075 - banges Warten - FR. 16.3.1571

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Ich wache wie immer sehr früh auf. Im Haus sind die üblichen Geräusche zu hören, Maria bringt mir mein Frühstück, ich beginne zu arbeiten. Kaum ist die Sonne ganz aufgegangen, sehe ich, wie einer von Karl von Pagenstechers Männern zu den Stallungen geht und mit drei gesattelten Pferden zurückkommt. Sehr kurz nimmt er Blickkontakt zu mir auf, bevor er die Tiere um das Schloss herumführt.
Nun geht es also los. Ich wünsche ihm, uns! so sehr, dass dieser Ausflug von Erfolg gekrönt wird. Dass er Hannes findet oder doch wenigstens Gewissheit über Hannes Aufenthaltsort bekommt und irgendwie Kontakt aufnehmen kann. Hannes MUSS zurück in sein altes Leben!
Kurz darauf berichtet mir Jochen Hannover, dass Karl von Pagenstecher dem Brudenhusen beim Frühstück Informationen zu Herzberg entlockt hat. Und dass der sehr erleichtert wirkte, den unerwünschten Gast für einen ganzen Tag los zu sein. Hans Brudenhusen hat sehr bereitwillig und sehr schwärmerisch von Herzberg erzählt und die zahlreichen Vorzüge aufgezählt, um nur den ungewollten Gast sicher auswärts lange beschäftigt zu wissen.

Noch eine Weile später kann Jochen Hannover mir verraten, dass Pagenstechers dritter Wachmann dem Trupp mit großem Abstand gefolgt ist und deshalb sicher sagen kann, dass sein Herr zwar verfolgt wurde, aber nur bis kurz nach dem Stadttor. Dann ist der heimliche Schatten wieder umgekehrt und hat dem Brudenhusen berichtet, dass der Fremde tatsächlich auf dem Weg nach Herzberg ist.
Sehr gut! So schöpft der Brudenhusen nun wirklich keinen Verdacht. Von Pagenstecher und auch Hannes und das Dorf sind sicher.

Mir bleibt ja nun nichts anderes übrig, als den Abend abzuwarten. Ich singe und sticke mich also durch den Tag und bete und hoffe, dass alles glatt geht und der Pagenstecher heute Abend mit guten Nachrichten wiederkommt. Je später er kommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Hannes gefunden hat, denn die beiden haben sich nun sicher eine ganze Menge zu erzählen.
Hoffentlich erkennt Hannes seinen Freund überhaupt. Vielleicht ist der auch erstmal damit beschäftigt, Hannes davon zu überzeugen, wer er ist.
Ich ärgere mich ein bisschen über mich selbst, dass ich nicht danach gefragt habe.
Naja, vielleicht denke ich ja heute Abend dran, wenn ich hoffentlich gute Nachrichten bekomme.

Als es draußen dunkel wird, ich mein Nachtmahl bekomme, sich schließlich Jochen und Maria Hannover zur guten Nacht verabschieden, werde ich allmählich nervös. Doch dann kommt endlich noch einmal Leben in den Wirtschaftshof. Ein Reiter bringt drei Pferde in den Stall. In der Eingangshalle entsteht Unruhe. Ich arbeite einfach weiter, bis wieder alles still ist.
Sicherlich wird er bald zu mir kommen, um mir hoffentlich nur Gutes zu berichten.

Da kratzt es an meinem Fenster, ich öffne es, Karl von Pagenstecher schwingt sich hinein und schließt das Fenster gleich wieder. Mit einem zufriedenen Grinsen setzt er sich rittlings auf meinen einzigen Stuhl, schaut zu mir auf und schon platzt es aus ihm heraus. „Ich hab ihn. Endlich hab ich Hannes gefunden! Und du hattest Recht, Anna Adam. Es war wirklich nicht leicht, an Klaas vorbeizukommen. Hätte ich nicht gewusst, wer er ist, er hätte mit seinem Verhalten sein Leben riskiert." Wir müssen beide schmunzeln.

„Hat ... er euch erkannt, Herr?"
Der Pagenstecher kratzt sich ein wenig verlegen am Kinn und scheint nun seine Worte sehr sorgfältig zu wählen.
„Hannes war vor zwei Tagen zurückgekommen, obwohl er nicht sollte. Ganz, wie wir es befürchtet hatten. Bei der Heimsuchung durch den Hauser gestern konnten sie ihn und seine drei Soldaten rechtzeitig in Sicherheit bringen. Aber er war wohl sehr trotzig und uneinsichtig. Und darum haben sie ihn dann heute in deiner Kate eingesperrt und ihm seine eigenen Soldaten als Wachhunde vor die Tür gesetzt. Entsprechend schlecht gelaunt war er, als ich endlich Klaas Widerstand überwunden hatte und wir auf dem Weg zu ihm waren. Als er dann die Leiter runter war und mich gesehen hat - ist er erstmal in Ohnmacht gefallen. Einfach lautlos umgekippt."

