Bonusgeschichte - Brett vorm Kopf

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Zac vermisste das Wasser. Das war immer ein schlechtes Zeichen. Er wusste nicht genau, woher diese Vorahnungen kamen, doch meistens lag er damit richtig. Und heute hätte er schon in dem Moment, als er sich aus dem Wasser zog, wieder zurückspringen können. Aber natürlich ging das nicht. Leider. Er musste zur Arbeit. Also hatte er sich auf den kleinen, abgelegenen Felsvorsprung gezogen, an dem Mitglieder seines Schwarm immer an Land gingen, wenn sie in dieses Dorf wollten. Er hatte sich ein Handtuch und Kleidung aus der bereitstehenden Kiste genommen, um sich für den Tag fertig zu machen und dann mit einem zutiefst schlechtem Gefühl das letzte Stück seines Arbeitsweges anzutreten.


Und jetzt stand er hier und ölte einen Holztisch ein letztes Mal ein, bevor dieser an den Kunden rausgehen würde. Warum er diese Arbeit machen musste und nicht etwa einer der beiden neuen Lehrlinge, die erst dieses Jahr ihre Ausbildung begonnen hatten, fragte er nicht. Sein Meister hatte nie viel für Flussmenschen im Allgemeinen und für ihn im Besonderen übrig gehabt.

Aber das war okay gewesen. Damals hatte er sich schnell mit den anderen Lehrlingen und Gesellen angefreundet und von ihnen all das gelernt, was der Meister ihm nicht hatte zeigen wollen. Leider waren von diesen Menschen fast alle weg, bei einem neuen Meister oder auf Waltz. Innerlich seufzte Zac deprimiert, während er weiteres Öl in den Lappen tränkte, um nun auch die Tischbeine gründlich zu bearbeiten.

„Ey Wasserschlucker!"

Lucien. Zac verdrehte die Augen, unterbrach seine Arbeit jedoch nicht und würdigte den pickeligen jungen Mann nicht einmal eines Blickes. Er war einer der beiden neuen Lehrlinge und der Hauptgrund, warum Zac morgens keine Lust mehr hatte, in die Werkstatt zu gehen. Wo Lucien den anderen Lehrling, sein Schoßhündchen Jasper, gelassen hatte, interessierte Zac gerade herzlich wenig.

„Wasserschlucker! Komm mal her..."

Zacery seufzte leise und fragte sich, was für ein Bild man von sich und anderen haben musste, um mit sechzehn Jahren derart unhöflich zu sein. Trotzdem reagierte er nicht. Das hatte er nicht nötig. Ignoranz von solchen Kommentaren war auch weitesgehend das, was ihn durch den Tag brachte.

"Fischfresse, ich rede mit dir!"

Kurz blickte Zac zu einem Spiegel, der neben ihm an der Wand lehnte und auf einen neuen Rahmen wartete. Darin sah er Luciens pubertäres Pickelgesicht. Nur knapp konnte er sich die Anmerkung verkneifen, dass er es als ungesund empfand, sein Spiegelbild derart zu beleidigen. Doch vermutlich hätte Lucien es nicht Mal begriffen. Also ölte er stoisch weiter.

"Sag Mal hat deine Mutter dir die Ohren mit Algen vollgestopft oder bist du taub?"

"Vielleicht möchte er auch einfach nicht mit dir reden, Lucien", mischte sich plötzlich Threas ein, der gerade mit einigen frisch zugeschnittenen Brettern vom Hof kam. Zac lächelte den jungen Mann an. Er war schon zwei Jahre länger beim Meister und nach anfänglichen Startschwierigkeiten hatten sie sich schließlich doch angefreundet. Während Threas die paar Schritte zu Zac herüberkam, trollte sich Lucien. Gegen den dienstältesten Gesellen wollte er nichts sagen.

"Zac, du musst Dich auch Mal wehren", murmelte Threas leise und griff nach einem weichen Tuch, um ihm zu helfen.

Doch der Flussmensch warf den Dienstälteren nur einen belustigten Seitenblick zu. "Gegen diese kleine Kröte? Ich bitte dich... So ein Gespräch zu führen, ist schon unter meiner Würde."

