Kapitel 1.2 - Wiedersehen macht Freude - aber nicht lange

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40. Jir'Lore, 2145 n.n.O

Müde und mit schmerzenden Beinen trieb ich aus Ricos Training heraus. Das würde meinem Muskelkater nicht gut tun. Obwohl das wohl auch keine Rolle mehr spielte. Ich hatte seit mehr als einem Zyklus Dauermuskelkater. Das lag vor allem daran, dass ich nun jeden zweiten Tag zu Riccos Training schwamm.

Nicht, weil es mir Spaß machte – ich hasste Sport nach wie vor.

Nicht, weil ich die Leute nett fand – ich redete nur das Nötigste mit ihnen.

Auch nicht, weil ich fand, gesünder leben zu müssen – ich kam siebzehn Jahre meines Lebens ohne nennenswerten Sport aus und war noch immer nicht umgefallen.

Aber ich hatte Angst.

Els' Übergriff hatte mir gezeigt, dass die Gefahren hier im See nicht nur dahergeredet waren. Sie waren ebenso real wie meine Hilflosigkeit. Genau wie damals bei Trells erzwungenen Kuss und kurz darauf bei meiner Entführung durch Zac. Ich war absolut wehrlos gewesen.

Ich hasste diese Hilflosigkeit.

Ich wollte sie nicht mehr.

Deshalb quälte ich mich jeden zweiten Tag mit Riccos Übungen. Natürlich würde ich niemals einen Eins-zu-Eins-Kampf gegen Ricco oder einen der Krieger gewinnen. Aber vielleicht hatte ich das nächste Mal einen Überraschungsmoment auf meiner Seite.


Völlig erschöpft hing mich einfach in die sanfte Seeströmung und ließ mich von dieser davontragen, sodass ich mich kaum selbst bewegen musste. Natürlich war das langsam, aber ich hatte keine Eile, auf mich warteten nur meine Alpträume. Els spielte darin noch immer die Hauptrolle – und seit neuestem auch eine weitere Komponente: Einsamkeit.

Ich schüttelte mich bei dem Gedanken an das schleichende Gefühl des Alleinseins, das mich Nacht für Nacht verfolgte.

Vielleicht sollte ich doch noch mal in der Schneiderei vorbeischauen, um da noch ein paar Handgriffe zu tun. Es war zwar schon spät und eigentlich war ich durch mit meiner heutigen Arbeit, aber da die Tage länger wurden, war die Sonne noch nicht untergegangen und das Licht würde noch ein bisschen reichen. Außerdem hätte das den Vorteil, dass ich allein arbeiten konnte, denn seit meinem neuen Streit mit Zac, schien ich noch weniger Freunde im Schwarm zu haben. Keiner wollte mehr als notwendig mit mir reden. Vermutlich wurde mir allgemein übel genommen, dass ich sie alle als Haie bezeichnet hatte. Und trotz der Einsamkeit war das keine Strafe. Denn lieber nahm ich das Alleinsein in Kauf als die beständige Panik, die mich bei jeder Gedankenverbindung überfiel.

So wie jetzt.

Ich fuhr zusammen. Instinktiv versuchte ich die Hand, die sich plötzlich aus dem Nichts heraus auf meine Schulter gelegt hatte, wieder abzuschütteln, während mir wieder und wieder die Szenen mit Els durch den Kopf spuhlten und mein Herz zum Rasen brachten.

>>Senga, Meine Güte! Das bin nur ich!<<

Mühsam kämpfte ich meine Panik nieder, schloss die Augen, blinzelte. Durch die Kiemen einatmen. Luft anhalten. Ausatmen. Ich zwang mich, diese simpelsten Körperfunktionen bewusst wahrzunehmen, damit ich mir klar machen konnte, wo ich war. Dann drehte ich mich um. Varon.

Oh.

Spontan erinnerte ich mich an den Moment, als Ricco und ich ihn gefunden hatten.


Nachdem Zac ins Nirgendwo verschwunden war, folgte ich Ricco weiter. Im Gegensatz zu mir, schien er ganz genau zu wissen, wo er hinwollte. Wahrscheinlich hatte er irgendwo in Els Gedanken den Ort gefunden, wo Varon zurückgeblieben war. Also folgte ich ihm – ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Noch immer fühlten sich mein Körper und mein Geist seltsam betäubt an. Als wäre alles um mich herum sehr weit weg und unwichtig.

Das änderte sich schlagartig, als wir zu einer Gruppe angehäufter großer Steine kamen, die den Platz markierte, an dem sich die Kinder morgens für den Unterricht trafen. In deren Schatten unauffällig verborgen lag Varons zierliche Gestalt – zusammengerollt, wie ein Aal schlief er friedlich den Schlaf der Betäubten. Mir wäre er nicht einmal aufgefallen, wenn Ricco nicht plötzlich wie ein Pfeil auf ihn zugeschossen wäre, um ihn besorgt in die Arme zu nehmen und ihm mit einer Hand besorgt über die Wange fuhr. Ich blinzelte. Ich hatte diese zärtliche Geste schon öfter im Schwarm gesehen und wusste mittlerweile, dass sie das Unterwasser-Äquivalent der Flussmenschen zu einem Kuss war.

Und wirklich würde ich nie den Ausdruck zwischen Sorge und Sanftmut in Riccos Gesicht vergessen, als er sich zu Varon hinabbeugte, um ihn dann ganz menschlich und ganz sanft auf die Lippen zu küssen. Oh.


Noch immer kam mir dieser Anblick komisch vor. Ich hatte noch hie gesehen, dass sich zwei Männer küssten. Verlegen starrte ich Varon an, wohl wissend, dass er jeden meiner Gedanken mitverfolgen konnte. >>Es – es ist nicht – nicht böse gemeint...<<, stammelte ich, um meine Gedanken zu entschuldigen. >>Ich – zu Hause – gibt es so etwas nicht.<<

Varon zog eine Augenbraue hoch, das konnte er ausgesprochen ausdrucksstark, obwohl er ein sonst typisch ausdrucksloses Flussmenschengesicht hatte und seine Mauer auch nicht das kleinste Fitzelchen von seinen Gefühlen preisgab. So etwas hatte ich bisher nur bei Zac erlebt, wenn er wütend war und sich stark zusammengerissen hatte. >>Muss traurig sein, wenn es bei dir keine Liebe gibt<<

Argh! So meinte ich es auch nicht. Natürlich gab es Liebe, aber eben normale-

Wieder zog er eine Augenbraue hoch – diesmal die andere. >>Normale?<<

>>Boar dann hör auf, meine Gedanken zu lesen, wenn es dir nicht passt! Es ist nicht fair, dass ich mich für meine Gedanken rechtfertigen muss!<<, schnappte ich nun wütender zurück, und sei es nur, um die Schuldgefühle und das schlechte Gewissen zu überdecken. Ich mochte Ricco, er hatte mich gerettet. Und Varon war auch okay, soweit ich ihn kannte. Ich wollte sie nicht beleidigen oder verletzen. Und trotzdem: Der Gedanke, dass die beiden... Frustriert versuchte ich mich auf was anderes zu konzentrieren. Es war schwer, bewusst nicht an etwas zu denken.

Da ließ Varon seine Mauer ein Stück durchlässiger werden und ich spürte sein Lachen in meinem Kopf. Pure Freude, obwohl auch sein Gesicht nach wie vor völlig ausdruckslos war. >>Oh man, Senga. Ich hab grad zum ersten Mal verstanden, warum Zac dich mitgebracht hat.<<

>>Na danke. Oder so.<< Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte. Wieder hörte ich sein Lachen in meinem Geist und widerwillig musste ich auch lächeln – Lachen war bei Flussmenschen einfach zu ansteckend. Und trotzdem hatte er mich neugierig gemacht. >>Na dann teile doch deine Erkenntnis mit mir – ich wüsste es nämlich gern.<<

>>Das musst du ihn schon selbst fragen.<<

Ich resignierte innerlich und jedes Lächeln verging mir. Genau genommen hatte ich das sogar getan. Im Streit. Kurz nachdem ich ihm Vergewaltigungsabsichten unterstellt hatte. Das hatte wohl auch nicht dazu beigetragen, dass er mir eine vernünftige Antwort geben wollte. Bei dem Gedanken daran, verknotete sich mein Magen unangenehm .

Plötzlich spürte ich Varon seufzten. >>Ihr solltet wirklich mal miteinander reden.<<

Auch ich seufzte. >>Immer wenn wir miteinander reden, schreien wir uns am Ende an. Und wenn wir es irgendwie schaffen, das nicht zu tun, endet alles im verkrampften Schweigen. Ich glaube nicht, dass wir uns noch viel zu sagen haben.<<

>>Aber-<<

>>Varon. Ich habe seit fast drei Zyklen nicht mehr mit Zac gesprochen. Seit Els-<< Ich stockte und krampfte mich zusammen, als einige der Erinnerungen wieder hochkamen.

Das tiefe Bedauern, das mir von Varon entgegenkam, als er die Szenen in meinem Geist mitverfolgte, machte es nicht besser. >>Senga...<<, setzte er erneut an und klang unendlich viel ernster, als noch vor wenigen Augenblicken. >>Was ich eigentlich sagen wollte, warum ich hier bin<<, setzte er an und unterbrach sich, auf der Suche nach den richtigen Worten. Dann richtete er sich auf und sah mich direkt an, als er seine Gedanken nun geordneter herausbrachte: >>Es tut mir leid. Hätte ich nicht-<<

Erstaunt sah ich ihn an, als mir klar wurde, worauf das hinauslief. Das konnte doch nicht sein ernst sein! >>Varon!<<, unterbrach ich ihn scharf, ehe er weitersprechen konnte. Ich spürte sein verblüfftes Schweigen still in meinem Geist wieder hallen.

Jetzt war ich es, die nach Worten suchte: >>Es ist gut – wirklich. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich habe die Situation wirklich immer und immer wieder im Kopf durchgespielt. Und da sind so viele Dinge: Ich hätte nicht allein wegschwimmen dürfen. Ich hätte nicht allein mit ihm reden dürfen. Ich hätte hinterfragen müssen, dass ich dich nicht gesehen habe. All das hätte ich anders machen können. Aber trotzdem ist es nicht meine Schuld.<< Ich erwiderte seinen Blick geradeheraus und hoffte, dass er spürte, dass ich es genauso meinte, wie ich es sagte. >>Und deine genauso wenig. Du bist für Els Taten nicht verantwortlich. Ebenso wenig wie ich oder Zac oder Ivory. Nur Els selbst.<<

Ich atmete durch meine Kiemen so tief ein und aus, dass wieder kleine Luftbläschen um mich herum aufstiegen – und fühlte mich erleichtert. Diese Erkenntnis hatte ich schon vor Tagen gehabt. Sie jetzt jemanden direkt zu sagen, fühlte sich an, als würde ich sie vor mir selbst bestätigen und untermauern. Niemals würde ich jemand anderen als Els dafür die Schuld geben – und irgendwann würde ich ihn vielleicht dafür zu Rechenschaft ziehen können, aber auch nur ihn und niemand anderen.

Varon sah mich an und schwieg. Außer seiner Mauer spürte ich nichts. Schließlich nickte er langsam. >>Du überrascht mich heute schon zum zweiten Mal, Senga.<<

Ich war mir nicht sicher, ob das ein Kompliment war. Bei diesem Gedanken schwappte wieder ein Lächeln zu mir herüber. >>Doch. Das ist es.<<

Verlegen sah ich beiseite und suchte erfolglos nach Worten, als plötzlich etwas unserer beider Aufmerksamkeit auf sich zog: Ein gutes Stück von uns entfernt, direkt am Eingangsbereich des Sees zogen sich schillernde Farben wie bunte Regenbögen durchs Wasser. Genauso wie an dem Tag, als ich mit Zac hier angekommen war, als die komische Statue das Wasser bunt gefärbt hatte. Der Gedanke versetzte mir einen Stich, doch die plötzliche Aufregung, die von Varon zu mir herüberschwappte, lenkte mich von den deprimierenden Gedanken ab.

>>Das muss Varona sein!<<, murmelte er, mehr zu sich selbst, als tatsächlich zu mir. Trotzdem spürte ich seine Freude bei diesem Gedanken deutlich. Mit einem matten Lächeln gab ich ihm einen Stups. >>Na geh schon. Der ganze Schwarm scheint sich ja schon seit Ewigkeiten auf sie zu freuen.<<

>>Komm mit! Du wirst Varona sicher mögen.<<

>>Ich überleg es mir. Schwimm schon mal vor. Ich kann eh nicht mit dir mithalten.<<

Varon sah mich kurz kritisch an. Dann nickte er zögernd und löste sich von mir. Als er schon ein paar Meter weit geschwommen war, drehte er sich noch mal zu mir um, >>Aber denk wirklich darüber nach!<<, rief er mir zu und ich nickte. Wir wussten beide, dass das gelogen war. Sollten doch alle aufgeregt Varona begrüßen gehen. Mir war es egal. Ich wollte sie nicht kennen lernen.

Aber ich würde es wohl trotzdem müssen.


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Lichtis Quatschecke:

Soooo - da ist es jetzt. Das erste Kapitel vom 3. Teil! Ach ich bin so aufgeregt! :D

Ich hoffe ja, dass es dem ein oder anderem gefällt! Lasst es mich wissen wenn ja! :D
Und wenn nicht: Ich bin gespannt warum! (Auch auf Inhalts-, Grammatik-, Rechtschreibfehler und/oder Verbesserungsvorschläge könnt ihr mich jederzeit hinweisen, egal ob hier oder in einem anderen Kapitel. Ich bin immer dankbar für Kritik!)

Wie dem ein oder anderem vielleicht aufgefallen ist, habe ich in diesem Teil kein Kapitel "Charakterdesign" drin. Das liegt vor allem daran, dass keine wichtigen, neuen Charaktere vorkommen. Außerdem wollte ich meiner Freundin nicht schon wieder mit Gequengel nach neuen Bildern in den Ohren liegen. xD
Da ich ihre wunderschönen Bilder aber nicht versauern lassen will (ist einfach zu schade drum), werde ich sie wieder als Kapitelanfangsbilder einfügen. ^^

Apropos Kapitel: Dieser Teil ist auf 13 Kapitel festgesetzt und ich habe vor, nach Möglichkeit jeden Freitag/Samstag zu updaten, sofern mir nix dazwischen kommt.

Sooooo - das war es jetzt aber von mir!

Ich wünsche euch noch was Wunderschönes, das euch zum Lachen bringt! ^^

Liebe Grüße,

Lichti :)

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