Erschrocken sehe ich ihn an.
„Ist er verletzt?"
„Nein, alles gut. Wir haben ihn auf deine Pritsche gelegt und einfach abgewartet. Klaas meinte, dass er sich schon öfter so an den Kopf gepackt hat wie direkt vor dem Umkippen. Dann allerdings ... Anna, das war nicht so schön. Vor allem für Klaas nicht. Als Hannes nach einigen Minuten wieder aufgewacht ist, war er wieder der Alte. Aber ... diesmal hat er sich nicht an die Zeit in deinem Dorf erinnern können. Klaas konnte gar nicht so schnell auf unterwürfiger Bauer umschalten, wie Hannes ihn für sein respektloses Benehmen auseinander genommen hat.
Danach haben wir stundenlang geredet. Erzählt von Salzderhelden und Ludo, von Hannes Unfall und seiner Zeit im Dorf, von seiner Suche nach sich selbst, von all dem, was mich hierher und zu ihm geführt hat. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis Hannes seine beiden Leben wieder zusammenbekommen hat. Klaas war ehrlich erleichtert. Es hatte ihn sehr mitgenommen, dass der Freund so plötzlich so gemein zu ihm war."

Ich senke den Kopf.
Nun ist es also soweit. Hannes ist zwar in meiner Kate, aber in ihm drin ist er nun fort. Es tut weh. Aber ich weiß ja doch, dass es richtig ist.
Ich wende mich zum Fenster und starre in die Nacht.
„Darf ...ich fragen, wer Hannes ist?"
Einen Moment ist es still, dann höre ich, wie Karl von Pagenstecher aufsteht und hinter mich tritt. Sehr sanft legt er mir seine Hände auf meine Schultern.
„Bitte nicht erschrecken. Und bitte nicht aufgeben! ... Hannes ist ... Johann III. Herzog von Grubenhagen."
Ich zucke zusammen.
„Aber er will das nicht sein, er wollte das nie sein. Er war dreizehn Jahre alt, als seine Mutter starb. Das hat ihn aus der Bahn geworfen. Danach war er nie wieder derselbe. Er ist auf und davon in der Nacht im November, als sein Vater, unser alter Herzog starb. Er hatte Ludo gebeten, dass er abdanken darf und Ludo neuer Herzog wird. Dummerweise ist Ludo so treu und loyal, dass er nein gesagt hat. Und schwupp, weg war Hannes.... Den Rest der Geschichte kennst du ..."

Ich ziehe die Schultern hoch und spanne mich an. Am liebsten wäre ich jetzt allein. Aber der Pagenstecher spricht weiter.
„Anna? Ich bin nicht blind. Ich meine das so: bitte nicht aufgeben. Als Hannes heute von dir sprach, hatte er zum ersten Mal seit dem Tod seiner Mutter wieder ... ich weiß nicht, wie ich es greifen soll. Da war der Hannes, der nicht gegenüber jedem seinen Kopf und sein Herz abschottet, der sich nicht von seinen Gefühlen abschneidet, der nicht alles mit einem Scherz von sich weghält.
Ich ... Ich weiß, dass eigentlich er dir das erzählen sollte. Aber ich greife ihm vor, weil ich glaube, dass du das jetzt brauchst. ... Hannes wird abdanken, wird Ludo den Thron überlassen. Er wird mit großer Wahrscheinlichkeit nichtmal in der Hauptstadt bleiben sondern hier leben wollen. Auch ohne zu wissen, wer er ist, hat er sich schon an den Gedanken gewöhnt, dass er in seinem Lehen anwesend sein und hier Ordnung und Frieden hineinbringen will. Waisenhaus und Schule sollen wieder aufblühen. Er möchte Unrecht wieder gut machen, möchte von glücklichen Menschen umgeben sein. Und er wird mit allen Mitteln nach einem Weg suchen, dass der Unterschied zwischen euch keine Rolle mehr spielen kann. Anna, bitte. Er wird um dich kämpfen. Bitte, kämpfe du auch um ihn. Gib nicht auf!"

Bedrückende Stille lastet auf dem Raum. Ich schüttele den Kopf, bin irgendwas zwischen verzweifelt, wütend und unendlich müde. Dann hole ich tief Luft und fasse mir ein Herz.
„Hoher Herr, Ihr versteht nicht. Ich habe drei kleine Kinder. Der älteste ist nichtmal meiner, der ist aus erster Ehe von meinem Mann. Er ist der Erbe einer maroden Kate, eines zu kleinen Ackers und der Unfreiheit seines Vaters. Er ist so intelligent, dass er grade dabei ist, sich das Lesen und Schreiben selbst beizubringen. Aber wahrscheinlich wird er in seinem ganzen Leben niemals etwas anderes lesen als das, was er selbst geschrieben hat. Ich bin alles, was ihm geblieben ist, was ihm Halt gibt.
Dann habe ich Susanna und Peter, die beiden Kinder von mir und Bauer Adam. Unfrei wie er und nichtmal Erben. Alle drei wären selbst für die Bediensteten in Gieboldehusen Abschaum. Und völlig undenkbar als Neffen und Nichte eines Herzogs. Sie werden ihr Leben auf dem Dorf bestehen müssen. Ich kann sie nicht in ein Schloss verpflanzen und dann zurück in ein Leben schicken, dem sie entwachsen sind, dem sie dann nicht mehr gewachsen sind. Ich bin eine kleine Magd und bleibe eine kleine Magd. Hannes würde nicht nur auf seinen Titel verzichten sondern auf jeglichen Kontakt zu irgendjemand aus seiner Gesellschaftsschicht, wenn er mich heiratet. Mich - eine unfreie Bäuerin, die schon einmal verheiratet war und drei Kinder am Rockzipfel hängen hat. Das kann uns nicht glücklich machen, weil er sich gegen zu viel in sich selbst entscheiden müsste."
Endlich drehe ich mich um und sehe ihn an. Ich habe mich wieder gefasst.

„Es kann kein Wir geben."

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15.3.2020

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