050 - große Aufregung - Sa. 17.2.1571

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Sehr früh am Samstag brechen Jorge und ich auf. Die Kinder sind ganz aufgeregt, denn alleine mit Hannes zu Hause zu bleiben, ist für sie ein richtiges Abenteuer. Auch das Peterle bleibt daheim. Hannes will versuchen, ob es klappt, ansonsten hält sich Irmel nebenan bereit, den Kleinen zu übernehmen. Und so stehen die Vier am Dorfausgang, das Peterle auf Hannes Arm, Susanna auf seiner Hüfte, Jakob direkt davor, und winken fröhlich, bis wir einander nicht mehr sehen können. Dann richte ich meine Aufmerksamkeit wieder nach vorne.

Unser Pferd Elias ist ausgeruht, die Wege sind noch fest, wir sind warm eingemummelt, Hannes hat Jorges Beutel gut gefüllt. Wir haben die Hoffnung, dass wir vielleicht schon heute Abend zurückkehren können. Eine Weile hängen wir unseren Gedanken nach. Der Winter dauert lang in diesem Jahr, und so fahren wir wie durch eine glitzernde Märchenlandschaft, kaum dass wir den Grenzwald verlassen haben. Bis zu den Hügeln bei Rhumaspring rollen wir entlang des kleinen Flusses.
„Was denkst du, Jorge. Hat Klaas Recht? Sollten wir den Bauern Freese einweihen in unsere und Hannes Geschichte? Für mein Gefühl wäre es nicht schlecht, wenn einer Nachricht hintenrum schicken könnte, falls der Hauser oder gar der Brudenhusen mal außer der Reihe auftauchen sollten."

Jorge wiegt den Kopf.
„Grundsätzlich ja. Hannes hatte nichts dagegen, der Drebber hat nur Gutes von der Zusammenarbeit mit dem Vogt von Rhumaspring berichtet. Aber ich würde den Bauern selbst gerne erst persönlich kennenlernen, bevor wir beide das spontan entscheiden. Wir sollten nichts überstürzen, es hängt zuviel dran."
Ich nicke dazu, denn es treibt uns ja keiner.

Jorge deutet nach vorn.
„Schau, Anna. Da sind schon die Dächer von Rhumaspring zu sehen. Bald sind wir da."
Zügig fahren wir ins Dorf ein und hindurch, bis ich auf den letzten Hof deute.
„Dort, Jorge. Dort lebt der Freese. Wollen wir sehen, ob wir wieder einen so freundlichen Empfang bekommen."
Jorge lenkt seinen Karren vor den Stall des Hofes und hilft mir dann vom Kutschbock.

Gleichzeitig öffnen sich die Türen vom Stallgang und von der Diele. Die Frau Freese erkennt mich, der Stallbursche erkennt das Pferd, das ja eine ganze Weile bei ihm gestanden hat, und so fällt die Begrüßung sehr herzlich aus. Wir werden hereingebeten, dürfen uns aufwärmen und bringen dann den Freeses unsere Anliegen vor. Jorge kommt gleich zur Sache.

„Wir Leute in Lütgenhusen sind immernoch dankbar, dass Ihr mit Eurem Vertrauen und Eurer Großzügigkeit unserer Frau Adam und ihren Kindern nach Haus geholfen habt. Ich bin jetzt auf dem Wege, in der Stadt einiges für die Frühjahrsbestellung zu besorgen, und ich dachte - falls Ihr nicht selbst noch fahren wollt, können wir Euch vielleicht Eure Freundlichkeit vergelten und Eure Einkäufe gleich mit erledigen."
Der Freese lacht sehr herzlich.
„Wenn Ihr dann endlich aufhört, sich dauernd bei mir bedanken zu wollen - dann dürft Ihr für mich mit einkaufen. Ich hab doch nur getan, was nötig war und was jeder gute Christenmensch tun würde. Höchstens..."
Er macht eine kleine Pause und senkt dann seine Stimme.
„Warum der Knecht beim zweiten Mal plötzlich blond war - diese Neugierde könntet Ihr mir doch befriedigen."

