Kapitel 4.1 - Wir sind eins

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17. Jir'Lore, 2145 n.n.O.

Ich war noch immer völlig hingerissen von dem Farbschauspiel, als Zac meine Hand leicht drückte, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. >>Sie kommen.<<

Irritiert sah ich erst zu ihm, dann in die Richtung, in die seine pupillenlosen Augen blickten. Da waren Flussmenschen.

Viele Flussmenschen.

Quasi ein ganzer Schwarm.

Nervös huschte mein Blick zu Zac zurück, der im Gegensatz zu früheren Fremd-Schwarm-Begegnungen absolut entspannt schien. Er schwamm ihnen sogar entgegen und ließ mich einfach zurück. Das hatte er vorher nie getan. Mehr als alles andere zeigte es mir, dass hier seine Familie war. Er war hier zu Hause.

Und ich nicht.

Der Gedanke versenkte eine Hand voll Eis in meinen Magen. Zu Hause. Wie gern wäre ich jetzt bei Papa in der Werkstatt oder bei Hannah in der Küche. Mit Mühe rang ich um Fassung und betete zu den Göttern, sie mögen mir einen Stein schenken, unter dem ich mich verstecken und trauern könnte. Natürlich betete ich umsonst. Wie sollte es anders sein? Schließlich hatte sich in letzter Zeit ohnehin kein Gott bemüßigt gefühlt, meine stummen Gebete zu erhören, sonst wäre ich jetzt wohl nicht hier.

Oder einer von ihnen hatte Gefallen daran gefunden, mich zu triezen. Denn statt eines Steins tauchte plötzlich eine ältere Flussfrau vor mir auf, deren ganze Körperhaltung von Autorität sprach. Unter ihrem kritischen Blick fühlte ich mich gleich noch elender, sodass ich mich instinktiv nach der einzigen Person umsah, die ich kannte. Genauso wie die Flussfrau vor mir. Mit zwei starrenden Frauen im Rücken blieb Zac also gar keine andere Wahl, als sich vom Rest des Schwarms zu lösen und zu uns zurück zu kommen. Einen Moment später zog er die fremde Flussfrau fest in seine Arme.

Ich blinzelte. Die Art, wie ihre Hände liebevoll über seine Wange strichen und er daraufhin ihre Finger vorsichtig in die Seinen nahm, um ein kurzes, stilles Zwiegespräch zu führen, schien mir vertraut und trotzdem absolut fremd. Wieder fühlte ich mich überflüssig und völlig fehl am Platz. Am liebsten wäre ich weggeschwommen. Aber wohin? Mir blieb nichts, als abzuwarten bis sich Zac mit einer kurzen Berührung meines Arms schließlich wieder zu mir wandte.

>>Senga. Das ist meine Mutter. Uhna.<<

Er hatte eine Mutter. Völlig unerwartet traf mich ein Stich der Eifersucht, den ich schnell bei Seite schob. Natürlich bemerkte Zac es trotzdem, ich spürte die leise Verwunderung, die er empfand, deutlich. Zum Glück hakte er nicht weiter nach. >>Würdest Du bitte mit ihr vorschwimmen? Nur bis zur Insel. Ich komm gleich nach<<, bat er mich stattdessen und ich horchte auf.

Eine Insel? Ob ich noch einmal an Land durfte? Bei der Vorstellung wieder Sand unter den Füßen zu spüren, wurde mir fast schwindelig. Leider beantwortete Zac mir diese unausgesprochene Frage nicht. Im Gegenteil: Er ließ mich los und verschwand mit einem kurzen Winken in Uhnas Richtung wieder in dem Schwarmknäuel, das zu seiner Begrüßung eingetroffen war. Kurz folgte Uhnas Blick ihrem Sohn, dann wandte sie sich ab, um langsam loszuschwimmen. Anscheinend ging sie ganz automatisch davon aus, dass ich ihr folgen würde. Nett. Seufzend machte ich mich daran, genau das zu tun.

