Kapitel 4.3 - Wir sind eins

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17. Jir'Lore, 2145 n.n.O.

Die folgenden Stunden vergingen in einem verwirrenden Chaos aus Geschäftigkeit, dessen Mittelpunkt Uhna und ich waren. Ich als Hauptperson, auch wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte, was eigentlich vor sich ging, und Uhna, die wie eine Puppenspielerin alle Fäden in der Hand hielt.

Tatsächlich schien gar nichts ohne ihr Wissen und ihren Segen zu passieren. Zumindest erweckte der stete Strom an Flussmenschen den Eindruck, die immer wieder vorbeikamen, um Fragen aller Art zu stellen: Wer ist morgen für die Post eingeteilt? (Sina – obwohl mir unklar war, was mit Post gemeint war. Sie bekamen wohl schwer Briefe in den See zugestellt – oder?). Sind die Preise für die Fährübersetzungen in Trondheim die üblichen? (Ja). Können Aufträge getauscht werden? Er wollte im nächsten Zyklus mit ein paar Freunden jagen gehen? Auf diese Frage hin warf Uhna dem jungen Mann, der sich mir mit Gropp vorgestellt hatte, einen langen, vernichtenden Blick zu und schüttelte den Kopf. Daraufhin verließ Gropp uns mit hängenden Schultern.

An diesem Punkt sah ich Zacs Mutter neugierig an und sie zuckte die Achseln. „Pflichten gegenüber dem Schwarm haben Vorrang."

Ihr Tonfall war so selbstverständlich, so absolut, dass ich dieses Thema lieber nicht weiter verfolgte. Stattdessen rang ich mich zu einer anderen Frage durch, die mir schon länger durch den Kopf ging: „Aber warum kommen sie alle zu dir?"

„Ach – Zac hat doch sicher erzählt, dass jeder im Schwarm seine Aufgaben hat. Meine ist die Koordination der Dienste, die wir den umliegenden Dörfern und Gemeinden anbieten: Fährüberfahrten, Schnelle Paketzustellung quer über den See, Bademeister an den Stränden", Ihre Lippen zuckten in einem angedeuteten Lächeln. „Eben alles, was sich rund ums Wasser verkaufen lässt."

Ich nickte, als wäre mir das nichts Neues. Doch tatsächlich hatte ich Zac nie nach dem Leben im Schwarm gefragt. Hauptsächlich weil ich jeglichen Gedanken daran soweit wie möglich von mir hatte wegschieben wollen. Vielleicht war das ein Fehler gewesen. Nachdenklich nahm ich mir noch eine Scheibe Brot und einen Teller Suppe.

Das Essen war neben Ankleiden, Frisieren und etwas beruhigendes Plaudern eine der wesentlichen Zeremonievorbereitungen. So viel Angst mir die Schwarmeinführung auch machte – über die warme Fischsuppe wollte ich mich nicht beschweren. Und Brot. Brot! Ich hatte die letzten Zyklen von rohem Fisch gelebt. Da war der erste Bissen frischen Brotes Balsam für meine Geschmacksknospen. Demzufolge hörte ich auch erst auf, als ich das Gefühl hatte, die nächsten drei Tage keinen Bissen mehr herunterzukriegen.

Als ich schließlich den Teller von mir wegschob, ergab ich mich dem Unausweichlichen und fixierte die Ecke des Raumes, die ich bisher mit Absicht so gut es ging ignoriert hatte: Die Kleiderstange. Uhna wertete meinen Blick richtig und holte das Kleid, das ich während der Schwarmeinführung tragen sollte, damit ich es anziehen konnte. Nach einem weiteren kurzem Zaudern fügte ich mich schließlich und musste mir mit einem Blick in den Spiegel eines widerwillig eingestehen: Ich liebte dieses Kleid.

Grün wie frisches Gras traf es fast den Farbton meiner Augen. Zusammen mit den vereinzelt, dezent eingenähten Perlen, die wie kleine Tautropfen schimmerten, brachte es meine ganze Erscheinung äußerst schmeichelhaft zur Geltung. Bewundernd fuhr ich mit den Fingern über den glatten Stoff hinweg. Und obwohl das Kleid eng am Körper lag, hatte ich durch zwei hohe Beinschlitze noch genug Freiheit für jegliche Schwimmbewegung. Daher auch die züchtige, halblange, schlichte, schwarze Hose als Unterwäsche, über die ich mich zuvor noch gewundert hatte. Kurz: Als ich dieses kleine Meisterwerk der Schneiderkunst anhatte, fühlte ich mich schön.

Insbesondere, nachdem Uhna mir meine roten Locken gebändigt, frisiert und zusammen mit jeder Menge Nadeln und einem meergrünem Kranz so festgesteckt hatte, dass das ganze Kunstwerk auch unter Wasser halten würde. Es war absurd, so schöne Dinge anzuhaben, wenn man nicht das Gefühl hatte, sie wirklich auskosten zu können.

Trotzdem fühlte ich mich geschmeichelt, als Zac schließlich mit Ricco und Varon zurückkam und einen Moment lang stockte, um mir einen langen, faszinierten Blick zuzuwerfen. Verräterisches Ego. Auch Varon pfiff anerkennend. „Steht dir gut."

Sofort spürte ich, wie mir die Röte in die Wangen schoss, während ich verhalten lächelte. Um abzulenken musterte ich die drei neugierig: „Und was habt ihr getrieben?"

„Ach – gegessen, getrunken und so gesittet wie möglich über die großen Fragen des Lebens diskutiert", antwortete Varon mit einem Zwinkern, wobei ich allerdings Zac nicht aus den Augen ließ. Wurde er gerade rot?

Fragend sah ich ihn an. Doch ehe ich eine Antwort bekam, scheuchte uns Uhna zurück zum Seeufer und jegliche Leichtigkeit, die ich eben noch verspürt hatte, wich der alt-vertrauten, bleiernen Angst. Resigniert kämpfte ich einen völlig sinnlosen Fluchtinstinkt nieder. Wo sollte ich auch hin? Ich war auf einer Insel und-

Plötzlich spürte ich wie Zac meine Hand nahm. Sofort war seine Gegenwart überdeutlich in meinem Kopf und unterbrach alle vorherigen Überlegungen. >>Dann funktioniert die Gedankensache trotz menschlicher Gestalt<<, stellte ich nüchtern fest.

Daraufhin glitt sein Achselzucken wie ein Schaudern durch meinen Geist. >>Ein Schwarm. Eine Familie. Das wird in das Selbst eingebrannt. Da spielt der Körper keine Rolle<<, antwortete er und hauchte mir beiläufig einen Kuss in den Nacken, wofür ich ihn inbrünstig verabscheute.

Doch diesmal schrie ich nicht. Auch nicht, als sich einmal mehr eine Welle von Schmerzen über mich ergoss, während sich mein Körper protestierend wieder an das Wasser anpasste. Varon hatte gelogen. Es war nicht einfacher, als das letzte Mal.

Immerhin saß meine Frisur wirklich perfekt, auch wenn meine Haare mit zunehmender Wassertiefe ihren Rotton verloren und nur ein gewöhnungsbedürftiges Seegrün übrig blieb. Als wir beim Herzplatz des Schwarms ankamen, fühlte ich mich sofort an die Lore-Flüsse erinnert: Es schien eine beliebige Stelle am Grund des Sees zu sein, die zu einem Treffpunkt für einen ganzen Schwarm ausgebaut worden war.

Mit Truhen, die an verschiedenen Ecken Sachen für verschiedene Arbeiten bereithielten, großen, steinernen Platten, die für verschiedene Aufgaben genutzt werden konnte und ab und zu ein paar Felsen, die einen gewissen Sichtschutz boten. In einer Ecke befanden sich sogar verschlossenen Tonkrügen, die Küche (wie mir Zac nebenbei erklärte). In der Mitte thronte auch hier ein steinerner Lore-Altar. Doch anders als bei Els Schwarm war dies kein einfacher Stein mit den obligatorischen vier Wellen darauf. Stattdessen war es eine Art glatt geschliffenes Ei, das zwar auch vier breite, mit Perlmutt ausgelegte Wellen hatte, doch zogen die sich parallel zueinander um das gesamte Ei herum. So sah es aus, als hätte dieser Stein vier, breite, wellenartige, silbern-schimmernde Gürtel.

Ich fand, dass das eine sehr künstlerisch-individuelle Auslegung der Zeichen Lores war. Andererseits glaubte ich nicht, dass sich Götter für Altarformen interessierten – sollten sie sich überhaupt für irgendwas interessieren. Bisher hatte ich nicht den Eindruck. So bedauerte ich es auch nicht weiter, dass Papa mich Abseits der Religion erzogen hatte.

Viel mehr bedauerte ich die Tatsache, dass es hier von Flussmenschen geradezu wimmelte. Alle schienen auf etwas zu warten. Auf mich. Ich schluckte.

>>Es sind alle versammelt, die zum Schwarm gehören und hier leben. So etwas weniger als zweihundert Leute<<, informierte mich Zac wenig hilfreich.

>>Aha<<, antwortete ich leise, während ich die Masse der Anwesenden musterte.

>>Ich dachte, das interessiert dich.<<

Nein, tat es nicht. Ich fühlte mich nur noch elender. Tatsächlich war ich froh, dass das Wasser mich aufrecht hielt, denn ich glaubte nicht, dass ich alleine hätte stehen, oder laufen können. Mittlerweile trug mich Zac mehr, als dass ich selber schwamm. Allerdings war mir das auch egal – er wollte das. Ich konnte nach wie vor gut darauf verzichten.

Als wir näher kamen, löste sich plötzlich ein einzelner Körper aus dem Schwarm von Flussmenschen und steuerte pfeilschnell auf Zac zu. Intuitiv versuchte ich ein Stück weit zurückzuweichen, als dieses Flussmenschengeschoss direkt in Zac hinein krachte und die zwei ein paar Meter durch den See wirbelte. Einen Augenblick lang erinnerte ich mich an Zac und die Flussmenschenfrau, wie sie miteinander gekämpft hatten und ein Echo des Entsetzens, das ich damals empfunden hatte, klang in mir wieder.

Doch dann blinzelte ich und war zurück im hier und jetzt. Die zwei kämpften nicht. Sie umarmten sich. Und auch wenn die Gesichter der beiden ausdruckslos wie immer bei Flussmenschen waren, wirkten Zacs Bewegungen entspannt, als er die fremde Flussfrau schließlich von sich schob und sie ihm, ähnlich wie Uhna, kurz über die Wange strich.

Dann wandte sie sich zu mir um und winkte mir fröhlich zu, während Zac meine Hand nahm und ich sein Lächeln in unserer entstandenen Gedankenverbindung spürte. >>Darf ich vorstellen? Phia. Meine älteste Schwester.<<

Ich nickte mechanisch und blickte von ihr zu Zac und wieder zurück. Obwohl ihre Gesichtszüge viel weicher waren als die seinen, war die Ähnlichkeit doch unverkennbar. Da hörte ich auch schon ihre fröhlich-freche Stimme in meinem Kopf. Anscheinend leitete Zac ihre Worte genauso weiter, wie er zuvor auch Achs' an mich weiter geleitet hatte. >>Hey Senga. Es ist schön dich kennenzulernen! Vor allem, weil ich wirklich schon Sorge hatte, dass ich Zac nie wieder seh, weil er es nicht schafft, eine Frau zu finden.<<

>>Hallo Phia<<, murmelte ich überrumpelt und musterte sie noch einmal genauer, als mir eine leichte Wölbung an ihrem Bauch auffiel. War sie schwanger? Da spürte ich ihr Lachen in meinem Geist und das mentale Gegenstück zu einem Augenzwinkern, bevor sie mich losließ und wieder zu den anderen zurückschwamm. Jetzt erst fiel mir ein kleiner Schwarm von grau-silbernen Fischen auf, der Phia in jede Richtung zu folgen schien. Waren das Haustiere?

In meinem Kopf spürte ich wieder Zacs Schmunzeln. >>Wir nennen sie „Frauenfische"<<, beantwortete er meine Frage. >>Ich weiß nicht genau, warum, aber es ist eine Tatsache, dass diese Fischchen ganz genau wissen, wenn eine Frau, egal ob Flussfrau oder Flussbraut, schwanger ist. Ab dem Moment folgen sie der Frau überall hin bis das Kind auf der Welt ist. Dann suchen sie sich wohl jemand neues.<<

Mit hochgezogenen Augenbrauen starrte ich ihn an. Was es nicht alles gab.

Doch meine Aufmerksamkeit wurde von den Frauenfischen abgelenkt, hin zu den ganzen Köpfen, die sich in unsere Richtung gewandt hatten und offenbar auf uns warteten. Ich versuchte das wiederkehrende, nagende Gefühl der Angst zu verdrängen. Als Zac meinen Gefühlssturm spürte, hielt er meine Hand etwas fester. Das war irgendwie tröstlich, auch wenn es völlig irrational war. Schließlich war mein Hiersein seine Schuld. Während ich mich mühsam aus diesen Gedanken riss, koordinierte sich das Chaos der Flussmenschen vor uns langsam aber sicher zu einem Kreis.

>>Das ist unsere Art der Schwarmversammlung<<, informierte mich Zac wieder, vielleicht auch, um mich etwas abzulenken. >>Indem wir einen Kreis bilden, können wir eine Gedankenverbindung zwischen allen Beteiligten herstellen. So kann jeder die Diskussionsbeiträge aller hören oder selbst etwas beitragen. Übrigens werden so alle großen Zusammenkünfte eingeleitet.<<

Es klang durchaus logisch, unter Wasser einen großen Gedankenstrom zu bilden, wenn man nicht sprechen konnte. >>Aber warum klingst du so genervt?<<

Zac schnaubte belustigt. >>Endlose Diskussionen um immer gleiche Themen sind nicht meine Lieblingsbeschäftigung. Aber immerhin sollte es heute nicht so lange dauern.<<

Er hatte gut reden – ihn betraf es ja auch fast nicht. Mittlerweile war mir wieder schlecht und ich wünschte, ich hätte doch nichts gegessen. Konnte es nicht einfach schon vorbei sein? Dann müsste ich wenigstens nicht darüber nachdenken, wie Erbrochenes unter Wasser aussehen könnte.

Um nicht über das Bevorstehende nachdenken zu müssen, versuchte ich mich auf Phia zu konzentrieren, die von ihrem kleinen Schwarm Frauenfischen umgeben, neben einem anderen Flussmann schwamm und ebenfalls erwartungsvoll in unsere Richtung blickte. Da fiel mir etwas aus dem Gespräch mit Achs ein: >>Zac. Was war das eigentlich für ein Plan von Phia?<<

Die Frage traf ihn unvorbereitet, denn ich spürte seine Verlegenheit so plötzlich, als wäre es meine eigene. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?

>>Phia wollte keinen Flussbräutigam<<, rang er sich schließlich zu einer Antwort durch. >>Sie ist schon seit Jahren mit Koral zusammen – der Mann neben ihr – und wollte keinen anderen in ihrem Leben.<<

>>Und?<< Ich fand das nicht verwerflich, doch die Sache schien komplizierter.

So dauerte es wieder einen Moment, ehe er antwortete: >>Prinzipiell ist es ja auch okay. Aber Phia wollte schon immer Mutter sein und-<< Ich konnte quasi spüren wie er sich einen Ruck gab, um den Knackpunkt endlich zu erklären, sodass die folgenden Sätze geradezu in meine Gedanken hinein purzelten. >>Flussmenschen untereinander sind nahezu unfruchtbar. Bei Phia und Koral hat es nicht geklappt. Also ist sie losgezogen, um schwanger zu werden und dann zurückzukommen.<<

Ich starrte ihn an. Ganz langsam wurde mir die Bedeutung seiner Worte klar. Sie brauchten Menschen für ihre Fortpflanzung. Er wollte mich-

>>Senga! Lass uns später-<<

Doch er kam nicht dazu, zu sagen, was immer er gerade sagen wollte, denn in dem Moment kam Achs auf uns zugeschwommen, um sich dann formell vor uns zu verneigen. Das schien den Beginn der Zeremonie einzuleiten und mit einem Mal war ich mir wieder der Aufmerksamkeit aller bewusst.

Obwohl Zacs Worte noch immer grauenhafte Kreise in meinen Gedanken zogen, legte ich intuitiv eine Hand auf mein Herz, um Achs zu begrüßen, genau wie Zac es auch tat. Dann folgten wir ihm in die Mitte des Kreises, wo Uhna bereits auf uns wartete. Ob sie Achs damals auch entführt hatte? Einzig, um Kinder zu zeugen? Und all die anderen? Flussmenschen und Flussbräute oder -bräutigame, die ich hier sah?

Ich fühlte mich wie eine Puppe, als ich mich langsam auf den Grund des Sees hinabsinken ließ, wie Uhna es bei unseren Gesprächen zuvor von mir verlangt hatte. Hatte ich wirklich keine Wahl?

Schließlich saß ich auf dem Boden, während Zac hinter mir Position bezog und beide Hände ruhig, aber bestimmt auf meine Schultern legte. Ich zuckte unter seiner Berührung zusammen und faltete vorsichtshalber meine Hände in meinem Schoß, um ein verräterisches Zittern zu unterdrücken.

>>Senga. Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Wir reden später, versprochen<<, hörte ich noch einmal Zacs Versuch mich zu beruhigen. Aber was gab es da zu bereden?

>>Willkommen<<, unterbrach Uhnas scharfe Stimme laut unseren Gedankenstrom. Offenbar „rief" sie ihre Rede, sodass jeder sie hören konnte, auch wenn keine körperliche Verbindung bestand. >>Ich freue mich, dass ihr hier seid. Ich freue mich, euch Senga vorstellen zu dürfen.<< Ich fuhr beim Klang meines Namens zusammen und schaffte es geradeso ein halbwegs ausdrucksloses Gesicht zu wahren, während ich Uhnas Blick erwiderte. >>Ich freue mich, dich in unserer Familie zu begrüßen.<<

Ich nickte sprachlos, während ein Gemurmel aus ebenfalls „gerufenen" Worten und Begrüßungen als Antwort zu uns herüberfloss. Ich wand mich unbehaglich unter Zacs Händen und wünschte, er würde loslassen. Doch sein Griff auf meinen Schultern war fest und hielt mich, wo ich war. Plötzlich hob Uhna die Hand und alles verstummte bis nur noch ihre Stimme klar und kraftvoll durch alle Gedanken glitt. >>Durch Blut getrennt, durch Wasser verbundenen. Gehört zu uns, was unser ist.<<

Der Schwarm antwortete wie eine Stimme ohne Zweifel, ohne Zögern: >>Wir sind eins.<<

Ich schauderte. Es hätte albern oder pathetisch wirken sollen – tat es aber nicht. Insbesondere dann nicht, als sich ein sanftes, aber unangenehmes Kribbeln in meinem Körper ausbreitete und ich mir unbewusst über die Arme streifte. Zacs Hände drückten leicht meine Schultern und ich schauderte noch mehr. Umso länger sie auf meiner Haut lagen, desto wärmer schienen sie zu werden.

>>Unsere Stärken schenkt es dir. Doch auch die Schwächen teilen wir.<<

>>Wir sind eins.<< Wieder eine Antwort aus vielen Stimmen, wobei ich dieses Mal auch Zac laut und deutlich hinter mir hörte. Irgendwie machte es das noch eindringlicher, als würde mein Schicksal mit jedem gesprochenen Wort weiter besiegelt werden. Mir lief es kalt den Rücken hinunter, während der uralte Wechselgesang der Schwarmeinführung seinem Höhepunkt zusteuerte.

>>Niemals gebrochen, niemals entzweit. Ein Versprechen für die Ewigkeit.<<

>>Wir sind eins.<<

Eine tiefe, schwere Stille breitete sich zwischen uns aus, während das Echo der vielen Stimmen noch in mir nachhallte und irgendwo tief drin Wurzeln zu schlagen schien. Anders konnte ich dieses sanfte Kribbeln, das meinen Körper noch immer in Wellen durchlief nicht beschreiben. Schließlich wandte sich Uhna an mich und nahm meine Hände in die ihren. >>Willkommen, Senga.<<

>>Äh... danke, Uhna.<< Daraufhin nickte sie, ließ mich los und schwamm bei Seite.

>>Das macht jetzt übrigens jeder<<, informierte mich Zac nüchtern. >>Jedes Schwarmmitglied kommt, stellt sich vor und begrüßt dich.<<

Tatsächlich schwamm als nächstes Ricco zu mir und lächelte. Ich konnte nichts sagen, denn seine ganze Erscheinung nahm mich schon wieder in Beschlag. Diesmal waren es nicht seine Tätowierungen, sondern die Tatsache, dass mir seine Flussbräutigam-Gestalt richtig bewusst wurde: Die Paddelfüße, die Schwimmhäute zwischen Zehen und Fingern, die pupillenlosen Augen. All das würde ich auch bekommen. Ich würde ein Frosch unter Fischen sein.

Bei diesem Gedanken spürte ich Zacs Belustigung durch meinen Kopf prickeln, die ich gepflegt ignorierte, als ich Riccos ruhige Stimme nun auch in meinen Gedanken hörte: >>Wir sehen uns jetzt wohl öfters, Senga.<<

Ich nickte, als Ricco mich noch einmal kurz anlächelte und dann Varon platz machte.

Nach und nach kam jeder andere im Schwarm, egal ob Erwachsener, Kind oder Flussbraut bzw. -bräutigam. Alle kamen sie zu mir, sagten mir ihren Namen und hießen mich willkommen, während mit jeder Hand, die die meine hielt, das Kribbeln in mir stärker wurde bis ich mich am liebsten am ganzen Körper gekratzt hätte. Doch Zacs Griff hielt mich unbeirrt fest und ich wagte es nicht, auch nur mit einem Finger zu zucken, während in meinem Hinterkopf meine Gedanken bei jeder Gelegenheit Amok liefen und über den nun offensichtlichen Zweck meines Hierseins grübelten.

Als letztes kam Achs. Als er meine Hand in die seine nahm, spürte ich eine Welle der Zuneigung zu mir herüberschwappen, wie sie mich an meinen eigenen Vater erinnerte. Der Gedanke an ihn schnürte mir die Kehle zu und ich nickte nur. Während ich seine Worte hörte, ähnlich wie die aller anderen vor ihm: >>Ich freue mich darauf, Dich kennenzulernen, Senga. Willkommen.<<

Noch ehe ich irgendetwas auf diese Freundlichkeit erwidern konnte, waren Achs' lange Finger schon wieder verschwunden und die Gedankenverbindung getrennt. Stattdessen wurde ich unvermittelt von Zac herumgewirbelt und wieder durchflutete mich Angst.

>>Lass und später reden...<<, flüsterte er leise in meinen Gedanken, als sich seine Hände sanft auf mein Gesicht legten und er es etwas anhob, sodass ich direkt in seine seltsamen Flussmenschen-Augen sah. Nervös wollte ich woanders hinsehen, doch da hörte ich Zacs Stimme deutlich für alle hörbar rufen: >>Mit mir begonnen, mit uns geendet, schließe ich den Kreis.<<

Seine Stimme klang ebenso trocken, wie sich meine Kehle anfühlte. War er etwa auch nervös? Seine Hände lagen noch immer auf meinem Gesicht, es konnte nicht lange sein, doch der Augenblick selbst schien sich in die Länge zu ziehen und ich konnte nicht anders, als in seine vertraut-fremden Gesichtszüge zu blicken.

>>Wir Sind eins<<, intonierte Zac zusammen mit allen anderen und hauchte mir einen Kuss auf die Stirn. Ich konnte noch immer nichts weiter tun, als in Zacs gespenstische Augen zu starren, während mein Blickfeld immer kleiner wurde und ich in einen Schlaf sank, aus dem es kein Entkommen gab.

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