Ich sehe Jorge nicht an.
„Das kann ich gerne erklären. Wenn es einen Ort auf diesem Hof oder in diesem Dorf gibt, wo uns wirklich, wirklich niemand zuhören kann."
Ich habe nur geflüstert, aber der Freese hat mich wohl verstanden. Ein verschwörerisches Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
„Dann würde ich sagen, Ihr erledigt Eure Geschäfte in der Stadt und kommt heute Abend wieder her. Nehmt wieder den Friesen, der ist stark, dann geht es schneller. Und fühlt Euch eingeladen, heute Nacht hierzubleiben, falls es spät werden sollte. Dann wird sich dieses Plätzchen schon finden."

Und schon gibt er Befehl, dass unser Pferd aus- und sein Friese eingespannt werden soll. Er nennt uns einige Dinge, die er tatsächlich brauchen kann. Wir können nicht versprechen, dass wir schon heute wieder hier sein werden, weil ich ja abhängig bin davon, dass der Verwalter mich gehen lässt. Kurz erkläre ich noch ihm und seiner Frau, warum ich eigentlich immerzu hin- und herfahren muss. Dann sind wir wieder auf der Straße.

Mit dem Friesen vor dem Karren geht es wirklich viel schneller voran. Es ist noch Vormittag, als wir durchs Stadttor von Gieboldehusen fahren. Jorge lenkt den Karren zu einer Schenke am Markt, wo Pferd und Wagen unterstehen können und Jorge beginnt, die Liste aus seinem Kopf abzuarbeiten.

Ich mache mich wie immer mit sehr gemischten Gefühlen zu Fuß auf den Weg zum Schloss. Als ich durch das Torhaus in den Schlosshof einbiege, empfängt mich hektische Geschäftigkeit. Es scheint, als würden das Schloss, der Hof, einfach alles aufgeräumt, ausgebessert, besonders schön gemacht und geschmückt. Und das mitten im Winter! Unbeachtet laufe ich über den Hof zum Kücheneingang, werde eingelassen und zügig zur Hausdame gebracht. Ich kann meine Neugierde kaum zurückhalten, denn alles sieht aus, als würde ein Fest vorbereitet oder ein wichtiger Gast erwartet. Und deshalb will er auch eine Satteldecke passend zum Wams haben. Er hat irgendwas vor, wobei er so richtig angeben will! Fast könnte man meinen, die Hausdame wäre froh, mich zu sehen. Naja - fast ...

Sie schickt einen Diener zum Verwalter, der sogleich zurückkehrt und mich in das mir bekannte kleine Zimmer hinter der großen Treppe der Eingangshalle bringt. Ein anderer Diener kommt mit dem Wams herein, vergleicht die Arbeiten und nickt zufrieden.
„Das hat sie gut gemacht. Es wird prächtig aussehen. Nun wollen wir hoffen, dass das Muster in der Form auch zur Form vom Sattel passt. Folge sie mir doch bitte."
Ich bin erstaunt. Noch nie war in diesem Haus jemand so freundlich zu mir! Ich sehe mir den Diener genauer an. Er ist schon deutlich älter, hat ein faltiges, ein freundliches Gesicht und sieht müde aus. Irgendwie traurig.

Ich folge dem Mann zu einer Seitentür hinaus. Bald stellt sich heraus, dass wir auf dem Weg zum Stall sind. Dort wird ein Bursche geschickt, den Sattel holen. Decke und Sattel werden auf einen hölzernen Bock gelegt, und es zeigt sich, dass es gut war, dass ich mich an der Form des Sattels von Hurtig orientiert habe. Der Diener jedenfalls ist sehr zufrieden. Er nimmt die Satteldecke wieder an sich und führt mich zurück zum Schloss. Unterwegs drückt er mir plötzlich etwas Kleines in die Hand, ohne mich dabei anzusehen.

Kurz vor dem Eingang dreht er sich dann zu mir um.
„Sie hat gute Arbeit geleistet. Ich werde Herrn Hauser ausrichten, dass ihre Steuerschuld für Februar und März entrichtet ist. Im Moment gibt es keine weiteren Aufträge. Aber das wird sich Anfang März sicher ändern. Dann kommt viel Arbeit auf sie zu."
Mit diesen mysteriösen Worten nickt er mir freundlich zu und entlässt mich. Ich kann gehen.

