken jedoch verweilen immer noch bei Klaas. Konnte er heile und unentdeckt aus dem Wald herauskommen? Oder wurde er verwundet, vielleicht verfolgt? Erwischt? Wenn alles nach Plan gelaufen ist, hockt er inzwischen in des Pastors Küche, wärmt sich auf, genießt ein ausgiebiges warmes Frühstück, das ihn stärken soll für die Reise, und berichtet lachend, wie er den Zöllnern ein Schnippchen geschlagen hat.
Wenn er den beiden Männern entkommen konnte ...

Vereinzelt komme ich an einsamen Gehöften vorüber, dann umgehe ich ein Dorf. Am Dorfrand erkenne ich eine verkohlte Ruine, die wohl mal eine Scheune war. Das muss also das Dorf Rüdershusen sein, von dem der Pastor gesprochen hat. Bei dem trüben eisig kalten Wetter scheinen sich aber alle Menschen in ihren Häusern verkrochen zu haben. Nicht einmal sehe ich jemand draußen. Und so hoffe ich, dass mich auch niemand hört und später auf Befragen von dem Hufschlag eines Pferdes berichten kann. Hinter dem Dorf wende ich mich nach Osten und suche den Weg. Bald schon finde ich ihn an einer hohen Hecke entlang verlaufen. Erst hier befreie ich Hurtigs Hufe wieder von den Wickeln. Dann zuckele ich im Schritt auf Hurtig den schmalen Karrenpfad entlang. Ich habe keine Eile.

Zwei Stunden nach meinem Aufbruch am Waldrand taucht etwas großes Dunkles vor mir aus dem Nebel auf. Beim Näherkommen kann ich erkennen, dass hier der Pfad auf eine breitere Landstraße trifft, die nach rechts weiter in Thüringische führt und nach links zu der Grenzstation, die ich umgangen habe. Gegenüber am Straßenrand steht eine große Scheune. Unser Treffpunkt.

Ich schaue mich um, ob mich wer sieht, öffne leise den Riegel und schiebe das Scheunentor so weit auf, dass ich Hurtig hineinziehen kann. Im Dämmerlicht erkenne ich in einer Ecke einen Stapel Heuballen und binde dort Hurtig so an, dass er fressen kann. Ich sattele ihn ab, reibe ihn trocken und lege ihm die beiden Decken wieder auf. Unschlüssig stehe ich neben dem Pferd, das glücklich fremdes Heu in sich hineinmampft, und frage mich, wie ich nun die bange Wartezeit rumkriegen soll, ohne vor Sorge verrückt zu werden. Inzwischen müssten sie aufgebrochen sein. Aber die Kutsche ist nicht so schnell, die Zollbeamten werden besonders wachsam sein nach dem seltsamen Morgen und die beiden müssen ja auch den ganzen Weg bis hierher fahren. Um so zwei, drei Stunden kann es also noch dauern.

Da die vergangenen Nächte mit vielen Plänen und wenig Schlaf gefüllt waren, beschließe ich endlich, etwas davon nachzuholen. Ich wickele mich in meinen warmen Mantel und wühle mich in der Nähe von Hurtig ins Stroh.
Hoffentlich kommt hier heute Vormittag keiner her, um etwas zu tun oder zu holen.

Kaum habe ich die Augen zugeklappt, überfallen mich jedoch wieder die kreisenden Gedanken. Und als ich dann doch endlich in unruhigen Schlaf hinübergleite, holen mich wieder die Stimmen von Hannes und Ludo ein. Ich sehe im Dunklen eine gesichtslose Masse von Menschen, die stumm verharren, während zwei Jungen – still an einem frischen Grab verharren. Die Masse rückt immer näher. Da schwingt sich der eine auf ein Pferd und prescht davon, während der andere eine Hand nach ihm ausstreckt und ihm hinterher ruft:"Hannes! Komm nach Hause!"

Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, als ich mit schwerem Atem aus diesem Traum hochfahre. Ich schüttele mich, aber Ludos Stimme lässt sich nicht aus meinem Kopf vertreiben. Ich konnte nicht erkennen, wessen Grab das war, noch wer die Masse an schweigenden Leuten war. Aber es ängstigt mich, und so wandere ich eine lange Zeit unruhig um den vor sich hin dösenden Hurtig herum. Schließlich hänge ich mich an seinen Hals, vergrabe meine Hände in seiner Mähne und atme tief seinen vertrauten Geruch ein. Das Tier ist ganz ruhig und verhilft nach und nach auch mir, innerlich wieder ruhiger zu werden.

Allerdings hat nun die Sorge um Klaas wieder einen Platz in meinem Kopf, und das macht mich bald verrückt.
Was mache ich eigentlich, wenn der Pastor gar nicht kommt? Weil er sich allein nicht traut? Oder weil er oder alle beide wegen des Vorfalls nicht über die Grenze gelassen werden? Dann muss ich hier über Nacht bleiben, wie wir es verabredet haben. Und wenn ich am nächsten Tag einfach weiterreise, habe ich die Sorge um Klaas im Gepäck. Ein Brief von Johann Crüger an seinen Bruder wird dort mein Auftauchen vollständig erklären, so dass ich Hilfe zu allem bekommen werde. Sollten Klaas und der Pastor später kommen, werden wir uns dort auch finden. Aber eine vernünftige Erklärung dafür, dass ich dann alleine als Knecht im Dorf auftauche, will erst noch gefunden werden. Gebe Gott, dass wir diese Notlösung nicht brauchen werden!

Hurtig hat eine Weile vor sich hin gedöst. Nun ist er wieder wach geworden, und das stetige Mahlen seiner Kiefer, während er das Heu frisst, beruhigt allmählich auch mich ein wenig. Dennoch fühle ich mich weiterhin auf die Folter gespannt, weil ich nicht weiß, was los ist. Immer wieder lausche ich durch das große Scheunentor, ob draußen auf der Straße jemand läuft, reitet oder fährt.

Etwas rechts vom Tor ist ein Brett lose. Durch den Spalt kann ich ein Stück der Straße und der Kreuzung einsehen. Als ich die Räder einer Kutsche rollen höre, eile ich zu meinem Ausguck und spähe hinaus.
Ein tiefer Schrecken fährt mir in die Glieder. Ein Karren mit fünf Uniformierten macht kurz im Windschatten der Scheune Pause. Ein Sechster ist beritten und nun abgestiegen. Ich lausche.„So, Lauer. Nun berichtet nochmal, was heute in der Frühe passiert ist, weswegen Ihr uns hier hinaus in die Kälte gejagt habt."
Der Angesprochene berichtet, leider sehr leise und demütig, von dem Vorfall an der Grenze am frühen Morgen. Ich verstehe nur die Hälfte, muss also meine eigenen Schlüsse ziehen. Worte wie „Wald" und „Schuss" fallen. Der Befehlshaber der kleinen Truppe nickt ab und zu oder knurrt.

Dann kann ich seine durchdringende Stimme wieder hören.
„Ihr seid also von Eurem Kontrollweg abgewichen, dem Schuss gefolgt, hat den Grubenhagener Zöllner im Wäldchen getroffen. Ihr habt dann gemeinsam mit dem gesucht, aber niemand finden können. Daraufhin habt Ihr Euch aufgemacht, mich zu verständigen."
Der Mann nickt nur.
„Gut. Dann fahren wir jetzt zum Grubenhagener Zollhaus und stellen fest, ob sich heute Vormittag noch etwas ergeben hat. Je nachdem werden wir dann beiderseits die Grenze absuchen nach Spuren von Grenzgängern. Ihr werdet direkt nach Rüdershusen reiten und zu erfahren suchen, ob dort jemand gesehen wurde. Dann stoßt Ihr über die Äcker zum besagten Wald vor, und wir treffen uns dort. Ich bin es so leid, dass immer ich die Vorfälle zu melden habe. Es heißt, in dem Dorf jenseits der Grenze lebten die harmlosesten Geschöpfe auf Gottes Erdenboden. Aber allmählich glaube ich denen kein Stück mehr!"
Innerlich wie äußerlich stehen die fünf Zöllner stramm vor dem Zorn ihres Vorgesetzten.
„Jawohl, Herr Kommandant!"

Sofort setzen sich der Reiter auf dem Karrenweg und die anderen auf der Landstraße wieder in Bewegung. Der Kommandant lehnt sich mit verbissener Miene auf seinem Kutschbock zurück. Auch ich stehe vor Schreck stramm hinter meiner Bretterwand. Wenn Klaas normal nach Hause gefunden hat, könnte er bereits mit dem Pastor über die Grenze sein. Dann sitzen die beiden harmlos in der Kutsche, können bei einer eventuellen Begegnung mit diesem Grummelbär einen Zollschein vorweisen und dürften nicht aufgehalten werden.
Dennoch kann es im Dorf Ärger geben, wenn die Grubenhagener Seite genauso scharf auf einen Erfolg ist. Und meine Spuren, die vom Waldrand über die Äcker zum Dorf führen, könnten Wasser auf die Mühlen gießen. Dann wird es in der nächsten Zeit hier an der Grenze ungemütlich werden, und dann muss ich am Freitag seeeeehr gut schauspielern, damit sie mich einfach so rüber lassen.
WENN der Klaas normal nach Hause gekommen ist – ob er dann so schlau ist, im Dorf nichts von dem Vorfall mit dem Schuss zu erzählen? Sonst macht sich Frau Anna die ganze Woche Sorgen um uns! Und wenn der Zoll dort nach einem Schmuggler sucht, auch.

Vor Sorge und Verwirrung und Anspannung strubbele ich mir die Haare und knurre einmal laut. Hurtig hebt den Kopf und schaut mich an, als wolle er fragen, was los sei. Wieder renne ich nervös im Kreis, bete, dass meine und Hurtigs Spuren auf dem gefrorenen Boden nicht lesbar sind. Auf dem Karrenweg vom Dorf hierher jedenfalls war der Schnee der letzten Tage schon völlig platt gelaufen. Und begegnet ist mir in der ganzen Zeit niemand. Ich kann nur hoffen.

Als die Sonne schon im Zenit steht, liegen meine Nerven blank. Das Geräusch von Kutschenrädern von der Grubenhagener Seite her lässt mich wie ein Pfeil von der Sehne zu meinem Guckloch schnellen. Endlich! Wie verabredet öffne ich das Scheunentor einen Spalt breit, Klaas hält den Karren an, hilft dem Pastor herunter. Ganz offen für jedermann sichtbar treten die beiden in die Scheune ein und reden laut darüber, dass sie sich ein wenig aufwärmen wollen. Mir fällt vor lauter Erleichterung eine ganze Wagenladung Steine vom Herzen. Und kaum ist Klaas zum Tor herein, fallen wir uns in die Arme und sagen wie aus einem Munde:"Gott, sei Dank! Du lebst!"

Johann Crüger steht schmunzelnd daneben und wartet ab, bis ich die Arme wieder frei habe, um auch ihm die Hand zu geben und ihn zu begrüßen. Dann holt Klaas kurzerhand den ganzen Karren in die Scheune, damit auch des Drebbers Pferd Elias sich etwas aufwärmen und fremdes Heu fressen kann. Während die beiden sich niederlassen und wir alle etwas essen, berichte ich, wie es mir ergangen ist.

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11.12.2021

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