Während ich Uhna durch den See folgte, musste ich mich zusammenreißen, mich nicht immer wieder nach Zac umzudrehen. Seit über drei Zyklen war er meine einzigste Bezugsperson, die mir nie mehr als zwanzig Meter von der Seite gewichen war. Jetzt ohne ihn zu sein fühlte sich beängstigend und befreiend zugleich an. Verwirrt versuchte ich diese Gedanken abzuschütteln und mich wieder auf meine Umgebung zu konzentrieren, immerhin verriet mir die ruhiger werdende Strömung und der sanft ansteigende Seeboden, dass wir langsam in Ufernähe kamen. Allerdings führte Uhna mich noch etwas weiter parallel zum Ufer bis wir zu einer Art gemauerter Wand kamen, die bis auf den Grund des Sees reichte. Verwundert drehte ich mich zu der Flussfrau um, doch da, wo sie eben noch gewesen war, sah ich nur noch, wie sich zwei schlanke Füße anmutig aus dem Wasser zogen.

Oha. Unsicher streckte ich auch den Kopf aus dem Wasser, um knapp über einem niedrigen Sims auf eine Art fest gepflasterten Vorsprung zu schauen. Darauf stand Uhna – nackt, menschlich und mit glänzend nasser Haut und langen, tropfenden dunklen Haaren, die ihr nass im Gesicht klebten und ihre Züge noch strenger wirken ließen. Ich blinzelte sie an und hustete, denn natürlich bekam ich noch immer keine Luft, wenn ein Teil meiner Kiemen über statt unter Wasser war. Keuchend fiel ich unter die Oberfläche zurück, holte tief Luft und tauchte wieder auf.

„Senga – es war doch Senga, oder? – Du solltest bis zum Kinn im Wasser bleiben. Dann kriegst du Luft und kannst auch sprechen."

Ich konnte nichts darauf erwidern. Nach der langen Reise im Wasser waren es meine Ohren nicht mehr gewohnt, etwas anderes als die gedämpfte Flussgeräusche zu hören. Tatsächlich bekam ich allein von dem Geräusch einer menschlichen Stimme eine Art nervöses Klingeln im Ohr. Aber immerhin konnte sie so mit mir reden, da wir ja keine Gedankenverbindung aufbauen konnten. Noch nicht. Schaudernd verdrängte ich den Gedanken an die Schwarmeinführung wieder.

„Da ist übrigens auch ein Griff, wo du dich festhalten kannst. Das macht es einfacher", instruierte sie mich unbeeindruckt weiter. Es klang nicht wie ein Ratschlag, eher wie ein Befehl. Ganz automatisch tat ich, was sie sagte und suchte Halt an einem der Griffe, die in die Mauer eingelassen worden waren. Tatsächlich waren weiter unten sogar mehrere Simse eingebaut, auf die man bequem die Füße abstellen konnte. Da hatte jemand mitgedacht.

„Ist das eure typische An-Land-Geh-Stelle?", fragte ich mit leiser Stimme, die selbst in meinen Ohren kratzig klang, weil sie so lange unbenutzt gewesen war. Ich räusperte mich. Uhna warf mir einen kurzen, undeutbaren Blick zu, wobei mich ihre grau-blauen Augen auf so schockierende Weise an Zac erinnerten, dass ich rasch wegsah. Nur wohin? Ich wollte sie nicht in ihrer Nacktheit anstarren. Ein Glück fischte sie sich gerade ein Handtuch und ein paar Kleidungsstücke aus einer robust aussehenden Truhe, die unter einem kleinen, aber solide gearbeiteten Dach stand.

„So kann man es sagen", antwortete sie schließlich während sie sich ohne weitere Eile abtrocknete. „Zumindest ist es eine von drei Stellen, an der Handtücher und Kleidung gelagert sind. Ansonsten kann man natürlich überall an Land gehen, muss sich dann aber eben mit dem begnügen, was man anhat – oder eben nicht an hat." Ihre Blöße schien ihr wirklich nicht das Geringste auszumachen. Ob es ihr egal war, dass jeden Moment jemand um die Ecke kommen könnte? Immerhin war sie jetzt beim Anziehen.

„Aha", murmelte ich noch immer ratlos, während in meinem Kopf zu viele Fragen kreisten auf die ich keine Antwort fand. Ob ich sie stellen durfte? Oder sollte ich als „Flussbraut" doch lieber schweigen und tun, was man mir sagte? Wieder sah ich das zornige Gesicht der Flussfrau vor mir, kurz bevor sie mir gegen mein Ohr geschlagen hatte. Bei der Erinnerung wurde mir flau im Magen. Was, wenn es hier genauso war? Ganz egal, wie „nett" Zac bisher gewesen war. Er hatte mich entführt. Und er hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er mich für sich beanspruchte. Was auch immer das heißen mochte. Trotzdem machte mir die aufkommende Stille fast noch mehr zu schaffen, als meine wild rasenden Gedanken.

"Und jetzt?", fragte ich schließlich leise und blinzelte verhalten zu ihr hinauf.

Dafür erntete ich einen amüsierten Blick, der mich abermals schneidend an Zac erinnerte – Zac in seiner menschlichen Gestalt. Ich schluckte und wandte wieder rasch die Augen ab, während sie antwortete: "Wie du sicher weißt, zelebrieren wir nachher deine Schwarmeinführung. Es muss nur noch Zac hier aufkreuzen, damit wir dich aus dem Wasser kriegen und die letzten Vorbereitungen treffen können."

"Vielleicht kommt er auch gar nicht", murmelte ich leise und kam nicht umhin auf gewisse Weise hoffnungsvoll zu klingen. Diese Zeremonie war nicht unbedingt das, was ich heute noch wollte – oder überhaupt je wollte. Doch Uhna gluckste nur und schüttelte den Kopf. "Ich denke nicht, dass Zac seine Liebste so zurücklassen würde."

"Das bin ich aber nicht", erwiderte ich scharf und sie warf mir einen irritierten Blick zu.

"Was bist du nicht?"

"Seine Liebste. Ist ja nicht gerade so, als wäre ich freiwillig hier."

Daraufhin wanderten ihre beiden Augenbrauen überrascht in die Höhe. "Nicht? Oha. Ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet Zac..." Sie unterbrach sich und musterte mich intensiv. Dann schüttelte sie leicht den Kopf, zuckte die Achseln und verwarf das Thema. "Jedenfalls bin ich sicher, dass er bald kommen wird. Dann bekommst du erst mal was zu Essen und was Vernünftiges zum Anziehen. Das da kann man ja niemandem zeigen", ergänzte sie mit einem abfälligen Blick auf mein Oberteil. Eigentlich fühlte ich mich sehr wohl in meinen Sachen und ich war kurz davor, ihr genau das zu sagen, ehe ich mich im letzten Moment zurückhielt. Stattdessen nickte ich und versuchte mich auf das Thema zu konzentrieren. „Und dann? Was kommt dann?"

„Oh? Du meinst die Schwarmeinführung? Keine Sorge, es ist alles schon vorbereitet."

Gerade das machte mir ja Sorgen. Trotzdem war ich froh, dass unser Gespräch wieder in unverfänglicheren Gewässern dümpelte, während Uhna mir Details des bevorstehenden Rituals erklärte, die ich eigentlich gar nicht wissen wollte. Ich wurde schließlich erlöst, als der Wind drehte und fröhliche Stimmen zu uns herüber trug. Sofort drehte sich Uhnas Kopf in die Richtung aus der die Geräusche kamen. Auch ich folgte ihrem Blick, einen zertrampelten, halbbefestigten Weg entlang, der in ein paar Metern Entfernung einen leichten Bogen schlug und in einer Gruppe niedriger Bäume verschwand, hinter der jetzt drei junge Männer hervortraten und sich lachend schubsten und balgten. Sie erinnerten mich ein bisschen an ausgelassene, junge Pferde, die nach einem Winter im Stall das erste Mal wieder auf die Weide gelassen wurden. Dann kamen sie noch näher und ich erkannte Zacs dunklen Haarschopf – aber vor allem wurde mir bewusst, dass er und einer mit einem langen, hellen Zopf nackt waren.

Instinktiv ließ ich mich mit einem leisen, erschrocken Quietschen wieder zurück ins Wasser plumpsen.

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