Verwirrt verlasse ich den Schlosshof und wende mich wieder zum Markt. Ich wage immernoch nicht nachzusehen, was ich in der Hand habe. Unterwegs treffe ich Jorge, der grade aus einer Schmiede tritt. Er hat mehrere Sensen und Sicheln kaufen können, die er gleich auf dem Karren verstaut. Gemeinsam wenden wir uns der Schenke zu und treten ein. Es ist voll, laut, rauchig und dunkel herinnen - kein Ort für eine ehrbare Frau. Aber wir finden doch einen Tisch in der Ecke, entfernt von den durcheinander brüllenden Männern und bestellen uns warmen Würzwein und eine dicke Suppe.

Schweigend lege ich meine geschlossene Faust auf den Tisch vor mir und sehe sie an. Nun wird Jorge aufmerksam.
„Anna, was hast du in der Hand?"
„Ich ... weißes nicht."
„Wie - du weißt es nicht!?!"
Ich berichte ihm leise von dem hektischen Treiben im Schloss, von der freundlichen Behandlung durch den alten, traurig aussehenden Diener - und von dem seltsamen Moment auf dem Rückweg vom Stall.
„Na, dann schau nach!"
Ich strecke meine Hand aus, und öffne sie, ganz langsam. Jorge hält schon vor mir die Luft an. Auf meinem zitternden Handteller liegt ein Kreuzer. Ein ganzer Kreuzer, genug für ein halbes Schwein. Ich halte die Luft an.

Jorge lacht.
„Anna, nicht blass werden. Freuen!"
„Jorge, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu! Wieso gibt mir der Diener so viel Geld? Und wofür? Sie werden behaupten, dass ich das gestohlen habe. Ich muss es zurückbringen!"
„Das wirst du schön bleiben lassen. Heb die Münze meinetwegen auf, warte ab, ob jemand danach sucht. Aber du wirst ganz sicher nicht unauffällig genau diesen Diener wiederfinden können. Und dann wird es viel gefährlicher, als wenn du die Münze einfach mitnimmst. So, wie du es erzählst, hat er das doch auch heimlich getan. Nimm es an und freu dich."
Sorgfältig verstaue ich diesen Schatz in meinem Beutel, dann essen wir schweigend die Suppe, die uns gebracht wird, und wärmen uns an dem Wein.

Aus der Masse der lärmenden Männer sticht eine Stimme besonders heraus.
„Das Mädchen tut mir jetzt schon leid. Sie wird von ihrem ehrgeizigen Vater verschachert an einen fetten, alten Knacker für Ruhm und Ansehen."
„Sei still, Onno! Sauf nicht so viel, du redest dich um Kopf und Kragen!"
„Ach was. Der Möchtegern saugt uns alle aus, und jetzt will er zu Ostern auch noch herrschaftlich freien, als wär er der Herzog persönlich. Was ein Auftrieb da draußen, damit er dem Schwiegervater imponieren kann."
„Onno, es reicht jetzt!"
Energisch wird der lärmende Mann von seinen Freunden am Kittel runter auf die Bank gezogen. Jorge und ich sehen uns stumm an.

„Ja, mir reicht es auch!"
Onno lärmt weiter, er ist nicht zu bremsen.
„Ich frage mich, warum sich der Blutsauger so sicher ist, dass seine 'Herrschaft' hier nicht entdeckt wird. Der Erbe unserer Frau von Minnigerode soll sehr jung gewesen sein damals. Aber irgendwann wird er sich doch um sein Lehen kümmern. Und dann fliegt der Brudenhusen auf. Dass wir alle dafür seit Jahren bluten müssen, interessiert keinen."
Seinen Freunden steht inzwischen der kalte Angstschweiß auf den Stirnen. Sie springen auf und zerren Onno aus der Schenke, nach hinten in den Hof. Kurz darauf ist durch die offene Tür ein Entsetzensschrei zu hören. Einige Neugierige flitzen zur Tür und kommen laut lachend wieder.
„Das hat er nun von seiner versoffenen Rede. Recht so! Seine Freunde haben ihn mit eisekaltem Brunnenwasser überschüttet. Jetzt geht er freiwillig heim, so klatschenass, wie er ist. Nüchtern ist er jetzt jedenfalls wieder."

Ohne ein Wort bezahlen wir die Zeche, verlassen die Schenke, erledigen stumm die letzten Einkäufe, verstauen alles auf dem Karren und sind bald wieder auf der Landstraße.

....................................................................................

19.2.2020

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro