121 - abwarten - DO. 3.5.1571

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Wie jeden Morgen werden wir ganz früh von Jakob geweckt, der einfach zu neugierig ist, um auch nur einen Sonnenstrahl zu verschlafen. Wir ziehen uns bereits für die Reise an und gehen dann gemeinsam in den Speisesaal. Bald danach kommt auch Hannes dazu, der schon wieder gearbeitet hatte.

Da sonst niemand mit im Raum ist, wird es ein sehr vergnügtes, entspanntes Frühstück, bei dem auch Linde sich ganz ungezwungen wohl fühlt. Hannes lässt sich von den Kindern erzählen, was sie in den drei Tagen am schönsten fanden. Susanna hat sich in die wunderschöne Puppe verliebt, und Jakob schwärmt schon wieder von dem Ausritt auf Hurtig. Schließlich beteiligt sich auch Linde leise am Gespräch.
„Ich habe mich so wohl gefühlt, weil alle so freundlich zu mir waren. Keiner hat mich merken lassen, wenn ich etwas nicht wusste."
Hannes freut sich sehr darüber, denn genau das hatte er sich erhofft.

„Anna, ich habe noch eine Bitte an dich. Könntest du den drei Vögten ausrichten, dass wir nächsten Mittwoch die Dörfer besuchen werden? Bader und ich sind soweit, dass wir nun die tatsächlichen Verhältnisse besehen und die Steuern neu festsetzen wollen. Wir werden in Rhumaspring anfangen und in Lütgenhusen aufhören. Dann habe ich wieder etwas Zeit für Dich und die Kinder."
„Sehr gern, Hannes. Es wird alles bereit sein für deine Vorstellungsrunde."
Wir müssen beide lächeln.
Ich vermute, es wird nie wieder eine seltsamere Vorstellung eines neuen Lehnsherrn geben als Hannes erster offizieller Auftritt in Lütgenhusen ...

Nach dem Essen bitte ich Linde, mit Lina und den Kindern noch einmal in den Park zu gehen, damit die Kleinen sich austoben können vor der langen Fahrt. Ich selbst gehe derweil mit Hannes und mit meinem Kästchen unter dem Arm zu Herrn Bader.
„Herr Bader? Ich habe eine Bitte an Euch."
Sogleich widmet er mir seine Aufmerksamkeit.
„Was kann ich für Euch tun, Frau Adam?"
Ich stelle meine Schatulle auf den Tisch, öffne sie und hole den Beutel heraus.
„Ich war gestern bei der Schneiderin Frau Bünte und habe mit ihr ein paar Gewänder für die Kinder und für mich besprochen. Sie nannte mir auch einen ungefähren Preis, und nun möchte ich ihr eine Anzahlung zukommen lassen. Aber ... ich hatte noch nie solche Münzen in der Hand ..."

Ich öffne den Beutel, schütte einiges von dem Inhalt auf den Tisch vor dem alten Mann, nenne ihm die geforderte Summe und sehe ihn abwartend an. Er verzieht keine Miene, und auch Hannes lässt sich nichts anmerken. Albrecht Bader schaut den kleinen Haufen an und überlegt. Dann nimmt er einen Bogen Papier und einen Kohlestift und beginnt erst einmal, die Münzen zu sortieren. Von ganz klein nach ganz groß. Schnell merke ich, was er vorhat, als er anfängt, die Münzen nacheinander auf dem Papier zu skizzieren. Er schreibt jeweils den Namen und den Wert neben das entsprechende Bild. Nach und nach zaubert er alle vorhandenen Münzarten auf das Blatt und schreibt den Wert dazu. Nun kann ich selbst sehen und ausrechnen, wie viel Geld ich eigentlich besitze, und kann selbst die Summe für die Schneiderin abzählen. Dankbar schaue ich den alten Mann an.

Dann nehme ich diese gemalte Liste, konzentriere mich und lege das Geld für Frau Bünte beiseite.
„Hannes, könntest du dafür sorgen, dass Frau Bünte ihr Geld erhält?"
Hannes verspricht, das noch heute erledigen zu lassen.
„Selbstverständlich, Anna."
„Dann möchte ich mich von Euch verabschieden und Euch für Eure angenehme Gesellschaft danken, Herr Bader."
Er steht auf und verbeugt sich.
„Es war mir ein Vergnügen, Frau Adam."

Hannes führt mich in den Garten, wo wir noch einen Moment den Kindern zuschauen.
„Wenn... eine Antwort von deinem Vater kommt, Anna. Soll ich die dann gleich lesen? Oder dir selbst bringen? Oder dir schnell schicken? Wie hättest du es gerne?"
Ich muss nicht lange überlegen.
„Ich glaube, ich möchte, dass du sie gleich liest und mich dann benachrichtigst, damit ich den Brief oder was auch immer mit dir zusammen ansehen kann."
„Gerne. Wenn ich auf Hurtig komme, hab ich einen Brief dabei. Wenn plötzlich Konrad mit der Kutsche vor deiner Tür steht, lässt du einfach alles fallen und kommst mit."
Er lächelt. Irritiert sehe ich ihn an, sage aber nichts dazu. Wir wissen ja gar nicht, was auf uns zukommt. Wir werden es sehen.

Stattdessen bitte ich Linde, Peter noch einmal zu wickeln und auch die beiden anderen nochmal auf den Topf zu setzen. Linde geht mit den drei Kindern davon.
„Anna?"
Mein Blick fliegt in Hannes Gesicht, und ich sehe darin nichts als Hoffnung und Glück.
„Mach dir bitte keine Sorgen wegen deines Vaters. Wenn er noch lebt und diese Briefe bekommt, wird er sicher glücklich sein. Er muss deine Mutter unendlich geliebt haben. Ansonsten lebe einfach dein Leben, mit deinen Kindern und Nachbarn, und mache dir möglichst wenig Gedanken. Versprichst du mir das?"

Hannes nimmt meine Hände in seine und dreht mich zu ihm hin, so dass ich ihn ansehen muss.
„Versuche, dich zu erholen, versuche, deine Lebensfreude und deine Zuversicht wiederzufinden. Vergiss bitte nicht: was auch immer aus deinem Leben wird, entscheidest du. Nicht dein Vater. Nicht ich. Nicht diese Schatulle. Du hast es in der Hand und kannst gelassen in die Zukunft sehen. Ich will jedenfalls alles dafür tun, dass du glücklich bist, wo und wie auch immer."

Wir schweigen einen Moment. Aber es ist kein unangenehmes Schweigen, denn diese Tage haben mir gezeigt, dass ich diesem Leben hier gewachsen wäre. Wir haben eine Antwort für Jakob bekommen. Ich durfte spüren, dass mich niemand in irgendeine Richtung drängen will, dass niemand ein Urteil über mich oder meine Kinder fällt.
„Danke, Hannes. Für alles."
Er schüttelt den Kopf.
„Ich verdanke dir mein Leben. Schon vergessen? Ich würde alles für dich tun."
„Ich weiß, Hannes. Ich weiß."

Wir hören die Stimmen der Kinder näher kommen, und so ist dieser vertraute Moment schon wieder vorüber. Hannes reicht mir den Arm, und wir gehen durch den Park vors Schloss. Dort fährt eben Konrad mit der Kutsche vor. Unser weniges Gepäck ist bereits aufgeladen. Nun hilft Hannes mir und Linde hinein, drückt jedes Kind nochmal und hebt es zu uns hoch. Und dann setzt sich die Kutsche in Bewegung. Jakob und Susanna krabbeln auf die Bank, damit sie Hannes noch winken können. Wieder rollen wir durch die blühende Kirschenallee. Nach Hause.

Die Rückfahrt vergeht uns noch schneller als die Hinfahrt, weil die Kinder nun nicht nur Entdeckungen am Wegesrand machen können sondern auch randvoll mit vielen schönen Erlebnissen und neuen Dingen sind und ununterbrochen begeistert darüber plappern.

In Rhumaspring winken wir der Frau Freese zu, die grade vom Dorfbrunnen kommt. Ich richte ihr Hannes Nachricht für den Vogt aus, dann rollen wir weiter. Konrad fährt mich als nächstes nach Wollershusen, wo ich den dortigen Vogt von Hannes Besuch unterrichte. Und dann fahren wir endlich nach Hause. Die Kinder flitzen sofort los, um ihren kleinen Freunden im Pfarrhaus all die wunderbaren Neuigkeiten zu berichten.

Ich wende mich zu Konrad, der unser Gepäck ausgeladen hat und nun schon wieder auf dem Kutschbock hockt.
„Habt ganz herzlichen Dank, Konrad. Es war eine angenehme Fahrt. Kommt gut nach Haus!"
Konrad grüßt, wendet die Kutsche auf dem Dorfplatz und fährt mit einem letzten Winken zurück nach Gieboldehusen. Linde neben mir seufzt und schaut ihm hinterher.
Aha. Hat sich also doch jemand geschmeichelt gefühlt.
Ich verkneife mir das Grinsen und wende mich ihr zu.
„Linde, ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin. Du hast das alles ganz wunderbar gemeistert, du hast die Kinder gut im Griff gehabt und eine neue Freundin hast du wohl auch gefunden."
Linde nickt mit leuchtenden Augen.

„Ich werde morgen in Ruhe zu euch kommen, denn du sollst natürlich einen Lohn bekommen für deine Hilfe."
Ihre Augen werden kugelrund.
„Lohn? Du meinst ... so richtig ... Geld???"
„Aber natürlich, Linde. Du hast vier Tage lang als Kindermädchen und Zofe gearbeitet, und das werde ich belohnen. Lauf, deine Eltern werden schon ganz neugierig sein!"
Linde starrt mich an wie vom Blitz getroffen und rührt sich nicht vom Fleck. Erst, als ich ihr schmunzelnd einen Schubs gebe, rennt sie mit ihrem Bündel in der Hand davon.

Das Peterle hängt noch an meinem Rock, und so greife ich mir mein Bündel und seine Hand und gehe in meine Kate. Ich lasse ihn laufen, bringe das kostbare Kästchen auf den Dachboden, packe mein Bündel aus, fache den Herd an und richte mir mein Zuhause wieder gemütlich ein.

Als ich bei Frau Bünte war, habe ich auf einmal wieder richtig Lust bekommen zu sticken. Etwas Schönes, das mir gefällt. Also sichte ich die Stoffe und Garne in meiner Truhe und entscheide mich erstmal für ein umsticktes Taschentuch, das ich Linde schenken möchte. Ich setze mich in die Sonne vor meiner Kate und vergesse die Zeit.

Irgendwann kommen die Kinder nach Hause und erzählen mir, was im Dorf in den letzten Tagen passiert ist. Wir essen zu Abend, und ich stecke die Kinder ins Bett. Im Schein meiner Lampe und mit Hilfe der gemalten Liste vom Bader breite ich dann mein gesamtes Geld aus der Schatulle auf dem Dachboden aus, sortiere die Münzen, entnehme der Liste die Werte und versuche zu verstehen, wie viel Geld ich besitze. Aber die Summe ist zu hoch. Ich kann wohl rechnen, aber ich habe keine Vorstellung davon, was das bedeutet. An solche Reichtümer werde ich mich wahrscheinlich nie gewöhnen.

Die Kinder und ich finden uns schnell wieder ins Dorf und in unseren Alltag ein. Ich arbeite nun viel im Küchengarten, treffe mich mit den Nachbarinnen und sitze stickend in der Sonne. Linde habe ich gleich am nächsten Tag das umstickte Taschentuch und zwei Pfennige als Lohn gegeben. Sie hat sich sehr gefreut und gefragt, ob sie beim nächsten Mal wieder mitkommen kann. So sind meine Tage angefüllt. Nur ganz hinten im Kopf flüstert eine leise Stimme ab und zu: bald werde ich vielleicht meinen Vater sehen.

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2.5.2020

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