Threas schnaubte unbegeistert. Sie hatten dieses Gespräch auf die ein oder andere Art schon öfters geführt. Trotzdem fühlte Zac sich bemüßigt, es noch einmal zu erklären. Vielleicht auch, um sich selbst noch einmal zu überzeugen, dass er es richtig machte: „Im Ernst. Du weißt genau, dass jede Kleinigkeit, die ich mir erlaube, sofort auf meinen ganzen Schwarm zurückfällt und ihn in Verruf bringt. Das will ich nicht. Das kann ich gegenüber meiner Familie nicht verantworten."

Unnötig zu sagen, dass alles Positive, was er tat, egal wie klein oder herausragend, als Selbstverständlichkeit gewertet wurde. Flussmensch unter Menschen zu sein war nicht einfach, aber wie schwer es tatsächlich war, war Zac erst klar geworden, seit er auf Waltz gegangen war, weit weg, wo die Meister nichts von Flussmenschen wussten und ihn als einen der ihren behandelt hatten. Kurz dachte er an Markus und damit automatisch auch an Senga. Der Gedanke an die junge Frau flocht einen hübschen Seemansknoten in seinen Magen... aber nicht unbedingt einen der unangenehmen Sorte. Und...

„Sag mal, Zac – hörst Du mir überhaupt zu?"

Irritiert sah der Flussmensch zu Threas hinüber, der ihn vorwurfsvoll anblickte. Offenbar hatte er die ganze Zeit gesprochen, während Zac immer die gleiche Stelle geölt hatte.

„Äh – nein. War es wichtig?"

Threas seufzte und schüttelte resigniert den Kopf. „Du bist echt-"

Wieder schüttelte Threas den Kopf und Zac lachte leise. „-fantastisch?", schlug er mit einem verschmitzten Augenzwinkern vor und Threas schüttelte wieder den Kopf. „Das war nicht unbedingt das Wort, das mir durch den Kopf ging."

„Unbeschreiblich?", versuchte er es mit einem neuen Wortvorschlag.

„Unbeschreiblich leichtsinnig vielleicht. Manchmal mach ich mir bei dir wirklich Sorgen, wo es für dich mal hingeht."

„Aaaach – ich komm schon klar", wiegelte Zac achselzuckend ab und zwinkerte seinem Freund zu. „Außerdem hab ich ja immer noch dich."

Das war nur zur Hälfte ein Witz. Und Zac hoffte, dass Threas um die Dankbarkeit wusste, die er für ihn empfand. In Momenten wie diesen fehlte Zac die Möglichkeiten der Gedankenverbindung. Da wusste der andere zweifelsfrei, was gemeint war, einfach weil es offen vor einem lag. Doch Threas schien es auch so zu verstehen. Begeistert war er trotzdem nicht. "Ich bin aber nicht immer da", murmelte er leise und Zac lachte verschmitzt.

"Wäre schlimm, wenn es so wäre."

Threas warf ihm wieder einen skeptischen Blick zu, für den Zac ihm freundschaftlich auf die Schulter klopfte. Ja, er war froh, dass Threas da war. Zumal fast alle anderen der Gesellen auf Waltz gezogen waren, doch Threas hatte bereits vor drei Jahren geheiratet und mittlerweile ein Kind im Haus. Die zwei würde er um nichts in der Welt verlassen. Und so war er zu Zacs Glück hiergeblieben.


Bis zum Nachmittag ging eigentlich alles gut. Zac kam erstaunlich gut mit seiner Arbeit voran, nicht zuletzt, weil er während seiner Wandermonate ein paar Handgriffe gelernt hatte, die gerade das Schrankzimmern einfacher machten. Das er diese Kniffe auch gleich an Threas und ein paar andere weitergeben konnte, machte den Tag noch besser. Daran konnten auch Luciens und Jaspers spöttische Kommentare nichts ändern, die sie immer dann fallen ließen, wenn keiner sonst in der Nähe war. Zac hielt sich verbissen an seine eigene Vorgabe, sich nicht auf eine Diskussion mit den beiden einzulassen.

Doch dann ging es schlagartig bergab. Wortwörtlich.

Es kam aus dem Nichts.

Es war nur noch eine Stunde bis Feierabend. Zeit zum Aufräumen. Also machte sich Zac auf den Weg zum Schuppen, quer über den Hinterhof, um weitere Besen zu besorgen. Im Schuppen war es wie üblich stockfinster, Licht gab es hier keines. Entweder man brachte sich eine kleine Petroleumlampe mit oder man kam mit dem Licht aus, das durch die Tür einfiel. Zac reichte das einfallende Licht und die Schemen in der Dunkelheit. Er war schon unzählige Male hier gewesen. Er wusste genau, in welcher Ecke die Besen standen, wo ein zusätzlicher Balken das wackelige, aber immerhin noch regendichte Schuppendach stützte und er sich drunter durch bücken musste. Das müsste wirklich mal vernünftig repariert werden...

Als er die Hand nach den Besen ausstreckte, explodierte plötzlich der Schmerz in seinem Hinterkopf, ehe nur einen Augenblick später alles um ihn herum dunkel wurde.


Als er wieder zu sich kam, sah er direkt in Threas besorgtes Gesicht. "Zac? Zac! Bist du in Ordnung?"

Er grunzte, wollte etwas sagen, doch seine Zunge versagte ihm den Dienst.

„Komm mal hoch, Mensch."

Zac grunzte wieder.

„Ach man, Du weißt, wie ich das mein...", murmelte Threas und half dem Flussmenschen in eine sitzende Position. Sofort wurde Zac schlecht. Als nächstes beugte er sich zur Seite und übergab sich würgend.

"Was zum Henker?", keuchte er. Aber immerhin hatte seine Zunge die Worte wieder gefunden.

Angewidert von sich selbst, wischte Zac sich über den Mund und tastete dann vorsichtig nach seinem Hinterkopf. Sofort zog sich von diesem Punkt ausgehend ein stechender Schmerz durch seinen ganzen Körper.

"Zac! Bei den Göttern- Was ist passiert?"

Jetzt erst nahm er Threas' Anwesenheit zur Gänze wahr. Vorsichtig – sehr vorsichtig, denn jede Bewegung bereitete ihm Schwindelanfälle – schüttelte der Flussmann den Kopf. "Ich weiß nicht... Ich wollte Besen holen... wie immer halt... Und dann war ich im Schuppen... Und... dann... bist du hier."

"Du warst so lange weg, da wollte ich mal gucken. Als ich hier reinkam, lagst du bewusstlos auf dem Boden und-"

Die Tür ging auf.

„Nanu – Wasserratte, schläfst du etwa hier auf dem Boden?"

„Lucien. Geh", knurrte Threas scharf. Doch der Blick des Jüngeren war mittlerweile zu Zacs Erbrochenem gehuscht und sein Gesicht verzog sich angeekelt.

„Scheint, als würde dir das Leben an Land nicht bekommen. Vielleicht sollten du und deine Sippschaft einfach nicht mehr kommen. Bevor die frische Luft euch noch alle krank macht."

Trotz Schwindel schnellte Zacs Kopf nach oben und er blickte Lucien aus schmalen Augen an. „Ist das eine Drohung?", knurrte er kehlig und die Augen des jungen Lehrlings weiteten sich überrascht. Es war das erste Mal, dass Zac auf eine seiner Spötteleien einging. Doch bevor Lucien tatsächlich darauf reagieren konnte, fiel ein weiterer Schatten auf die Anwesenden.

"Was ist hier los?!", bellte der Tischlermeister und bewarf jeden einzelnen von ihnen mit missbilligenden Blicken.

"Zac wurde-, setzte Threas zu einer Erklärung an.

"-von einem Brett getroffen, Sir", unterbrach Zac seinen Freund und Threas warf ihm einen scharfen Blick zu, den er fest ignorierte. "Es war ein unglücklicher Unfall. Ich bin ausgerutscht und hab mir den Kopf ziemlich fest an dem Balken da gestoßen."

Der Tischlermeister schnaubte. "Kannst du nicht aufpassen, Junge?"

Zac schüttelte wieder sehr langsam den Kopf. "Entschuldigung. Kann ich nach Hause gehen? Es – es ist wirklich schlimm..."

"Mach das", knurrte der Mann und warf noch einen angeekelten Blick auf den Boden. "Aber vorher machst du diese Sauerei weg. Widerlich. Threas. Kümmer dich um ihn. Lucien. Komm, wenn die zwei ausfallen, ist mehr zu tun und ich will heute trotzdem pünktlich raus."

Alle nickten und als der Meister mit Lucien im Schlepptau endlich weg war, begann Zac sich automatisch nach einem Eimer umzusehen.

"Lass nur, ich mach das", murmelte Threas und griff seinen Arm, um ihn aufzuhalten.

"Aber.-"

"Denk nicht drüber nach. Schlimmer als das Zeug von meinem Kleinem ist das auch nicht."

"Aber-"

"Zacery. Mach. Pause. Ich wisch das kurz weg und dann bring ich dich zum See."

Zac wollte das nicht, wirklich nicht. Es war ihm mehr als unangenehm. Doch im Moment fehlte ihm einfach die Kraft, um zu protestieren. Also nickte er schwach und schob sich langsam an die Wand, um wenigstens nicht im Weg zu sitzen. Während Threas sich an die Arbeit machte, versuchte er überall hinzusehen, nur nicht zu seinem Freund. Doch statt Zac in seiner Scham einfach in Ruhe zu lassen, stupste Threas ihn mit der Fußspitze an. „Warum hast du grade gelogen?"

Überrascht blickte Zac nun doch zu dem Dienstältesten. Dann sah er wieder weg. Einen Moment schwieg er, während er über die Antwort nachdachte. "Weil ich mich selbst darum kümmern werde."


Es dauerte drei Tage bis es ihm wieder besser ging. Erst verschwand der Schwindel, dann das Übelkeitsgefühl und schließlich hörten die drückenden Kopfschmerzen auf.

Doch Zac konnte nicht leugnen, dass der ganze Dreck auch etwas Gutes hatte: Er hätte nicht damit gerechnet, dass das noch mal passieren würde – aber er verstand sich tatsächlich besser mit Senga. Neben all den Krankenbesuchen, die er bekam, war Sengas Auftauchen die größte Überraschung gewesen. Obwohl er zu Anfang nicht Mal gewusst hatte, was er sagen sollte, aus Angst, gleich eine neue Diskussion vom Zaun zu brechen, an deren Ende sie sich nur wieder anschreien würden. Warum war es nur so schwer geworden mit ihr zu reden? Doch der Abend war dann wirklich... schön gewesen. Fast musste er Lächeln, wenn er daran dachte, wie sie langsam auf dem Sofa eingeschlafen war.

Und trotzdem war er wütend. Sehr wütend.

Seit Monaten schon musste er sich den Spott und die Kommentare von Lucien und dessen Speichellecker gefallen lassen. Und er hatte es alles ertragen. Aber dieser Angriff ging zu weit.

Die Drohung gegen seinen Schwarm ging zu weit.

Zac würde nicht zulassen, dass dieser pickelige Wurm weiterhin glaubte, er könne sich alles erlauben. Doch erst einmal musste er sicher gehen, dass es auch wirklich dieser kleine Mistkäfer gewesen war.

Und er wusste auch schon wie.


Also zog Zac sich einmal mehr aus dem Wasser, warf sich ein paar Arbeitssachen über und schlenderte zur Werkstatt, um seine Arbeit wie gewohnt aufzunehmen. Während sein Meister ihn nur mit einem Kopfnicken und einer knappen Arbeitsanweisung zur Kenntnis nahm, konnte Lucien es natürlich nicht lassen. "Ey Fischmaul. Wieder da? Aber bitte nicht auf den Boden kotzen. Der ist frisch gewischt."

Wie zu erwarten, mischte sich der Meister nicht in „den Streit der Jungen" ein. So war es schon immer gewesen und er hatte gewusst, was auf ihn zukam, als er sich für die Tischlerausbildung entschieden hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon verschiedenste Erfahrungen mit Menschen gesammelt und fast jeder Erwachsene des Schwarms hatte ein „ernstes Gespräch über seine Zukunft" mit ihm geführt. Am Ende hatte er es nicht mehr hören können, denn er hatte diese Ausbildung gewollt. Sie stand ihm laut dem Jelena-Raoren-Vertrag zwischen Flussmenschen und den Menschen der Flusslanden gleichberechtigt zu jedem anderen jungen Mann zu. Für sich selbst, für den Schwarm und dessen gute Beziehungen zu den umliegenden Dörfern, für die Menschen.

Aber wenn er ehrlich war, wollte er das jetzt nicht mehr.

Insbesondere dann nicht, wenn Luciens Kumpel so unmännlich kicherte. Zac bedachte sie beide mit einem kühlen Blick. "Ach Jungs", seufzte er schließlich. „Danke für eure Sorge. Aber ehrlich, solange ich eure hässlichen, pickeligen Gesichter nicht sehen muss, geht es eigentlich." Er räusperte sich vielsagend und schluckte demonstrativ, während er den beiden fest ins Gesicht blickte. „Allerdings wird mir gerade wieder flau im Magen."

Angewidert verzog er das Gesicht, gerade so als würde er eine zerquetschte Seeschnecke begutachten. Schlagartig war das Grinsen aus ihren Gesichtern heraus gewischt. Treffer. Zufrieden wandte Zac sich ab. Er würde nicht mehr klein beigeben. Er hatte es satt.


In der Mittagspause kam Lucien wieder angekrochen. Zac saß gerade mit einem Buch in der Sonne und genehmigte sich ein belegtes Brötchen. Da Threas in seiner Pause immer zum Mittagessen zu seiner Familie nach Hause verschwand und sonst keiner da war mit dem Zac seine Zeit verbringen wollte, hatte er wieder angefangen zu lesen. Gerade war es eine Übersicht über verschiedene Karten und wie sie zu zeichnen und zu lesen waren. Besonders faszinierend fand er die Karten zu den Bodenschätzen. Vielleicht fand er eine ähnliche Karte ja für diese Umgebung hier. Es könnte spannend sein, zu sehen, wie sich die Dörferverteilung mit der Verteilung der Bodenschätze deckte und vielleicht....

Da fiel der Schatten des schlacksigen Pickelgesichts auf ihn. Genervt blickte er nach oben. "Junge, Junge, du kriegst auch nicht genug von mir, oder?", spottete Zac und garnierte das Ganze mit einem Lächeln, das er sonst nur der Damenwelt vorbehielt. Sofort wurde Lucien rot – ob vor Wut oder vor Verlegenheit, konnte Zac nicht mal wirklich sagen. Es war ihm auch egal.

"I-Ich bin nicht... so..."

"-schwul?", schlug Zac ihm hilfreich ein Wort vor und schüttelte bedauernd den Kopf. "Schade. In der Männerwelt hättest du vielleicht größere Chancen. hat dich überhaupt schon mal ein Mädchen geküsst?"

Er konnte sehen, wie er Lucien mit diesen Kommentaren immer näher an die Kante trieb und ein zufriedenes, süffisantes Grinsen schlich sich auf das Gesicht des Flussmannes. "Verstehe. Vielleicht nennst du dich ab heute Luci? Manche Männer mögen das ja. So kleine, niedliche Jungen..." Bevor Luci noch irgendetwas sagen konnte, grinste Zac ihn anzüglich an, während er sich vertraulich weiter vorbeugte, trotz seiner sitzenden Position, das blanke Selbstbewusstsein. „Aber denk dran", schnurrte er wie eine Katze. „Wassermänner küsst man nicht. Da können schlimme Sachen passieren."

"Du ekelerregende Drecksau!", knurrte Luci mit rotem Gesicht und Zac lachte dreckig, als dieser schnaufend und mit wutentbranntem Gesicht kehrt machte, um davon zustürmen. In dem Moment kam Threas von der Straße in den Hof hinein und blickte Lucien verwundert hinterher.

"Was ist denn hier passiert?"

Zac zuckte gleichgültig die Achseln und biss wieder in sein Brötchen, während er spöttisch antwortete. "Scheint als wäre unsere Luci ein bisschen zart besaitet."

"Aha."

Das klang skeptisch und Zac blickte Threas direkt an, wobei jegliche Spur von Humor aus seinem Gesicht verschwand. "Worte sind die eine Sache. Aber das neulich... Ich lasse nicht zu, dass diese kleinen Jungs denken, sie könnten sich alles erlauben."

Etwas flackerte in Threas Blick, das er nicht einordnen konnte. Doch Zac war es egal. Stattdessen klappte er das Buch zu und stopfte sich das letzte bisschen Brötchen in den Mund. „Scho. Pausche vorbei", nuschelte er mit vollem Mund und stand auf.


Auf dem Nach-Hause-Weg merkte Zac irgendwann, dass er nicht länger allein war. Auf dem schmalen Kiesweg, der vom Dorf zum See-Einstiegspunkt der Flussmenschen führte, waren eindeutig Schritte. Die Dorfbewohner verirrten sich nur selten dorthin und im Moment gab es nicht viele aus seinem Schwarm, die an Land gingen. Also drängte sich ihm eine Vermutung auf. Trotzdem tat er so, als wüsste er von nichts, während all seine Sinne sich auf die Schritte hinter sich konzentrierten. Doch sie hielten Abstand und so lief er weiter bis zum See hinunter.

Erst als er begann, sich wie üblich sein Oberteil auszuziehen, kam Luci aus seinem Versteck. "Da bist du ja! Ich dachte schon, du kommst nicht mehr...", witzelte Zac mit einem anzügliche Lächeln, das den Jüngeren nur wieder wütend zu machen schien.

"Du perverse Sau!"

"Fisch, ist richtiger. Oder Kröte. Meine Liebste nennt mich so, wenn sie wütend auf mich ist."

Luciens Lippen wurden schmal. "Du hast-?"

"Ein Mädchen? Natürlich! Glaubst Du, ich wäre sonst zurückgekommen?"

Nun – Senga als sein Mädchen zu bezeichnen, war vielleicht doch etwas optimistisch. Aber das wusste Luci ja nicht. "Sie hat feuerrote Haare und Hände so sanft und zielsicher, dass sie-", er unterbrach sich mit einem vielsagenden Lächeln. „Naja. Jedenfalls würde ich jetzt gern zu ihr, wenn du erlaubst? Sie hat sicher schon das Essen fertig."

Bei der Vorstellung musste er fast loslachen. Ihm Essen machen stand sicherlich sehr weit oben auf Sengas „Das-mache-ich-nz-sicher-nicht!"-Liste. Aber auch das wusste Luci nicht. Tatsächlich hüllte sich dieser zu Zacs Überraschung in ausgedehntes Schweigen und als der Flussmann sich fast sicher war, dass da wirklich nichts mehr kam, zuckte er die Achseln.

"Gut. Ich wünsche Dir jedenfalls auch noch einen schönen Abend. Mit Jasper. Ihr zwei seht übrigens hinreißend zusammen aus."

Irgendwie war das der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, obwohl Zac gar nicht mal so sehr verstand, warum. Es gab so viel Schlimmeres, was er hätte sagen können. Doch plötzlich überwand Luci den kurzen Abstand zwischen ihnen mit einem Satz und versuchte, ihm einen Kinnhaken zu versetzten.

Darauf hatte Zac gewartet.

Nun konnte niemand mehr behaupten, er hätte angefangen. Was konnte er schließlich dafür, wenn so ein pickeliger sechzehn-Jähriger seine Homophobie und sein Temperament nicht im Griff hatte? Also duckte Zac sich unter dem Kinnhaken hindurch, wie sie es unzählige Male im Training hatten. Fast tat Luci ihm leid. Denn im Gegensatz zu seinem Angreifer war Zac, wie jeder andere im Schwarm auch, von Kindheit an in Waffen- und Nahkampf ausgebildet worden.

Kurz: Es war schon fast lächerlich einfach, sich mit einer weiteren Körperdrehung seitlich zu Lucien zu positionieren, um ihm dann einen wohl gezielten, schmerzhaften, aber ungefährlichen Schlag in dessen kurze Rippe zu verpassen.

Als Luci leise ächzte, reichten zwei gut gesetzte Handgriffe und eine weitere Körperdrehung und der Kleine lag vor Zac im Dreck. Mit vor Adrenalin funkelnden Augen beugte sich Zac zu ihm herab. "Hat dir deine Mama nicht beigebracht, dass man Flussmenschen nicht ärgert? Wir sind alle böse und rachsüchtig."

Wieder versuchte Lucien ihn mit den Fäusten zu schlagen und den Füßen zu treten. Doch es war ungezielt und verzweifelt, sodass Zac sich einfach die Arme greifen konnte, um sie links und rechts neben Lucis Kopf in den Boden zu drücken. Gleichzeitig rammte er sein Knie dem Jungen in den Schritt. Dieser wimmerte auf. Das hatte jetzt schon mehr wehgetan.

"Böse und rachsüchtig", säuselte Zac dem sich windenden Jungen ins Ohr. "Weißt du was, Luci? Ich glaube ja, du wolltest das hier. Warum bist du mir sonst nachgelaufen? Komm, lass uns unsere Zweisamkeit noch ein bisschen mehr genießen. Nur du und ich..."

Luci hatte Angst. Zac sah es in seinem Gesicht. Doch das reichte dem Flussmann nicht. Er wollte das Pickelgesicht leiden sehen. Also beugte er sich noch ein kleines Stück weiter herunter und hauchte dem wehrlosen Jungen einen leichten, fast schon sanften Kuss auf die Lippen – gefüllt mit aller Wassermagie, die er aufbringen konnte.

Luci schrie vor Entsetzen auf.

Im gleichen Augenblick begann Zac jedes Gefühl und jeden Gedanken des anderen zu spüren. Er wusste ganz genau, was Zac getan hatte. Jeder hier kannte die Geschichten über die Flussmenschen. Fast überrollte ihn Luciens Panik und rasch ließ er den Jungen los, um nicht weiter in diesen chaotischen Strudel aus Gedanken und Gefühlen gesogen zu werden.

Sofort sprang der Kleine auf, um zu fliehen. Zac ließ es geschehen – er kam eh nur neun Schritte weit (immerhin fünf mehr als Zac erwartet hatte). Dann brach er zuckend zusammen. Die Anpassung an ein Überleben im Fluss durch die Magie des Wasserkusses forderte ihren Tribut. Doch wo ihm Sengas Schmerzen damals noch nahe gegangen und sie ihm ehrlich leidgetan hatte, empfand er für Luciens Leid nichts als Gleichgültigkeit.

Als ihm endlich die Kiemen am Hals aufrissen, packte Zac den Jungen am Fuß, schleifte ihm zum See und drückte den sich wehrenden, krampfenden Körper brutal unter Wasser. Es dauerte gefühlt ewig bis der Kerl verstand, dass er unter Wasser atmen konnte und seine Gedanken ein kleines Stück klarer wurden.

>>So du kleines Würstchen.<<, knurrte Zac ihn gedanklich an. >>Wer hat mir dieses dumme Brett über den Schädel gezogen?<<

Natürlich antwortete Lucien nicht direkt. Er verstand nicht einmal, woher er die Stimme in seinem Kopf hörte. Aber er dachte an die Antwort und das reichte Zac.

In Luciens Gedanken sah er, wie der Junge sich mit Jasper absprach, wie er sich in den dunklen Schuppen schlich, um zu warten. Wie er im genau richtigen Moment mit einem Gefühl von Macht und Stärke das Brett auf den Zacs Schädel niedergehen ließ.

>>Kleiner Dreckskerl<<, knurrte Zac und zog Luciens Kopf impulsiv über Wasser, wo dieser freilich keine Luft mehr bekam und wie ein Fisch auf dem Trockenen japste. Dann drückte er ihn wieder unter Wasser.

>>Hör zu, Wasserschlucker. Ich sag es nur einmal.<<, knurrte Zac und nutzte mit Absicht Lucis Lieblings-Beleidigung für ihn, um deutlich zu machen, dass der Junge jetzt genau das Gleiche war. Dabei flößte er dem Typen über seine Gedanken soviel Ruhe ein, dass er wirklich zuhören konnte, geradezu dazu gezwungen wurde. >>Durch mich ist deine Seele gezeichnet. Du bist mein Flussbräutigam. Und bleibst es bis zum Ende deines armseligen Lebens.<<

Er würde die Wassermagie nicht zurückziehen, wo bliebe da der Droheffekt? >>Aber weil du hässlich wie die Nacht bist und dich eh keiner will, erlaube ich dir, weiterhin an Land zu bleiben. Solltest du aber jemals wieder mir oder einen der meinen Schaden zufügen, schwöre ich dir bei allen Göttern, dass ich dich mitnehmen und ins Meer schleifen werde. Dort kette ich dich an einen Stein und warte bis die Haie deinen Körper zerfleischt haben.<<

Diese Drohung garnierte er mit ein paar schönen, gefährlichen Haibildern. Damit zog er Lucien wieder aus dem Wasser und warf ihn an Land, wobei er die Wasseratmung von dem Jungen nahm und dessen Körper jetzt wieder den Schmerzen der Luftanpassung ausgesetzt war. Nicht sein Problem.

Zac wartete nicht bis Luci sich erholt hatte. Der Kerl war ihm gleichgültig. Stattdessen sprang er selbst kopfüber ins Wasser, umarmte die Verwandlung und schwamm nach Hause.

Der Typ würde ihn nie wieder belästigen.

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